Verlag von Georg Thieme in Leipzig.
Deutsche Medizinische
Begründet von Dr. Paul Börner. .
Herausgeber \VOf h Ptl SC 11 fif t
Prof. Dr. Julius Schwalbe, Geh. San.- Rat in Berlin. * V WVl 1V/11ÜV/1 11 11t.
Oberstabsarzt Prof. Dr. Schwiening. — Dr. Mamlock. 1914 (XL Jahrgang)
Wöchentlich eine Nummer von 6—7 Bogen (48—56 Seiten Text).
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HEALTH
SCIENCES
Loci
Rauber's Lehrbuch
der
Anatomie des Menschen.
Neu bearbeitet und herausgegeben
Prof. Dr. Fr. Kopsch
Privatdozent und Oberassistent am Anatom. Institut der Universität Berlin.
In 6 Abteilungen.
Abteilung 5: Nervensystem.
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Zehnte vermehrte und verbesserte Auflage.
LEIPZIG 1914.
Verlag von Georg Thieme.
h
Copyright 1914 by Georg Thieme, Leipzig, Germany,
Inhalt von Abteilung V.
Besonderer Teil.
Die Lehre von den Nerven. Neurologia.
A. Allgemeine Neurologie. Seite
1. Vorbemerkungen 1
Geschichtliches 2
2. Das neurale Segment 3
3. Die Formelemente des Nervensystems und ihr Zusammenhang 4
4. Neuronen I., II. usw. Ordnung 9
5. Kerne und Zentren, Bahnen und Bündel, Wurzeln und Wurzelfasern '9
6. Physiologische Einteilung der Neuronen 11
7. Weiße, graue, gelatinöse Substanz 12
8. Organstruktur der peripherischen Nerven 12
9. Organstruktur der peripherischen Ganglien 13
10. Verbindung der Nervenfasern und Nerven: Plexusbildungen, Anastomosen 14
11. Die Methoden der Untersuchung des Nervensystems 17
B. Spezielle Neurologie.
I. Das Rückenmark, Medulla spinalis 19
1. Form und Lage des Rückenmarkes 19
2. Furchen und Stränge des Rückenmarkes 22
3. Hüllen des Rückenmarkes 24
4. Gefäße des Rückenmarkes 32
5. Querschnittsbilder des Rückenmarkes 33
6. Der Zentralkanal, Canalis centralis 37
7. Massenverhältnis der grauen und der weißen Substanz 37
8. Feinerer Bau des Rückenmarkes 38
II. Das Gehirn, Encephalon 64
1. Form und Lage 64
2. Allgemeine Übersicht des Gehirns 65
3. Einteilung des Gehirns 66
4. Gewicht, Volum, Oberfläche 67
5. Die einzelnen Gehirnabteilungen 71
A. Das verlängerte Mark, Medulla oblongata 71
B. Das Hinterhirn, Metencephalon 80
C. Isthmus rhombencephali 92
D. Das Mittelhirn, Mesencephalon 93
E. Das Zwischenhirn, Diencephalon 97
F. Das Endhirn, Telencephalon 114
I. Äußere Oberfläche der Hemisphären 117
II. Ventrikuläre Oberfläche der Hemisphären 134
III. Die grauen Kerne des Endhirns 137
IV. Die weiße Substanz des Endhirns 139
6. Die Wurzeln der Hirnnerven 148
7. Die Hüllen des Gehirns, Meninges 150
IV Inhalt.
Seile
8. Gefäße des Gehirns 163
9. Blick auf die Entwicklung des Gehirns 165
10. Feinerer Bau des Gehirns 174
11. Ursprung der Hirnnerven 223
12. Morphologische Stellung der Hirnnervenkerne 234
13. Skeletotopie des Gehirns 234
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems 235
III. Die Hirnnerven, Nervi cerebrales 293
I. Nervi olfactorii 294
II. N. opticus 294
III. N. oculomotorius 297
IV. N. trochlearis 299
V. N. trigeminus 300
VI. N. abducens 316
VII. N. facialis 316
VIII. N. acusticus 322
IX. N. glossopharyngeus 323
X. N. vagus (pneumo-gastricus) 325
XI. N. accessorius 332
XII. N. hypoglossus 334
IV. Die Rückenmarksnerven, Nervi spinales 336
A. Rami posteriores der Spinalnerven 342
B. Rami meningei der Spinalnerven 348
C. Rami anteriores der Spinalnerven ■ 349
1. Das Halsgeflecht, Plexus cervicalis 350
2. Das Armgeflecht, Plexus brachialis 354
3. Das Lendengeflecht, Plexus lumbalis 383
4. Das Kreuzbeingeflecht, Plexus sacralis 393
5. Das Schamgeflecht, Plexus pudendus 409
6. Das Steißbeingeflecht, Plexus coecygeus 413
D. Rami communicantes 413
Bau der cerebrospinalen Nerven und Ganglien 415
Die Beziehungen der Neuromeren, Myomeren und Dermatomeren zueinander . 419
Skierozonen und Dermatomeren 422
Eintritt der Nerven in die Muskeln und Verästelung in ihnen 423
Vergleichung der Hirn- und Rückenmarksnerven 425
V. Das vegetative, sympathische oder Gangli en nervensy stem, Systema
nervorumsympathicum 427
1. Der Grenzstrang und seine Ganglien 428
2. Rami communicantes 430
3. Die peripheren Verzweigungen des Sympathicus 431
4. Von dem Sympathicus der Tiere 451
5. Entwicklung des Sympathicus 452
6. Elementarer Bau des Sympathicus 453
7. Verbreitungsgebiet und physiologische Faserarten des Sympathicus 456
8. Nervenendigungen im Verbreitungsgebiet des Sympathicus 458
9. Faserverlauf im Sympathicus 463
Register 465
V. Die Lehre von den Nerven. Neurologia.
A. Allgemeine Neurologie.
1. Vorbemerkungen.
Die bisher betrachteten Organe dienen der Bewegung, Ernährung und Fort-
pflanzung. Sie nehmen .zusammen den überwiegenden Teil der Körpermasse in
Anspruch. Aber es fehlen noch die Systeme der Nerven und der Sinnesorgane
und mit ihnen viele der wichtigen somatischen und alle psychischen Leistungen.
So ist also nunmehr das Nervensystem und darauf die Gruppe der Sinnesorgane
in Betracht zu ziehen.
Blicken wir zur Orientierung auf das aus dem Früheren bereits bekannte
Querschnittschema des Körpers, so sind die noch ausstehenden Systeme
einfach durch zwei Ringe vertreten, den neu-
ralen (Fig. 1 , 2) und den epidermalen ( 1 ). Beide
Ringe, welche mit Bezug auf den ganzen
Körper Röhren darstellen, waren ursprüng-
lich miteinander verbunden; ihre Trennung
ist eine nachträgliche Erscheinung (Allgem.
Teil, S. 154); der epidermale Ring war ur-
sprünglich nichts anderes, als die periphere
Fortsetzung des neuralen. Dem Wesen nach
bildet folglich ein einheitliches Doppelrohr
die Grundlage alles Folgenden.
Damit das Nervensystem seine den
übrigen Körper bis zu einem gewissen Grade
beherrschenden, teilweise somatischen, teil-
weise psychischen Funktionen ausüben könne,
ist es zu demselben in innige Beziehungen
gesetzt und durchdringt ihn in ausgedehn-
tester Weise. Es ähnelt hierin dem Gefäß-
system; an vielen Orten sind die Bahnen sogar gemeinsam. Und wie das Gefäß-
system einen zentralen und einen peripherischen Teil erkennen läßt, so ist es auch
mit dem Nervensystem der Fall. Das Gefäßsystem ist seinerseits reichlich mit Nerven
versorgt. So läßt sich schon jetzt vermuten, dem Nervensysteme falle unter anderem
die hohe Aufgabe zu, den Körper mit seinen verschiedenartigen Organen und
Funktionen zu einem einheitlich wirkenden, harmonisch tätigen Ganzen zu gestalten.
Der zentrale Teil, das Zentralnervensystem, Systema nervorum
centrale, besteht aus dem Gehirn und dem Rückenmark. Der peripherische
Teil, das peripherische Nervensystem, Systema nervorum periphericum,
Rauber-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. ]
Fig. 1.
Lage des zentralen Nervensystems (2).
2 Besonderer Teil. Allgemeine Neurologie.
enthält die peripherischen Nerven und die mit ihnen in Verbindung stehenden
peripherischen Nervenknoten, Ganglien. Letztere sind wieder von zweierlei
Art, und zwar cerebrospinale und sympathische Ganglien. Die sympathischen
Ganglien bilden mit zahlreichen, sie unter sich selbst und mit dem cerebrospinalen
Systeme verbindenden und von ihnen ausgehenden Nervenfäden ein teilweise
selbständiges System, das sympathische oder vegetative, splanchnische
Nervensystem, den Sympathicus.
Geschichtliches.
Während Diogenes von Apollonia, 450 v. Chr., den Ruhm bewahrt, im Altertum der
erste genaue Kenner der Blutgefäße gewesen zu sein, führen die ältesten Nachrichten über
wichtige Funde am Nervensystem auf Aristoteles (384 — 322) zurück. Er lehrte die Nerven
von den Sehnen unterscheiden. Der Name vevqov, Sehne, Flechse, Nerv, weist noch auf die ur-
sprüngliche Bedeutung hin. Vom Gehirn und seinen Funktionen hatte Aristoteles dagegen höchst
unzureichende Vorstellungen. Galen (131 — 201) stellte die Lehre des Erasistratus, daß Bewegungs-
und Empfindungsnerven unterschieden werden müßten, experimentell fest, indem er die Folgen
von Nervendurchschneidungen studierte. Er zeigte ferner, daß die Nerven teils vom Gehirn, teils
vom Rückenmark entspringen. Letztere werden von ihm nach den Regionen unterschieden und
die Hirnnerven in 7 Paare getrennt; es sind folgende: Opticus, Oculomotorius und Trochlearis,
Trigeminus, Palatinus, Acusticus und Facialis, Vagusgruppe, Hypoglossus. Den Olfactorius der
Späteren beurteilt er richtig als Hirnteil. Vom Gehirn sind eine Anzahl von Tatsachen gut dargestellt:
an dem ihm bekannten Infundibulum cerebri wird eine Verbindung mit der Nasenhöhle angenommen.
Wenn hiernach auch die Kenntnis von Empfindungs- und Bewegungsnerven bis in
das griechische Altertum hinaufreicht, so dauerte es doch noch viele Jahrhunderte, bis durch
Charles Bell (1811) der weitere Fortschritt gemacht wurde durch den Nachweis, daß jeder Nerv
typisch mit zwei physiologisch verschiedenen Wurzeln aus dem Zentralorgan hervorgeht, einer
ventralen, zentrifugalen, motorischen, und einer dorsalen, zentripetalen, sensiblen.
Die Bedeutung des Gehirnes als nervöses Zentralorgan und Sitz der seelischen Funktion
war im Altertum keineswegs allgemeine Annahme, obwohl einzelne, wieAlkmaeon, im 6. Jahrh.
v. Chr., und Piaton sich für diese Lehre ausgesprochen hatten. Aristoteles glaubte, das Herz
sei der Sitz des Bewußtseins; Galen dagegen lehrte, der Ursprung der Nerven sei im Gehirn
und im Herzen. Soemmerring hielt die Ventrikelflüssigkeit des Gehirnes für den Sitz des Be-
wußtseins. Versuche mit Entfernung des Großhirnes und die Beweisführung für seine psychische
Bedeutung wurden erst in den ersten Jahrzehnten des achtzehnten Jahrhunderts unternommen
(Desmoulins, Flourens u. a.). Der Nasenschleim galt sehr lange als ein Abfluß und eine
Funktion des Gehirnes durch das Siebbein.
Das Rückenmark wurde sehr lange Zeit nur als Nervenstamm für den Rumpf und für die Extremi-
täten betrachtet; erst das Studium der Reflexbewegungen bahnte einer richtigen Anschauung den Weg.
Von der neueren verwickelten Geschichte des Gegenstandes wird an späteren Stellen
die Rede sein. Hervorzuheben ist hier nur der Umstand, daß durch die neueren mikroskopischen,
entwicklungsgeschichtlichen, vergleichenden und physiologischen Untersuchungen ein außerordent-
lich umfangreiches und großartiges Material an Tatsachen bereits gewonnen worden ist und in
rascher Folge ferner gewonnen werden wird. Die neueren Methoden gestatten es, keine primitive
Nervenfibrille im Zentrum und in der Peripherie mehr zu übersehen, sondern die Bahn einer jeden
sicher zu verfolgen. Es läßt sich sogar behaupten, daß der Bauplan des Nervensystemes durch
die neueren Methoden im wesentlichen bereits aufgeklärt worden ist. So haben denn die seiner-
zeit berühmten, von Fantoni vor zwei Jahrhunderten gesprochenen Worte ihre Berechtigung mehr
und mehr verloren: Obscur.a textura, obscuriores morbi, functiones obscurissimae.
Was letztere betrifft, so hatte man sich das Wesen der peripheren Nervenwirkung ver-
schieden vorgestellt. Die einen nahmen an, die Vorgänge an den peripheren Nerven fänden nach
Art von Klingelzügen statt; andere glaubten, die Nerven seien eine Art Saiten, welche Schwingungen
fortpflanzen. Die erste Molekulartheorie stammt von N. Robinson (1630); er nahm in den
Nerven eine große Anzahl kleinster Teilchen an, die ihre Schwingungen einander mitteilen. Die
meisten indessen glaubten, in den Nerven zirkuliere eine Flüssigkeit oder ein Gas, welche durch
Unterbindung zurückgehalten werden könnten. Newton hielt den Äther für das mögliche Nerven-
Vorbemerkungen. — Das neurale Segment. 3
prinzip. Die ersten Angaben über die elektrische Natur des letzteren stammen von Hausen (1743)
und de Sauvages (174-1). Die Erkennung der elektrischen Beschaffenheit des Schlages der Zitter-
fische (1773), die Entdeckung der tierischen Elektrizität durch Galvani und seine Nachfolger, die
Wahrnehmung der gesetzlichen Erscheinungen der elektrischen Nervenreizung bahnten in der Folge
der elektrischen Theorie der Nervenleitung den Weg. Doch gelang es erst 1843 du Bois-Reymond
durch die Entdeckung der negativen Schwankung des Nervenstromes und des Elektrotonus, eine
elektrische Theorie der Nervenleitung aufzustellen. 1850 führte Helmholtz die erste Messung
der Leitungsgeschwindigkeit im lebenden Nerven aus, welche sich als auffallend klein heraus-
stellte, während J. Müller noch 1844 sie für unmeßbar groß erklärt hatte (siehe S. 12).
L. Stieda, Geschichte der Entwicklung d. Lehre von den Nervenzellen, Festschrift für
Kupffer, Jena 1899.
2. Das neurale Segment.
Das zentrale Nervensystem weist nur noch Andeutungen metamerer Gliederung
auf; ihre Spuren müssen durch mühsame, vergleichend anatomische und entwick-
lungsgeschichtliche Untersuchungen verfolgt werden. Am peripherischen Nerven-
Fig. 2.
Querschnitt des zentralen und des peripherischen Nervensystems des Menschen.
1 Fissura mediana anterior des Rückenmarkes; 1' Sulcus medianus posterior; 2 motorische Wurzel; 3 sensible Wurzel;
4 Ganglion spinale; 5 Nervus spinalis; 6 Ramus posterior; 7 Ramus anterior.; 8~Kamus communicans; 9 Ramus menin-
geus; 10 Ganglion sympathicum; 11 Ramus cutaneus lateralis; 12 hinterer, 13 vorderer Endast von 11; 14 Ramus cutaneus
anterior; 15 und 16 medialer und lateraler Endast desselben. Der Rückenmarksquerschnitt zeigt das X oder H der grauen
Substanz mit dem Zentralkanal in der grauen Commissur; um die graue Substanz liegt der weiße Markmantel.
System dagegen ist die segmentale Anordnung in höherem Maße erhalten, viel
deutlicher als bei allen anderen Körpersystemen.
Das Nervensegment zeigt folgenden Typus:
Aus dem Zentralorgan (Fig. 2, 1 — 1) geht jederseits eine ventrale oder vordere
motorische Nervenwurzel, Radix anterior (2) hervor, welche sich lateral-
l*
4 Besonderer Teil. Allgemeine Neurologie.
wärts wendet; ihr kommt eine dorsale oder hintere, wesentlich sensible Nerven-
wurzel (3) entgegen, Radix posterior, welche zu einem Ganglion (4) anschwillt,
dem Ganglion spinale. Mit diesem Ganglion geht die vordere Wurzel keine
Verbindung ein, sondern legt sich ihm nur an, oder wird in einer Furche des
Ganglion aufgenommen. Jenseits des Ganglion spinale verbindet sich die vordere
mit der hinteren Nervenwurzel zum kurzen gemeinsamen Stamm des Spinalnerven,
Nervus spinalis (5). Der letztere teilt sich alsbald typisch in eine Gruppe von
vier verschiedenen, gemischten Zweigen, welche verschiedene Teile der Körper-
peripherie aufsuchen :
1. Ramus posterior (6); er wendet sich nach hinten zur Versorgung der Musku-
latur und Haut des eigentlichen Rückens, indem er mediale und lateraleZweige entsendet.
2. Ramus anterior (7); er wendet sich in der Leibeswand nach vorn und
sendet auf seinem Wege zwei typische Zweige ab, a) einen seitlichen, Ramus
cutaneus lateralis (11), der sich wieder in einen hinteren und vorderen Zweig
teilt und einen großen seitlichen Hautstreifen versorgt; b) einen vorderen, Ramus
cutaneus anterior (14), welcher das vordere an die Medianlinie grenzende Haut-
gebiet zu innervieren hat. Mit seinen übrigen Bestandteilen versorgt der Ramus
anterior vor allem die gesamte ventrale Muskulatur, welcher auch die Muskulatur
der Extremitäten angehört.
3. Ramus meningeus (9). Dieser feine, aber systematisch wichtige Zweig
wendet sich, nachdem er ein Fädchen vom folgenden Aste, dem Ramus com-
municans, aufgenommen hat, rückläufig durch das Foramen intervertebrale in den
Wirbelkanal und löst sich in Fäden auf, welche das Rückenmark und seine Hüllen,
sowie die Wände des Wirbelkanals und dessen übrigen Inhalt mit Zweigen versehen.
4. Ramus communicans (8); dieser wichtige gemischte Ast ist vor allem
für die Eingeweide und Gefäße bestimmt und tritt für diesen Zweck mit dem
Grenzstrange des Sympathicus (10) in innige Verbindung, macht einen Bestandteil
des letzteren aus, führt aber auch Faserzüge aus dem Sympathicus in das cerebro-
spinale System hinüber.
In der geschilderten Form tritt uns das neurale Segment nur im Brustteil des Körpers entgegen;
im Lendenteil bedingt bereits die Gegenwart der unteren Extremitäten gewisse Änderungen.
Im Hals- und besonders im Kopfteil des Körpers sind die Änderungen bedeutender, wie bereits
oben angedeutet worden ist.
Was die Lage des neuralen Segmentes im Körper betrifft, so liegt ein zentraler Teil in dem
Wirbelkanal und in der Schädelhöhle, ebenso die abgehenden Nervenwurzeln. Die Lagerstätte
der spinalen Ganglien ist im allgemeinen das Foramen intervertebrale. Die Bahn des hinteren,
vorderen, rückläufigen und medialen Astes, sowie die Lage des Sympathicus ergibt sich nach dem
vorigen leicht aus den bereits bekannt gewordenen Verhältnissen des Bauplanes des Körpers
(Fig. 1) und des Gefäßsegmentes (Fig. 184, 185, Abt. III).
3. Die Formelemente des Nervensystems und ihr Zusammenhang.
Das Nervensystem besteht hauptsächlich aus Nervengewebe, d.h. aus Neuronen
und aus Neurogliazellen; doch beteiligen sich an seinem Aufbau Bindegewebe und
Muskelgewebe, welche als Blut- und Lymphgefäße in reicher Menge vorhanden sind.
Alle diese Formbestandteile sind bereits im allgemeinen Teil geschildert worden.
An dieser Stelle ist noch einiges über den Zusammenhang und das Verhältnis
der einzelnen Elemente zu einander nachzutragen, um die wesentlichen Grundsätze
der Organstruktur des Nervensystems zu zeigen.
Die Formelemente des Nervensystems und ihr Zusammenhang.
a) Nervenzellen.
Wir haben gesehen, daß die Neuronen nach der Zahl ihrer Fortsätze als uni-,
bi- und multipolare Elemente unterschieden werden. Neben dieser Einteilung ist
eine andere vorhanden, bei welcher die größere oder geringere Länge der Neuriten
das unterscheidende Merkmal darstellt.
«. Zellen mit langem Neuriten oder Golgische Zellen des 1. Typus;
der Nervenfortsatz wird bei ihnen, nachdem er eine Anzahl feiner Seitenästchen,
Kollateralen, abgegeben haben kann, zum Axenzylinder einer markhaltigen
Nervenfaser. Innerhalb dieser Gruppe gibt es Neuronen mit sehr verschieden
langem Neuriten. Die längsten können beim Menschen länger als ein Meter sein.
ß. Zellen mit kurzem Neuriten oder Gol-
gische Zellen des 2. Typus; bei ihnen löst
sich der Nervenfortsatz in der Nähe des Zell-
körpers unter fortwährender Teilung alsbald in
ein dichtes nervöses Astwerk auf. Fig. 3.
Da der Nerve'nfortsatz aus einer mehr oder minder
großen Anzahl von Fibrillen besteht, so ist die Astabgabe
und Teilung nur als ein Auseinandertreten der Einzelfibrillen
zu beurteilen.
b) Nervenfasern.
Die Nervenfasern des Zentralnervensystems
sind teils markhaltig, teils marklos. Erstere weichen
von dem im allgemeinen Teil geschilderten Bau
insofern ab, als sie keine Schwannsche Scheide
besitzen. Sie sind nur von einer dünnen Hülle
umgeben.
Von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, daß
im fetalen Zentralnervensystem zunächst keine Markschei-
den vorhanden sind. Diese bilden sich zu bestimmten
und zwar für die einzelnen Teile verschiedenen Zeiten.
(Flechsig.) Noch beim Neugeborenen und sogar im
späteren Alter sind zahlreiche Faserzüge marklos. Man
nimmt an, daß noch bis in das späte mittlere Lebensalter
Fasern sich mit Mark umgeben, welche bis dahin marklos waren, und erklärt diese eigentümliche
Erscheinung damit, daß die marklos angelegten Fasern dann einen Markmantel bekommen, wenn
sie in Benutzung genommen werden.
c) Nervenfaserfilz und Nervennetz. Fig. 4, 5.
Wir wissen schon aus der Gewebelehre, daß die Fortsätze der Neuronen, und
zwar die Dendriten sowie der Neurit und dessen Kollateralen sich unter fortge-
setzten Teilungen verästeln und dadurch sogenannte Endbäumchen, Teloden-
dren, bilden. Die feinsten Äste dieser Endbäumchen bestehen schließlich nur
aus einer einzelnen Neurofibrille und etwas Perifibrillarsubstanz (Bethe).
Der Sinn dieser Einrichtung ist leicht verständlich; es vergrößert sich durch sie die wirk-
same Oberfläche und das zu beherrschende Gebiet in hohem Grade.
Über die Zustände an den letzten Enden der Endbäumchen bestehen noch
verschiedene Ansichten. Früher nahm man allgemein an, die benachbarten Ast-
werke hingen unmittelbar miteinander zusammen und es erstrecke sich so durch
die Nervenzentren ein weit ausgedehntes, überall durchgreifendes Nervennetz.
(Gerlach 1871, Virchow und auch Golgi, sowie B. Haller.)
Golgische Zelle des II. Typus.
(Nach Schäfer.)
Besonderer Teil. Allgemeine Neurologie.
Dann neigte man unter dem Einfluß der mittels der Golgischen Methode
erzielten Ergebnisse und der darauf begründeten Neuronenlehre dazu, die direkte
Verbindung der Neuronen zu leugnen. Das Nervennetz der früheren Autoren wird
im allgemeinen nur als ein dichter Nervenfaserfilz aufgefaßt, welcher durch das
Ineinandergreifen der Verästelungen verschiedener Neuronen entstünde. Die Ver-
bindung der Neuronen miteinander, welche die physiologische Betrachtung zu
fordern scheint, sollte nur durch Anlagerung und Kontakt oder auch durch sekun-
däre Vereinigung erfolgen (Golgi, Kölliker).
Im letzten Jahrzehnt ist dann wieder auf Grund der Darstellungen der Neuro-
fibrillen das Bestehen eines echten nervösen Netzwerkes beschrieben worden,
welches seinerzeit von J. Ger-
lach bei Wirbeltieren entdeckt
und durch B. Haller für eine
große Zahl von Wirbellosen und
Fischen nachgewiesen worden
war. Es kann wohl kaum be-
zweifelt werden, daß für be-
stimmte Stellen das Nervennetz
durchaus sicher nachgewiesen ist.
Diese Tatsachen haben Veranlas-
sung gegeben zu zahlreichen Schriften
für und wider die Neuronenlehre (N i s s 1
1903, Bethe 1904, Schief ferdecker
1904, Straß er 1907 und andere). Ein-
zelheiten hierüber zu geben, kann nicht
Gegenstand dieser Darstellungsein ; wer
sich dafür interessiert, möge bei den
genannten Autoren nachlesen.
Beim Unterricht brauchen
wir zur übersichtlichen Darstel-
lung eine zusammenfassende Be-
zeichnung für die einzelne Ner-
venzelle plus der Summe aller
ihrer Ausläufer, und dazu ist die Bezeichnung Neuron immer noch geeignet, auch
wenn sich herausstellen sollte, daß alle Neuronen im Nervennetz miteinander zu-
sammenhängen. Wenn man analoge Erscheinungen zur Unterstützung heranziehen
darf, so kann auf das geschichtete Plattenepithel verwiesen werden, dessen ein-
zelne Zellen ebenfalls durch zahlreiche Ausläufer zusammenhängen, und bei
welchem wohl niemand verlangen wird, daß wir den Begriff der einzelnen Zelle
aufgeben.
Im folgenden bezeichnet also das Wort Neuron eine Nervenzelle mit
allen ihren Ausläufern und deren Endigungen.
d) Äußeres Golginetz.
Die Verbindung verschiedener Neuronen findet nicht nur im Nervennetz
durch Verbindung feinster Ausläufer statt. Weit verbreitet ist die Anlagerung
feinerer oder gröberer Äste eines oder mehrerer Neuronen an den Zellkörper und
die Dendriten eines anderen Neuron. Man findet ein Flechtwerk oder Netzwerk
von Fäserchen, Faserkorb, in der Umgebung des Zellkörpers und seiner Aus-
Fig. 4.
Beispiel für die Übertragung der Erregung zwischen den Neuronen
durch Vermittlung der Dendriten und Neuriten; Netzhaut eines
Säugetieres mit Chromsilberimprägnation. (Cajal.)
1 äußere, 2 innere retikuläre Schicht, gebildet durch die Verästelungen
der Neuronen. A und B Neuroepithelzellen = Neuronen I. Ord. ; a, p so-
genannte Horizontalzellen; d, e Äste der Neuronen a und p; c Zelle
deren Fortsätze sich in beiden retikulären Schichten verästeln; /— n so-
genannte Spongioblasten ; o Ganglienzelle.
Die Formelemente des Nervensystems und ihr Zusammenhang. 7
lauter, an welches von außen her stärkere Zweige (Kollateralen, Dendriten anderer
Neuronen) treten. Fig. 5 — 11.
Weitere Untersuchungen haben noch andere feinere Verbindungen aufgedeckt:
Von diesem immerhin noch gröberen Netze gehen nämlich feinere Fäserchen aus,
welche auf der Oberfläche des Ganglienzellkörpers und der Dendriten ein feines
Ilintersirangfasern
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 6. Endigung von Kollateralen an Zellkörpern und
Dendriten von Neuronen.
Es sind Hinterstrangfasern, deren Kollateralen zu Zellen
der Substantia gelatinosa ziehen.
(Nach Cajal aus Bethe.)
Fig. 5. Äußeres Golginetz. Nervenzelle von einem
jungen Hunde. (Veratti, 1900.)
Netz, das äußere Golginetz (Fig. 5, 7, 8) bilden. — Golgi hat es zuerst ge-
sehen und genauer beschrieben. — Er hielt es zuerst für übereinstimmend mit
dem Neurokeratingerüst der Nervenfasern, allein die Untersuchungen von Meyer,
Held, Veratti, Bethe haben gezeigt, daß es aus Neurofibrillen besteht, welche
von einer geringen Menge von Perifibrillarsubstanz umgeben sind. Es soll nicht
unterlassen werden zu bemerken, daß Cajal und Donaggio entgegen der Auf-
fassung von Bethe das äußere Golginetz als einen Bestandteil der betreffenden
8
Besonderer Teil. Allgemeine Neurologie.
Zelle erklärt haben. Nach Bethe aber besteht das äußere Golginetz aus einem
feinen Gitter oder Netz von Neurofibrillen, welche durch Perifibrillarsubstanz zu-
sammengehalten werden, dem Zellenkörper
und den Dendriten von außen dicht auf-
liegen und mit den Faserkörben sowie mit
anderen von außen kommenden Ästen zu-
sammenhängen (Fig. 7 — 9). Die Fibrillen
des äußeren Golginetzes treten in die um-
sponnene Ganglienzelle ein oder umge-
kehrt aus der umsponnenen Ganglienzelle
treten Fibrillen in das äußere Golginetz
aus. Fig. 9.
Fig. 7.
Äußeres Golginetz. (Nach Bethe.) A. Eine Zelle des Nucleus dentatus vom Hund. D. Ein Dendrit A mit dem äußeren
Golginetz, in welches dünne Fibrillenbündel b, c, d, /, g aus der Umgebung übergehen.
Fig. 8.
Fig. 9.
Übergang einer Fibrille aus dem Innern des Protoplasma-
fortsatzes B In das äußere Golginetz.
Von einer Zelle aus der Medulla des Kaninchens.
iXach Bethe.)
Fig. S. Faserkorb, äußeres Golginetz und Neurofibrillen
an derselben Ganglienzelle. (Nach Bethe.)
d, /, g Fasern des Faserkorbes, welche in das äußere Golginetz
übergehen.
Wie man sieht, handelt es sich hier um eine außerordentlich bedeutungsvolle
Einrichtung zur Übertragung der Erregung von einem Neuron auf das andere.
Bethe, A., Allgemeine Anatomie und Physiologie des Nervensystems. Leipzig, G. Thieme 1903.
- Besta, C, Sul reticolo periferico della cellula nervosa nei mammiferi. Internat. Monatsschr. Anat.
Neuronen versch. Ord. Kerne und Zentren, Bahnen und Bündel, Wurzeln und Wurzelfascrn. 9
u. Phys., Bd. 27, 1910. — Haller, B., Zur Wahrung meiner Priorität in Sachen der Kontinuitätslehre
des Zentralnervensystems. Neurolog. Zentralblatt 1907. — Nissl, Fr., Die Ncuronenlehre und ihre
Anhänger, 1903. — Retzius, G., The principlcs of the minutc structure of the nervous system as
revealed by recent investigations. Proc. Royal. Soc. Vol. 80, 1908. — Schief ferdecker, Über
die Neuronen und die innere Sekretion. Sitzber. Niederrh. Ges. Nat.-Heilk., 1905. — Strasser, Über
Neuronen und Neurofibrillen. Bern 1907.
4. Neuronen [., II. usw. Ordnung.
Jedes Neuron leitet die Erregung von einer oder von mehreren Stellen zu
einer oder mehreren anderen Stellen. Dort geht der Impuls, sei es direkt (bei
Annahme des kontinuierlichen Überganges der Neurofibrillen aus einem Neuron
in ein anderes) oder indirekt (bei Annahme der Übertragung der Erregung durch
einfache Anlagerung) auf ein zweites Neuron über. Von diesem wird er in der-
selben Weise auf ein drittes Neuron, von diesem auf ein viertes usw. fortgeleitet.
Zur bequemen Kennzeichnung werden die betreffenden Neuronen als Neu-
ronen [., II., III. usw. Ordnung bezeichnet. Fig. 12 — 14.
Besonders hervorgehoben muß hier noch werden, daß die Erregung eines
Neuron unterer Ordnung auf zahlreiche Neuronen der höheren Ordnung über-
Fig. 10. Fig. 11.
Fig. 10, 11. Anlagerung des Neurtten eines fremden Neuron an den Körper eines andern Neuron unter Bildung
eines Endkelches.
Beide Bilder stellen Zellen des Nucleus trapezoides dar.
Fig. 10 {von Held). Nucleus trapezoides des Kaninchens, fr Neurit des fremden Neuron; k Endkelch; tz Zellkörper
des andern Neuron.
Fig. 11 (von Veratti). Nucleus trapezoides des Meerschweinchens. Vitale Methylenblaufärbung. Blau ist der Neurit
und der Endkelch des fremden Neuron, rot der Zellkörper und Kern des andern Neuron.
geht und daß auf ein einzelnes Neuron von zahlreichen verschiedenen Orten her
Erregungen übertragen werden.
5. Kerne und Zentren, Bahnen und Bündel, Wurzeln und Wurzelfasern.
Die Zellkörper von Neuronen, welche gleiche Funktion besitzen, liegen im
allgemeinen zu Gruppen vereinigt neben- und beieinander; sie bilden ein gegen
die Umgebung in gewisser Weise abgrenzbares Territorium. Solche Zellenkörper-
Gruppen nebst dem von ihren Dendriten und Telodendren anderer Neuronen
durchsetzten Gebiet heißen Zentren oder Kerne, Nuclei. So bedeutet Hypo-
glossuskem die Gesamtheit der Zelleiber usw. derjenigen Neuronen, deren Neuriten
den N. hypoglossus bilden. Sprachzentrum ist derjenige Teil der Hirnrinde, dessen
Zellen bei der Bildung der Sprache wirken.
Nicht nur die Zellkörper und Dendriten von Neuronen derselben Funktion
liegen nahe beieinander, auch die Neuriten ziehen bündelweise über längere
oder kürzere Strecken nebeneinander her. Während des Verlaufes geben sie hier
und da Kollateralen zu benachbarten Kernen und Neuronen, werden allmählich
10
Besonderer Teil. Allgemeine Neurologie.
faserärmer und endigen schließlich an einer bestimmten Stelle. Andere solche
Bündel werden allmählich stärker dadurch, daß sie fortdauernd Zuwachs von neuen
Neuriten bekommen.
Stärkere Bündel von Neuriten werden Bahnen oder Bündel, Fasciculi,
Tractus genannt; für schwächere dienen die Namen Faserzüge oder Fasern,
Fibrae, Fila.
Fig. 12.
Fig. 12—14. Schemata zur Erläuterung der Reizübertragung vom Neuron
I. Ord. auf ein Neuron II. Ord.
Die Pfeile bezeichnen den Weg der Erregung. Fig. 14.
Fig. 12. Vermittelung der Reizübertragung durch ein Endbäumchen (4) des Neuron I. Ord. auf die Verästelung (5)
eines Dendriten (6) des Neuron II. Ord.
Fig. r3, 14. Vermittelung der Reizübertragung durch Endbäumchen von Kollateralen (Fig. 13, 10, 10'; Fig. 14,4,4') des
Neuron I. Ord. auf den Zellkörper (Fig. 13, 11, Fig. 14, 5) des Neuron II. Ord.
Im einzelnen bedeutet in Fig. 12: NI Neuron I. Ord. (Riechzelle); 1 Zellkörper; 2 sein Neurit; 3 Grenze gegen den Riech-
lappen; 4 Endbäumchen; 5 Endbäumchen eines Dendritenstämmchens (6) des Neuron II. Ord. ; 7 Zellkörper des Neuron
II. Ord. ; 8 Neurit desselben.
In Fig. 13 bedeutet; NI Neuron I. Ord.; 1 sein peripherisches Endbäumchen in der Epidermis; 2 Grenze der Epidermis;
3 periphere zentripetale Faser, die wahrscheinlich einem Dendritenstämmchen entspricht; 4 gemeinsamer Ast; 5 Körper
einer Nervenzelle eines Ganglion spinale; 6 aufsteigende zentripetale Faser, die wahrscheinlich einem Neuriten entspricht;
7 Grenze des Rückenmarkes; 8 und 9 Gabelung der Faser 6 in einen aufsteigenden und absteigenden Arm; 10 eine der
Kollateralen mit ihrem Endbäumchen 10'; Nil sensibles Neuron II. Ord. ; 11 Zellkörper; 12 sein Neurit.
In Fig. 14 bedeutet; NI motorisches Neuron I. Ord.; NU motorisches Neuron II. Ord.; 1 Zellkörper des ersteren; 2 sein
Neurit; 3 und 4 Kollateralen des Neuriten 2; 4' Endbäumchen des Neuriten 2 ; 5 Zellkürper des Neuron II. Ord.; 6 sein
Neurit; 7 Grenze des Rückenmarkes; 8 gestreifte Muskelfaser; 9 Endbäumchen der motorischen Endplatte.
Zur Kennzeichnung der verschiedenen Bahnen dienen physiologische und
morphologische Eigenschaften. Vom physiologischen Standpunkt unterscheidet
man sensible (sensorische) und motorische, sowie Verbindungs- oder
Assoziationsbahnen.
Bei der auf morphologischen Charakteren fußenden Bezeichnung der Bahnen, wie sie in den
B. N. A. durchgeführt ist, sind häufig Anfang und Ende der Bahn bei der Namengebung verwendet,
wobei zugleich im Namen die Richtung der Bahn enthalten ist, indem ihr Ausgangspunkt an den
Anfang des Eigenschaftswortes gesetzt ist. Die deutschen Bezeichnungen sind etwas schwerfälliger,
Physiologische Einteilung der Neuronen. 11
geben aber Anfang und Ende oft noch präziser an, z. B. Fasciculus ccrebellospinalis, Kleinhirn-
Seitenstrang-Bahn.
Eine ältere Periode verwandte mit Vorliebe zur Bezeichnung der Kerne und Bahnen Autoren-
namen, welche auch heute nocli vielfach im Gebrauch sind und deshalb ebenfalls gelernt werden sollen.
Die am Zentralnervensystem ein- und austretenden Neuriten- oder Faserbündel
werden als Wurzeln, Radices, bezeichnet; der einzelne Neurit heißt Wurzel-
laser, Filum radiculare. Die Neuriten der motorischen Nerven werden Wurzel-
fasern genannt, bis zum entsprechenden (intervertebralen) Ganglion, oder bis zum
Austritt aus der Dura mater; die Neuriten der sensiblen Nerven heißen Wurzel-
fasern von dem (intervertebralen) Ganglion an bis zum Eintritt in bestimmte Bahnen.
Es herrscht hier jedoch eine gewisse Willkür.
6. Physiologische Einteilung der Neuronen.
Nach der Richtung, in welcher die Neuriten den Reiz leiten und nach der
Lage des Neuron, kann man drei große Gruppen von Neuronen unterscheiden,
zentripetale, zentrifugale, interzentrale Neuronen.
1. Die zentripetalen oder rezeptorischen Neuronen leiten den an der
Peripherie empfangenen Reiz zum Zentrum und geben ihn dort an andere Neuronen
weiter. Sie sind die Nerven der Sinnesapparate (sensorielle Nerven) und ent-
springen an der Peripherie entweder als Fortsätze von Neuroepithelzellen (Riech-
zellen, Sehzellen), oder beginnen (einfach sensible) entweder in peripherischen
Netzen oder in besonderen Endapparaten (Gefühlsnerven) und haben den Zellkörper
an anderer Stelle (im Spinalganglion).
2. Die zentrifugalen oder effectorischen Neuronen leiten durch ihre
Neuriten den Impuls vom Zentrum zu peripherischen Organen. Sie ziehen zur
gestreiften und zur glatten Muskulatur, mj)t_qrj_sche__Nerven. Die Nerven der
letzteren lassen eine wichtige Unterabteilung erkennen, Nerven der Gefäßmusku-
latur, Gefäßnerven. Vasomotorische oder vasokonstriktorische Fasern
sind solche, deren Erregung ein Gefäß verengert; vasodilatierende Fasern
jene, deren Reizung aktive Gefäßerweiterung bedingt. Motorische Nerven, deren
Reizung nicht eine Kontraktion, sondern eine Verlangsamung und einen Still-
stand der Bewegungen hervorrufen, werden Hemmungsnerven genannt. Auch
noch andere funktionelle Unterarten der Gefäßnerven kennt die Physiologie. Zen-
trifugale Nerven, die zu Drüsen gelangen und ihre Funktion beeinflussen, heißen
sekretorische Nerven. Mehrfach wird noch eine besondere Klasse von Nerven
erwähnt, welche trophische Nerven heißen; man nimmt von ihnen an, daß sie auf
die Ernährung der Gewebe einen bestimmenden Einfluß ausüben; doch ist ihr
Vorkommen zweifelhaft, da es sich vielleicht um vasomotorische oder sekretorische
Nerven handelt.
3. Die interzentralen Neuronen dienen zur Verbindung verschiedener Teile
der Zentralorgane. Sie sind nie Neuronen I., sondern stets höherer Ordnung.
Die Länge ihrer Neuriten ist sehr verschieden, denn sie dienen sowohl zur Ver-
bindung benachbarter als auch weit voneinander entfernter Abschnitte der Zentral-
organe. Ihre Tätigkeit besteht also in der Assoziation, sie heißen darum Asso-
zlations-Neuronen.
Auch außerhalb des Zentralnervensystems sind in peripherischen Ganglien und
in peripherischen Nerven interzentrale Neuronen vorhanden.
12 Besonderer Teil. Allgemeine Neurologie.
Die Geschwindigkeit der Reizleitung beträgt an den motorischen Armnerven des Menschen
etwa 34 m in der Sekunde (Helmholtz und Baxt), an Froschnerven 27, an den Nerven des Hum-
mers 6—12 m. Nach neueren Untersuchungen von Piper (Arch. f. ges. Physiol. 1909) beträgt die
Leitungsgeschwindigkeit im markhaltigen menschlichen Nerven 120 m in der Sekunde.
7. Weiße, graue, gelatinöse Substanz.
Die im Vorhergehenden besprochene Anordnung der Neuronen-Zellkörper
zu Gruppen und die Zusammenlagerung der Neuriten zu Bündeln, deren einzelne
Elemente einander parallel verlaufen, bedingt einen großen Farbenunterschied
der Kerne und der Bahnen. Die markhaltigen Neuriten erscheinen weiß und atlas-
glänzend, die Kerne dagegen grau und matt. Vergrößert wird der Unterschied
noch durch die reichliche Versorgung der grauen Substanz mit Blutgefäßen, deren
farbiger Inhalt dem Grau der Kerne einen mit dem Blutgehalt wechselnden röt-
lichen Ton verleiht. Die relative Armut der Bahnen an Blutgefäßen läßt dagegen
den weißen Glanz der markhaltigen Nervenfasern um so mehr hervortreten. Dazu
kommt noch, daß die grauen Kerne an vielen Stellen ebenfalls wieder in großen
Massen beieinander liegen und daß auch die verschiedensten Bahnen nebeneinander
herlaufen.
Der auffallende Unterschied zwischen den Kernmassen und den Bahnen hat
im Verein mit der räumlich bestimmten Lage, die Namen weiße und graue
Substanz, Substantia alba und Substantia grisea veranlaßt. Größere An-
häufungen von Neuroglia bedingen eine gewisse Durchsichtigkeit der betreffenden
Stellen, und solche werden deshalb als Substantia gelatinosa bezeichnet.
Der Pigmentgehalt der Neuronenzellkörper ruft an einigen Orten schwarze,
blaue und gelbliche Farbtöne hervor, Substantia nigra, Locus caeruleus,
Stratum cinereum.
8. Organstruktur der peripherischen Nerven.
Die peripherischen Nerven bestehen aus Nervenfasern, d. h. den Neuriten
motorischer und sensibler Neuronen. Die Nervenfasern sind teils markhaltig, teils
marklos. In den cerebrospinalen Nerven überwiegen die markhaltigen, im Sym-
pathicus die marklosen Nervenfasern. Deshalb sind die ersten weiß, atlasglänzend,
letztere grau. Das Kaliber der einzelnen Nervenfasern ist sehr verschieden; man
findet dicke und dünne Nervenfasern nebeneinander. Fig. 20.
Die einzelnen Nervenfasern werden durch Bindegewebe getrennt, bezw. zu-
sammengehalten. Das Bindegewebe bildet um die einzelnen Nervenfasern dünne
Scheiden, Endoneuralscheiden. Diese bestehen aus feinen kollagenen Fasern
und Endothelzellen. Eine größere Anzahl von Nervenfasern und ihren Endoneural-
scheiden werden durch breitere Züge von Bindegewebe, welches neben kollagenen
auch elastische Fasern und größere Blutgefäße enthält, zu einem Bündelchen ver-
einigt. Die Gesamtheit des zwischen den einzelnen Nervenfasern befindlichen Ge-
webes wird als Endoneurium bezeichnet (Fig. 18). Eine Anzahl solcher Bündelchen
wird umscheidet von mehreren konzentrisch zueinander angeordneten Schichten
(Lamellen) derberen Bindegewebes, dessen einzelne Bündel wesentlich in der Längs-
richtung der Nerven verlaufen. Man bezeichnet sie als Perineurallamellen
und in ihrer Gesamtheit als Perineurium (Fig. 18). Die Räume zwischen den
einzelnen Perineurallamellen sind Lymphspalten, mit Endothelzellen ausgekleidet und
hängen mit den Lymphräumen zusammen, welche das Zentralnervensystem umgeben.
Weiße, graue, gelatinöse Substanz. Organstruktur der peripherischen Nerven.
13
Feine Nerven bestehen aus einem einzigen drehrunden Bündel. Größere
Nerven enthalten mehrere. Der N. ischiadicus, der dickste Nerv des Menschen,
besteht aus zahlreichen Bündeln.
Mehrere Bündel werden wieder durch Bindegewebe zusammengehalten, welches
Blutgefäße und Fettgewebe enthält. Es heißt Epineurium. In größeren Nerven
sind die Bindegewebsbündel des Epineurium derb und fest, das Fettgewebe ist
reichlich, die Blutgefäße sind zahlreich vorhanden.
Die einzelnen Bündel des Nerven teilen sich während ihres Verlaufes. Die
entstandenen Äste legen sich an andere Bündel an und verschmelzen mit ihnen.
Dadurch entstehen die Nervenplexus. (Siehe darüber unter 10.) Im Quer-
schnittsbild des Nerven erkennt man beginnende Teilungen und vollzogene Ver-
einigungen an einer quer durch den rundlichen Querschnitt des Nervenbündels
verlaufenden Scheidewand von Perineurallamellen.
Fig. 15. Fig. 16.
Fig. 15. Querschnitte markhaltiger Nervenfasern, „Sonnenbildchen" aus dem Querschnitt eines peripherischen
spinalen Nerven des Kaninchens. (Krewer, 1894.)
Fig. 16. Zwei multipolare Zellen aus dem Sympathicus.
a aus dem Ganglion cervicale superius; b aus dem Ganglion coeliacum.
Die beschriebenen Strukturen sind am leichtesten zu erkennen am Querschnitt
der Nerven. Längsschnitte und Schrägschnitte sind schwieriger zu deuten, schon
allein darum, weil der Querschnitt der einzelnen markhaltigen Nervenfasern ein
außerordentlich charakteristisches Bild gibt. Der meist geschrumpfte Axenzylinder
liegt im Zentrum oder etwas exzentrisch als punktförmiges Gebilde. Um ihn
gruppieren sich in konzentrischen Ringen die Markscheide mit ihrem Keratingerüst
und das Neurilemm. So entsteht ein Bild ähnlich der symbolischen Figur, mit
welcher die alte Astronomie die Sonne bezeichnete, ein Kreis mit einem Punkt
darin. Deshalb nennt man die Querschnittsbilder der markhaltigen Nervenfasern
auch kurz Sonnenbildchen (Fig. 15). Die Querschnitte der marklosen Nerven-
fasern erscheinen im einfach gefärbten Präparat als kleine Kreise.
9. Organstruktur der peripherischen Ganglien.
Die peripherischen Ganglien sind lokale Anhäufungen von Ganglien-
zellen besonderer Art, welche von zahlreichen Nervenfasern (markhaltigen und mark-
losen) durchzogen werden. In größeren Ganglien treten die Zellkörper mehr in
den Vordergrund, in kleineren mehr die Nervenfasern. Es gibt mikroskopisch kleine
Ganglien, welche nur wenige Zellkörper enthalten.
li
Besonderer Teil. Allgemeine Neurologie.
Die Zeitformen der intervertebralen und der sympathischen Ganglien sind
verschieden. Die intervertebralen Ganglienzellen sind unipolar (Fig. 17), die sym-
pathischen sind multipolar (Fig. 16). Die genaue Darstellung der Formen und die
Art ihrer Verbindung erfolgt in der speziellen Neurologie an entsprechender Stelle.
Hier soll nur das Allgemeine des Aufbaues geschildert werden.
Das Ganglion als Ganzes ist umhüllt von einer nach der Größe des Ganglion
dickeren oder dünneren Kapsel, einer Fortsetzung des Perineurium der zutretenden
Nerven. Den Inhalt des Ganglion bilden Nervenfasern und Ganglienzellen (Fig. 19).
Letztere sind große rundliche Gebilde mit dem für Nervenzellen charakteristischen
großen bläschenförmigen, meist kugeligen und zentral gelegenen Kern, nebst dessen
kugeligen Kernkörperchen. Die Nervenfasern sind von Endoneuralscheiden um-
Bindegewebige Scheide
mit Scheidenzellen
W Peripherische, helle Zone
^r des Protoplasma
/2§
■ ;
-Ursprungshügel des Neuriten
Fig. 17.
Große Spinalganglienzelle des gesunden Menschen (Längsdurchmesser gegen 100 ,") mit bindegewebiger Kapsel.
(Lenhossek.)
hüllt; die Ganglienzellen stecken in besonderen Kapseln wie Nüsse in der Schale.
Diese Kapseln sind eine Fortsetzung der Endoneuralscheiden der Nervenfasern; sie
bestehen aus Bindegewebsfasern und mehr oder weniger zahlreichen Zellen, welche
zwischen der Zelloberfläche und der Innenwand der Faserhülle liegen (Fig. 17).
Diese Zellen, Kapsel-, Mantel- oder Scheidenzellen genannt, stammen ebenso
wie die Ganglienzellen vom äußeren Keimblatt, sie entsprechen den Schwannschen
Zellen der Nervenfasern.
Kohn, A., Über die Scheidenzellen (Randzellen) peripherer Ganglienzellen. Anatom. Anz.,
Bd. 30, 1907.
10. Verbindung der Nervenfasern und Nerven: Plexusbildungen, Anastomosen.
Die vom Körper des Neuron entsprungenen Neuriten legen sich, wie wir
gehört haben, zu Bündeln zusammen und ziehen gemeinsam weiter sowohl inner-
halb der Zentralorgane, wie im peripherischen Nervensystem. Dabei verfolgen die
einzelnen Bündel nicht etwa eine gradlinige Bahn, sie verharren auch nicht in der
15
N. peronaeus
Blutgcfälie mit Blut gefüllt
■w
m
N. tibialis
Epineurium
Endoneurium Fettgewebe
Perineurium
Fig. 18. Nervus ischiadicus vom Menschen. Querschnitt.
Ganglienzellen
Kapsel des Ganglion
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marklose Nervenfasern
Fig. 19. Ganglion cervicale inf. des Menschen. Übersicht
16
9
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Markscheide
Axencylinder (nicht gefärbt)
■
m ''6
Fig. 20. Dicke und dünne markhaltige Nervenfasern.
Querschnitt durch einen N. digitalis proprius vom Menschen. Osmiumsäure.
Kranialer Ursprung des Lig. denticulatum
Arteria vertebralis
Membrana atlantooccipitalis post
Epiduralraum
„_. Membrana atlantooccipitalis ant.
Lig. apicis dentis
... oberer Schenkel des Lig. cruciatum
Membrana tectoria
r Articulatio atlantoepistrophica
Lig. transversum atlantis
unterer Schenkel des Lig. cruciatum
Dura mater
■ Lig. longitudinale ant.
Lig. longitudinale post.
Fig. 21. Oberes Ende des Durasackes und des Lig. denticulatum.
Medianschnitt durch das Hinterhauptbein und seine Gelenkverbindungen mit der Halswirbelsäule (
Verbindung der Nervenfasern und Nerven.
17
B
anfangs vorhandenen Anordnung, sondern sie teilen sich, vereinigen sich mit anderen
Bündeln, gehen ganz oder zum Teil auch von diesem Bündel wieder ab, um sich
einem anderen anzuschließen. Man nennt diese Form der Bündelteilung und Ver-
einigung Geflechtbildung und das Ergebnis ein Geflecht, Plexus.
Im sympathischen Nervensystem sind die Plexusbildungen außerordentlich
verbreitet.
Über die morphologische und physiologische Bedeutung der Plexusbildungen ist das letzte Wort
noch nicht gesprochen. Sie dienen zwar bis zu einem gewissen Grade der Sicherheit und Viel-
seitigkeit der Versorgung der Peripherie; ein bedeutungsvolleres Licht aber fällt auf diese Einrichtung
durch die Betrachtung der Nervensysteme, insbesondere der nicht zentralisierten Nervensysteme der
niederen Tierwelt, bei welchen der gesamte Apparat eine diffuse Beschaffenheit besitzt und aus-
schließlich aus Plexusbildungen besteht, in welche Nervenzellen eingestreut sind.
Die Nervengeflechte sind also komplizierte Verbindungen zwischen Nerven. Dagegen be-
steht die einfache peripherische Verbindung, Anastomose1), Konjugation darin, daß ein starker
oderfeincrperipherischerNervmiteinem anderen zusammen-
tritt. Dabei können mehrere Besonderheiten stattfinden.
a) Der Verbindungszweig führt Fasern des einen
Nerven in die Bahn des anderen über (Fig. 22, A). Die
Fasern können in diesem Nerven zentral- oder peripherie-
wärts ziehen, oder nach beiden Richtungen. Man nennt
diese Form Conjugatio simplex.
b) Der Verbindungszweig führt Fasern beider Ner-
ven. So entsteht die Conjugatio mutua. Die Anord-
nung der Fasern kann wieder eine verschiedene sein, da
der Weg bald ein zentraler, bald ein peripherer, bald nach
beiden Richtungen verlaufender sein wird. Natürlich
müssen dann an irgendeiner Stelle Kreuzungen, De-
cussationes, vorkommen (bei x, Fig. 22, B). Solche
Dekussationen kommen nicht allein im peripherischen
Nervensystem vielfach vor, sondern sind auch in den
Zentralorganen überaus verbreitet. Dies gilt besonders
von jenen wichtigen Dekussationen der Zentralorgane,
welche in der Medianebene zwischen Fasern beider
Körperhälften stattfinden.
Der Sinn der großen zentralen Dekussationen (siehe Gehirn und Rückenmark), seien siemoto
rischer oder sensibler Art, ist ein sehr bedeutender; es sind keine zufälligen, gleichgültigen Ersehet
nungen. Sie bedeuten, ähnlich wie die zentralen Kommissuren, die innige Zusammengehörig
keit beider Körperhälften, die ihre Zentren und Peripherien durch die Dekussation vertauschen
Rechte und linke Körperhälfte würden sich ohne sie viel fremder gegenüberstehen und weit selb-
ständigere, für sich bestehende Ganze darstellen, als sie es nunmehr sind.
Fig. 22.
A Conjugatio Simplex, B Conjugatio mutua,
bei a- Decussatio.
11. Die Methoden der Untersuchung des Nervensystems.
Für das Verständnis des feineren Aufbaues des Zentralnervensystems ist eine gewisse allgemeine
Kenntnis der Methoden nötig, auf Grund deren Ergebnisse die Darstellung beruht. Deshalb mag es
aus didaktischen Gründen gestattet sein, in einem Lehrbuch der beschreibenden Anatomie eine kurze
systematische Darstellung der Methoden zu geben. Wer eine historische Darstellung vorzieht, möge
bei Edinger (Nervöse Zentralorgane, Leipzig, 1904) nachlesen.
Die ersten Stufen der Untersuchung sind Inspektion und makroskopische Präparation der Organe
von Erwachsenen, von Feten, von Tieren. Ihre Methoden sind dem Studierenden bekannt. Ebenso
die ersten Stufen der mikroskopischen Untersuchung: die Untersuchung der Formelemente an frischem
lebendem wie toten Material, die Betrachtung von Schnitten, welche mit einfachen oder mit spezi-
') Der Name Anastomose, Einmündung, ist von den bei den Gefäßen vorhandenen
Verhältnissen abgeleitet.
18 Besonderer Teil. Allgemeine Neurologie.
tischen Färbungen behandelt sind, zur Darstellung der Strukturen, die im Inneren des Neuron vor-
kommen (siehe Abt. 1, S. 128).
Etwas eingehendere Besprechung erfordern die Methoden, welche einen Einblick gewähren
in den mikroskopisch-topographischen Aufbau der Zentralorgane: Wenn wir von älteren
Methoden absehen, welche an Schnitten sowohl Zellen wie auch Fasern färben, so müssen wir als
erste der spezifischen Methoden, welche nur bestimmte Bestandteile der Zentralorgane darstellen,
die Markscheidenfärbung nach Weigert (1882, 1884) und deren zahlreiche Modifikationen
nennen. Durch eine besondere Behandlung wird erreicht, daß nur die markhaltigen Nervenfasern
die Farbe behalten, während alles andere wenig oder gar nicht gefärbt ist. Diese Methode syste-
matisch an Schnitten verschiedener Richtung angewandt, gestattet schon bei Verarbeitung normalen
Materials einen recht tiefen Einblick in den Verlauf der einzelnen Bahnen. Weitere Ergebnisse
liefert sie in Verbindung mit der Physiologie und der Pathologie, und bei Anwendung auf fetale
Organe. Zur Erläuterung sei hierüber folgendes gesagt:
Wir wissen, daß derjenige Teil des Neuriten zugrunde geht, degeneriert, welcher außer Zu-
sammenhang mit dem Zelleib gerät. Die Degeneration ergreift Axenzylinder und Markscheide, so daß bei
Anwendung der Markscheidenfärbung Lage und Verlauf degenerierter Fasern durch den Mangel an
Färbung sich aus der Umgebung abheben. Bei Tieren werden Degenerationen experimentell hervor-
gerufen; bei Menschen bilden zufällige Verletzungen und Erkrankungen gewissermaßen das Experiment.
Die Verwertung der Markscheidenentwicklung beruht auf der Tatsache, daß die Nerven-
fasern des fetalen Zentralnervensystems zunächst marklos sind, und erst allmählich während der
letzten Monate des fetalen Lebens und noch später nach der Geburt Markscheiden erhalten. Die
Markscheidenentwicklung tritt zu bestimmter Zeit an bestimmten Bahnen ein und ermöglicht so
eine bequeme Verfolgung.
Eine wertvolle Ergänzung der Markscheidenfärbung ist die Marchische Methode. Sie ist
nur bei Degenerationen markhaltiger Nervenfasern zu verwerten, denn sie färbt die Degenerations-
produkte der Markscheide. Sie beruht darauf, daß die Überosmiumsäure zusammen mit Chromsalzen
in Lösung verwendet, das Nervenmark nicht färbt, dagegen freies Fett schwärzt. Nun bildet sich
bei der Degeneration der markhaltigen Nervenfasern Fett in Gestalt kleiner Körnchen und Kügelchen;
deren Schwärzung zeigt den Verlauf der degenerierten Fasern an.
Die Marchische Methode ist bei Untersuchung von Degenerationen durch die positive Dar-
stellung der Degenerationsprodukte in mancher Hinsicht der Markscheidenfärbung überlegen, bei
welcher die degenerierten Fasern nur an der fehlenden Färbung erkannt werden und deshalb in
größeren Mengen nebeneinander vorhanden sein müssen, um mit Sicherheit erkannt zu werden. Bei
der Marchi-Methode kann man dagegen auch feinere Faserbündel verfolgen. Die Anwendung dieser
Methode erfährt indessen eine gewisse Beschränkung dadurch, daß die Fetttröpfchen erst nach einer
bestimmten Zeit auftreten und dann in kurzer Zeit durch Resorption verschwinden. Man ist also an
eine bestimmte Zeit gebunden und kann weder vorher noch nachher ein Resultat erwarten, während
die Markscheidenfärbung ihre Resultate zu jeder Zeit nach dem Schwunde der Markscheiden gibt.
Den beiden folgenden Methoden, der Chromsilber-Imprägna tion und der Methylen-
blaufärbung, verdanken wir Aufschlüsse über die Zellkörper der Neuronen, den Verlauf der
Dendriten, das Verhalten der Kollateralen und einiges über den Verlauf des Neuriten. Während
also (für die Zentren höherer Tiere) Markscheidenfärbung und Marchi-Methode wesentlich der Er-
forschung der Mikrotopographie weißer Substanz dienen, geben Chromsilber-Imprägnation und
Methylenblaufärbung Aufschlüsse über die Mikrotopographie der grauen Substanz.
Bei der Chromsilber-Methode (Golgi 1880) erfolgt eine Imprägnation der Neuronen
durch Chromsilber dadurch, daß die Objekte zuerst mit Chromsalzen, dann mit einer Lösung von
Argentum nitricum behandelt werden. Merkwürdig und wertvoll ist bei dieser Methode die Er-
scheinung, daß sich von den zahlreichen Neuronen eines Stückes nur relativ wenige imprägnieren,
jedoch oft in sehr vollkommener Weise. So erhält man eine Anschauung von der reichen Dendriten-
verästelung, welche man vorher kaum ahnen konnte. Die Kollateralen und ihre Telodendren wurden
entdeckt. Zahlreiche Aufschlüsse über die Mikrotopographie des Zentralnervensystems wurden mit
ihrer Hilfe errungen.
Ergänzt, berichtigt und erweitert werden die Ergebnisse der Chromsilber-Imprägnation durch
die (vitale) Methylenblaufärbung (Ehrlich 1886). Das Methylenblau färbt bei Sauerstoffzutritt
lebende und überlebende Neuronen ganz oder teilweise. Man kann durch dasselbe die Form der
Neuronen, ihre Verästelung und Verbindung erkennen, die Neurofibrillen darstellen und die Neuriten
Das Rückenmark: Form und Lage. 19
auf kürzere Strecken verfolgen. — Bei niederen Tieren kann man den Aufbau des gesamten Nerven-
systems an einem gut gefärbten Präparat studieren (Retzius, Bethe).
Lehrbücher und Atlanten: Bechterew, Leitungsbatinen, Leipzig 1898. — Bethe,
Allgem. Anat. und Physiol. d. Nervensystems, Leipzig 1903. — Cajal, Systema nervioso del
Hombre etc., Madrid 1897—1902. — Edinger, Nervöse Zentralorgane, Leipzig 1904. — Van
Gehuchten, Systeme nerveux de l'homme, Louvain 1901. — Handbuch der Neurologie, hersg.
von M. Lewandowsky, Berlin 1910. — Marburg, Mikroskopisch-topographischer Atlas usw.,
Wien 1904. — Villiger, E., Gehirn und Rückenmark, IL Aufl., Leipzig 1910. — Ziehen, Hand-
buch d. Anat. d. Zentralnervensystems, Abt. I, Jena 1906; Abt. II, 1913.
B. Spezielle Neurologie.
I. Das Rückenmark. Medulla spinalis.
1. Form und Lage des Rückenmarkes.
Das Rückenmark, der spinale Teil des zentralen Nervensystems (Fig. 23 — 30)
ist ein annähernd zylindrischer, in dorsoventraler und besonders an seiner Vorder-
fläche abgeplatteter, von einem Kanal durchzogener Körper von symmetrischer
Gestalt, welcher an der vorderen Fläche zahlreiche Nervenbündel, die motori-
schen Wurzeln, entsendet, an der hinteren Fläche zahlreiche Nervenbündel, die
sensiblen Wurzeln, aufnimmt und von häutigen Hüllen umgeben im Wirbel-
kanal liegt. Cranial setzt es sich unmittelbar in das bereits dem Gehirn angehörige
verlängerte Mark, Medulla oblongata, fort.
Skeletotopisch erstreckt es sich vom cranialen Rande des Atlas bis zur
Gegend des zweiten Lenden-, beziehungsweise des zweiten Steißwirbels.]
Als craniales Ende des Rückenmarkes ist jene Stelle zu bezeichnen, welche dem Austritt
des ersten Halsnervenpaares,oder dem Beginn der Pyramidenkreuzung entspricht; sie
liegt dem cranialen Rande des Atlas gegenüber.
Dem Schein nach verhält sich das Rückenmark zur Wirbelsäule, wie das Knochenmark zu den
Röhrenknochen; daher von Alters her der Name. Es füllt den Wirbelkanal nicht ganz aus, doch stellt
es den mächtigsten und wichtigsten Inhalt des Wirbelkanales dar und bedingt den letzteren. Die
dauernden Krümmungen, sowie die mit den Bewegungen des Rumpfes zusammenhängenden wechseln-
den Biegungen der Wirbelsäule werden bis zu einem gewissen Grade von dem Rückenmark wieder-
holt und mitgemacht.
Das Rückenmark ist nicht an allen Stellen von gleicher Breite und Dicke.
Besonders auffallend sind an ihm zwei ansehnliche, langgestreckte, spindelförmige
und symmetrische Anschwellungen, eine obere, die Halsanschwellung, In-
tumescentia cervicalis, und eine untere, die Lendenanschwellung, In-
tumescentia lumbalis, welche dem Ursprungsgebiet der starken Extremi-
tätennerven entsprechen und vorzugsweise durch Zunahme des queren Durch-
messers hervorgebracht werden.
Man unterscheidet am Rückenmark mit Rücksicht auf die abgehenden
Nervenpaare eine Pars cervicalis, welche die 8 Halsnerven — , eine Pars
thoracalis, welche die 12 Brustnerven — , eine Pars lumbalis, welche die
5 Lendennerven — , und eine Pars sacralis, welche die 5 Kreuznerven und den
ersten Steißnerven abgehen läßt. Letztere bildet den Markkegel, Conus medul-
laris, dessen Spitze etwa 2 mm dick, sich in den langen Endfaden des
Rückenmarkes, Filum terminale, fortsetzt. Fig. 26.
Jede der genannten Abteilungen gliedert sich in so viele Folgestücke,
als die Abteilung Nervenpaare enthält. Das Rückenmark besteht also aus einer
Raober-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 9
20
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
ventrale Fläche
dorsale Fläche
Oliva
Corpus restiforme
Decussatio pyramidum
Fissura mediana ant.
Intumescentia cervicalis
Sulcus lat. ant.
Funiculus anterior
jniculus lat.
Fissura medfana ant.
Intumescentia lumbalis
Sulcus
medianus post.
Sulcus lat. post.
Sulcus lat. post.
Funiculus post.
Filum terminale
n
Fig. 25.
Conus medullaris
Fig. 23.
Fig. 24.
Fig. 23 und 24. Vordere (Fig. 23) und hintere (Fig. 24). Ansicht der Modulla oblongata und des Rückenmarkes.
1 Pyramis (medullae oblongatae) ; 4 Fossa rhomboidea; 4* Pars inf. fossae rhomboideae (Calamus scriptorius).
Stelle, an welcher das Filum terminale abgeschnitten ist
Fig. 25. Das Filum terminale ist bei V abgeschnitten und besonders dargestellt.
Das Rückenmark: Form und Lage.
21
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großen Anzahl zusammenhängender Folgestücke, Segmente, deren mindestens 31
gezählt werden.
Das Filum terminale besteht aus zwei Abschnitten, dem Filum terminale
internum und externum. Jenes liegt innerhalb, dieses außerhalb des Sackes der
Dura mater. Das Filum terminale internum durchzieht in einer Länge von 16 cm,
zwischen den langen Wurzeln der beiderseitigen Lumbal- und Sakralnerven in der
Medianebene gelegen, den kaudalen Teil des Durasackes und erreicht mit letzterem
den zweiten Kreuzwirbel. Das Filum terminale externum, 8 cm lang, wird von
einer Fortsetzung der Dura, Vagina terminalis, eng umschlossen, welche das
Filum durae matris spinalis bildet, und endigt unter spateiförmiger Ver-
breiterung an der hinteren Fläche des zweiten Steißwirbelkörpers, indem es in
dessen Periost übergeht. Fig. 26, 32.
Die Länge des Rückenmarkes des Erwachsenen, vom cranialen
Ende bis zur Konusspitze gemessen, beträgt im Mittel beim Manne 45,
beim Weibe 41 — 42 cm.
Quere Durchmesser: In der Mitte der Pars thoracalis beträgt
der quere Durchmesser 10, dersagittale 8 mm; im breitesten Teile der
Halsanschwellung steigt der quere Durchmesser auf 13-14, in der
Lendenanschwellung auf 12 mm, während der sagittale kaum um 1 mm
zunimmt. Oberhalb der Halsanschwellung, zwischen ihr und der Ob-
longata, beträgt der Quermesser 11 — 12 mm.
Die Abhängigkeit der Anschwellungen von der Mächtigkeit der
Gliedmaßen ergibt sich einmal aus dem Umstände, daß Verluste der
Gliedmaßen bei wachsenden Individuen zu mangelhafter Ausbildung
der Anschwellungen führen, ferner aus vergleichend-anatomischen
Gründen. Bei jenen Fischen, welchen Gliedmaßen fehlen, durchzieht
das Mark in gleichmäßiger Stärke den Wirbelkanal, um im Kaudalteil
sich allmählich zu verjüngen; mit starken Extremitäten versehene
Tiere dagegen zeigen starke Anschwellungen, wie besonders Schild- ,J, // \K
kröten, Vögel.
Topographie: Skeletotopisch beginnt die Halsanschwel-
lung am zweiten Halswirbel und endigt am zweiten Brustwirbel; sie
erreicht ihre größte Breite in der Höhe des fünften bis sechsten Hals-
wirbels. Die Lendenanschwellung beginnt in der Gegend des zehnten
Brustwirbels und erreicht am zwölften Brustwirbel ihr Maximum. Die iP"\ ^ii. II K1*Vlt
stumpfe Spitze des Conus medullaris, welche bei Längenmessungen ,
des Markes allgemein als kaudalesEnde des Rückenmarkes angenommen SiO
wird, liegt mit geringen Schwankungen in der Gegend des unteren
Randes des ersten Lendenwirbels,. so insbesondere beim Manne. Beim i
Weibe liegt die Konusspitze in der Regel etwas tiefer, bis zur Mitte
des zweiten Lendenwirbels. Tiefer noch reicht sie beim Neugeborenen
hinab und erreicht den unteren Rand des zweiten oder dritten Lenden-
Fig. 26. Kaudaler Teil des Rückenmarkes mit der Cauda equina und der beide
umgebenden Dura mater von hinten. 1:3.
Der Sack der Dura mater ist von hinten her aufgeschnitten und auseinander gezogen;
links sind alle Nervenwurzeln erhalten, rechts sind die unteren Nervenwurzeln bis
zu ihrer Durchtrittstelle durch die Dura abgeschnitten. Das Steißbein ist an seiner
natürlichen Lagerungsstelle angebracht, um das Verhältnis des Filum terminale und
der Steißbeinnerven zu demselben zu zeigen, a Sulcus medjanus posterior; b, b Filum
terminale, ein wenig nach der rechten Seite herübergezogen; b' Filum terminale ex-
ternum, außerhalb des Sackes der Dura mater (c, c, c, c); d, d Öffnungen in derselben
für den Durchtritt der Nervenwurzeln; e Lig. denticulatum ; DX, DXII zehnter und
zwölfter Brustnerv; LI u. LV erster und fünfter Lumbainerv; Sl u. SV erster und
fünfter Sakralnerv; CI Nervus coecygeus.
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Sv
22 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
wirbeis. Das Weib ist hiernach in diesen wie in manchen anderen Verhältnissen der kindlichen
Beschaffenheit ähnlicher geblieben.
Das Gewicht des Rückenmarkes ist 34 — 38 Gramm; es verhält sich zum Hirngewicht wie
1 : 48, das spezifische Gewicht ist 1034, das Volum 33 ccm.
Die Festigkeit der Substanz des Rückenmarkes ist nicht bedeutend, immerhin hat das
frische Mark eine unerwartete Zähigkeit und Elastizität. Bald aber verliert sich dieselbe und es
tritt mit beginnender Zersetzung Weichheit und Zerfließlichkeit an deren Stelle.
Wird ein Rückenmark aus dem Wirbelkanal genommen und auf eine ebene Fläche ausgebreitet,
so gleichen sich seine natürlichen Krümmungen aus. Wird dasselbe Mark in ein hohes, mit geeigneter
Flüssigkeit gefülltes, zylindrisches Gefäß gehängt, so treten die Krümmungen wieder hervor (Flesch).
Vom cranialen Ende bis zur Konusspitze sind ihrer besonders zwei zu zählen, eine Hals- und eine
Brustkrümmung, die am siebenten Halswirbel ineinander übergehen; an dieser Stelle befindet sich
eine starke ventralwärts konvexe Ausbiegung, untere Halskrümmung. Oberhalb der letzteren ist
das Halsmark sanft dorsalwärts gebogen. An der Übergangsstelle zur Oblongata erfolgt eine neue
hinten konvexe Richtungsänderung.
Das Rückenmark füllt den Wirbelkanal nicht ganz aus. Außer den drei umhüllenden Häuten,
Pia, Arachnoidea, Dura, gehören zu den ausfüllenden Mitteln eine ansehnliche Menge sub-
arachnoidaler Lymphe, reichliche Venenplexus, ferner die freien und von Durascheiden umschlossenen
Teile der Nervenwurzeln und Fettgewebe.
Wird an einem Rückenmark der umgebende Durasack gespalten, so bemerkt man, daß vom
Lendenteil an die Nervenwurzeln dicht gedrängt und steil caudalwärts ziehen. Der caudale Teil des
Rückenmarkes samt den umgebenden Nervenwurzeln erinnert hiernach an die Form eines Pferde-
schweifes; daher der alte Name Cauda equina für das ganze Bündel. Fig. 26, 28 — 30.
2. Furchen und Stränge des Rückenmarkes.
a) Furchen. Fig. 23—27, 37.
An dem von seinen Hüllen befreiten Rückenmark sind mehrere Längsfurchen
wahrzunehmen, zwei unpaare, median gelegene und vier paarige, welche verschieden
tief in den Markmantel eindringen und verschiedene Bedeutung besitzen.
Die vordere Längsspalte, Fissura mediana anterior, in der vorderen
Mittellinie bis zu 4 mm eindringend, erweitert sich an ihrem Grunde, wird am
cranialen und kaudalen Ende des Markes flacher und birgt einen ansehnlichen Fort-
satz der Gefäßhaut (Septum longitudinale anterius), welcher dem Marke an-
sehnliche und zahlreiche Gefäße zuführt.
Die hintere Längsfurche, Sulcus medianus posterior, ist eine ober-
flächliche Längsrinne. In ihrer Fortsetzung zieht das feine, stellenweise unter-
brochene Septum posterius 4 — 6 mm in die Tiefe. Es besteht aus Neuroglia-
fasern, erreicht die zentrale graue Substanz und hängt mit ihr zusammen, während
das Septum anterius, aus Bindegewebe bestehend, an der weißen Kommissur
Halt macht.
Die vordere Seitenfurche, Sulcus lateralis anterior, dient zum Austritt
der vorderen Nervenwurzeln; sie ist keine eigentliche Furche, sondern erscheint
als ein schmales, viel durchlöchertes Feld von 2 mm Breite, wenn die vorderen
Wurzelbündel ausgezogen wurden.
Die hintere Seitenfurche, Sulcus lateralis posterior, ist eine wirkliche
Längsfurche, in welche die starken hinteren Nervenwurzeln mit einer einzigen Reihe
eintreten.
Beide Seitenfurchen sind von der entsprechenden Medianfurche im Brustteil
des Markes nur je etwa 2,4, an den Anschwellungen aber 3 — 3,5 mm entfernt. Am
Das Rückenmark: Furchen und Stränge.
23
Markkegel nähern sich die Seitenfurchen der Mitte und verstreichen endlich etwas
früher als die Mittelfurchen.
Außer diesen für den Nervenaustritt bestimmten Seitenfurchen besitzt das
Mark jederseits noch einen Sulcus intermedius anterior und posterior. Der
erstere ist nicht konstant, doch oft als feine wichtige Furche neben der vorderen
Mittelfurche wahrzunehmen; der Sulcus intermedius posterior ist besonders im
Halsteil deutlich wahrnehmbar und von der hinteren Mittelfurche 1 mm entfernt.
b) Markstränge, Funiculi medullae spinalis. Fig. 23, 24, 37.
Durch die beschriebenen Furchen werden jederseits folgende Stränge ab-
gegrenzt:
A Sulcus lat. posl. Sulcus medianus post.
Radix ant
Radix post.
Ganglion spinale
Ra m u s ant.
Ramus ant
Ramus post.
B
Sulcus medianus post. — ■
* Fissura mediana ant. Ramus post.
Fissura mediana ant.
Radix ant.
Ramus post.
Ramus ant.
Fig. 27.
Stücke vom Halsteil des Rückenmarkes mit den austretenden Nervenwurzeln. 2:1.
A Rückenmark von vorn; auf der rechten Seite sind die vorderen Wurzelfäden bei 5 durchschnitten; 3 Sulcus lat. ant. mit
austretenden vorderen Wurzelfäden. B Rückenmark von der Seite gesehen; 6' Ganglion spinale.
Vorderstrang, Funiculus anterior; zwischen der vorderen Mittelfurche
und dem lateralen Rande des Sulcus lateralis anterior. Durch den Sulcus inter-
medius anterior wird ein schmales mediales Stück abgegrenzt, der Fasciculus
cerebrospinalis anterior (pyramidalis ant.), das laterale Stück heißt Fasci-
culus anterior proprius (Flechsigi).
Seitenstrang, Funiculus lateralis; zwischen dem Sulcus lateralis anterior
und posterior, der mächtigste aller Stränge.
Hinterstrang, Funiculus posterior; zwischen der hinteren Mittelfurche
und dem Sulcus lateralis posterior. Er wird durch den Sulcus intermedius posterior
in zwei Teile zerlegt; der mediale heißt Gollscher Strang oder zarter Strang,
Fasciculus gracilis (Golli); der laterale dagegen Burdachscher Strang oder
Keilstrang, Fasciculus euneatus (Burdachi).
Vorderstrang und Seitenstrang stehen entsprechend der Eigentümlichkeit des Austrittsfeldes
24 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
der vorderen Wurzeln in innigerem Verhältnisse zueinander, als Seitenstrang und Hinterstrang.
Jene beiden werden daher oft gemeinsam Vorder-Sei tenstrang genannt.
Die auffallende Anordnung, daß die vorderen motorischen Nervenwurzeln im Sulcus
lateralis anterior, die hinteren, wesentlich sensiblen dagegen im Sulcus lateralis posterior
das Rückenmark verlassen, fordert eine Erklärung. Es wird sich später zeigen, daß auch die
Ursprungskerne der motorischen Nerven im Rückenmark vorn (ventral), die Ursprungskerne der
sensiblen aber, hinten (dorsal) in den Spinalganglien gelegen sind. Welches ist der Sinn dieser Ein-
richtung? Warum findet nicht das Umgekehrte statt? Worin ist diese Regelmäßigkeit begründet? Die
sensiblen Nerven sind vor allem Nerven der Haut und der Sinnesorgane. Die Haut aber hat die
gleiche Abkunft, wie'das zentrale Nervensystem (mit Hüllen) und liegt mit ihm ursprünglich am
meisten peripher. Es ist also begreiflich, daß die Hautnerven ihre Ursprungskerne am meisten
dorsal haben. Die motorischen Nerven gehören der tiefer liegenden Muskulatur an; es liegt also
nahe, daß sie auch ihre Ursprungskerne tiefer, mehr ventral haben. Entsprängen die Hautnerven
ventral, die Muskelnerven dorsal, so wäre hierfür gar kein Grund einzusehen und es müßten sich
beide Nervenscharen kreuzen, um zum Ziele zu gelangen. In der Tat findet, soweit es für dorsale
Muskeln erforderlich geworden ist, jenseits der Ursprungskerne eine teilweise Kreuzung statt.
3. Hüllen des Rückenmarkes.
Das Rückenmark besitzt drei häutige Hüllen. Diese sind von außen nach
innen gezählt:
a) die harte Rückenmarkshaut, Dura ■ mater spinalis (Pachymeninx
spinalis),
b) die Spinnenwebehaut, Arachnoidea spinalis,
c) die weiche Rückenma rkshaut, Gefäßnäüf, Pia mater spinalis.
Pia und Arachnoidea werden zusammen auch Leptomeninx genannt. Alle
drei Hüllen sind bindegewebiger Art, unterscheiden sich aber im Bau und Gefäß-
gehalt sehr beträchtlich voneinander. Die gleichen Hüllen kommen auch dem
Gehirn zu; im Gebiete des Foramen occipitale magnum geht der spinale Teil der
Hüllen der Nervencentra in den cerebralen über. Fig. 21.
a) Dura mater spinalis. Fig. 21, 28 — 35.
Sie besteht aus zwei weit voneinander abstehenden Blättern, einem dünnen
periostalen Blatt zur Auskleidung des Wirbelkanals (Lamina externa, Endorhachis)
und der Dura spinalis im engeren Sinne, Lamina interna, welche eine starke
fibröse, sehnenartig glänzende Haut darstellt. Zwischen beiden Blättern liegt
lockeres Bindegewebe, Fettgewebe, die großen Venenplexus des Wirbelkanals, so-
wie ein alle diese Teile durchsetzendes ansehnliches Lückensystem, der epi-
durale (interdurale) Lymphraum (Waldeyer und Fischer), Cavum epi-
durale. Fig. 33.
Die Dura spinalis i. e. S. bildet einen langen und weiten, außen rauhen, innen
glatten und glänzenden Sack von zylindrischer Form, der einen viel weiteren
Umfang hat als das umschlossene Mark. Er ist am Umfange des Foramen
occipitale fest angeheftet, ragt weit über die Spitze des Conus medullaris kaudal-
wärts und verjüngt sich erst in der Höhe des zweiten oder dritten Kreuzwirbels
rasch zu einer kegelförmigen Spitze. Dicht unterhalb des Foramen occipitale
treten die Aa. vertebrales durch ihn hindurch. Eine Fortsetzung der Dura erstreckt
sich als enge Vagina terminalis mit dem Filum terminale externum des Markes
bis zum Steißbein herab, und bildet das Filum durae matris spinalis. Es
geht spateiförmig verbreitert in das hintere Periost des zweiten Steißwirbels über
(siehe S. 21).
25
Vertebra thoracalis XI
Dura mater spinalis —
Arachnoidea spinalis
Cisterna terminalis
des Cavum subarachnoidale "
~5äue
Fig. 28. Hüllen des Rückenmarkes.
Der Wirbelkanal ist vom elften Brustwirbel bis zum oberen Ende des Kreuzbeins durch Wegnahme der Wirbelbögen
eröffnet. Die Dura mater spinalis ist in der Mittellinie aufgeschnitten und zur Seite geklappt, so daß der Arachnoidal-
sack sichtbar ist. Die Venen des Conus terminalis, Filum terminale und Cauda equina schimmern durch die Arach-
noidea durch. (Nach Qerstenberg und Hein 190S. Zeitschr. Geburtshilfe u. Gynäkologie Bd. 61.)
26
Yertebra Ihoracalis XI.
Dura niater spinalis !
Arachnoidea spinalis —
Cauda equina 1
Filum terminale
Fig. 29. Hüllen des Rückenmarkes. Dasselbe Präparat wie in Fig. 28.
Die Arachnoidea ist hier ebenfalls gespalten, die Canda eqnina ist nach links und rechts auseinandergelegt.
(Nach Q ersten berg und Hein 1908.)
Das Rückenmark: Hüllen, Dura mater spinalis.
27
Der Durasack ist an verschiedenen Stellen mit der Wand des Wirbelkanals durch
Bindegewebszügc verbunden:
1. durch Biinder, welche an der ventralen Seite der Dura zum Lig. longitudinale posterius
und zum Lig. sacrococcygcum post. ziehen: Ligg. anteriora durac matris;
2. durch Bünder, welche von den Seiten zu den Wirbelbügen ziehen: Ligg. dorso-
la teralia durae matris;
3. durch ein Band im Halsteile, welches die Durascheiden der Halsnerven untereinander
verbindet: Lig. intervertebrale cervicale;
4. durch die Durascheiden der Spinalnervenwurzeln, siehe die Figuren 31 u. 32.
Aß C
Fig. 30.
Rückenmark mit den Hüllen und den hinteren Wurzeln von hinten, in drei Stücke A, B, C, zerteilt. 1 : 2. (Sappey.)
Der Sack der Dura mater ist durch teilweise Abtragung derselben von hinten eröffnet. Auf der linken Seite sind die
hinteren Wurzeln entfernt, um das Lig. denticulatum zur besseren Übersicht seiner Anordnung freizulegen; auf der rechten
Seite übersieht man den Durchtritt der Nervenwurzeln durch die Dura mater. In A bedeutet I (oben) den ersten, VIII den
achten Halsnerven, I (unten), II und III die drei ersten Brustnerven; in B bedeutet IV den vierten, XII den zwölften Brust-
nerven, I den ersten Lendennerven ; in C sind mit II und V der zweite und fünfte Lendennerv, mit I und V der erste und
fünfte Sakralnerv bezeichnet. 1 Fossa rhomboidea ; 2 Brachium conjunetivum; 3 Brachium pontis; 4 Corpus restiforme ;
5 Ciavae der Fasciculi graciles ; 6 N. glossopharyngeus; 7 N. vagus; S N. accessorius; 9, 9, 9, 9 Ansatzstellen des Lig.
denticulatum an der Dura mater; 10, 10, 10, 10 Austritte der hinteren Nervenwurzeln; 11, 11, 11, 11 hintere Längsfurche;
12, 12, 12, 12 Spinalganglien; 13, 13 vordere Nervenwurzeln; 14 Rückenmarksnerven mit ihren Teilungen in hintere und
vordere Aste; 15 Conus medullaris; 16, 16 Filum terminale internum ; (das Filum terminale externum ist als ein zwischen
den beiden Steißnerven herabziehender Faden zu denken); 17, 17 Cauda equina.
Mit den umhüllten Teilen verbindet sich die Dura auf zweierlei Weise:
a) Mit der Außenfläche der Arachnoidea durch feine, bindegewebige sub-
durale Fäden, von welcher sie im übrigen durch eine flächenhaft ausgedehnte
kapillareLymphspalte, den Subdural räum, Cavumsub durale, getrennt ist. Fig. 33.
b) Mit der Pia durch zwei symmetrisch gelegene Längsreihen von je 19 — 23
flachen Zacken, welche die Ausläufer eines frontal gestellten schmalen Bindegewebs-
28
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
blattes sind und mit diesem zusammen das Zackenband des Rückenmarkes,
Ligamentum denticulatum, darstellen.
Das Band ist an der Pia mater befestigt und dient als Befestigungsmittel des
Markes.
Die oberste Zacke liegt dicht über der Durchbohrungsstelle des Durasackes
durch die A. vertebralis und über dem ersten Halsnerven (Fig. 21). Die folgenden
setzen sich jedesmal zwischen zwei aufeinanderfolgenden Nerveneintrittsstellen der
Dura fest. Die letzte liegt zwischen dem letzten Brust- und dem ersten Lenden-
nerven. Caudal von der letzten Zacke ist der seitliche Bandstreifen noch bis zum
Yertdar^.I.
M. cocr..f.
Fig. 31.
Fig. 31. Der obere Teil der Wirbelsäule eines 2 Monate
alten Kindes, von hinten eröffnet und die Wirbelbögen
fast bis In die Ebene der Foramina IntervertebraHa ab-
getragen. */a : 1.
/' Lig. intervertebrale cervicale von hinten; c Ligg. dorso-
lateralia cervicalia (inkonstant).
Fig. 32. Unteres Ende der Wirbelsäule eines über 1 Jahr alten Kindes, von hinten eröffnet. - s:l.
s die zwei charakteristischen Ligg. dorsolateralia sacralia ; sie ziehen gewöhnlich zum 3., hier zum 4. Sakralwirbelbogen ;
sx. So die konstanten tieferen Ligg. dorsoiateralia sacralia, die oft zahlreicher sind als hier; st die inkonstanten Ligg. dorso-
lateralia sacralia. (M. Hoffmann, 1898.)
Fig. 32.
Conus medullaris zu verfolgen. Vor der vorderen Fläche des Bandes haben die
vorderen, hinter der hinteren Fläche die hinteren Nervenwurzeln und der
N. accessorius ihre Lage. Fig. 30, 33.
Die Dura besteht aus dichtverflochtenen Bündeln fibrillären Bindegewebes von
vorwiegendem Längsverlauf. Zwischen den Bündeln bleibt ein Saftbahnsystem
ausgespart, welches nach beiden Oberflächen hin Öffnungen besitzt. Beide Ober-
flächen der Dura haben einen Endothelüberzug.
Die Dura hat Blutgefäße (Vasa meningea) und Nerven (Nervi meningei). Ab
und zu treten außer anderen, später zu erwähnenden Nerven, meist zwischen zwei
Nervenwurzeln feine Fäden direkt aus dem Rückenmark, welche einer Zacke des
Lig. denticulatum sich anschließend zur Dura gelangen können (Hubert).
b) Arachnoldea spinalis. Fig. 28, 29, 33—35.
Sie ist eine zarte gefäß- und nervenlose Haut, welche mit ihrer glatten, endo-
thelüberkleideten Außenfläche der Dura anliegt, während ihre innere, ebenfalls endo-
thelüberkleidete Oberfläche durch zahlreiche subarachnoidale Bälkchen und Häutchen
mit der Pia verwachsen ist. Zwischen ihr und der Pia mater befindet sich das
Cavum subarachnoidale, welches von ansehnlicher Weite ist und eine beträcht-
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Das Rückenmark: Arachnoidea spinalis, Pia mater spinalis. 31
liehe Menge Flüssigkeit, den Liquor cerebrospinalis, enthält, wahrend der
Subduralraum nur eine kapillare Spalte darstellt.
Die subarachnoidale Flüssigkeit steht mit den großen und vielen subarachnoidalen Räumen
des Gehirns, sowie mit der Vcntrikelflüssigkeit des letzteren in ununterbrochener Verbindung und
stellt den Liquor cerebrospinalis dar, dessen Menge 60 — 200 Gramm betrügt. In ihm wird
das Rückenmark schon fast schwimmend getragen, wie in einem flüssigkciterfüllten Gefäße; hierzu
kommen dann die übrigen Befestigungsmittel.
Die Arachnoidea umhüllt demgemäß das Rückenmark als ein weiter, es lose
umgebender Sack, welcher außen durch die Dura gestützt wird. Der zwischen ihr
und der Pia vorhandene, serumerfüllte Raum wird von dem Lig. denticulatum
durchschritten und dadurch unvollständig in eine vordere und eine hintere Abteilung
geschieden. Die vordere, von den motorischen Wurzeln durchsetzte Abteilung
stellt einen kontinuierlichen freien Raum, den vorderen Subarachnoidalraum
dar. Die hintere, von den sensiblen Wurzeln durchschrittene Abteilung zerfällt
durch eine mediane Scheidewand, Septum subarachnoidale posterius, mehr
oder weniger vollständig in eine rechte und linke Hälfte (Key und Retzius). Das
Septum posterius besteht im oberen Halsteil nur aus einzelnen Bälkchen. Im
unteren Hals- und im Brustteil treten die Bälkchen zu Lamellen zusammen. Die
starken hinteren Nervenwurzeln liegen außerdem innerhalb feiner, siebförmig
durchbrochener Häutchen, wodurch nochmals kleinere Fächer im dorsalen Sub-
arachnoidalraum erzeugt werden. Um jede Zacke des Lig. denticulatum schickt die
Arachnoidea eine scheidenartige Fortsetzung, deren Endothel in das der Dura
übergeht.
Die Arachnoidea spinalis besteht aus einer dünnen Lage längsverlaufender
Bündel von Bindegewebsfasern, welche hier und da schmale Spalträume zwischen
sich lassen, die von den Oberflächenendothelzellen gedeckt werden. Die subarach-
noidalen Bälkchen besitzen sämtlich Endothelscheiden.
c) Pia mater spinalis. Fig. 33, 37.
Die Gefäßhaut des Rückenmarkes schmiegt sich der Oberfläche des letzteren
innig an, dringt in die Fissura mediana ant. ein und bildet so das Septum lon-
gitudinale anterius des Rückenmarkes.
Sie besteht aus zwei Schichten, einer äußeren und einer inneren. In die äußere gehen die sub-
arachnoidalen Bälkchen über. Die äußere Lage baut sich aus dichtliegenden längsverlauf enden,
von Endothelscheiden umgebenen Bindegewebsbündeln auf und ist außen von einem dünnen endo-
thelialen Häutchen bedeckt.
Die Innenlage, Intima pia (Key und Retzius), ist ein durch kapillare Spalträume von der
äußeren geschiedenes Bindegewebsblatt, welches aus einer dünnen Schicht zirkulärer Fibrillenbündel
besteht und auf beiden Flächen noch elastische Fasernetze trägt; außen und innen ist sie außer-
dem noch von Endothel bedeckt. Hier und da treten Pigmentzellen im Gewebe der Intima auf.
Die feineren Blutgefäße der Pia verlaufen zwischen beiden Blättern und
dringen dann, vom inneren Blatte mit adventitiellen Scheiden versehen, senkrecht
in die Marksubstanz ein. Die Anfänge der genannten Scheiden münden mit
trichterförmiger Erweiterung, sogenannte Piatrichter bildend, in die Spalträume
zwischen beiden Blättern der Pia. Letztere Spalträume stellen die Lymphräume
der Pia dar. Sie und die Piatrichter sind vom Subarachnoidalraum aus, natürlich
aber auch durch Einstich in sie selbst injizierbar.
Die Nerven der Pia spinalis stammen größtenteils aus dem Sympathicus,
führen aber auch spinale Elemente. Sie bilden in der äußeren Schicht der Pia den
32 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Plexus nervosus piae matris. Die Bestandteile dieses Geflechtes schließen
sich den kleinen Arterien der Pia an, zum Teil treten sie mit den eindringenden
arteriellen Ästchen in die gröberen Septa des Markes.
4. Gefäße des Rückenmarkes.
a) Die Arterien des Rückenmarkes sind:
1. Die Aa. spinales anteriores, Äste der Aa. vertebrales.
Die beiden kleinen Gefäße konvergieren caudalwärts und fließen am oberen Markende zur un-
paaren A. spinalis anterior zusammen. Letztere läuft in der vorderen Längsmitte des Markes
vor dem Eingange der Fissura mediana anterior in fast gleichbleibender Stärke bis zum Filum
terminale und verliert sich auf ihm. Am Conus mcdullaris sendet sie nach jeder Seite einen oder
zwei feine Aste, welche geschlängelt unter den vorderen Wurzeln der letzten Nerven auf die Rück-
seite des Markes treten und vor den hinteren Nervenwurzeln aufwärts umbiegen. In dem Winkel,
welchen die hinteren Nervenwurzcln mit den Seitensträngen bilden, gelangt das Gefäß jederseits
zu den Aa. spinales posteriores und bildet so eine bogenförmige Anastomose zwischen den
vorderen und hinteren Spinalarterien.
2. Die Aa. spinales posteriores, gleichfalls Äste der Aa. vertebrales.
Sie entspringen etwas weiter kaudal, bleiben aber im Gegensatz zu den anteriores unver-
einigt und verbergen sich zwischen dem Rückenmark und den hinteren Nervenwurzeln.
3. Die Ramuli medii der Rami spinales, d. i. der Spinaläste der Aa. verte-
brales, intercostales, lumbales, iliolumbales, sacrales laterales. (Siehe Abt. III, S. 343).
Die Ramuli medii entsenden nämlich an Stärke etwas wandelbare, vordere, regelmäßig
aber feine hintere Zweige mit den vorderen und den hinteren Nervenwurzeln zum Rückenmark
und seinen Häuten. Sie sind die segmentalen Gefäße des Markes; das vordere und die
hinteren Längsgefäße dagegen sind nur von accessorischem Charakter; die Anastomosenketten
der segmentalen mit den Längsgefäßen bedingen die Möglichkeit der so großen Länge der letzteren
(siehe Abt. III, S. 219, 220).
Die A. spinalis anterior entsendet während ihres Verlaufes fortwährend in sagittaler Richtung
feine Zweige zur Tiefe der Fissura mediana ant., wo sie jederseits in einer Reihe durch die vordere
Kommissur in die Seitenhälften des Markes eindringen. Ebenso dringen von den Aa. spinales
posteriores, sowie von dem ganzen Umfange des Gefäßnetzes der Pia radiale Ästchen in das
Rückenmark. Ihr Verlauf ist durch das Septensystem vorgezeichnet. Von dessen Bindegewebe
begleitet gelangen kleine Arterien in großer Zahl zur grauen Substanz. Schon innerhalb der weißen
zweigen sich Ästchen ab, welche ein die Nervenfaserbündel umspinnendes Kapillarnetz mit lang-
gestreckten Maschen bilden. Viel dichter ist das Kapillarnetz der grauen Substanz, in der es enge
polygonale Maschen bildet.
Venen.
Aus den Kapillarnetzen sammelt sich das venöse Blut besonders in zwei
größere Binnenvenen, Vv. centrales. Äußere Venen sind die Vena spinalis
anterior und posterior.
Die beiden Zentralvenen stehen vielfach unter sich und mit der V. spinalis anterior in
Verbindung. Jene beiden verlaufen, von einer kleinen Arterie (A. centralis medullae spinalis) begleitet,
in je einem Längsgange, welcher neben der Substantia gelatinosa centralis gelegen ist und der Längsaxe
des Rückenmarkes folgt. Oft ist eine der beiden Venen stärker, selten fehlt die eine streckenweise
ganz. Am oberen und am unteren Ende des Markes lösen sich beide Zentralvenen durch wieder-
holte Teilungen in eine Reihe feinerer Äste auf, welche schließlich in kapillare Zweige übergehen.
Ein anderer Teil der Abzugsbahnen des Venenblutes des Markes zieht radiär durch die
weiße Substanz in die Venen der Pia oder in die längs der hinteren Mittellinie verlaufende V. spinalis
posterior. Die äußeren Markvenen stehen durch segmentale Bahnen mit dem inneren Plexus des
Wirbelkanals in Verbindung. (Siehe Abt. III, S. 420.)
Die arteriellen Äste im Rückenmark sind sämtlich Endarterien, d. h. sie gehen diesseits
des Kapillargebictes keine Verbindungen miteinander ein.
Kadyi, H., Die Blutgefäße des menschlichen Rückenmarkes. Lemberg 1889.
Das Rückenmark: Gefäße, Qucrschnittsbildcr. 33
Lymphgefäße.
Vom Lymphgefäßsystem, welches im ganzen Nervensystem eine bedeutende
Entfaltung erfährt, wurden der epidurale, subdurale, subarachnoidale und
interpiale Lymphraum schon beschrieben.
Die Lymphbahnen im Innern des Markes begleiten die arteriellen und venösen
Gefäße in Form des zugleich dichtesten und lockersten Netzes, d. i. in Form von
perivaskulären Räumen, indem jene Gefäße von vollständigen Lymphscheiden umhüllt
werden. Diese Bahnen liegen gewissermaßen innerhalb der Gefäß-Adventitia (Robin,
Virchow). Man bezeichnet sie daher auch als adventitielle Lymphwege, zum
Unterschiede von einem anderen gleichausgedehnten Lückensysteme, welches
zwischen der Außenwand der adventitiellen Lymphwege und der Substanz des
Markes gelegen ist.
Am frischen Objekt kaum als Gangwerk wahrnehmbar, werden jene periadventitiellen, epi-
medullaren Lücken um so klaffender durch Schrumpfung; sie sind zuerst von His injiziert worden.
Mag ihre Außenwand von Endothel überkleidet sein oder Neuroglia sie abschließen, für den Stoff-
verkehr wird ihre Gegenwart immer von Bedeutung sein.
Hier ist auch jener unzählbaren, mehr oder weniger feinen Räume und Gänge zu gedenken,
welche zwischen der Außenwand der Nervenzellen des Markes und der gegenüberliegenden
Neurogliawand gelegen sind, welche ferner zwischen allen Fortsätzen der Nervenzellen und der
Neurogliawand der sie aufnehmenden Kanäle sich befinden. Die pericellularen und perifi-
laren Räume, so klein und fein sie im frischen Zustande des Objekts auch sicherlich sind, haben
dennoch für den Stoffverkehr unverkennbar enie hohe Bedeutung.
Der subarachnoidale und der subdurale Raum hängen zusammen mit den Lymph-
spalten der Spinalnerven. Letztere stehen mit abführenden Lymphgefäßen in
Verbindung, die in benachbarte Lymphdrüsen einmünden.
Sterzi, G., Ricerche intorno alla Anatomia comparata ed all' ontogenesi delle Meningi.
Considerazioni sulla filogenesi. Parte prima: Meningi midollari. Venezia 1901. — Strasser, Über
die Hüllen des Gehirns und des Rückenmarkes. Comptes rend. Assoc. anat. 1901.
5. Querschnittsbilder des Rückenmarkes. Fig. 37—67.
Weitere Aufschlüsse über den Bau des Rückenmarkes geben Schnitte, und
zwar vor allem Querschnitte. Indessen werden auch Längsschnitte verschiedener
Art vielfach mit größtem Nutzen untersucht. Für Unterrichtszwecke bedient man
sich jedoch in erster Linie der Querschnittbilder.
Wir werden zunächst an einem schematischen Querschnitt (Fig. 37) die Mikro-
topographie der einzelnen Teile des Organs kennen lernen, dann erst können
wir mit Nutzen die regionären Unterschiede (Fig. 39 — 67) und den feineren Aufbau
studieren.1)
Zunächst finden wir die uns schon bekannten Furchen wieder. Vorn die tief
einschneidende Fissura mediana ant., welche einen Fortsatz der Pia mater enthält.
Hinten den flacheren Sulcus medianus post, dessen Verlängerung durch das Sep-
tum post. gebildet wird. Seitlich von der Mittellinie liegt vorn der Sulcus lat. ant.
mit den austretenden vorderen Wurzelfasern, hinten der Sulcus lat. post. mit den
]) Hier wie später an den Schnitten durch Medulla oblongata, Pons und andere Hirnteile
muß der Studierende sich zunächst die Einzelheiten des Bildes einprägen, in der Art wie man
Geographie lernt. Erst wenn die Bilder so fest in der Erinnerung haften, daß sie jederzeit gegen-
wärtig sind, kann die zweite Stufe in Angriff genommen werden, die Verknüpfung der Einzelheiten
der verschiedenen Bilder zu stereometrischer Auffassung.
34 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
eintretenden hinteren Wurzelfasern, und zwischen diesen und dem Sulcus medianus
post. sehen wir den Sulcus intermedius post., welcher Gollschen und Burdach-
schen Strang trennt.
Besonders auffallend ist der Unterschied zwischen der grauen und der weißen
Substanz: Letztere bildet den peripherischen Teil, erstere liegt zentral. Weiter
erkennen wir die bilaterale Symmetrie des Rückenmarkes, was durch die Fissura
mediana ant. und durch das vom Sulcus medianus post. ausgehende Septum post.
außerordentlich leicht fällt. Vordere Furche und hinteres Septum dringen so weit
vor, daß zwischen ihren Enden nur eine schmale Brücke übrig bleibt. Innerhalb
dieser Brücke befindet sich der Zentralkanal, Canalis centralis, ein von
zylindrischen Zellen ausgekleideter Gang, dessen Lichtung beim erwachsenen
Menschen oft streckenweise verödet ist. Er ist von einer größeren Menge gelatinöser
Substanz umgeben, Substantia gelatinosa centralis (Substantia grisea centralis
der B. N. A.). Ventral vom Zentralkanal und der ihn umgebenden gelatinösen
Substanz befindet sich die vordere Kommissur, an welcher noch wieder zwei Ab-
schnitte unterschieden werden, die ventrale aus sich kreuzenden markhaltigen Nerven-
fasern bestehende Commissura anterior alba und die dorsal von dieser befind-
liche Commissura anterior grisea. Dorsalwärts vom Zentralkanal liegt die
Commissura posterior, welche nur spärliche markhaltige Fasern enthält.
Die Kommissuren verbinden die beiden Seitenhälften der grauen Substanz.
Das Gesamtbild des Querschnittes der grauen Substanz hat eine gewisse Ähnlich-
keit mit einem aufgespannten Schmetterling und wird darum auch als Schmetterlings-
figur bezeichnet. Stellt man sich aber die gesamte graue Substanz des Rücken-
markes als plastisches Gebilde vor, so besitzt sie das Aussehen einer mit tiefen
Rinnen und starken Längsleisten versehenen Säule. Die einzelnen Längsleisten
werden jetzt als graue Säulen, Columnae griseae bezeichnet (früher nannte
man sie mit Rücksicht auf das Querschnittsbild Hörner, Cornua). Es gibt jeder-
seits drei solche Säulen.
Den vor der Frontalebene der Kommissur gelegenen großen Vorsprung der
grauen Substanz jeder Seite nennt man Vordersäule, Columna anterior; deren
hinterer Teil, die Basis, geht in die Hintersäule, Columna posterior, über.
Letztere erfährt hinter ihrem Ursprung eine Einschnürung, Hals der Hintersäule,
Cervix columnae posterioris. Hinter dieser Einschnürung schwillt die Hinter-
säule zu einem spindelförmigen Kopfe an, Caput columnae posterioris, und
verjüngt sich endlich zu einer gegen den Sulcus lateralis posterior gerichteten
Spitze, Apex columnae posterioris. Auf dieser sitzt die Rolandosche
Substanz, Substantia gelatinosa post. (Rolandi).
Von der lateralen Seite der Vordersäulenbasis ragt ein dritter bedeutender Vor-
sprung in den Markmantel, die Seitensäule, Columna lateralis; diese ist im
Brustmark am deutlichsten, nimmt kaudal ab, während sie im Halsmark mit der
stark ausgebildeten Vordersäule zusammenfließt.
Die Seitensäule liegt stets ventral vom Halse der Hintersäule. Beachtet man
dies, so läßt sich die Seitensäule nie mit einem Nachbargebilde verwechseln, der
Formatio reticularis. Diese liegt in einem Winkel, welchen die Seitensäule
mit dem lateralen Rande der Hintersäule bildet. Sie besteht aus netzartig ange-
ordneten Balken grauer Substanz, welche in den Seitenstrang vorspringen, kleinere
Bündel weißer Substanz von ihm abschneiden und in ihre Maschen aufnehmen.
Das Rückenmark: Quersclinittsbildcr. 35
Nach dem Lendenmarko hin abnehmend, dehnt sich die Formatio reticularis kranial-
wärts beständig aus.
Außer diesen großen, stumpfen oder scharfen Vorsprüngen gegen die weiße
besitzt die graue Substanz eine große Menge feiner Leisten, Septula medullae
spinalis, welche von der Peripherie der grauen Substanz radial in den Mark-
mantel eintreten, sich teilen und verbinden, zum großen Teil dessen Oberfläche
erreichen und so den Markmantel in zahlreiche feine Blätter zerlegen. Die Ober-
fläche der grauen Substanz ist hiernach nicht glatt, sondern rauh und zackig.
Die Ganglienzellen der grauen Substanz liegen zu Gruppen vereinigt und
in zerstreuter Anordnung.
Als besondere Gruppen sind innerhalb der Vordersäule durch Waldeyer
unterschieden: 1. die vordere mediale, 2. die vordere laterale Gruppe;
3. die hintere mediale (Kommissurenzellen), 4. die hintere laterale Gruppe;
5. die zentrale Gruppe.
In der Seitensäule befindet sich die Seitensäulengruppe.
In der Basis der Vordersäule liegen außer zentralen Ganglienzellen die
Gruppe der Mittelzellen sowie die ebenfalls kleinen Nebenzellen.
An der medialen Seite der Basis der Hintersäule liegt eine sehr deutlich -ab-
gegrenzte Gruppe von Ganglienzellen. Sie heißt jetzt Nucleus dorsalis (Stillingi,
Clarkii), ist bekannter als Clarkesche Säule und wird auch als Stillingscher
Kern bezeichnet. Sie hat ihren größten Querschnitt im unteren Brustmark und
dehnt sich ununterbrochen zwischen dem siebenten Halsnerven und dem dritten
Lendennerven aus. Weiter oben und unten,- im Hals- und Sakralmark, finden sich
isolierte graue Massen an den entsprechenden Stellen vor.
Auch die Substantia gelatinosa Rolandi enthält besondere kleine Gan-
glienzellen, Gierkesche (Virchowsche) Zellen.
In der Zona spongiosa befinden sich vereinzelte mittelgroße Ganglienzellen,
Marginalzellen.
Die weiße Substanz, der Markmantel, umhüllt die graue Substanz so
vollständig, daß sie an keiner Stelle die Oberfläche berührt. Man unterscheidet
an ihr den Vorderstrang, Funiculus anterior, welcher von der Fissura mediana
ant, der Commissura ant. alba, der Vordersäule begrenzt wird. Seine konventionelle
Grenze gegen den Seitenstrang wird durch das laterale vordere Wurzelbündel be-
zeichnet. Eine vom Sulcus intermedius ant. parallel zur Fissura mediana ant.
gezogene Linie teilt den Strang in zwei Teile, den medialen Pyramiden-Vorder-
strang, Fasciculus cerebrospinalis anterior (pyramidalis ant.) und den
Vorderstrang-Rest oder das Vorderstrang-Grundbündel, Fasciculus ant.
proprius (Flechsigi).
Der Seitenstrang, Funiculus lateralis, liegt lateral von der grauen
Substanz. Seine Grenze gegen den Vorderstrang ist uns schon bekannt, seine
Grenze nach hinten bildet die Zona terminalis (siehe über diese weiter unten).
Auch im Seitenstrang sind einzelne untergeordnete Stränge bekannt. Ihre Grenzen
sind aber auf gewöhnlichen Präparaten nicht zu erkennen. Trotzdem kann man
sich ihre Lage leicht einprägen, wenn man sagt: das von der Formatio reticularis
durchsetzte Gebiet ist der Pyramiden-Seitenstrang, Fasciculus cerebro-
spinalis lateralis (pyramidalis lat.). Eine schmale Zone, parallel der Ober-
fläche, von der Zona terminalis bis ungefähr zur Abgangsstelle des Lig. denticulatum
36 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
reichend, ist der Kleinhirnseitenstrang, Fasciculus cerebellospinalis
(besser Seitenstrang-Kleinhirnbahn, Fasciculus spinocerebellaris). Eine
kleine Zone, ventral von dem Kleinhirnseitenstrang gelegen, heißt Gowerssches
Bündel, Fasciculus anterolateralis superficialis (Gowersi). Was vom
Seitenstrang noch übrig ist, wird als Seitenstrangrest oder Seitenstrang-
Grundbündel, Fasciculus lateralis proprius (Flechsigi) bezeichnet.
Die Zona terminalis liegt an der Peripherie des Rückenmarkes in der
Verlängerung der Hintersäule und wird medianwärts von den eintretenden hinteren
Wurzelfasern begrenzt. Sie besteht aus feinsten markhaltigen Nervenfasern, welche
in der Längsrichtung des Rückenmarkes verlaufen. Sie wurde früher als Lissauer-
sches Bündel bezeichnet. Waldeyer nannte sie Markbrücke. Zwischen der
Zona terminalis und der Substantia gelatinosa post. (Rolandi) befindet sich eine
Lage grauer Substanz, welche Zona spongiosa heißt.
Der Hinterstrang, Funiculus posterior, liegt zwischen Septum post.,
Commissura post. und Hintersäule. Er wird durch den Sulcus intermedius post.
und durch ein von ihm ausgehendes Septum in den medialen Gollschen Strang,
Fasciculus gracilis (Golli) und den lateralen Burdachschen oder Keilstrang,
Fasciculus euneatus (Burdachi) zerlegt.
Aus der Vordersäule treten in zahlreichen Bündeln die vorderen moto-
rischen Wurzeln aus, indem sie den Vorderstrang durchsetzen und im Gebiet
des Sulcus lat. ant. heraustreten. Die einzelnen Bündel entstehen durch Zusammen-
treten der einzelnen Neuriten innerhalb der Vordersäule.
Die hinteren (sensiblen) Wurzeln treten in dickeren Bündeln median-
wärts von der Zona terminalis in den Burdachschen Strang ein, woselbst das
Bündel pinselförmig auseinandergeht. Eine Anzahl der Fasern verbleibt im Hinter-
strang, andere ziehen in die graue Substanz der Hintersäule.
Die äußerste Lage des Rückenmarkes wird von einer schmalen Zone von
Neuroglia gebildet, Waldeyers subpiale Schicht.
Die im Vorhergehenden geschilderten Teile des Querschnittsbildes sind in
bestimmten Abschnitten des Rückenmarkes deutlicher, in anderen minder deutlich
ausgebildet. Über das relative Verhältnis der grauen und weißen Substanz und
über die verschiedene Gestalt der Schmetterlingsfigur geben die Fig. 39 — 67 eine
gute Vorstellung; darüber wird in einem besonderen Kapitel gehandelt werden.
Hier soll nur noch eine Übersicht gegeben werden, an welchen Abschnitten des
Rückenmarkes die genannten Teile vorkommen und wo sie am deutlichsten erkannt
werden können:
Die Kommissuren werden am besten studiert am Cervikal-, Lumbal- und
Sakralmark, wo namentlich die Commissura ant. alba sehr deutlich ist. Die Zona
terminalis, spongiosa, gelatinosa post. sucht man am vorteilhaftesten zuerst im
Lumbal- oder Sakralmark auf. Hat man sie hier gut gesehen, so wird man sie
leicht auch im Cervikal- und Thorakalmark finden. Die vorderen und die hinteren
Wurzeln werden im Gebiet der Intumescentia cervicalis und lumbalis am deut-
lichsten zu sehen sein, weil hier die dicken Extremitätennerven entspringen. Seiten-
säule und Formatio reticularis sind am kräftigsten im Cervikalmark. Die Einteilung
des Hinterstranges in Gollschen und Burdachschen Strang findet man erst vom
mittleren Thorakalmark aufwärts. In dem unteren Abschnitt des Rückenmarkes wird
man darnach vergeblich suchen. Die Zellengruppen der grauen Substanz sind
Das Rückenmark: Zentralkanal, Massenverhältnis der grauen und der weißen Substanz. 37
ebenfalls wieder im Gebiet der Hals- und Lendenanschwellung' am deutlichsten. -
Man glaube aber nicht, daß man alle im Schema aufgeführten Gruppen in einem
Querschnitt nebeneinander finden kann. - Der Nucleus dorsalis ist am kräftigsten
im XI. Thorakalsegment. Er wird nach unten plötzlich, nach oben allmählich
schwächer und ist oberhalb des 7. Cervikal- und unterhalb des 3. Lumbaisegments
nur noch in Spuren vorhanden.
Durch alle diese Verschiedenheiten wird es verhältnismäßig leicht, die Zu-
gehörigkeit eines Schnittes zu den einzelnen Hauptteilen des Rückenmarkes zu
bestimmen, nämlich ob ein Schnitt dem Cervikal-, Thorakal-, Lumbal- oder Sakral-
mark entstammt. Schwieriger ist es schon festzustellen, ob er dem oberen, mitt-
leren oder unteren Abschnitt dieser Teile angehört.
6. Der Zentralkanal, Canalis centralis.
Der Canalis centralis hat in den verschiedenen Gegenden des Markes
veränderliche Gestalt und Größe. Im Brustmark ist er rundlich und hat einen
Quermesser von 0,05 — 0,1 mm. In der Halsanschwellung ist seine Form queroval,
in der Lendenanschwellung längsoval. Gegen die Oblongata
hin wandelt sich die querovale Form ebenfalls zu einer sagittalen
Spalte um. Im Conus medullaris rückt der Kanal mehr und
mehr an die hintere Medianspalte heran und erweitert sich im
unteren Ende des Konus zum Ventriculus terminalis
(W. Krause). Fig. 36.
Der Querschnitt des Ventrikels ist meist dreiseitig, mit
hinterer Spitze und vorderer Basis. Seine Länge beträgt 8 — 10,
seine Breite 0,5 — 2 mm, seine Tiefe 0,4 — 1 mm. Er reißt von Fig. 36.
hinten leicht ein und wurde früher für offen gehalten. Beim ventrkuius terminalis.
Übergang des Konus in das Filum terminale setzt er sich wieder ^""usT« 2
in einen feinen Kanal fort, welcher bis zur halben Länge des teren Gegend des Conus
Filum hinabreicht, wo er blind endigt. — %. ^f
Der obere Teil des Ventriculus terminalis ist nach
Argutinsky (1898) auf dem Querschnitt T-förmig; der mittlere Teil ist zumeist
ein dünnwandiger offener, oder abgeplatteter, oder in Längsfalten gelegter Sack;
der untere längste Teil ist in der Regel eine frontal gerichtete Spalte.
Argutinsky gibt Rekonstruktionsbilder und hält den Ventriculus terminalis
für ein nachträglich entstandenes Gebilde.
Der Zentralkanal ist häufig obliteriert, zumal im Halsteil des Rückenmarkes.
7. Massenverhältnis der grauen und der weißen Substanz.
Die graue Substanz nimmt von der Spitze des Conus medullaris bis zur Mitte der Lenden-
anschwellung an Masse stetig zu (bis auf 24,89 qmm Querschnittfläche), erfährt im Brustmark eine
sehr bedeutende Abnahme (bis auf 4,56 qmm Querschnitt) und schwillt an der Halsanschwellung
wiederum bedeutend an (bis 19,67 qmm), um im oberen Halsmark langsam abzunehmen. Mit Bezug
auf die abgehenden Nervenwurzeln ergibt sich die Tatsache, daß der Flächeninhalt der grauen
Substanz auf Querschnitten um so größer ist, je mehr Wurzelfasern in dem bezüglichen Abschnitt
aus dem Rückenmark hervorgehen; die graue Substanz ist an jenen Stellen am mächtigsten, wo
die großen Extremitätennerven entspringen.
Ganz anders verhält sich die weiße Substanz. In der Gegend der Konusspitze ist der
Querschnitt überwiegend aus grauer Substanz gebildet, welche nur von einem schmalen Saume
38 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
weißer umgeben wird. Von hier an erfährt die weiße Substanz bis zum oberen Teil der Hals-
anschwellung eine stetige Zunahme (bis auf 24,02 qmm), die nur in der Strecke vom dritten Lenden-
bis zum zwölften Brustnerven durch eine unbedeutende Abnahme unterbrochen wird. Die Zunahme
erfolgt am Beginn der beiden Anschwellungen rascher als an anderen Stellen.
Im ganzen genommen erscheint folglich die Masse der grauen Substanz des Rückenmarkes
in der Form einer Doppelspindel, die weiße dagegen in der Form eines Kegels mit kaudalcr
Spitze. Das Verständnis diesesVerhaltcns wird sich aus dem Studium derLcitungsbahnen leichtergeben.
An der Austrittsstelle des vierten Lendennerven nehmen graue und weiße Substanz nahezu
gleich viel Raum ein (die graue 12,02, die weiße 22,34 qmm). Weiter oben hat die weiße stets einen
größeren Flächeninhalt als die graue; auch die Halsanschwellung ändert dies Verhältnis nicht; im
Ursprungsgebiet des sechsten Halsnervenpaares mißt der Querschnitt der weißen Substanz 24,02,
der der grauen 16,67 qmm. Vom vierten Halsnerven zur Oblongata ist dann wieder eine kleine
Abnahme weißer Substanz zu bemerken. Die einzelnen weißen Stränge verhalten sich hierbei
jedoch verschieden.
Es wurde oben erwähnt, daß die graue Substanz proportional den austretenden Nervenwurzeln
zu- und abnehme. Dies bezieht sich jedoch wesentlich auf die Vordersäulen. Die Hintersäulen
werden durch die Anschwellungen weniger beeinflußt, obwohl auch sie eine Zunahme erfahren. Dies
ist besonders der Fall in der Lendenanschwellung, in welcher die Hintersäulen eine ansehnliche Breite
besitzen. Die Zunahme der Vordersäulen in der Halsanschwellung ist vor allem eine seitliche,
so daß von einer isolierten Seitensäule nichts mehr gesehen wird. Gegen die Spitze des Conus
medullaris hin verliert sich die Abgrenzung der Vorder- und Hintersäule. Zugleich treten die
Hintersäulen immer näher zusammen und verschmelzen schließlich zu einer Masse.
An den beiden Intumeszenzen ist die Commissura alba besonders mächtig; an den übrigen
Stellen überwiegt die Commissura grisea.
Die hintere graue Kommissur ist am mächtigsten im Conus medullaris (sagittaler Durchmesser
— 0,40 mm), nimmt in der Lendenanschwellung ab (0,13), sinkt im Brustteil noch mehr (0,03) und
wächst im Halsmark wieder (0,13).
8. Feinerer Bau des Röckenmarkes.
a) Das stützende Gerüst.
Das stützende Gerüst des Rückenmarkes wie des Gehirnes besteht aus zwei
dem Ursprünge nach wesentlich voneinander verschiedenen Geweben:
((. aus pialen Bindegewebsfortsätzen, welche als Leiter der sehr zahl-
reichen in das Mark eindringenden Gefäße erscheinen;
ß. aus Nervenkitt, Neuroglia1), einem Gewebe, welches dem gleichen
epithelialen, ektodermalen Zellenlager entspringt, wie die nervösen Elemente selbst
(siehe Fig. 38, 68^71 u. Allg. Teil, S. 142—144).
Die Neuroglia stellt einen an Masse gegenüber den nervösen Bestandteilen
zwar an den meisten Stellen zurücktretenden, immer aber ansehnlichen, sehr zier-
lich gebauten Körper dar, welcher zahllose Lücken besitzt und aus Gliazellen
und Gliafasern besteht.
Die Gliazellen sind reich verästelte Gebilde, deren Ausläufer wahrscheinlich
miteinander zusammenhängen und ein Syncytium bilden (siehe aber S. 44). Die
Gliafasern bestehen nach den histochemischen Untersuchungen von Kühne und
Ewald aus Hornsubstanz, Neurokeratin.
Das Aussehen der Neuroglia ist jedoch keineswegs überall gleich. Dies hängt
zum Teil mit dem Wechsel der zu stützenden Teile zusammen; aber auch ohne
diesen Umstand vermag sie bedeutende Verschiedenheiten zu entwickeln. Im Interesse
der Darstellung ist sie in drei Kategorien zu teilen:
') Betone Neuroglia.
3Q
Fasciculus gracilis (Ooll'schci Strang)
Fasciculus cuneatus (Burdach 'scher Strang)
Radix post.
Zona terminalis
Zona spongiosa
Substantia gelatinosa -* ><
(Rolandi) .^ .-^
Coluinna poit. t • /*'■■
Pia mater
Sulcus medianus post.
Septum post,
Sulcus intermedius post.
Sulcus lat. post.
; marginale Zellen
zentrale Zellen
Strangzellcn
Nuclens dorsalis
(Clarke'sche Säule)
Ncbcnzcllcn
Mittelzellen
Lig. denticulatum
Fasciculus cerebello
spinalis
Fasciculus cerebro-
spinalis lat.
Fascicul. anterolat.superf. .'
(Gowers'sches Bündel)
Columna lat.
Fasciculus lat. proprius
Columna ant.
Fasciculus ant. proprius
Fasciculus cerebrospinalis ant.
(pyramidalis ant.)
./ ~~SeitensäuIen-Gruppe
hintere laterale Gruppe
hinlere mediale Gruppe
zentrale Gruppe
vordere laterale Gtuppe
vordere mediale Gruppe
Radix ant
Fissura mediana ant
Commissura post.
A. spinalis ant. Commissura ant.
Fig. 37. Schematischer Querschnitt des Rückenmarkes mit Pia mater und Lig. denticulatum.
Ganglienzellen rot.
Gliazelle
Axencvlinder
Gliazelle
Fig. 38. Gliagerüst im Hinterstrang des menschlichen Rückenmarkes.
Kerne und Gliafasern blau.
40
Fig. 39 (C. II)
Fig. 40 (C. III)
Fig. 41 (C. IV)
Fig. 42 (C. V)
Fig. 43 (C. VI)
Fig. 44 (C. VII) ,-ig 45 (C vm)
Fig. 39-45. Querschnittsbilder der Cervikalsegmente II— VIII von demselben Rückenmark, wie die
in den Fig. 46—67 abgebildeten Schnitte.
41
Ftg. 4S (Th. III)
Fig. 49 (Th. IV)
Fig. 50 (Th. V)
Fig. 52 (Th. VII)
Fig. 53 (Th. VIII)
Fig. 54 (Th. IX)
Fig. 55 (Th. X)
Fig. 56 (Th. XI)
Fig. 46—57. Querschnittsbilder der Thorakalsegmente I— XII
von demselben Rückenmark wie die in Fig. 39 — 45 und in Fig. 58
bis 67 abgebildeten Schnitte.
Fig. 57 (Th. XII)
42
''" ' ■.
Fig. 59 (L. II)
Fig. 60 (L. III)
Fig. 61 (L. IV)
Fig. 62 (L. V)
Fig. 63 (S. I)
Fig. 64 (S. II)
Fig. 65 (S. III)
3
I i 66 (S. IV) Fig. 67 (S. V)
Fig. 58—67. Quersclinittsbilder der Lumbalsegmente I— V und der Sakralsegmente I— V
von demselben Rückenmark, wie die in Fig. 39—57 abgebildeten Schnitte.
Das Rückenmark: Feinerer Bau.
43
1. das Ependym,
2. die Neuroglia der grauen Substanz und
3. die Neuroglia der weißen Substanz.
Wenn auch die Mehrzahl der neuesten Untersuchungen sich für den einheitlichen ektodermalcn
Ursprung der Neuroglia ausgesprochen hat und diese Anschauung von chemischerSeite eine gewichtige
weitere Unterlage besitzt, so ist zwar nicht zu verkennen, daß es sich mit dem embryonalen
Gerüst des zentralen Nervensystems wirklich so verhält. Daß es sich aber in späterer Zeit nur
um eine Vermehrung der Neuroglia demente auf gleicher Grundlage handelt und nicht auch
um eine sekundäre Invasion von Bindegewebe, bedarf immer noch des unmittelbaren Nach-
weises. Letztere Theorie zählt gewichtige Anhänger.
Über die Stützsubstanz der Nervenwurzeln siehe periphere Nerven.
Capobianco, F., De la partieipation mesodermique dans Ia genese de la nevroglie cerebrale.
Arch. ital. de Biol. XXXVII, 1902.
Das Ependym. Fig. 68 — 70 und
Abt. I, Fig. 211.
Die zylindrischen Zellen des Epen-
dyms, Ependymzellen, kleiden in einfacher
Fig. 68.
Ependymzellen (starke Vergr.)
Fig. 69.
Stützzellen des Medullarrohres. (Von His.)
Schicht den Zentralkanal aus. Jede Zelle trägt am Innenende einen verdickten
Kutikularsaum, welcher mit den Säumen der folgenden verbunden ist. Der
Kutikularsaum jeder Zelle trägt zahlreiche Cilien. (Abt. I, Fig. 211.) Der lange
periphere Fortsatz, Ependymfaser, verhält sich verschieden nach der Gegend:
in der Gegend der vorderen Kommissur zeigen die Ependymzellen eine meridian-
artige, tonnenförmige Anordnung, indem ihre Außenenden nach der vorderen Median-
fissur konvergieren; so entsteht der vordere oder ventrale Ependymkeil(Retzius).
Die hintersten Ependymzellen zeigen eine streng mediane Lage und dicht gedrängte
bündelartige Anordnung; sie bilden den schmalen hinteren oderdorsalenEpendym-
keil. Zwischen beiden haben jederseits die lateralen Ependymzellen ihre Lage.
Sie strahlen mit ihrem langen Fortsatz im ganzen radiär aus, gabeln sich fast
konstant im Bereiche der weißen Substanz, durchdringen letztere und endigen an
der äußeren Oberfläche mit kleinen Knötchen. Fig. 70.
Das ausgebildete Rückenmark enthält noch die beiden Ependymkeile, den ventralen als
vorderes Keilstück, den hinteren als Septum posterius. Ob die seitlichen Ependymzellen ihren
Raüber-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 3
44
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
peripheren Fortsatz auch beim Erwachsenen noch bis zur äußersten Peripherie senden, wie es beim
Fetus sich findet, ist nicht sicher nachgewiesen, jedoch wahrscheinlich.
Ontogenetisch und phylogenetisch stellt das Ependym für sich allein das Urgerüst des
ganzen Markes dar. Bei Amphioxus bleibt es dauernd auf dieser Stufe. Die übrige Neuroglia
aber ist als ein neuer, dem Ependym sich zugesellender Erwerb zu betrachten.
Die Neuroglia der grauen Substanz.
Die Gliazellen der grauen Substanz (Deiterssche Zellen, Pinselzellen), an-
fänglich spärlich, allmählich immer reichlicher in der grauen Substanz verbreitet,
haben zuerst längliche Gestalt, später Sternform, Astrocyten, und besitzen großen-
teils eine außerordentliche Menge von Fortsätzen. Sie erscheinen wie Schatten
von Nervenzellen, stellen auch histologische Einheiten dar wie letztere, und bilden
Fig. 70.
Neuroglia vom Rückenmark eines 14 cm langen menschlichen Fetus (G olgi -Methode), (v. LenhossGk.)
Rechts Ependymgerüst, links Neurogliazellen. Vorderer und hinterer Ependymkeil.
mit ihren vielen Ausläufern schließlich die feinsten und zartesten Filze, die als
Gliopilem dem Neuropilem (Nervenfaserfilz) gegenüberstehen. Sie enthalten
nur wenige oder gar keine Gliafasern.
Sie sind überall in der grauen Substanz vorhanden, bilden aber stärkere An-
häufungen an drei verschiedenen Stellen:
a) Substantia gelatinosa centralis (grisea centralis der B. N. A.),
b) Substantia gelatinosa posterior (Rolandi),
c) Zona spongiosa.
Die Substantia gelatinosa centralis liegt in der nächsten Umgebung des Zentral-
kanales, wird von den Ependymfasern durchsetzt und bildet mit den Zellkörpern der letzteren den
zentralen Ependymfaden von R. Virchow. Sic besitzt kreisförmigen oder elliptischen Quer-
schnitt. Die Neurogliazellen sind hier ziemlich zahlreich, haben plumpe Gestalt, reiche Fasern
und zeigen eine dem Zentralkanal konzentrische Anordnung der dichten Fasermassen.
Die Substantia gelatinosa posterior stellt eine schon mit freiem Auge leicht sicht-
bare, vorn offene gebogene Platte dar, welche den Kopf der Hintersäule der grauen Substanz gegen
Das Rückenmark: Feinerer Bau.
45
den Seitenstrang und den Hinterstrang abgrenzt. Ihr konvexer Rand ist den eintretenden hinteren
Wurzeln zugekehrt. Im Lendenteil halbmondförmig, erscheint sie im Brust- und Halsmark winkelig
geknickt, mit hinterer Spitze. In den Anschwellungen hat sie ihre größte Starke und ist im Brust-
mark am schwächsten; hier nimmt sie */s des Querschnittes der Hintersäule ein, in der Hals-
anschwellung Va. in der Lendenanschwellung sogar 2/a- (F'g- 39 — 67.) Sie ist an vielen Stellen
durchbrochen zum Durchtritt von Nervenbündeln und besteht aus einem überaus reichen und feinen
Geflecht von Gliafascrn, in welches an vielen Stellen Gliazellen eingestreut sind. Ihre Blutgefäße
sind nicht zahlreich; Nervenzellen fehlen nicht gänzlich; andere umsäumen den Außenrand der
Rolandoschen Substanz. Alle neueren Beobachter betonen das äußerst dichte Flcchtwerk zarter
Fasern der hier vorkommenden Gliazellen, die pelzige, moosige Beschaffenheit derselben auf ge-
wissen Entwicklungsstufen; in späterer Zeit scheinen auch körnige, traubenartige Umwandlungen
der Substanz vorzukommen.
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Fig. 71.
Bau der Neuroglia in der grauen und weißen Substanz des Rückenmarks von Myxine. (Erik Müller, 1899.)
An die eigentliche Rolandosche Substanz schließt sich hinten eine schmale Schicht, Zona
spongiosa, oder Zonalschicht der Hintersäulen, saumartig an, welche ihren Namen erhalten hat von
den zahllosen größeren und kleineren Lücken, die sich in ihr befinden; sie ähnelt daher einem
Schwämme. Ihre Grundlage bilden Gliazellen und deren Fasern.
Die Neuroglia der weißen Substanz besteht ebenfalls aus Gliazellen,
welche jedoch eine große Menge von Gliafasern enthalten und wahrscheinlich ein
Syncytium bilden (Fig. 38). Auch die Ependymfasem ziehen in die Glia der weißen
Substanz hinein. Sie besitzt im ganzen einen regelmäßigeren Bau, als die der grauen;
denn sie dient zur Stütze einfacher angeordneter Teile, vor allem der Fasermassen des
Markmantels. Dessen einzelne, meist vertikal ziehende Nervenfasern liegen von früher
Zeit an nicht unmittelbar nebeneinander, sondern werden durch kleine Zwischenräume
getrennt. Letztere sind von der Neuroglia eingenommen. Diese hängt an der Innenfläche
3*
46 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
des Markmantels mit der grauen Substanz zusammen, an der Außenfläche entwickelt
sie allmählich eine feine verdichtete Schicht, welche keine Nervenelemente mehr
führt, sondern eine gemeinsame Hülle für das ganze Rückenmark bildet: die
Rindenschicht, die subpiale Schicht Waldeyers. Dieselbe ist an verschie-
denen Stellen von wechselnder Mächtigkeit, wird außen von der Pia mater bedeckt
und dringt an ihrer Innenfläche mit vielen kleinen und größeren Fortsätzen in die
weiße Substanz ein. Zu beiden Seiten der vorderen Längsfissur des Markes umgibt
sie die weiße Substanz bis in die Tiefe. Im Sulcus lateralis posterior erreicht sie
die Spitze der Hintersäule und tritt mit der Substantia gelatinosa posterior in
Verbindung.
b) Die nervösen Bestandteile.
A. Die Nervenzellen.
Die graue Substanz des Rückenmarkes erstreckt sich als ununterbrochene
symmetrisch geformte Säule vom Conus medullaris bis zur Oblongata und setzt
sich in letztere fort. Sie enthält als wesentliche Bestandteile Nervenzellen und
Nervenfasern, von welchen erstere teils zu Gruppen zusammentreten, teils zerstreute
Lage besitzen. Ihre Häufigkeit ist nicht in allen Querschnittshöhen gleich, sondern
wächst an den Eintrittsstellen der segmental angeordneten Nervenwurzeln. Daher
zeigt die graue Substanz selbst bis zu gewissem Grade eine segmentale Gliederung;
auf letzteren Umstand weist schon die Gegenwart der beiden großen Intumeszenzen
hin; denn dieselben hängen mit dem Ursprünge der großen Extremitätennerven
zusammen. Die Anordnung der Nervenzellen in der grauen Substanz des Markes
erscheint daher unter dem Bilde einer perlschnurförmigen Längsaufreihung (Fig. 72);
dies gilt besonders für die Vordersäulen.
Die Nervenzellen des Rückenmarkes können nach verschiedenen Gesichts-
punkten eingeteilt werden.
a) Nach der segmentalen Gliederung der grauen Säulen unterscheidet
man Nervenzellen der einzelnen durch eine Ordnungsziffer bestimmten Segmente.
b) Nach der topographischen Lagerung der Nervenzellen im Markquer-
schnitte werden unterschieden (Fig. 37): eine vordere und hintere mediale, eine
vordere und hintere laterale Gruppe von Zellen der Vordersäule; die isolierten
Zellen der Vordersäule; die zentrale Gruppe der Vordersäule; die Zellengruppe der
Seitensäule; die Zellengruppe der Clarkeschen Säule; die solitären Zellen der
Hintersäule; die Zellen der Substantia gelatinosa posterior; die prärolandosche
Zellengruppe; die postrolandoschen Zellen; die zerstreuten zentralen Zellen; die
solitären Zellen um den Zentralkanal.
c) Eine wichtige Unterscheidung gründet sich auf das Verhalten und die
Bahn des Neuriten. Hiernach gibt es, wie Cajal feststellte:
Cellulae radiculares; der Nervenfortsatz zieht zur vorderen oder hinteren
Nervenwurzel;
Cellulae funiculares; der Nervenfortsatz zieht zu den weißen Marksträngen;
es sind unilaterales und bilaterales zu unterscheiden; im letzteren Falle teilt
sich der Nervenfortsatz in zwei Fasern, deren eine durch die vordere Kommissur
auf die andere Seite des Markmantels gelangt;
Cellulae commissurales; der Nervenfortsatz zieht durch die vordere
Kommissur zu dem Vorder-Seitenstrange der anderen Seite;
Das Rückenmark : Feinerer Bau.
47
Cellulae axi-ramificatae; der Nervenfortsatz verliert seine Selbständigkeit
und zerfällt in der grauen Substanz in eine große Anzahl feinster Äste (Golgi-
Zellen vom II. Typus).
Unter den Cellulae axi-ramificatae gibt es auch solche, deren Neurit zunächst
die vordere Kommissur überschreitet und in der grauen Säule der anderen Seite
sich in ein terminales Astwerk auflöst.
Da die Kommissurenzellen also teils zur letzten Gruppe, teils zu den Strängen
gehören, bleiben übrig:
Cellulae radiculares,
Cellulae funiculares,
Cellulae axi-ramificatae.
d) Die im Rückenmark und in den
Spinalganglien vorhandenen Zellen mit ihren
Ausläufern gehören Neuronen verschie-
dener Ordnung an. In dieser Hinsicht
sind die Cellulae radiculares (als Ganzes)
von den übrigen zu trennen als Neuronia
terminalia oder Neuronia externa, wäh-
rend die übrigen Zellen des Markquerschnittes
Neuronia interna darstellen. Jene ver-
mitteln den unmittelbaren Außenverkehr, diese
den Innenverkehr.1)
e) Nach der spezifischen Funktion
können die Zellen eingeteilt werden in mo-
torische, sensible, reflektorische, assoziie-
rende usw.
Im einzelnen ist von den verschiedenen
Zellen eine Menge wichtiger Besonderheiten
festgestellt worden und folgendes zu beachten:
1. Cellulae radiculares, Wurzelzellen.
Es gibt Vorderwurzelzellen und Hinter-
wurzelzellen.
Fig. 72.
Schema der
grauen
Segmente.
Fig. 73.
Nervenzelle der Hintersäule. (Nach Deiters.)
a Neurit; b Dendriten.
a) Cellulae radiculares anteriores, Vorderwurzel-
zellen. Fig. 37, 75, 79.
Die Vorderwurzelzellen, die motorischen
Zellen der vorderen Wurzeln, in den Intu-
meszenzen die beiden vorderen und die lateral-hintere Zellengruppe der Vorder-
säule bildend, im oberen Hals- und im Brustmark unzerklüftet, zeichnen sich vor
allen anderen multipolaren Nervenzellen des Markes durch die Größe ihres Körpers
und den Reichtum ihrer Dendritenverästelung aus. Manche Dendritenausläufer ragen
in die weiße Substanz und in die vordere Kommissur hinein. Der Neurit entspringt
vom Zellkörper oder von einem Dendritenstamme, tritt durch den Vorderstrang in
die vordere Nervenwurzel und wird so zum Axenzylinder der peripheren motorischen
s. v. Lenhossek, Der feine Bau des Nervensystems, 2. Aufl., 1895.
48
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Nervenfaser. In manchen Fällen entsendet der Neurit in der Nähe seines Ursprunges
feine Seitenzweige, die sich verästeln.
b) Cellulae radiculares posteriores, Hinterwurzelzellen. Fig. 74, 75, 79.
Von ihnen gibt es zwei Gruppen mit sehr ungleicher Zahl der Elemente.
Die eine, weit überwiegende Gruppe wird durch die Zellen der Spinalganglien
dargestellt; die kleine andere dagegen durch Zellen, die in der Vordersäule
liegen, ihren Neuriten aber in die hintere Wurzel entsenden.
a. Die Nervenzellen der Spinalganglien.
Sie verhalten sich zum Ursprünge der hinteren Wurzeln ebenso, wie die
Zellen der vorderen Wurzeln zu letzteren und haben hier ihren systematischen
Fig. 74.
Rückenmarkelemente bei der Ringelnatter (Tropidonotus natrix.)
Querschnitt des Rückenmarkes eines 8 cm langen Embryo; C Kommissurenzellen ; S Strangzelle; V vordere (ventrale)
Kommissur; P multipolare Zellen in den Spinalganglien. Der Eintritt der hinteren Wurzelfasern und ihre Kollateralen
sind zum Teil zu sehen, ebenso die Kollateralen der Vorder- und Hinterstränge. (G. Retzius, 1898.)
Platz zu finden, obwohl sie im fertigen Marke und schon früher außerhalb des
Rückenmarkes liegen. In der Embryonalzeit sind die Spinalganglienzellen aller
Wirbeltiere spindelförmig und bipolar (Fig. 75); so bleiben sie dauernd bei den
Fischen; bei den höheren Klassen werden sie durch exzentrische Wachstumsvorgänge
pseudo-unipolar.1) So entsendet die Zelle einen Ausläufer, der sich bald darauf
teilt, und zwar so, daß die beiden Äste zusammen mit dem Ausläufer eine T-Figur
bilden (tubes en T der französischen Autoren) (Fig. 79). Der zentrale Fortsatz ist
oft der schwächere; er stellt den Neuriten der Zelle dar, der periphere Fortsatz
dagegen einen langen, astlosen Dendriten.
Manche Zellen bringen außerdem auch kurze, gewöhnliche Dendriten hervor. Nach
neuerer Untersuchung v. Lenhosseks (Arch. mikr. Anat. 1906) verlassen diese Zellausläufer jedoch
') Die Ganglienzellen des Ganglion spirale und des Ganglion vestibuläre bleiben bipolar.
Das Rückenmark: Feinerer Bau.
49
das Gebiet der Scheidenzellen nicht, sondern gehen nach Bildung einfacher Schlingen wieder an
den Zellkörper (Fig. 76), oder die Ausläufer derselben Zelle bilden miteinander ein Netz. Dadurch
entstehen die sogenannten „gefensterten Zellen".
Die Neuriten dieser Zellen legen sich aneinander, bilden so den Hauptbestandteil
der hinteren Wurzel und treten als solche in das Rückenmark ein. Die Zellen selbst
sind je von einer besonderen bindegewebigen Kapsel und einer dichten Lage von
Scheidenzellen umgeben (siehe S. 14). Die Kapsel setzt sich in die Scheide der
ungeteilten und geteilten Nervenfaser fort. Die ungeteilte Faser erhält in der Nähe
der Zelle außerdem eine Markhülle und Schwannsche Scheide, welche einwärts
der Fibrillenscheide ihre Lage haben und beide auf die Teilungsäste übergehen.
Auf der ungeteilten Strecke kann die Nervenfaser einen bis zwei Schnürringe be-
sitzen; die Teilungsstelle selbst liegt immer an einem Schnürringe (Fig. 183, Abt. 1).
Fig. 76.
Gefensterte Zelle aus dem
Ganglion ciliare des Huhnes.
(Nach Lenhossek, 1911.)
Fig. 75.
Fig. 75. Vorderwurzelzellen und Hinterwurzelzellen aus dem Thorakalmark eines Hühnerembryo vom 9. Tage.
A vordere Wurzel; B hintere Wurzel; C Vorderwurzelzellen (motorische Nervenzellen); c Neurit einer Vorderwurzel-
zelle; D intramedullarer Teil der hinteren Wurzel; e Ursprung einer Kollateralen, die sich nach / verzweigt; g letzte
Reiser der radikularen Kollateralen; d Teilungsstellen; £ Ganglion spinale; h bipolare Ganglienzelle ; (' eine andere bipolare
Ganglienzelle, welche der Säugetierform ähnlich ist. (Nach Cajal.)
Wie die Spinalganglien sind gebaut: das Ganglion semilunare (Gasseri), das Ganglion geni-
culi, das Ganglion petrosum, das Ganglion jugulare und das Ganglion nodosum.
Denken wir uns die Spinalganglienzellen weiter in die Peripherie gerückt und schließlich in die
Epidermis eingetreten, so liegen Verhältnisse vor, wie sie bei manchen Wirbellosen vorkommen.
Bei Lumbricus sind, wie v. Lenhossek zeigte, solche Zellen als Sinnesnervenzellen in die
Haut eingeschaltet. Bei anderen Wirbellosen liegen die entsprechenden Sinneszellen in größerer
Tiefe und stellen so eine Verbindungsbrücke zu den Spinalganglienzellen dar (Retzius). Auch
das weitere Verhalten ist ähnlich. Der zentrale Zellfortsatz (Neurit) strebt zum Bauchstrange, dringt
in denselben ein und zerfällt wie bei den Wirbeltieren in einen auf- und absteigenden Ast, um
früher oder später frei zu endigen (Fig. 77). Neben den in der Epidermis von Lumbricus vor-
handenen Lenhossekschen Nervenzellen kommt jedoch, wie AI. Smirnow 1894 nachgewiesen
und Retzius bestätigt hat, eine freie Nervenendigung vor. Auch im Epithel der Mundhöhle
und des Oesophagus von Lumbricus ist diese doppelte Nervenendigung vorhanden (Fig. 78). Die
freien interepithelialen Endigungen haben wahrscheinlich eine andere physiologische Bedeutung.
Im Darmepithel fehlt die zellulare Nervenendigung, es ist hier nur die freie allein vorhanden
50
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
(Smirnow). Wie die der freien Endigung zugehörigen Nervenfasern in den zentralen Ganglien
sich verhalten, ist leider nicht bekannt, doch hängen sie dort oder auf dem Wege dahin sicher
mit Nervenzellen zusammen.
Welche Bedeutung den Spinalganglienzellen in bezug auf die Leitung von peripheren
Empfindungsreizen zukommt, läßt sich schwer sagen; wahrscheinlich wird die Leitung eine
Modifikation erfahren; hieran denkt man um so eher, wenn die Spinalganglienzelle gewissermaßen
als ein terminaler Apparat aufgefaßt wird. Eine Umgehung der Zellen von seilen der Reiz-
leitung und ein Überspringen der Erregung von einem auf den anderen Ast an dem Punkte der
Teilung der Nervenfaser, mit Ausschaltung der Zelle, ist für Wirbellose durch Bethe experimentell
nachgewiesen; trotzdem wird wohl in der Regel die ganze verbundene Strecke, mit Einschluß
der Zelle, der Übertragung der Erregung zu dienen haben. Das Ergebnis wäre eine Verlängerung
und eine Steigerung der Erregung. Es läge in dem Stamme des Ran vierschen T also eine merk-
würdige Einrichtung der numerischen und zeitlichen Summation der Erregung vor. Den Abschluß
der Erregung bildete die sich unmittelbar anschließende Übertragung durch den Zellkörper selbst.
Man muß hierbei daran denken, daß der Stamm des T eine unmittelbare Fortsetzung des Zellkörpers
ist; die eine Längshälfte dieses Stammes wird der zentripetalen, die andere der zentrifugalen
Fig. 77.
Fig. 78.
Fig. 77. Die zellulare Endigung sensibler Nerven des Regenwurmes, halbschematlsch. (v. Lenhossek.)
Ep Epidermis (Hypodermis aut.) mit sensiblen Sinnesnervenzellen; W Nervenwurzel; B.str. Bauchstrang mit Bifurkation
und Endigung der sensiblen Faser.
Fig. 78. Freie Nervenendigung in der Epidermis des Regenwurmes. (AI. Smirnow.)
a Cuticula epidetmalis ; b Schleim Zeilen ; c körnige Drüsenzellen; d,tl\d" Nervenfasern zum subepithelialen Plexus; e' direkt
,in das Epithel tretende, frei endigende Nervenfaser.
Leitung dienen. Erwiesen ist ferner (seit Waller 1852) die trophische Bedeutung der Spinal-
ganglienzellen für die von ihr abgehenden Fasern. Durchschneidung der hinteren Wurzel zwischen
Ganglion und Mark hat Degeneration des zentralen Stumpfes zur Folge, die sich weit in das Mark
hinein erstreckt. Durchtrennung der peripheren sensiblen Nerven führt zum Untergang des peri-
pheren Stumpfes, während die Fasern des zentralen Stumpfes unversehrt bleiben. Für den Bestand
der sensiblen Fasern ist also ihre Verbindung mit den Spinalganglienzellen unerläßliche Bedingung.
Einen merkwürdigen Bestandteil der Spinalganglien bilden von Cajal nachgewiesene sym-
pathische Nervenfasern. Sie gelangen durch den Ramus communicans des Spinalnerven an jenen
Platz und bilden innerhalb der Bindegewebskapsel der Zellen ein perizellulares Geflecht.
Siehe unten, Spinalganglien und Sympathicus.
ß. Die Vordersäulenzellen der hinteren Wurzeln.
In der Vordersäule sind, bis jetzt allerdings erst beim Hühnchen, Zellen nach-
gewiesen, die deutlich der motorischen Gruppe angehören und ihren starken
Neuriten durch die Hintersäule in die hintere Wurzel und durch das Spinalganglion
treten lassen; mit den Spinalganglienzellen treten sie nicht in Verbindung, sondern
stellen „durchtretende Fasern" des Ganglion dar, während die zahlreichen anderen
unterbrochen werden. Wohin sie gelangen, ist zweifelhaft, vielleicht zum Sym-
Das Rückenmark: Feinerer Bau. 51
pathicus (v. Kölliker). Fasern der Hinterwurzeln, die von der Vordersäule zu den
Hinterwurzeln ziehen, wurden zuerst von v. Bechterew, später v. Cajal auf-
gefunden; v. Lenhossek zeigte darauf auch die zugehörigen Vordersäulenzellen.
Nach den Versuchen von G. Gabri kommen beim erwachsenen Hunde in den hinteren
Wurzeln keine motorischen Elemente vor. Sowohl Durchschneidungs- und Degcnerationsversuclie
als auch Reizungsversuche hatten dieses Ergebnis. (Arch. Mal. Biol. T. 2fi, 1896).
2. Strangzellen, Cellulae funi ciliares. Fig. 74, 79, 81—83.
Allgemeines. Die Strangzellen sind Zellen vom GolgitypusI; sie entsenden
ihren Neuriten in die Markstränge derselben Seite und der gekreuzten Seite.
Letztere durchschreiten die vordere Kommissur (Fig. 79, 83). Sie bilden eine be-
stimmte Gruppe, die Kommissuren -Strangzellen, kurz auch oft Kommissuren-
z eilen, Kommissurengruppe genannt und liegen im medialen Felde der Vorder-
säule. Andere Gruppen von Strangzellen sind diejenigen des Vorderstranges,
Seitenstranges, Hinterstranges. Die letzteren sind die seltensten, die des Seiten-
stranges die häufigsten. Im ganzen stellen die Strangzellen weitaus das größte
Kontingent von Nervenzellen der grauen Substanz dar, bilden gegenüber den
hinteren Wurzelzellen Neuronen II. Ordnung und übernehmen zum Teil die
Weiterleitung sensibler Empfindungsreize nach oben und nach unten; alle aber stellen
bezüglich ihres Neuriten zentripetale Bahnen dar. Ihre Zellkörper haben durch-
schnittlich mittlere und kleinere Durchmesser; die Dendriten sind minder zahlreich,
können aber ihre Äste weithin erstrecken. Der Neurit entspringt vom Zellkörper oder
von einem Dendritenstämmchen, gelangt als Strangfaser in einen der bezeichneten
Stränge und geht auf zweierlei Weise in die Längsfasern des Markes über: ent-
weder durch einfache Umbiegung meist zentralwärts, oder unter T-förmiger Teilung;
der eine, meist stärkere Teilungsast, schlägt aufsteigende, der andere absteigende
Richtung ein (Fig. 81, d). Es gibt längere und kürzere Strangfasern, je nachdem
sie sich über ein kürzeres oder ein längeres Stück des Rückenmarkes erstrecken.
Die längsten sind wohl die Neuriten von den Zellen der Clarkeschen Säule, welche
bis zum Kleinhirn reichen. Die Strangfaser ist oft ohne Seitenästchen, doch gibt
es bei den einzelnen Gruppen in dieser Hinsicht gewisse Verschiedenheiten, denn
die Strangzellen mit kurzer Strangfaser entsenden zahlreiche Kollateralen in die
graue Substanz und endigen schließlich auch dort.
Die einzelnen Zellarten: «. Der Neurit der Kommissurengruppe zieht
bogenförmig durch die vordere Kommissur zum Vorderstrange der anderen Seite.
(Fig. 79.) Manchmal gehen feine Reiser, selten längere Äste während seines Ver-
laufes zur Kommissur von ihm ab und ziehen zurück in die graue Substanz. Ein
Neurit kann seine Teilung früher als gewöhnlich vollziehen; der eine Ast macht
den Weg zum gekreuzten Vorderstrange, der andere zum gleichseitigen Vorder-
strange (Kombinationsformen von Cajal).
J. Die zahlreichen Strangzellen des Vorder-Seitenstranges haben ihre
Hauptlagerstätte in dem zwischen beiden Säulen sich ausbreitenden Mittelfelde
grauer Substanz, greifen von hier aber nach vorn und hinten über. Als Clarke-
sche Säulen bilden sie besondere Anhäufungen; eine minder scharf gesonderte
Gruppe liegt in der Seitensäule. Dicht nebeneinanderliegende Strangzellen können
ihren Neuriten nach sehr verschiedenen Richtungen entsenden ; Kreuzungen ver-
schiedener Neuriten sind daher keine Seltenheit. In der Mehrzahl bleibt der Neurit
52
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
ungeteilt, gibt aber meist Seitenästchen ab; in anderen Fällen teilt er sich noch
in der grauen Substanz in zwei gleichwertige Äste. Letztere ziehen entweder zu
den beiderseitigen Vordersträngen, oder der eine zieht zum Seitenstrange der
gleichen, der andere zum Vorderstrange der anderen Seite; der eine zum Hinter-
strange der gleichen, der andere zum Vorderstrange der gekreuzten Seite, oder
die beiden Fortsätze treten auf der gleichen Seite in verschiedene Gebiete der
weißen Substanz. Die meisten aller dieser Fasern nehmen aufsteigende Richtung.
Bei einfach winkeliger Umbiegung des ungeteilten Neuriten ist ebenfalls die auf-
steigende Richtung die vorherrschende. Bei T-förmiger Hauptteilung steigt der
eine, meist längere Ast ebenfalls aufwärts, der andere kürzere abwärts.
Hinterstrang
Spinalganglion
Hintere (sensible) Wurzel
Pyramiden-Seitenstrangbahn
Kleinhirn-Seitenstrangbahn
Gowerssches Bündel
Vorderstrang-Rest
Fig. 79.
Pyramiden-
Vorderstrang
Vordere (motorische) Wurzel
Schematische Darstellung des RUckenmarkbaues, links Kollateralen, rechts Nervenzellen, (v. Lenhossek.)
Rechts: Schwarz = motorische Zellen, mit Kollateralen an den Neuriten; rot = Vorderseitenstrangzellen, darunter auch
je eine Zelle der Clark eschen Säule und der Marginalzone der Rolando sehen Substanz; man beachte die ansehn-
lichen Kollateralzweige der Vorderstrangzellen; lila = Kommissurenzellen , eine „kurze" Zelle dieser Art schraffiert dar-
gestellt ; grün - Hinterstrangzellen, die kleinen stellen die Zellen der Rolando sehen Substanz dar ; b I a u = G o I g i sehe
Zelle Typus II j 9 Seitenstrangrest oder Seitenstrang-Grundbündel.
Links: Seh warz = Spinalganglienzellen, hintere Wurzeln, ihre Bifurkation und ihre in verschiedenen Gebieten der grauen
Substanz endigenden Kollateralen, und zwar von links nach rechts: Endigung in der Hintersäule, in der Mittelzone der
grauen Substanz, in der Vordersäule (Reflexkollateralen), in den Clarkeschen Säulen und in der gekreuzten Hintersäule
hintere Kommissur; rot ~ Kollateralen der Vorderseitenstränge im allgemeinen; lila = Kollateralen der Kommissuren-
zellen-Neuriten; braun = Endigungsweise der Kollateralen der Pyramideribahnen.
Die Zellen des Nucleus dorsalis (der Clarkeschen Säule) sind ebenfalls
multipolar von wechselnder Größe und Form, und ausgezeichnet durch großen
Dendritenreichtum und feinste Verästelung der Fasern. Ihr Nervenfortsatz, zuerst
von Laura sicher nachgewiesen und trefflich abgebildet, verläßt die Zellen vorn
oder seitlich, wendet sich darauf im Bogen lateralwärts, ohne Seitenäste abzugeben,
und zieht in die Peripherie des Seitenstranges, in das sogenannte Kjeinhirnseiten-
strangfeld des Markquerschnittes (Fig. 86), um hierselbst aufzusteigen. Fasern, die
zu dem Gol Ischen Strange ziehen, werden mehrfach angenommen, sind aber durch
Das Rückenmark : Feinerer Bau. 53
die neuen Methoden nicht sicher nachgewiesen. Um die einzelnen Zellen verbreitet
sich eine große Zahl von Endbäumchen der sensiblen Kollateralen (siehe unten),
welche jede Zelle korbförmig umhüllen. Fig. 82.
In der Nähe der hinteren Kommissur, vor den Clarkeschen Säulen, werden
manchmal kleine Zellen gefunden, die ihren Neuriten lateralwärts in den Seiten-
strang entsenden, andere senden ihn in den Burdachschen Strang.
y. Strangzellen des Hinterstranges geben ihren Neuriten in den Hinter-
strang, woselbst sie zerstreut innerhalb des Gollschen und des Burdachschen
Stranges verlaufen. In dichterer Anordnung füllen sie den Winkel zwischen den
beiden Hintersäulen dorsal von der hinteren Kommissur aus und bilden so das
Ventralfeld der Hinterstränge.
In der Zona postrolandica (oder Zonalschicht der Hintersäulen, Waldeyer) kommen Nerven-
zellen vor, Cellulae limitantes, s. Cellulae postrolandicae, deren Neurit die Substantia gela-
tinosa post. nach vorn durchsetzt, um bogenförmig in den Seitenstrang zu gelangen; oder der Neurit
teilt sich, ein Faden zieht zum Seiten-, der andere zum Hinterstrange und geht in Längsrichtung über.
In der Substantia gelatinosa post. selbst gelegene Zellen, Cellulae rolandicae, senden
ihren Neuriten, welcher Nebenästchen tragen kann, in das Gebiet der Zona terminalis. Andere
Cellulae rolandicae haben mehr als einen Neuriten, welche alsdann in den Burdachschen Strang,
oder in die genannte Randzone, oder in den Seitenstrang eintreten. Am seltensten sind Zellen
der Hintersäulen, deren Neurit in den Gollschen Strang gelangt.
Zusammenfassung: Die Neuriten der Strangzellen gelangen also in das
Grundbündel des Vorderstranges und in das Grundbündel des Seitenstranges. Die
Neuriten der Zellen des Nucleus dorsalis gelangen in die peripherischen Teile des
Seitenstranges und bilden dort eine geschlossene Bahn, die Kleinhirnseiten-
strangbahn. Die Neuriten anderer Strangzellen bilden im Seitenstrange den
Fasciculus anterolateralis (Gowerssches Bündel). Zellen der Substantia
gelatinosa post. geben ihren Neuriten in das Grundbündel des Seitenstranges, in
die Zona terminalis, in den Hinterstrang. Andere Zellen senden ihren Neuriten in
den Hinterstrang, woselbst sie sowohl zerstreut verlaufen als auch in größerer
Masse nebeneinander das Ventralfeld des Hinterstranges bilden.
3. Golgi-Zellen des II. Typus, Cellulae axi-ramificatae.
Sie sind Zellen des II. Golgischen Typus, werden auch einfach als Golgische
Zellen bezeichnet. Der Neurit teilt sich in der Nähe seines Ursprunges in eine
höchst feine Verästelung. Fig. 3.
Die meisten dieser Zellen liegen in der Hintersäule, an der medialen Seite
der letzteren, andere lateral vom Zentralkanal; letztere schicken ihren Neuriten
durch die vordere Kommissur in die graue Substanz der anderen Seite und ver-
ästeln sich hier. Es sind dies jene, welche hiernach sachlich Kommissurenzellen
darstellen, eine besondere Gruppe derselben bildend, Cellulae commissurales axi-
ramificatae. Verbleiben ihre Ausläufer in der grauen Substanz? Von jenen der
Hintersäule liegen Beobachtungen vor, nach welchen längere Äste in den Bur-
dachschen Strang zu gelangen scheinen. Zellen dieser Art würden Kombinations-
formen zwischen Hinterstrangzellen und Golgischen Zellen des II. Typus dar-
stellen.
B. Die vorderen und die hinteren Wurzeln.
1. Die vorderen Wurzeln, Radices anteriores. Fig. 37, 75, 79.
Die vorderen oder motorischen Wurzelfasern, Fila radicularia antt,
sind die Neuriten der großen motorischen Vordersäulenzellen derselben Seite;
54 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
die Vordersäulenzellen der Gegenseite liefern hierzu keinen Beitrag; die vorderen
Wurzelfasern haben also unilateralen, gleichseitigen Ursprung. Keine vordere
Wurzelfaser geht aus den weißen Strängen des Rückenmarkes hervor. Die
Ursprungskerne der motorischen Wurzeln sind also die gleichseitigen
motorischen Vordersäulenzellen.
2. Die hinteren Wurzeln, Radices posteriores. Fig. 37, 74, 75, 79—81.
Der Verlauf der hinteren (sensiblen) Wurzelfasern, Fila radicularia
postt, ist viel verwickelter. Sie treten mit quer auseinanderweichenden Faser-
massen in den Burdachschen Strang ein und lassen im ganzen eine schwächere
laterale und stärkere mediale Abteilung unterscheiden (Fig. 37). Die lateralen Fasern
ordnen sich gleich hinter der Substantia gelatinosa post. zum Längsverlaufe; die am
meisten lateral gelegenen bilden die Zona terminalis; die mächtigen medialen
Bündel streben leicht bogenförmig medianwärts und verteilen sich teils in ver-
schiedene Bezirke des Burdachschen Stranges, teils ziehen sie in die graue Sub-
stanz der Hintersäule.
Wie verhalten sich aber die einzelnen Nervenfasern der hinteren Wurzeln?
Sie verhalten sich mit Ausnahme der wenigen Fasern, welche zu Vordersäulen-
zellen ziehen und aus deren Neuriten hervorgehen (s. S. 50, ß), in folgender regel-
mäßiger Weise, die aus den Fig. 79, 80 leicht ersehen werden kann. Jede dieser
Fasern teilt sich nach ihrem Eintritt in das Mark in zwei Äste, einen stärkeren
aufsteigenden und einen schwächeren absteigenden; sie werden aufsteigende
und absteigende Längsäste, Ramus ascendens, descendens der hinteren
Wurzelfaser genannt. Die Höhen, bis zu welchen sie aufsteigen, sind verschieden;
ein Teil dringt bis zur Medulla oblongata vor, andere stufenweise weniger hoch.
Darnach unterscheidet man lange Fasern oder Bahnen und kurze Fasern
oder Bahnen; die absteigenden haben nur kurzen Verlauf. Die zu einer Wurzel
gehörigen liegen dicht nebeneinander, so daß bei Degenerationen ein abgegrenztes
Areal sichtbar wird. Es hat die Form eines Komma und wird als Schultzesches
Komma bezeichnet. Wie endigen erstere und letztere? Schon während des auf-
und absteigenden Längsverlaufes werden in kurzen Abständen feine rechtwinkelig
in die graue Substanz tretende Seitenästchen, Kollateralen, hier auch sensible
Kollateralen genannt, abgegeben, wodurch die Faser allmählich schwächer wird.
Zuletzt bleibt nur das Ende der oberen und der unteren Faser übrig, welches die
terminale Kollaterale der Faser darstellt und sich ebenso verhält, wie die vorher
abgegebenen Kollateralen, d. h. in die graue Substanz eintritt.1) Sogar von der
noch ungeteilten Faser können einzelne Kollateralen abgehen. Innerhalb der
grauen Substanz verhalten sich die Kollateralen übereinstimmend so, daß sie in
ein zierliches, mehr oder minder dichtes Endbäumchen, Telodendron, ausstrahlen.
Die letzten Enden der Telodendren übertragen in der eingangs geschilderten Weise
ihre Erregung auf verschiedene Neuronen II. Ordnung. Das Bestreichungsgebiet
eines sensiblen Neuron I. Ordnung ist folglich der Länge nach ein sehr ausge-
dehntes, zum Teil in einem Maße, daß es der physiologischen Forschung schwer
wird, ohne weiteres anzuknüpfen.
') Das Ende der terminalen Kollateralen ist unmittelbar nicht nachgewiesen, aber ein anderes
Verhalten dürfte der ganzen Grundlage nach nicht möglich oder sehr unwahrscheinlich sein.
Das Rückenmark: Feinerer Bau.
55
Der ganze Hinterstrang besteht, wie sich ferner ergibt, der überwiegenden
Masse nach aus auf- und absteigenden Längsästen der hinteren Wurzelfasern; er
enthält nur spärliche Faserbeimischung von Hinterstrangzellen. Der Gollsche
Strang scheint ausschließlich lange Bahnen zu enthalten, während der Burdachsche
Strang kurze und lange Bahnen einschließt.
Über die Höhen, bis zu welchen auf- und absteigende Bahnen vordringen,
geben folgende Erfahrungen weiteren Aufschluß. Durchschneidung der hinteren
Wurzeln oder der Hinterstränge am lebenden Tiere, oder bei dem Menschen ent-
sprechende Erkrankungsfor-
men jener Teile, wie sie
durch Verwundung usw. vor-
kommen, haben eine aufstei-
gende Degeneration zur
Folge, welche unter allmäh-
licher Abnahme des degene-
rierten Querschnittanteiles bis
zur Oblongata reichen kann.
Burdachsche und Gollsche
Stränge werden betroffen, zu
ihnen gesellt sich noch eine
viel unansehnlichere abstei-
gende Degeneration. Die
Abnahme in der Zahl der de-
generierten Fasern nach oben
und unten hin findet die Er-
klärung durch das Vorhanden-
sein längerer und kürzerer
Fasern.
Es wurde schon erwähnt,
daß die Kollateralen in ihrem
Verlauf alsbald in die graue
Substanz gelangen. Bald
durchbrechen sie einzeln, bald
zu kleinen und größeren Bün-
deln geordnet meridianartig die Substantia gelatinosa posterior, in größeren Massen
noch die mediale Seite der Hintersäule, um gegen die Clarkesche Säule und die
Vordersäule zu ziehen.
Um welche Zellen befinden sich die sensiblen Endbäumchen gelagert? Sie
finden sich fast über alle Punkte der grauen Substanz der gleichen Markhälfte
zerstreut; ein kleiner Teil der sensiblen Kollateralen geht auf dem Wege der
hinteren Kommissur zur Gegenseite, um in der Hintersäule in derselben Weise zu
endigen. Am reichlichsten finden sich die Endbäumchen im Mittelteile der grauen
Säulen. Die zahlreichen Nervenzellen der Hintersäulen werden von den feinsten
Astsystemen dicht umgeben; besonders reichlich sind die Endbäumchen um die
Zellen der Clarkeschen Säulen entwickelt. Fig. 79.
Eine besondere Beachtung erfordern jene sensiblen Kollateralen, welche zu
den motorischen Vordersäulenzellen ziehen und an ihnen in Endbäumchen zer-
Fig. 80.
Fig. 81.
Fig. 80. Bau eines sensiblen Neuron.
g Spinalganglienzelle ; p periphere Faser; r zentrale oder Wurzelfaser mit
ihrer Gabelung in einen Ramus descendens (d) und Ramus ascendens (a);
c, c die sensiblen Kollateralen mit ihren Endbäumchen (e), welche in die
graue Substanz führen.
Fig. 81. Ein Stück Rückenmark mit zahlreichen motorischen Neuronen
(a), einem sensiblen Neuron (b) und einer Strangzelle (d). (Nach
Kölliker und Lenhossek, 1890.)
c Kollaterale am aufsteigenden Ast; r Kollaterale am absteigenden Ast des
sensiblen Neuron b; e, e, e Kollateralen an dem absteigenden und dem
aufsteigenden Ast der Strangzelle d.
56 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
fallen. Es sind die Reflexkollateralen von Kölliker. Erregungsvorgänge in
sensiblen Nervenfasern gehen durch jene direkt auf die motorischen Zellen und durch
letztere auf die Muskeln über ohne in das Gehirn zu gelangen. Siehe Fig. 81, r.
Hier ist noch einer zweiten Möglichkeit der Übertragung peripherer zentripetaler Erregungen
auf die motorischen Bahnen zu gedenken. Während die vorerwähnte Anordnung von Reflexkollateralen
einen direkten Reflexbogen darstellt, sehen wir in Fig. 81 zugleich den indirekten Reflex-
bogen zur Anschauung gebracht. Er wird hervorgebracht durch Zwischenschiebung eines anderen
Neuron, Reflexneuron, zwischen das sensible und das motorische Neuron. Jene Reflexneuronen
sind nichts anderes als in der grauen Substanz liegende Strangzellen; eine solche (Fig. 81, d)
entläßt einen Neuriten, der in die weiße Substanz gelangt und sich in eine auf- und absteigende
Längsfaser spaltet. Von beiden gehen Kollateralen und je eine Endfaser (terminale Kollaterale)
aus, welche die Erregung auf die motorischen Zellen übertragen. Die Reflexzelle selbst wird
erregt durch eine Kollaterale der sensiblen Längsfaser.
Beachten wir die Gesamtverhältnisse der hinteren Wurzeln und vergleichen sie mit den vorderen,
so ergibt sich, daß zwar die vorderen Wurzeln im Rückenmark ihre Ursprungskerne besitzen,
nicht aber die hinteren. Die hinteren Wurzeln haben vielmehr nur so weit im Mark ihren Ursprungs-
kern, als sie .durchtretende Fasern" besitzen, die in der Vordersäule entspringen. Alle übrigen
Fasern der hinteren Wurzeln haben ihre Ursprungskerne in den Spinalganglien; im Rücken-
mark stoßen sie dagegen auf ihre Endkerne. Vordere und hintere Wurzeln bezeichnen also
verschiedene Dinge; die hintere Wurzel ist, soweit sie zentripetale Fasern hat, bereits zentrale
Bahn zum Endkerne, die vordere Wurzel dagegen ein Teil der peripheren Bahn.
C. Die Vorderstränge und die Seitenstränge. Fig. 82.
Wie die Hinterstränge massenhaft Kollateralen entwickeln und schließlich ganz
in solche auslaufen, so ist es auch mit den Vorder- und Seitensträngen der Fall.
Alle Längsfasern des Vorder-Seitenstranges entsenden, wie Golgi und Cajal
gezeigt haben, von Strecke zu Strecke feine Zweige, welche in die graue Substanz
eindringen und mit einem Endbäumchen endigen. Diese umspinnen die mit der
Weiterleitung betrauten Zellen oder gehen im Neuropilem auf.
An guten Längsschnitten werden keine längeren Fasern gesehen, die nicht Kollateralen ent-
senden. Mögen es kurze oder lange Bahnen sein, d. h. Bahnen, welche im Rückenmark entspringen
und endigen, oder solche, welche im Rückenmark entspringen und hirnwärts ziehen, mögen es
zentrifugal oder zentripetal leitende Bahnen sein, überall tritt die gleiche Erscheinung der Kolla-
teralen entgegen. Nicht nur die Neuronen erster Ordnung also, die uns in den Spinalganglien-
zellen und sensiblen Wurzelfasern entgegentraten, vermögen Kollateralen zu entwickeln, sondern
dieselbe Struktureigentumlichkeit kommt auch Neuronen höherer Ordnung zu. Der Einfluß von
Längsfasern auf große Gebiete grauer Substanz ist folglich auch bei diesen vorhanden.
In der Anordnung und Verlaufsrichtung der Kollateralen des Vorder-Seiten-
stranges zeigen sich auf dem Markquerschnitt gewisse Besonderheiten.
Der Vorderstrang entsendet von seiner medialen, fissuralen Abteilung, dem
sogenannten Fasciculus cerebrospinalis anterior, zahlreiche Kollateralen in die
gleichseitige Vordersäule, welche an den motorischen Zellen dieser Säule
perizellular endigen.
Der Übergang von Kollateralen der Pyramiden -Vorderstrangbahn zu den
Vordersäulenzellen der gekreuzten Seite ist nach v. Lenhossek (1895) nicht
vorhanden.
Zahlreiche Kollateralen des Vorderstranges kommen aus jener Abteilung des-
selben, welche lateral vom Fasciculus cerebrospinalis anterior gelegen ist. Sie
erreichen die Kommissurengruppe, tiefer gelegene zentrale Zellen, auch die mediale
motorische Gruppe. Zahlreiche Kollateralen entsendet ferner das Gowerssche
Bündel in die Gegend der motorischen Zellgruppen und an die Zellen der Seiten-
Das Rückenmark: Feinerei Bau.
57
säule. Von allen Feldern des Vorder-Seitenstranges ist es die der lateralen Ein-
buchtung der grauen Säule entsprechende große Abteilung des Seitenstranges, näm-
lich dessen Grundbündel, ferner der Fasciculus cerebrospinalis lateralis und das
Kleinhirnseitenstrangfeld, aus welchen die Einstrahlung von Kollateralen in die
graue Substanz sich am reichlichsten vollzieht. Die Einstrahlung ist teils eine
diffuse, teils eine bündelartige: Die Kollateralen des Fasciculus cerebrospinalis
lateralis treten zu den motorischen Zellgruppen; diejenigen des Grundbündels zu
Hinteres Bündel der hinteren Kommissur
Mittleres Bündel der hinteren Kommissur
Endigungen um Zellen
der Hintersäule
Kollateralen,
welche im
Nucleusdorsalis /
endigen
Perizellulare
Endigungen der
Vorderstrang-
kollateralen
Kollateralen von Fasern
des Hinterstranges zum
Scheitel der Hintersäule
Kollateralen der
Fasern des Hinter-
stranges zum
motorischen
Vorderwurzel-
zellengebiet
Kollateralen der Strangfasern.
Querschnitt durch das Rückenmark eines neugeborenen Kindes. (Cajal.)
Zellen der Vordersäule, Hintersäule und des Mittelgebietes; die der Kleinhirnseiten-
strangbahn zu Zellen des lateralen Mittelgebietes. Fig. 79, 82.
Physiologisches.
Die vorderen Wurzeln enthalten außer den myo motorischen Fasern auch Vasomotoren
(Pflüger) und Nerven für Schweißsekretion (Vulpian und Adamkiewicz).
Auch die hinteren Wurzeln enthalten vasomotorische Fasern, neben den sensiblen usw.
(Steiner, Brown-Sequard, Stricker).
Ch. Bell hat die myomotorische Funktion der vorderen Wurzeln nachgewiesen, Magendie
aber die Sensibilität der hinteren Wurzeln, sowie die * rückläufige" Sensibilität in den vorderen
Wurzeln (siehe unten).
D. Zahlenverhältnis der Fasern der Nervenwurzeln und des Markmantels.
Man hatte in früherer Zeit, als eingehendere Untersuchungen über den Faserverlauf und den
Bauplan des Rückenmarkes noch fehlten, annehmen zu dürfen geglaubt, daß alle Nervenwurzelfasern
innerhalb der weißen Stränge des Rückenmarkes nach oben zum Gehirn verliefen. Es wurden
58 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
mühsame Querschnittsmessungen und Faserzählungen angestellt, welche über diese Verhältnisse ent-
scheiden sollten. So maß Volkmann beim Pferde den Querschnitt der weißen Substanz in der
Lendengegend (30. Nerv) zu 121, im obersten Halsmarke aber zu 109 qmm. Die Summe der Quer-
schnitte aller Spinalnerven bei einer Schlange (Crotalus) übertraf nach seiner Berechnung die des
Halsmarkes mindestens 11 mal. Bratsch und Ranchner zeigten durch Messungen, daß eine
kontinuierliche Zunahme der weißen Substanz des Rückenmarkes von unten nach oben nicht statt-
finde, daß ihr Querschnitt in der Lendenanschwellung etwas größer sei als im unteren Brustmark,
in der Halsanschwellung etwas größer als im Gebiete des 2. Halsnerven; daß also in den An-
schwellungen nicht nur eine Vermehrung der grauen, sondern auch der weißen Substanz stattfinde.
Stilling fand den Flächeninhalt der Querschnitte aller Nervenwurzeln, wie schon vorher Kolli k er,
mehr als viermal so groß als denjenigen der weißen Substanz im oberen Teil des Rückenmarkes.
Nun konnte aber eine Verschmälerung der Nervenfasern im Rückenmark stattfinden und das
Ergebnis der Flächenmessung illusorisch machen. Stilling betrat daher den Weg der Zählung
der Nervenfasern in den Nervenwurzeln und im Mark. Er fand, daß
die vorderen Spinalnervenwurzeln zusammen 303265 Fasern
die hinteren . dagegen 504473
enthielten, was eine Summe von 807738 Fasern
ergibt. Die weiße Substanz aber hatte im Gebiete des zweiten Halsnerven nur 401694 Fasern. So
viel traten ungefähr zur Medulla oblongata und, da diese bereits ein Gehirnteil ist, zum Gehirn
über. Wie viele davon Wurzelfasern seien, konnte man freilich nicht wissen; man hatte aber damit
erkannt, daß jedenfalls nicht alle Wurzelfasern zum Gehirn gelangen. Beurteilt man die Ergebnisse
der Zählung im Lichte unserer gegenwärtigen Erfahrungen über den Faserverlauf und den Bauplan
des Rückenmarkes, so sinkt ihr Wert für die Aufhellung des Faserverlaufes fast zu nichts
zusammen. Dagegen bleibt den Zahlenangaben über die Menge der in den Nervenwurzeln ent-
haltenen Fasern für alle Zeit eine hohe Bedeutung.
Nicht wie viele Fasern des Markmantels im ganzen zum Gehirn übertreten, ist gegenwärtig
die Frage, sondern wie viele von jeder langen und kurzen Bahn, und zu welchen Hirn- und Rücken-
marksteilen sie gelangen; das Ideal ist, von jedem einzelnen Neuron volle Kenntnis nach allen
Seiten hin zu besitzen.
E. Übersicht des Gesamt- Aufbaues des Rückenmarkes.
Der Zentralkanal verläuft ungefähr in der Längsaxe des Rückenmarkes; er
liegt etwa in der Mitte des Querschnittbildes. Die ihn auskleidenden zylindrischen
Ependymzellen senden einen Haarbüschel, die Ependymhärchen, in den Kanal,
ihren großen peripheren Fortsatz aber wahrscheinlich bis zur Markperipherie. Die
den Zentralkanal und die Körper der Ependymzellen zunächst umgebende Zone
grauer Substanz, die Substantia gelatinosa centralis, bildet mit dem Zentral-
kanal den zentralen Ependymfaden des Markes. Ihre Neurogliazellen sind
reich verzweigt, die feine Verzweigung konzentrisch um den Zentralkanal geordnet.
In ihrem Gebiete kommen nur spärliche Kommissuren- und Strangzellen vor.
Die Commissura anterior alba besteht aus einer großen Anzahl sich
kreuzender markhaltiger Neunten. Diese stammen 1. von Zellen der hinteren
medialen Gruppe der Vordersäulenzellen, welche wir als Kommissurenzellen kennen
gelernt haben (Fig. 79, 83). Die Neuriten dieser Zellen ziehen teils zur grauen,
teils zur weißen Substanz der Gegenseite, und zwar zum Vorderstrang und zum
Seitenstrang. 2. Andere Neuriten dieser Kommissur stammen von Zellen in der
Wurzel der Hintersäule, diese ziehen zum Gowersschen Bündel der anderen Seite.
3. Zweifelhaft sind Kollateralen von Fasern des Pyramiden-Vorderstranges, welche zu moto-
rischen Vordersäulen-Zellen der anderen Seite ziehen sollen.
Vom Zentralkanal zur vorderen Fissur erstreckt sich der vordere Ependym-
keil, als Gebilde der vorderen Ependymzellen; ferner entsenden stark verästelte
Das Rückenmark: Feinerer Bau.
vi
Sensible Wurzelfasern
(Teilung)
Faser zum
Gowersschen .
Bündel
Sensible Kollaterale
Hintere (sensible)
Wurzelfasern
Sensible
Kollaterale
Strang-
zellen
Neurogliazellen viele büschelförmige Zweige durch die vordere Kommissur und
bilden dadurch die Commissura ant. grisea.
Die markhaltigen Fasern der Commissura post. des menschlichen Markes
sind sensible Kollateralen, die dem vorderen Teil des Burdachschen Stranges
entstammen, medial an der Clarkeschen Säule vorbeiziehen, die Mittellinie über-
schreiten und in der Hintersäule der anderen Seite ihre Endbäumchen entwickeln.
Fig. 79.
Von den Zellengruppen der Vordersäule enthalten die beiden vorderen
und die laterale hintere Gruppe motorische Zellen, und heißen deshalb Ursprungs-
kerne der vorderen Nervenwurzeln; sie enthalten auch die spärlichen
Ursprungszellen der durchtretenden Fasern der hinteren Wurzeln. Die mediale
hintere Gruppe enthält wesentlich Kommissurenzellen. Die zentrale Gruppe enthält
Strangzellen, deren Neuriten zum Vorder-
strang und zum Seitenstrang ziehen. Die
Nervenzellen sind von einem dichten Ner-
venfilze umgeben, welcher von reichver-
zweigten Dendriten, den etwa vorhandenen
Seitenzweigen (Kollateralen) der Neuriten,
sowie von überaus zahlreichen Kollateralen
der Stränge und von ihren Endbäumchen
gebildet wird. Die bezüglichen Kollate-
ralen werden geliefert von den Grund-
bündeln des Vorder- und Seitenstranges,
von den besonderen Bündelndes Vorder-
und Seitenstranges, von dem Hinterstrange
(Reflexkollateralen). Die Vordersäule wird ferner durchzogen von den Anfangsteilen
der motorischen Wurzelfasern, den Neuriten der in ihr gelegenen Strangzellen,
den peripheren Fortsätzen von Ependymzellen, dem verwickelten Neurogliagerüst,
zahlreichen Blutgefäßen und Lymphbahnen.
Zwischen dem hinteren Rande (Basis) der Vordersäule und dem vorderen
Rande (Basis) der Hintersäule ist das Mittelfeld der grauen Säule gelegen. Das-
selbe enthält vor allem zahlreiche Strangzellen, einzelne Kommissurenzellen; ferner
ansehnliche Bündel von Kollateralen des Seiten- und Hinterstranges, sowie im
Brustlendenteile Neuritenbündel der Clarkeschen Säulen.
Die Seitensäule enthält als Hauptbestandteil Strangzellen.
Auch in der Formatio reticularis kommen vereinzelte Strangzellen vor.
Der Nucleus dorsalis (Clarkesche Säule) enthält zahlreiche große Ganglien-
zellen und eine große Menge sensibler Kollateralen aus dem Burdachschen Strang
(Fig. 79). Die Neuriten seiner Ganglienzellen ziehen quer durch die graue Sub-
stanz und den Seitenstrang, und bilden den kranialwärts ziehenden Kleinhirn-
Seitenstrang. Fig. 86.
Die Zellen der Hintersäule liegen meist einzeln. Die Mehrzahl sind Seiten-
strang-, ein kleinerer Teil Hinterstrangzellen; dazu kommen im medialen Gebiet der
Basis der Hintersäule Golgische Zellen des Typus II (Cellulae axiramificatae) vor.
Massenhaft sind Kollateralen in der Hintersäule vorhanden, insbesondere Hinter-
strangkollateralen, aber auch solche des Seitenstranges. Die Hintersäule wird ferner
durchzogen von den starken Neuriten der durchtretenden Fasern.
Raubee-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 4
Faser zum
Vorderstrangrest Vorderstrangfaser
Fig. 83.
Ursprung und Verlauf von Fasern der Commissura
alba anterior.
Verlauf einiger sensibler Kollateralen. (Nach Kolli ker.)
60 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Die in der weißen Substanz des Rückenmarks vorhandenen Faserarten,
Bahnen, Stränge, kann man in zwei große Gruppen einteilen, in lange Bahnen
und kurze Bahnen.
Die langen Bahnen verlaufen durch die ganze Länge des Rückenmarks
und reichen bis zum Gehirn.
Die kurzen Bahnen verlaufen über längere oder kürzere Strecken des
Rückenmarks, aber nicht durcli den größten Teil oder die ganze Länge. Kurze
Bahnen des Cervikalmarkes ziehen zur Medulla oblongata und umgekehrt reichen
in das Cervikalmark auch kurze Bahnen aus dem Gehirn hinein.
Wenn man das Verhältnis der langen und kurzen Bahnen durch ein Beispiel erläutern will, so
scheint es passend, sie mit Telephonleitungen zu vergleichen. Die kürzesten Bahnen (Strangzellen)
können mit Leitungen verglichen werden, welche die Räume eines Hauses miteinander in Verbin-
dung setzen. Längere Züge der kurzen Bahnen würden den Stadtleitungen entsprechen, weiche
die einzelnen Häuser und durch Vermittlung der Hausleitungen alle einzelnen Räume verschiedener
Häuser miteinander zu verbinden ermöglichen. Die langen Bahnen sind Kabeln vergleichbar,
welche die Städte miteinander verbinden und zusammen mit den Stadt- und Hausleitungen die
Verbindung zweier beliebiger Räume miteinander ermöglichen.
Eine andere Einteilung der Faserarten, welche sich nicht ganz mit der zuerst
genannten deckt, ist folgende; man unterscheidet:
a) Absteigende Fasern, die im Gehirn ihre Ursprungszellen besitzen:
1. Fasciculus cerebrospinalis ant. (pyramidalis ant.), Pyramiden-Vorderstrang-Bahn;
2. Fasciculus cerebrospinalis lat. (pyramidalis lat.), Pyramiden-Seitenstrang-Bahn;
3. Tractus rubrospinalis, Monakows Bündel; 4. Tractus tectospinalis; 5. Tractus
vestibulospinalis; 6. Fasciculus longitudinalis medialis, mediales (hinteres) Längs-
bündel.
b) Aufsteigende Fasern, welche in den Spinalganglien ihre Ursprungs-
zellen besitzen und teilweise zum Gehirn ziehen: 1. Funiculus post, Hinterstrang
mit Gollschem und Burdachschem Strange.
c) Auf- und absteigende Strangzellenbahnen; sie finden teils schon
im Rückenmark ihr Ende, teils im Gehirn. Die langen, aus ihren Neuriten ge-
bildeten Bahnen sind: 1. Fasciculus cerebellospinalis, Kleinhirn-Seitenstrang-Bahn
(Flechsig); 2. Fasciculus anterolateralis superficialis, Gowerssches Bündel; 3. Trac-
tus spinothalamicus (Edinger); 4. Tractus spinoolivaris (Bechterew) oder Hell-
wegs Dreikantenbahn; 5. Tractus cervicolumbalis dorsalis (Flechsig). Die kurzen
Strangzellenfasern bilden den Rest des Vorderstranges, den Rest des Seitenstranges
und das ventrale Feld der Hinterstränge.
Von Ursprung, Verlauf und Ende aller dieser Bahnen soll im Folgenden die
Rede sein. Diejenigen Teile dieser Bahnen, welche nicht dem Rückenmark an-
gehören, können hier natürlich nur ganz kurz genannt werden; sie finden an ent-
sprechender Stelle weiter unten eingehendere Behandlung,
a) Absteigende Bahnen.
1. Fasciculus cerebrospinalis ant. (pyramidalis ant.), Pyramiden-
Vorderstrang-Bahn. Sie besteht ebenso wie die Pyramiden-Seitenstrang-Bahn
aus den Neuriten der großen Pyramidenzellen eines bestimmten Bezirkes der
vorderen Zentralwindung der Hirnrinde (Fig. 85). In der Medulla oblongata
bilden diese Neuriten die sogenannten Pyramiden. Ein Teil der Fasern zieht durch
die Pyramidenkreuzung in den Seitenstrang der anderen Seite als Pyramiden-Seiten-
Das Rückenmark: Feinerer Bau.
61
Strang-Bahn, ein anderer Teil verläuft ungekreuzt kaudalwärts als Pyramiden-
Vorderstrang-Bahn. Fig. 84, pv.
Letztere bildet beim Menschen die der vorderen Medianfissur anliegenden
Teile der Vorderstränge und wird lateralwärts vom Sulcus intermedius anterior ab-
gegrenzt. Im Absteigen allmählich abnehmend, erreicht sie an der Lendenan-
schwellung ihr Ende. Die Kollateralen und Endäste ihrer Fasern ziehen zu den
motorischen Vordersäulen-Zellen ihrer Seite und übermitteln diesen die Erregung
(Fig. 79). Ob auch Fasern durch die vordere Kommissur zu den entsprechenden
Zellen der anderen Seite gelangen, ist, wie schon (S. 56) gesagt, nicht sicher.
2. Fasciculus cerebrospinalis lateralis (pyramidalis lat.), Pyra-
miden-Seitenstrang-Bahn (Fig. 84, ps). Sie erstreckt sich von der Pyramiden-
kreuzung in der Medulla oblongata bis zum unteren Ende der Lendenanschwellung
(N. sacralis III — IV), wobei sie beständig und besonders an den Anschwellungen
im Querschnitte abnimmt. Die Abnahme findet dadurch statt, daß die einzelnen
Cerv. VI. g
Lumb. IV.
pv
Fig. 84.
Lage der Pyramiden-Vorderstrang-Bahn (pv), der Pyramiden-Seitenstrang-Bahn (ps), der Klelnhirn-Seitenstrang-
Bahn iks), des Gollschen Stranges (g) in verschiedenen Höhen des Rückenmarkes. (P. Flechsig.) Schematisch.
Fasern in verschiedenen Segmenten des Rückenmarkes ihr Ende erreichen. Die
Kollateralen und Endäste gehen zu den motorischen Vordersäulen-Zellen ihrer
Seite. Fig. 79, 85, 86.
Die Pyramiden-Seitenstrang-Bahn nimmt auf dem Querschnitt des oberen
Brustmarkes ein ovales oder leicht eckiges Feld im hinteren Drittel des Seiten-
stranges ein, welches mit seinem hinteren Ende die gelatinöse Substanz und die
Spitze der Hintersäule erreicht, von dem Basalteil der Hintersäule aber, sowie
von der Oberfläche des Markes durch andere Fasermassen getrennt wird. Von
der Mitte des Brustmarkes abwärts erreicht das Feld die Oberfläche. In der Höhe
des I. Halsnerven erreicht es die laterale Fläche der grauen Substanz, befindet sich
also im Bereich des Processus reticularis. Fig. 79, 84, 86.
Die Pyramidenbahnen können, wie schon A. Kolli k er wußte, bei Tieren anders ver-
laufen. Was die Lage der Pyramidenbahnen im Hinterstrange betrifft, so gibt Th. Ziehen
(Anat. Anz. XVI, 1899) folgende Zusammenstellung des Situs:
1. Ratte, Maus, Eichhorn, Murmeltier: ventrale Kuppe des Hinterstranges medial vom Angulus
internus; 2. Pseudochirus, Phascolarctus (A. Kölliker): Nische des Hinterstranges zwischen An-
gulus internus und externus; 3. Schaf: frei im Burdachschen Strange.
3. Tractus rubrospinalis, Monakows Bündel (Fig. 86). Es liegt ventral
von der Pyramiden-Seitenstrang-Bahn und innerhalb derselben. Seine Fasern entspringen im Nucleus
ruber und sind bis zum Lumbaimark verfolgt worden. Es wird kaudalwärts allmählich schwächer.
4. Tractus tectospinalis. Seine Fasern kommen aus der Vierhügelgegend und
ziehen (Edinger) gekreuzt und ungekreuzt zum Rückenmark, wo sie im Vorder-Seitenstrange liegen.
5. Tractus vestibulospinalis (Fig. 86). Seine Fasern entspringen aus dem
Dcitersschen Kern und verlaufen im Vorderstrange des Rückenmarks.
4*
62
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Es ist noch nicht bekannt, in welchen Teilen der grauen Substanz des Rückenmarks die
Fasern der Bahnen 3—5 endigen. Es ist jedoch zu vermuten, daß sie zu den motorischen Vorder-
säulenzellen ziehen.
6. Fasciculus longitudinalis medialis, mediales (hinteres) Längs-
bündel (Fig. 86). Es enthält aufsteigende und absteigende Fasern, beginnt im Thalamus mit
einem besonderen Kern, erhält auch zahlreiche
Fasern aus dem Deitersschen Kern und liegt
im Bereich des Rückenmarks im Vorderstrang.
b) Aufsteigende Bahnen,
welche in den Spinalganglien-
zellen entspringen.
1. Funiculus posterior, Hinter-
strang. Er besteht zum größten Teil
aus den Neuriten der (sensiblen) Spinal-
ganglienzellen, welche als hintere (sensible)
Wurzeln in das Rückenmark eintreten.
Von den eingetretenen Fasern zieht
der größere Teil medianwärts, ein mittlerer
Teil zieht direkt zur grauen Substanz
der Hintersäule, der laterale Teil geht
über in die Zona terminalis (Fig. 79, 86).
Der Teil des Burdachschen Stranges, in
welchen die Wurzelfasern eintreten, heißt
Wurzeleintrittszone.
Jede der eingetretenen Wurzelfasern
teilt sich innerhalb der weißen Substanz
in einen (kürzeren) absteigenden und
einen (längeren) aufsteigenden Ast.
Fig. 79—81.
Die absteige n den Äste der Fasern
einer Wurzel liegen dicht nebeneinander
und bilden so ein zusammengehöriges
Bündel, welches auf dem Querschnitt
kommaförmig aussieht und Schultze-
sches Komma genannt wird. - - Es ist
nur bei Degenerationen darzustellen. —
Die aufsteigenden Äste verlaufen über
verschieden große Strecken kranialwärts
und endigen nach kürzerem oder längerem
Verlauf. Die längsten von ihnen reichen bis
zurMedulla oblongata, woselbst sie im Nucleus fasciculi gracilis und cuneati aufhören.
Während des kranialwärts gerichteten Verlaufes werden die langen der auf-
steigenden Äste durch die eintretenden hinteren Wurzeln allmählich medianwärts
gegen das Septum posterius gedrängt; so entsteht nach verbreiteter Ansicht der
Gollsche Strang.
Derselbe enthält die langen (sensiblen) Bahnen aus dem kaudalen Teil des
Rückenmarks ungefähr bis zum vierten Thorakalsegment, d. h. also aus der
Fig. 85.
Verlauf der motorischen Pyramiden-Seitenstrang-Bahn
und der (sensiblen) Hinterstrangbahn.
A psychomotorische Region (Gyrus centralis ant.) der grauen
Rinde des Großhirns; B Rückenmark; C Muskelfasern;
D Spinalganglion; D' Haut.
Der Neurit (a) einer Pyramidenzelle der Großhirnrinde zieht
in den Seitenstrang; er gibt einige Kollateralen ab und
sendet seinen Endast (bei b) zu einer motorischen Vorder-
säulen-Zelle, deren Neurit die Muskelfasern (C) innerviert.
Die Nervenendigungen des sensiblen Neuron liegen in
der Haut (D,). Die Nervenfaser zieht im Nerven (d) zur
Spinalganglienzelle im Ganglion D. Von letzterer geht aus
die hintere Wurzelfaser (c), welche zum Hinterstrang des
Rückenmarkes zieht. Hier teilt sie sich in einen auf-
steigenden und in einen absteigenden Ast. Beide geben
während ihres Verlaufes Kollateralen zurgrauen Substanz. Der
Endast endigt bei / (im Nucl. fasciculi gracilis), woselbst ein
neues Neuron die Weiterleitung übernimmt und die Erregung
zur Großhirnrinde leitet, woselbst das Endbäumchen (g) die
Weiterleitung auf die Pyramidenzellen besorgt. (Ca ja!.)
Das Rückenmark: Feinerer Bau.
63
unteren Rumpfhälfte, und führt sie zum Nucleus fasciculi gracilis der Medulla
oblongata.
Der Burda chsche Strang enthält in seinem ganzen Verlauf lange und
kurze (sensible) Fasern gemischt. Sein cervikaler Teil führt die langen und die
kurzen Fasern der oberen Rumpfhälfte zum Nucleus fasciculi cuneati der Medulla
oblongata.
Von beiden Ästen, aufsteigendem und absteigendem, gehen Kollateralen und
Endäste in die graue Substanz des Rückenmarks, und endigen dort an den ver-
schiedensten Stellen derselben und der gekreuzten Seite. Sie ziehen zu den moto-
Medio-peripheres Bündel
_,■ G oll scher Strang
Intermediäres Bündel
Hintere I Zone des
Mittlere Burdach sehen
Vordere I Stranges
Zona terminalis
Substantia gelatinosa posl.
(Rolandi) u. Zona spongiosa
Fasciculus cerebrospina-
*'lis lat. (pyramidalis lat.)
Fasciculus
cerebellospinalis
(Flechsig)
Tractus rubrospinalis
(Monakow)
Tractus tectospinalis
Fasciculus anterolat.
superf. (Gowersi)
Fasciculus lat. proprius
(Flechsi gi)
Fasciculus ant. proprius (Flechsigi)
Tractus spinoolivaris
(Bechterew)
Tractus vestibulo-spinalis
Fasciculus cerebrospinalis ant. (pyramidalis ant.)
Fasciculus longitudinalis medialis (Mediales aufsteigendes Bündel)
Fig. 86.
Rückenmarksquerschnitt mit den Bezirken der verschiedenen Bahnen.
Ursprung und Endigung von einem Teil der Bahnen ist ebenfalls angegeben. (Bechterew.)
ca Vordersäulenzelle ; es Zelle in der Substantia gelatinosa post. (Rolandi); gc Mittelzelle; gs Hintersäulenzelle; N. d
Nucleus dorsalis (Clarkesche Säule); ra vordere Wurzelfasern; rpi innere hintere Wurzelfasern; rpe äußere hintere
Wurzelfasern. (Bechterew.)
rischen Vordersäulen-Zellen, zu den Zellen der Clarkeschen Säule und zu dem
Heer der Strangzellen. Fig. 79, 81, 86.
c) Auf- und absteigende Strangzellenbahnen.
1. Fasciculus cerebellospinalis (Flechsig), Kleinhirn-Seitenstrang-
Bahn (Fig. 79, 86). Sie besteht aus den Neuriten der Zellen des Nucleus dorsalis
(der Clarkeschen Säule), welche in querer Richtung zur peripherischen Zone des
Seitenstranges ziehen, dort kranialwärts umbiegen und zu einem Bündel vereinigt
zur Medulla oblongata und (durch Vermittlung des Corpus restiforme) zum Wurm
des Kleinhirns ziehen. Die Fasern entsenden während ihres Verlaufes Kollateralen
zur trauen Substanz. Fiel- 79.
64 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Die Kleinhirn-Seitenstrang-Bahn entsteht im Bereich des II. oder III. Lumbalsegrnentes, denn
die Clarkesche Säule reicht, wie wir gesehen haben, nicht weiter kaudalwärts. Kranialwärts wird
die Bahn durch Aufnahme neuer Fasern fortdauernd stärker.
Sie bildet eine schmale periphere Zone des Seitenstranges, lateral von der
Pyramiden-Seitenstrang-Bahn und reicht von der Zona terminalis ungefähr bis zur
Abgangsstelle des Lig. denticulatum. Fig. 37, 86.
2. Fasciculus anterolateralis superficialis, Gowerssches Bündel.
Es bildet als schmales, im Querschnitt halbmond- oder kommaförmiges Bündel
einen Teil der peripherischen Zone des Seitenstranges, ventral von der Kleinhirn-
Seitenstrang-Bahn. Fig. 37, 79, 86.
Seine Fasern sind die Neuriten von Strangzellen aus der Vordersäule und
dem Mittelteil der grauen Substanz (Fig. 79, 83, 86). Sie gelangen entweder un-
gekreuzt oder gekreuzt unter Überschreitung der Commissura ant. zu der genannten
Stelle des Seitenstranges. Dort biegen sie kranialwärts um und ziehen unter an-
dauerndem Zuwachs durch neu hinzutretende Fasern durch Medulla oblongata,
Pons und Brachia conjunetiva zum Wurm des Kleinhirns.
3. TractUS spinothalamicus (Edinger) ist ein Zug, dessen Fasern aus Zellen
der Hintersäule stammen und durch die vordere Kommissur zum Seitenstrang der gekreuzten Seite
medial vom Gowersschen Bündel gelangen. Dort biegen sie in kraniale Richtung um und ver-
laufen durch Medulla oblongata und Pons zum Thalamus.
4. TractUS spinotectalis sind Fasern, welche zusammen mit dem Tractus spino-
thalamicus verlaufen, jedoch im Vierhügelgebiet endigen.
Die unter 1 — 4 genannten Bündel sind sensible Neuronen II. Ordnung. Sie empfangen den Reiz
von den hinteren Wurzelfasern und leiten ihn zum Kleinhirn, Thalamus und den Vierhügeln.
5. Tractus spinoolivaris (Bechterew) (oder Hellwegsche Dreikanten-
bahn) ist ein Zug an der Peripherie des Vorderstranges, welcher vom III. Cervikalsegment an
nachgewiesen ist und zur seitlichen Umgrenzung des Nucleus olivaris inf. zieht. Fig. 86.
6. Tractus cervicolumbalis dorsalis (Flechsig). Er besteht im oberen
Cervikalmark aus zerstreuten Fasern, welche weiter kaudal einen dünnen Saum an der Peripherie
der Hinterstränge bilden, im Sakralmark neben dem Septum post. auf jeder Seite ein halbovales
Feld einnehmen. Er endigt in der grauen Substanz des Conus medullaris; der Ursprung ist noch
nicht bekannt.
I. Das Gehirn. Encephalon.
1. Form und Lage.
Das Gehirn, der umfangreiche kraniale Teil des Medullarrohres, ruht, von
denselben drei Häuten umgeben, welche das Rückenmark bekleiden, innerhalb des
Neurocranium und besitzt im allgemeinen die Gestalt der Schädelhöhle.
Die Ausfüllung der Schädelhöhle durch das Gehirn ist eine weit vollständigere, als die des
.Wirbelkanals durch das Rückenmark. Nur an gewissen Stellen sind die Spalträume zwischen den
beiden inneren Hirnhäuten weiter, an den meisten Stellen aber klein oder nur kapillar. Im ganzen
liegt daher das Gehirn der Innenwand des Hirnschädels so nahe an, daß nicht nur dessen Gesamt-
form wiederholt wird, sondern daß auch zahlreiche Besonderheiten der Hirnoberfläche sich an jener
Innenwand ausprägen. Ein Ausguß der Schädelhöhle gibt die Hirnform nur um ein kleines ver-
größert bis zu einem gewissen Grade wieder; es kann also von einem vorliegenden Schädel auf
die Form des zugehörigen Gehirns zurückgeschlossen werden. So wird es möglich, Formen von
Gehirnen miteinander vergleichen zu können, die gar nicht mehr vorhanden sind, längst vergangene
Gehirne unter sich und mit gegenwärtigen, gegenwärtige untereinander, ohne daß man sie besitzt.
Dies gilt nicht allein vom Menschen, sondern auch von zahlreichen Gliedern der Tierwelt; auf
Grund dieses Verhältnisses haben sich wichtige Tatsachen auf paläontologischem Gebiet
feststellen lassen. Andererseits ist daran zu erinnern, daß die Anlagerung des Gehirns an die
Das Gehirn: Form und Lage, Allgemeine Übersicht. 65
Schädelwand, ferner deren im Verhältnis zur Wirbelsäule geringere Stärke, sowie ihre schwächere
Bedeckung mit Wcichteilen leichter eine Verletzung des Gehirns durch äußere Einwirkungen
ermöglichen, als es bei dem Rückenmark der Fall ist.
Entsprechend den Varietäten der Schädelform nähert sich das mensch-
liche Gehirn bald mehr der Kugelgestalt, bald mehr dem langgestreckten Ell i-
psoide. In beiden Fällen ist seine Grund- oder ventrale Fläche, Basis en-
cephali, abgeplattet, die dorsale Facies convexa cerebri gewölbt; auch am
Rückenmark zeigte sich ventrale Abplattung, stärkere dorsale Wölbung. Der
sagittale Durchmesser (die Länge) des Gehirns beträgt etwa 160 — 170 mm, der
größte quere 140, der größte vertikale 125 mm. Das weibliche Gehirn ist durch-
schnittlich etwas kürzer.
2. Allgemeine Übersicht des Gehirns.
An der dorsalen Oberfläche des Gehirns zeigt ein tiefgehender medianer
Einschnitt, die Mantelspalte, Fissura longitudinalis cerebri, eine Teilung
in zwei symmetrische Hälften, die beiden Hemisphären des Endhirns an; jede
Hälfte wird von vielen Furchen, Sulci, durchzogen und in entsprechende Win-
dungen, Gyri, zerlegt. Fig. 87.
Viel verwickelter ist die Oberflächengestaltung der Basis encephali.
Während bei der Rückenbetrachtung des Gesamthirns (Fig. 92) der das
Rückenmark zunächst aufnehmende Teil gar nicht gesehen wird, tritt er bei ven-
traler Betrachtung (Fig. 96) als ein kegelförmiger Körper von 25 mm Länge zu-
tage, welcher fast unmerklich aus dem Rückenmark hervorgeht, an seinem kranialen
Ende aber scharf begrenzt ist; man nennt diesen Körper Medulla oblongata;
er läßt eine Menge von Besonderheiten erkennen, welche später zu betrachten
sein werden. Am rostralen Ende der Oblongata liegt ein breiter, vorn und hinten
scharf gerandeter Querwulst von markweißer Farbe, die Brücke, Pons, deren
seitliche Enden in das Kleinhirn eintreten.
Vom Kleinhirn, Cerebellum, ist nur die untere Fläche seiner beiden
Seitenhälften, der sogenannten Hemisphären des Kleinhirns, sichtbar, während
der Mittelteil des Kleinhirns von der Oblongata verdeckt wird. Die Oberfläche
der Kleinhirnhemisphären zeigt graue Farbe und ist in schmale Windungen ge-
gliedert.
Am rostralen Rande der Brücke treten, als wären sie verstärkte Fortsetzungen
der Oblongata, seitlich von der Mittellinie zwei mächtige, weiße Stränge hervor,
welche in auseinanderweichender Richtung in das Gehirn eindringen und sich bald
dem Blicke entziehen. Es sind die Großhirnstiele, Pedunculi cerebri. Sie
werden, bevor sie in die Tiefe treten, quer überlagert je von einem schmalen
Markbande, dem Sehstreifen, Tractus opticus. Die vorderen Enden der beiden
Tractus optici verbinden sich bogenförmig miteinander zur Sehnervenkreuzung,
Chiasma opticum, und lassen jenseits dieser Verbindung die beiden Sehnerven,
Nervi optici, hervorgehen.
Zwischen dem rostralen Brückenrande und den medialen Rändern der Hirn-
stiele sinkt die Hirnbasis zu einem rhombischen Felde ein, welches vorn vom
Chiasma opticum abgeschlossen wird. In diesem Felde treten mehrere Besonder-
heiten hervor, zunächst die beiden Markkügelchen, Corpora mamillaria
welche dicht neben der Mittellinie ihren Platz haben und sich berühren. Die hinter
66 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
ihnen liegende dreieckige graue, von Gefäßlöchern durchsetzte Substanzplatte wird
Substantia perforata posterior genannt. Vor den Markkügelchen erhebt sich
der Boden in Form eines grauen Wulstes, Tuber cinereum, aus welchem ein
5 mm langer hohler Fortsatz, der Trichter, Infundibulum, hervorgeht. Wie
eine Beere an ihrem Stiele, so sitzt an dem Trichter bei unversehrter Beschaffen-
heit des Gehirns der ansehnliche Hirnanhang, Hypophysis, welcher in der
Sattelgrube des Keilbeinkörpers seine Lage hat.
Eine dünne, leicht einreißende Platte grauer Substanz, Lamina terminalis,
erstreckt sich von dem vorderen Rande des Chiasma opticum nach oben. Sie legt
sich der unteren Fläche des Gehirnbalkens, Corpus callosum, an, dessen
vorderer ventraler Teil in der Tiefe der Mantelspalte des Gehirns, beim Auseinander-
ziehen der Stirnteile beider Hemisphären des Endhirns, sichtbar wird.
Jederseits von dem vorderen Ende des Tractus opticus befindet sich die graue,
von vielen Gefäßlöchern durchsetzte Substantia perforata anterior. Die von
ihr eingenommene Grube führt zwischen dem Stirn- und Schläfenlappen des End-
hirnes in eine an der lateralen Hirnfläche weithin sich ausdehnende tiefe Spalte,
Fissura cerebri lateralis (Sylvii). Vor der Substantia perforata anterior erhebt
sich ein dreieckiges Feld, Trigonum olfactorium, welches sich in den schmalen
Tractus olfactorius und in dessen vorderen Abschluß, den Riechkolben,
Bulbus olfactorius, fortsetzt. Von der ventralen Fläche des letzteren gehen
die bei der Herausnahme des Gehirnes aus der Schädelhöhle abreißenden Riech-
fäden, Nervi olfactorii, aus.
An verschiedenen Stellen der Hirnbasis sieht man die übrigen, noch nicht
erwähnten Hirnnerven hervortreten und ihren Weg nehmen; auf sie ist erst später
einzugehen. Hier aber ist noch hervorzuheben, daß das im Obigen beschriebene
mittlere Gebiet der Hirnbasis vorn, seitlich und hinten sich umgeben zeigt von
Furchen und Windungen tragenden basalen Teilen des Endhirnes.
Eine mediane Furche durchzieht den größten Teil der Basis des Gesamthirnes,
nur einzelne Abschnitte überspringend. Diese Mittelfurche ist die unmittelbare
Fortsetzung der Fissura mediana anterior des Rückenmarkes.
Bei seitlicher Betrachtung des Gehirnes werden noch zwei andere Fissuren
sichtbar; eine, welche von hinten her zwischen Kleinhirn und Oblongata eindringt,
Fissura transversa cerebelli; und eine zweite, welche ebenfalls von hinten
her zwischen Groß- und Kleinhirn eindringt, Fissura transversa cerebri.
3. Einteilung des Gehirnes.
Nach Erlangung einer allgemeinen Übersicht der Gehirnform ist es erforder-
lich, von der wichtigen Tatsache Kenntnis zu nehmen, daß das Gehirn keinen
einheitlichen Körper darstellt, sondern aus mehreren, zwar zusammenhängenden,
aber sehr verschiedenartigen aufeinanderfolgenden Abteilungen besteht, welche
nicht neuralen Segmenten entsprechen, sondern einem anderen Gliederungsprinzip
ihr Dasein verdanken. Solcher Abteilungen gibt es auf entwicklungsgeschicht-
licher Grundlage, welche von der vergleichenden Anatomie bestätigt wird, sechs.
Es sind (siehe Fig. 87) die folgenden:
I. Endhirn oder Hemisphärenhirn, Telencephalon,
II. Zwischenhirn oder Sehhügelhirn, Dien cep ha Ion,
Das Gehirn: Einteilung, Gewicht, Volum, Oberfläche.
67
III. Mittelhirn oder Vierhügelhirn, Mesencephalon,
IV. Hirnenge, Isthmus,
V. Hinterhirn oder Brücke und Kleinhirn, Metencephalon ,
VI. Nachhirn, Medulla oblongata, Myelencephalon.
I und II machen zusammen das Vorderhirn, Prosenzephalon, aus;
IV, V und VI bilden zusammen das Rhombencephalon;
I, II und III stellen das Cerebrum, Großhirn, dar1).
Diese Abteilungen gehen schon in früher Embryonalzeit aus drei primitiven Erweiterungen
des Medullarrohres hervor, den drei primären Gehirnbläschen, d. i. dem vorderen, mittleren
und hinteren Gehirnbläschen, in der Weise,
daß das vordere und das hintere primäre
Hirnbläschen sich sekundär in zwei und
drei Abteilungen gliedern.
In Fig. 87 sind fünf von diesen
sechs Abteilungen in Seitenansicht erkenn-
bar; nur die Abteilung II wird vom Endhirn
verdeckt.
Bei dorsaler Ansicht des Gesamt-
hirnes (Fig. 92) ist nur das Endhirn sichtbar;
bei ventraler Ansicht dagegen liegen von
allen Abteilungen mehr oder weniger
ausgedehnte Gebiete frei. Fig. 96.
4. Gewicht, Volum, Oberfläche.
Das spezifische Gewicht der
grauen Substanz ist 1029 — 1039, das
der weißen 1039—1043, das des ge-
samten Gehirnes 1035 — 1043.
Die graue Substanz macht 37,7 bis
39,0 °/o, die weiße 61,0— 62,3 °/0 des End-
hirngewichtes aus. Etwa 6% der grauen
fallen hiervon auf die Ganglien, 33% auf
die Rinde. Zur Ermittelung der Gewichts-
verhältnisse, in welchen graue und weiße Substanz das Gehirn zusammensetzen, benutzte Forster
die Tatsache, daß die grauen Massen wasserreicher sind als die weißen.
Der Wassergehalt des erwachsenen Gehirns beträgt durchschnittlich 79 %• Die graue Sub-
stanz hat gegen 85°/0, die weiße 70°/o Wassergehalt.
Die mittlere Dicke der grauen Substanz der Endhirnrinde ist 2,5mm. Direkte Mes-
sungen der Endhirnoberfläche rühren von R. und H. Wagner her; sie fanden dieselbe zu
1867,72 bis 2195,88 qcm.
Messungen des gesamten Hirnvolums ergaben einen Durchschnittswert von 1330 ccm.
Das Gewicht des ganzen Gehirns, sowie einzelner Teile desselben ist der Gegenstand zahl-
reicher Untersuchungen gewesen.
Als mittleres Gewicht für das Gehirn des erwachsenen Mannes ergibt sich in runder Summe
1375 g: des erwachsenen Weibes 1245 g. Als Minimalgewicht des weiblichen Gehirns wurden 800,
des männlichen 960 g gefunden. Das Maximalgewicht ist etwas unsicher; es werden Gewichte von
1807, 1861, sogar von über 2000 g angegeben. Es versteht sich von selbst, daß zahlreiche weib-
liche Gehirne viele männliche an absolutem Hirngewicht übertreffen können. Doch zeigen nach
Rüdinger schon die Hirngewichte Neugeborener eine Geschlechtsdifferenz.
Von wesentlichem Einfluß auf das Hirngewicht ist natürlich das Alter der untersuchten Indi-
viduen. Nach den Wägungen von R. Boyd wächst das mittlere Hirngewicht bis zum 7. Lebens-
') Mit der oben gegebenen Einteilung (Basler anatomische Nomenklatur B. N. A.)
streitet eine andere, ebenfalls embryologisch begründete, noch um den Vorrang. Siehe unten.
Fig. 87.
Schematische Darstellung des Gehirnes, von der rechten
Seite aus gesehen. 1 :3.
A Endhirn; B Kleinhirn; C Brücke; D Medulla oblongata;
a Hirnschenkel; b Vierhügel; c Brückenarm des Kleinhirnes;
d Corpus restiforme ; e Fissura lateralis ; / Stirnlappen ; g Schläfen-
lappen ; h Hinterhauptlappen.
68 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
jähre rasch an und erreicht langsam gegen Ende des 20. Jahres in beiden Geschlechtern die für den
Erwachsenen erwähnten Mittelzahlen. Vom 20. — 50. Jahre pflegt das Gewicht stationär zu bleiben;
von hier an tritt ein langsames Fallen ein, dessen Mittel im hohen Alter auf 1285 g beim Manne,
1130g beim Weibe zurückgeht. Nach Weisbachs Wägungen ist das Hirngewicht am größten
zwischen dem 20. und 30. Lebensjahre; von hier an erfolgt ein langsames, nach dem 50. Jahre ein
rasches Abnehmen.
Bemerkenswert ist ferner der Einfluß der Kultur. Bei Kulturvölkern nimmt im Laufe der
Zeiten die Gehirnmasse wahrscheinlich etwas zu (P. Broca, nach Messungen verschiedener Gene-
rationen der Pariser Bevölkerung aus verschiedenen Jahrhunderten). Von hoher Kulturstufe herab-
gesunkene Völker zeigen eine etwas geringere Schädelkapazität, als zur Zeit ihrer Kulturblüte
(E. Schmidt, nach Messungen an Ägypterschädeln). Die Landbevölkerung hat ein etwas geringeres
Hirngewicht als die Stadtbevölkerung (J. Ranke).
Ein Einfluß der Schädelform macht sich darin geltend, daß bei langköpfigen Völker-
schaften das mittlere Hirngewicht etwas geringer ist als bei breitköpfigen.
Über den Einfluß der Rasse liegen mehrere Untersuchungen vor. Die kaukasische Rasse
hat nach Davis ein mittleres Hirngewicht von 1335g (1367g Männer, 1206g Weiber). Das Hirn-
gewicht der Hindu ergab nur 1253 g für den Mann, 1133 g für das Weib. Ein hohes Hirngewicht
bei kleiner Statur zeigen die Chinesen (1332 g). Dann folgen die Sandwich-Insulaner mit 1303 g,
die Malaien mit 1266, die Indianer mit 1266 g, die Neger mit 1244 g, die Australier und Tasmanier
mit 1185 g.
G. Retzius, Das Hirngewicht der Schweden. Biol. Untersuchungen IX, 1900. Die Mittelzahl
von 450 männlichen schwedischen Gehirnen ist rund 1399; von 250 weiblichen = 1248.
Bei allen Völkern ist das mittlere Hirngewicht (wie die Körperlänge und das Gewicht) der
Weiber etwas geringer; die Differenz steigt mit dem Grade der Kultur. Die geringsten Ge-
schlechtsdifferenzen im Hirngewicht zeigen nach Davis die Neger und Australier.
Auch innerhalb der europäischen Völker sind erhebliche Unterschiede im Hirngewicht
vorhanden. Nach Weisbach stehen die Deutschösterreicher mit 1314,5g den Tschechen mit 1368,31,
überhaupt den Slaven nach, ebenso den Magyaren. Die Italiener zeigen ein mittleres Hirngewicht
von 1301,37g. Nach Davis haben die Deutschen 1425, die Engländer 1346, die Franzosen 1280g
mittleres Hirngewicht.
Einen wichtigen Einfluß auf das Hirngewicht übt ferner das Körpergewicht aus. Bei
schwereren Personen ist im allgemeinen ein schwereres Gehirn nachzuweisen. Andererseits läßt
sich auch behaupten, daß leichtere Individuen ein relativ schwereres Gehirn besitzen als schwerere
und umgekehrt. Das relative Hirngewicht ist daher auch bei Weibern etwas günstiger gestellt
als bei Männern, bei jenen etwa 1/i;>, bei diesen '/jo des Körpergewichts (Bischoff).
Auch die Körperlänge hat einen Einfluß. Mit Zunahme der Körperlänge ist durchschnitt-
lich auch eine Zunahme des Hirngewichts verbunden. Aber kleinere Personen besitzen dennoch
ein relativ schwereres Gehirn als große (Bischoff).
Der Schlüssel zu diesen scheinbaren Widersprüchen ist einmal darin zu finden, daß der Anspruch
an die somatischen Funktionen des Gehirns nicht überall in geradem Verhältnis zur Körpermasse
steht, sondern relativ um so größer ist, je geringer die Masse (A. Brand); sodann darin, daß das
Gehirn nicht nur Zentralorgan für die somatischen Funktionen des Organismus ist, sondern auch
für die psychischen. Die somatischen Anforderungen an das Gehirn können bei zwei Personen
gleich oder verschieden sein; ebenso die psychischen. Hierfür gibt Bischoff ein anschauliches Bei-
spiel an dem Gehirn des Hundes. Große und kleine Hunde haben ungefähr einen gleichen Grad von
Intelligenz, obgleich ihre Hirne sehr verschieden groß und schwer sind; der somatische An-
spruch ist bei ihnen ein verschiedener. Tiere mit gleichem Körpergewicht als der Mensch haben doch
ein viel leichteres Gehirn als dieser; sein schweres Gehirn ist auf sein psychisches Übergewicht zu
beziehen. Bedeutende Unterschiede im Hirngewicht verschiedener Menschen sind vorzugsweise auf
Unterschiede der psychischen Anlagen zu beziehen. Je größer im Tierreich das Gehirn im Verhältnis
zum Rückenmark ist, umsomehr ist es als Seelenorgan aufzufassen; und umgekehrt, je stärker
das Rückenmark im Verhältnis zum Gehirn ist, umsomehr ist es somatisches Organ. Bei keinem
Tier besteht ein solches Verhältnis wie bei dem Menschen (Bischoff). Dasselbe gilt auch von der
geringen Stärke der Hirnnerven bei dem Menschen (Sömmering). Hiermit ist bereits der
Einfluß der Intelligenz auf das Hirngewicht in Betracht gezogen.
Das Gehirn: Gewicht, Volum, Oberfläche.
69
Setzt man nach O. S n e 1 1 (Bericht der Gesellschaft für Morphologie u. Physiologie in München
VII, 1891) das Gewicht des ganzen Gehirns =
bei dem
Menschen 0,78
Fuchs 0,686
Hasen 0,567
1, so betrügt das Gewicht der Endhirnhemisphären
Maulwurf 0,56
Kaninchen 0,538
Wiesel 0,522.
S. auch Weber, M., Vorstudien über das Hirngewicht der Säugetiere: in der Fcstschri ft
für Gegenbaur, Leipzig, W. Engelmann 1896.
Nach Zusammenstellungen verschiedener Autoren (R.Wagner, H. Welcker, C. Kupffcr,
Th. Bischoff, G. Retzius, Hansemann) über die Gehirne berühmter Männer und Frauen be-
trug das Hirngewicht von
Alter
Cuvier (Anatom) .... 63
Byron (Dichter) .... 36
Dirichlet (Mathematiker) . 54
Fuchs (Mediziner) ... 52
Gauss (Mathematiker) . . 78
Dupuytren (Chirurg) . . 58
Hermann (Philologe) . . 51
Hausmann (Mineraloge) . 77
Schiller (Dichter) .... 46
Dante (Dichter) . . . . —
Kant (Philosoph) .... 82
Hermann (Nationalökonom) 73
Pfeufer (Mediziner) ... 60
g
1861
1807
1520
1499
1492
1437
1358
1226
1580 (berech.;
1420
1600
1590
Ch. Bischoff (Mediziner)
Melchior Meyr (Dichter)
J. Huber (Philosoph) .
Fallmerayer (Historiker)
J. v. Liebig (Chemiker)
Fr. Tiedemann (Physiolog
E. Harless (Physiolog) .
Ignaz Döllinger (Physiolog) .
Sonja Kowalewski(Mathematike
H. Gylden (Astronom) . . .
Bunsen (Chemiker) ....
Mommsen (Historiker) . .
Menzel (Kunstmaler) . . .
* Nach dem durch Fror
in)
ep
Alter
g
79
1452
61
1415
49
1409
74
1349
70
1352
79
1254
40
1238
71
1207
41 ca
1385
55
1452
88
1295*
86
1425*
89
1298f
unters
uchten
1488
* Starke Altersatrophie des Gehirns.
Schädel 1300 g.
f Ohne Pia und ohne Flüssigkeit gewogen, keine sichtbaren Altersveränderungen des
Gehirns.
Die Mehrzahl der erwähnten Gehirne erhebt sich mehr oder weniger stark über das Durch-
schnittsmittel von 1375; einige bleiben unter ihm, wie es denn überhaupt feststeht, daß auch bei
sehr intelligenten Menschen nicht allzu selten verhältnismäßig niedrige Hirngewichte vorkommen.
Im allgemeinen aber glaubt man sich zu der auch im Volke weit verbreiteten Ansicht berechtigt,
daß bei dem Menschen ein einigermaßen schweres Gehirn zu bedeutenderen psychischen Leistungen
befähigt als ein leichteres. Ein auffallend unter dem Mittelgewicht stehendes, windungsarmes Ge-
hirn wird keine bedeutenderen geistigen Leistungen erwarten lassen; es wird vielmehr in seinen
Leistungen hinter der Durchschnittsleistung eher zurückbleiben. Ein schweres und windungsreiches
Gehirn wird nicht notwendig während des Lebens bedeutende geistige Leistungen offenbaren, denn
seine Anlagen können unentwickelt bleiben.
Zur weiteren Beurteilung dieser Verhältnisse ist ferner zu beachten, daß das Gehirn ein aus
sechs hintereinander liegenden Abteilungen bestehender Körper ist, welche in Größe, Bau und
Funktionen sehr weit voneinander verschieden sind, obwohl sie alle wesentlich aus Nervenzellen und
Nervenfasern bestehen. Hieraus erhellt, daß eine Wägung des Gesamthirnes doch nur einen sehr
unvollkommenen, beiläufigen und unsicheren Ausdruck für die psychische Leistungsfähigkeit darzu-
stellen vermag. Die verschiedenen Abteilungen müssen nicht gleichmäßig miteinander an Größe und
Gewicht zu- oder abnehmen, sondern es kann eine Abteilung vergrößert sein auf Kosten einer anderen.
Bessere Aussicht auf Gewährung eines richtigeren Ausdruckes wird also gegeben sein mit der
Wägung der einzelnen Teile des Gehirns, besonders derjenigen, an welche die höheren
psychischen Funktionen vor allem gebunden sind, mit der Wägung der grauen Substanz des End-
hirnes. Aber auch hier ist zu beachten, daß die einzelnen Gebiete der Endhirnrinde in ihren Funk-
tionen sehr ungleich und in ihrer Größenentwicklung sehr verschieden sind.
Niemand wird ferner im Zweifel sein, daß nicht allein das Gewicht dieser grauen Massen
entscheidend sein könne für die Funktion, sondern daß auch der feinere Bau und die chemischen
Verhältnisse Berücksichtigung verdienen; hier können bedeutende individuelle usw. Verschieden-
heiten sich ausprägen. „Eine Turmuhr", wie ein grober Vergleich lautet, „muß nicht notwendiger-
weise besser gehen als eine Taschenuhr."
70 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Aber auch die Kehrseite ist zu beachten. Man wird nicht mit jenen übereinstimmen können,
welche der Ansicht sind, daß eine Ameise oder ein Orang sehr wohl dazu befähigt seien, im
stillen Walde Kubikwurzeln auszuziehen und über kosmogonische Probleme nachzudenken. Die An-
hänger dieser Meinung, die nicht allzu selten sind, geben als Grund für dieselbe an, daß niemand
wissen könne, was diese Tiere denken. Dieser Grund erinnert lebhaft an die Satire eines unserer
Dichter, welcher den Affen, entsprechend dem Glauben der Eingeborenen, nachsagt, daß sie sehr wohl
reden könnten, wenn sie wollten, daß sie aber zu klug seien, es zu zeigen. Denn wenn die Menschen
in Erfahrung bringen würden, daß die Affen reden und alles ebenso gut besorgen könnten wie die
Menschen, so würden sie gezwungen werden, ebensoviel zu arbeiten wie die Menschen, was den Affen
aber nicht behage.
Gewichtsbestimmungen einzelner Hauptabschnitte des Gehirns hat schon Huschke vor-
genommen; auch Weisbach führte zahlreiche Wägungen ähnlicher Art aus. Meynert trennte den
Hirnstamm samt Streifenhügel vom Endhirn ab und bestimmte am Stammhirn wieder das Kleinhirn
gesondert; er untersuchte ferner die Gewichte einzelner Abschnitte der Hemisphären; ebenso, in etwas
verschiedener Abgrenzung der Abschnitte, Bischoff. Der erstere grenzte durch einen dem Sulcus
centralis folgenden Schnitt den Stirnlappen, durch einen zweiten Schnitt, welcher den hinteren Ast
der Fissura lateralis mit der Fissura parieto-occipitalis verbindet, den Scheitellappen von dem Hinter-
haupt-Schläfenlappen ab. Der Stirnlappen wog bei Männern 214,06, bei Weibern 195,8; der Scheitel-
lappen 123,55 und 108g; der Hinterhaupt-Schläfenlappen 177,73 und 157,4g.
Über Hirngewicht siehe ferner W. Braune, Archiv für Anat. und Phys. 1892; W. Krause,
Internationale Monatsschrift 1888, Bd. V; sowie H. Vierordt, Anatomische Daten und Tabellen,
3. Aufl. 1906.
Auffallend selten sind Wägungen an kindlichen Gehirnen vorgenommen worden. In der
gesamten Literatur finden sich nach Mies nicht mehr, als wenig über 2000 Fälle von Hirngewichts-
zahlen aus den beiden ersten Jahrzehnten des Lebensalters, und unter diesen nur 627 Einzel-
bestimmungen. Ihnen fügt neuerdings H. Pfister (Das Hirngewicht im Kindesalter, Archiv für
Kinderheilkunde, Bd. 23, 1897) die Wägungen von 156 kindlichen Gehirnen aus dem Friedrich-
Kinderkrankenhause in Berlin hinzu.
Nach Mies zeigt der neugeborene Mensch folgende Mittel:
Mädchen = 330 (329,99 g\ Knabe = 340 (339,25 g).
Das weibliche Gehirn nimmt im Verlauf der weiteren Entwicklung um ca. 900 g zu (Endgewicht =
1230 g); das männliche um 1050 g (Endgewicht = 1400 g). Diese Zunahme erfolgt derart, daß die
Gewichtsvermehrung um 300 bzw. 350 g (= erstes Drittel der Gesamtzunahme) im 9. Monate erreicht
wird. Das zweite Drittel wird vom letzten Vierteljahre des 1. bis zum 2. Viertel des 3. Jahres ge-
wonnen. Dann wächst das Gehirn immer langsamer weiter, um jedenfalls erst nach dem 2. Jahr-
zehnte sein Maximalgewicht zu erreichen. (Vgl. Fr. Merkel, Altersverschiedenheiten des Schädels,
siehe Abt. II, S. 141.)
Was das gegenseitige Verhältnis von Hirn- und Körpergröße betrifft, so ist nach Mies zu
konstatieren, daß vor dem Ende der Schwangerschaft mit zunehmendem Alter der Frucht immer
weniger Körpergröße auf 1 g Hirn entfällt. Extrauterin nimmt die Körpergröße beim Kinde bis ins
2. und 3. Jahr langsamer zu als das Hirngewicht (bei Knaben länger dauernd als bei Mädchen). Vom
2. bzw. 3. Jahre ab findet ein stetiges Wachsen der Verhältniszahl zwischen Hirngewicht und Körper-
größe bis zum Ende des 2. Jahrzehnts auf Kosten des Hirngewichts statt.
In den ersten 3 Monaten entspricht 1 g Hirn nicht ganz 6 g Körper ($ = 5,96 g, c? = 5,92g,i.
In den ersten 7 Jahren vermehrt sich der 1 g Hirn entsprechende Körpergewichtsteil langsam nur
um $ 4'/., bzw. cT 4 Vag (?= 10,46g, ,J, = 10,28g) Körpergewicht; von da ab jedoch bis zum Ende
des 2. Jahrzehntes sehr schnell, noch fast um 25 Einheiten (V' = 35,00, 3 = 35,06 g) (zitiert nach
Pfister).
Nach Erfahrungen von Pfister haben stark hyperämische Gehirne eine Gewichtsver-
mehrung, stark anämische einen Gewichtsverlust von 7,5g vom Hundert erlitten. Im übrigen
stimmen seine Ergebnisse gut mit den von Mies erhaltenen überein. Die weiblichen Mittelgewichte
der kindlichen Gehirne halten sich stets etwas unter dem Mittelgewichte des Mannes. Der Unter-
schied beträgt beim Neugeborenen ca. 10g, steigt jedoch im Laufe der Entwicklung weiter an. Was
die Gewichte der beiden Hemisphären bei Kindern betrifft, findet nach Pfister eine mäßige
Prävalenz der linken Hemisphäre statt, ohne daß man sexuellen oder Altersunterschieden einen
Das Gehirn: Die einzelnen Gehirnabteihingen. 71
deutlichen Einfluß zuschreiben kann. Dagegen ist das absolute Kleinhirngcwicht der Knaben
durchschnittlich etwas grüßer als das der Mädchen.
Ergänzungen siehe in dem Abschnitt: Allgemeines über Hirnwindungen.
Chiarugi, G., Proposition d'une ctude collective sur le poids de l'encephale chez les Italiens.
Arch. ital. de Biol. XXXV, 1901. — Thudichum, L. W., Die chemische Konstitution des Gehirns
des Menschen undderTiere. Tübingen 1901. — Winkler, C, Das relative Gewicht der menschlichen
Hirnwindungen; in „Petrus Camper" I, 1901. — Marchand, F., Über das Hirngewicht des Menschen.
Abhandlungen der K. S. Ges. d. Wiss., math.-ph. Kl. XXVII, 1902; auszugsweise im Biol. Zentralbl.
XXII, 1902. Gehirne unter 1250 sind als abnorm klein, solche über 1550 als abnorm groß zu bezeichnen
(bei Männern). Wahrscheinlich ist bei der noch in der Breite der Norm liegenden Verschiedenheit
des Hirngewichts von 300 — 350 g einer verschiedenen Ausbildung der Markmasse der Hauptanteil
des Unterschiedes zuzuschreiben. — Über Gehirngewichte bekannter Personen und die betreffende
Literatur siehe Dräseke, Arch. f. Rassen- und Ges. Biol. 1906. — Hansemann: Über die Gehirne
von Mommsen, Bunsen, Menzel. Stuttgart 1907. — Waldeyer, Ergebnisse d. Anat. VIII, 1899.
5. Die einzelnen Gehirnabteilungen.
A. Das verlängerte Mark, Medulla oblongata.
Die Medulla oblongata hat die Form eines abgestumpften Kegels, dessen
Basis der Brücke zugewendet ist, während das kaudale Ende in das Rückenmark
übergeht.
Die kaudale Grenze ist durch die Austrittsstelle der oberen Wurzelbündel des 1. Cervikalnerven-
paares, oder, auf der ventralen Fläche, durch das kaudale Ende der Pyramidenkreuzung gegeben. Als
rostrale Grenze auf der dorsalen Fläche gelten die Striae medulläres der Rautengrube. Ihre Länge
beträgt 25, ihre untere Breite 10 — 11, die obere Breite 17 — 18mm; die Dicke wächst aufwärts von 9
zu 15 mm.
Skeletotopisch erstreckt sie sich vom oberen Rande des Atlas bis zur Mitte des Clivus und
liegt hier zwischen den Tubercula jugularia. Ihre Richtung ist demgemäß eine schräg aufsteigende;
der veränderliche Neigungswinkel gegen den Horizont beträgt etwa 45°. Der Übergang in das
Rückenmark kann sich in sanfter Weise, aber auch durch eine rasche, winklige Biegung vollziehen.
a) Furchen.
Die Fissura mediana anterior des Rückenmarks wird bei ihrem Über-
gange auf die Oblongata meist stark beeinflußt durch die Pyramidenkreuzung
(Fig. 88, 89, 96). Letztere, Decussatio pyramidum, untere oder motorische
Pyramidenkreuzung, ist 6 — 7 mm lang und liegt oberflächlicher oder tiefer: es
bedarf immer des Auseinanderdrängens der beiden Seitenhälften, um sie gut zu
sehen. Sie besteht darin, daß von jeder Seite 3 — 5 ansehnliche Kreuzungs-
bündel, die von den Pyramiden der Oblongata herabsteigen, unter spitzem Winkel
die Medianlinie überschreiten, sich verschränken und in der Tiefe verschwinden.
Sie treten hier durch die grauen Säulen in den Seitenstrang des Rückenmarks
über und stellen dessen Fasciculus cerebrospinalis lateralis dar (Fig. 88, 89). In
der Regel bleibt ein kleiner Teil der Pyramidenfasern der Oblongata, nämlich der
laterale, ungekreuzt und setzt sich in den Fasciculus cerebrospinalis anterior
des Rückenmarks fort.
Prägt sich die Kreuzung äußerlich nur schwach aus, so tritt die Medianfissur
des Markes ununterbrochen, doch minder tief, auf die Oblongata über. Oft ist
die Kreuzungsstelle nur an einer leichten Ausbiegung der Medianfissur kennt-
lich; in manchen Fällen ist letztere ganz unterbrochen; meist setzt sich die Fissur
verflacht über die Kreuzungsstelle fort. Jenseits der letzteren, zwischen ihr und
der Brücke, ist die Fissur von individuell wechselnder Tiefe. Dicht an der Brücke
erweitert sie sich zu einem Grübchen, Foramen caecum. Fig. 95, 109.
72
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Die Fissura mediana posterior der Oblongata wird alsbald abgeschlossen
durch ein queres Markblättchen, Riegel, Obex (Fig. 114). Diese Stelle entspricht
dem Übergange des Canalis centralis in den Ventriculus quartus.
Der Sulcus intermedius posterior tritt auf die Oblongata über, weicht
im oberen Teile etwas zur Seite und verstreicht darauf.
Im Sulcus lateralis anterior der Oblongata treten die Wurzelbündel des
XII. Hirnnerven (des Hypoglossus, Zungenfleischnerven) zur Oberfläche; der Zu-
sammenhang mit der gleichnamigen Rückenmarksfurche kann durch starke Gürtel-
fasern, Fibrae arcuatae externae, unterbrochen sein. Fig. 90.
Oliva
lat. ant.
Sulcus lat. post.
Sulc. lat. olivae
Fibrae arcuatae ext.
| Decussatio
| pyramidum
Sulcus lat. ant.
Fissura mediana ant.
Sulcus intermedius an:.
Fig. 88.
Fig. 89.
Fig. 90.
Fig. 88. Ansicht der ventralen Fläche der Brücke und des verlängerten Markes.
a, a Pyramiden; b ihre Kreuzung; c, c Oliven; d, d Corpora restiformia; e und / Fibrae arcuatae; g Vorderstrang des
Rückenmarkes; h Seitenstrang desselben; p Brücke; i schräge Brückenfasern. Bei * ist die Verbindung der Brückenarme
mit dem Kleinhirne durchschnitten; s, s Austrittsstelle des Trigeminus. Das kraniale Ende der Pyramiden a, a ist hinter
der Brücke von Querfasern bedeckt, die den Propons bilden.
Flg. 89. Pyramidenkreuzung (vergrößert).
Beide Seitenhälften sind in der Gegend der Pyramidenkreuzung etwas auseinandergedrängt. 1 rechte. 2 linke Seite der
Kreuzungsstelle; 3 — 4 Fissura mediana anterior der Oblongata; 5 Sulcus intermedius anterior; 6 Sulcus lateralis anterior.
Fig. 90. Linke Hälfte einer Medulla oblongata mit oberem Stück des Rückenmarkes (die .Medulla oblongata hat
nur 25 mm Länge). Ventrale (vordere) Fläche. Die Nn. glossopharyngeus, vagus, accessorius, hypoglossus sind entfernt.
P Pyramis; VI N. abducens; VII N. facialis; VIII N. acusticus.
Im Sulcus lateralis posterior der Oblongata treten in einer Längsreihe
drei Hirnnerven aus: der IX. bis XL, oder N. glossopharyngeus, N. vagus, die
oberen Bündel des N. accessorius = Accessorius vagi.
b) Stränge und Querfaserzüge.
Die Pyramide der Oblongata, Pyramis (medullae oblongatae) liegt
zwischen der Fissura mediana anterior und dem Sulcus lateralis anterior, hat
5 — 6 mm Breite und darf nach dem über die Pyramidenkreuzung zuvor Gesagten
nicht mit dem Vorderstrange des Rückenmarkes verwechselt werden.
Der Seitenstrang der Oblongata, Funiculus lateralis, zwischen dem
Sulcus lateralis anterior und posterior gelegen, zeigt als Besonderheit eine ansehn-
liche, lang elliptische Erhabenheit, die Olive, Oliva, deren medialer Längsrand
mit dem Sulcus lateralis anterior zusammenfällt. Sie ist 14 mm lang, 7 mm breit
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Sulcus frontalis sup. -
Sulcus praecentralis
Sulcus centralis -
Sulcus retrocentralis
Sulcus cinguli
(Pars marginalis) '
Sulcus interparietalis-
Sulcus occipitalis transversus
Fissura parieto-occipitalis^'
Sulci occipitales supp.
Polus frontalis
Fissura parieto-
occipitalis
Polus occipitalis
Fissura longitudinalis cerebri
Fig. 92. Furchen und Windungen der Großhirnhemisphären von oben gesehen.
Das Gehirn: Die einzelnen Geliimabteiliingcn.
75
und schließt ein zierlich gefaltetes Blatt grauer Substanz ein, den Olivenkern,
Nucleus olivaris inferior.
Das kaudale, spitzere Ende der Olive liegt in gleicher Höhe mit der kaudalen
Spitze der Rautengrube, wenig rostral des Beginnes der Pyranhdenkreuzung, und
ist oft von starken Fibrae arcuatae extt. bedeckt; ihr rostrales Ende wird durch
eine tiefe Furche vom kaudalen Brückenrande getrennt. Der hintere Olivenrand ist
vom Sulcus lateralis posterior 2 — 3 mm weit entfernt.
Der Hinterstrang der Oblongata, Corpus restiforme, liegt anfänglich
zwischen dem Sulcus lateralis posterior und dem Sulcus medianus posterior; später
tritt an Stelle des letzteren der Seitenrand des IV. Ventrikels. Der Hinterstrang
der Oblongata wird im Aufsteigen durch Einlagerung grauer Massen mächtiger
und wird durch den Sulcus intermedius posterior in zwei Teile geschieden.
«. Der mediale Strang, die Fortsetzung des Gollschen Stranges, Fasciculus
gracilis, nimmt aufwärts an Breite zu und schwillt an der Seite des hinteren
Brachium pontis
Corpus restiforme
Taenia ventriculi IV
Calamus scriptorius
Clava
Tuberculum cuneatum
Fasciculus gracilis
Pons
" Fibrae arcuatae ext.
Funiculus lat.
Tuberculum cinereum
Sulcus medianus
Fovea sup
Striae medulläres tjj
Tuberculum cinereum
Funiculus lat.
Fasciculus cuneatus ' '
Fissura mediana post.
Fig. 94.
Brachium conjunctivum
Brachium pontis
;A- Corpus restiforme
Tuberculum acusticum
Ala cinerea
Clava
Fasciculus gracilis
Fasciculus cuneatus Fasciculus cerebellospinalis
Fig. 93.
Fig. 93. Medulla oblongata vom Gehirn eines Kindes. Halbprofil der dorsalen Fläche.
Fig. 94. Medulla oblongata und Rautengrube vom Gehirn eines Kindes, va Velum medulläre ant.
Teiles der Rautengrube zur Keule, Clava, an, die im Inneren einen grauen
Kern, Nucleus fasciculi gracilis enthält. Jenseits der Clava spitzt sich der
Strang wieder zu und verliert sich im medialen Felde des Corpus restiforme.
Fig. 113, 114.
ß. Der laterale Strang, Keilstrang, Fasciculus cuneatus, verbreitert sich
im Aufsteigen beträchtlich und wird durch eine seichte Furche der Länge nach in
zwei Bündel geteilt, Fasciculus cuneatus medialis und lateralis. Der laterale
Keilstrang enthält die verdickte Fortsetzung des Kopfes der grauen Hintersäule des
Rückenmarkes. Nähert sich dieser Kopf infolge geringer Bedeckung durch weiße
Faserzüge der Oberfläche, so ist die Stelle durch dunkle Färbung bezeichnet;
sie kann sogar einen Vorsprung bilden, welcher den Namen Tuberculum
cinereum führt. Der mediale Keilstrang entwickelt in der Höhe der Clava
ebenfalls eine, bei Kindern leichter wahrnehmbare Anschwellung, Tuberculum
cuneatum, welche einen ansehnlichen grauen Kern beherbergt, den Nucleus
fasciculi cuneati. Zu den Fasciculi gracilis und cuneatus gesellt sich im obersten
Abschnitt des Corpus restiforme noch ein dritter Strang, die S. 63 bereits be-
kannt gewordene Kleinhirn-Seitenstrangbahn. Im Beginn der Oblongata
76 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
an die hintere Seitenfurche angrenzend, überschreitet sie in der Nähe des kaudalen
Olivenendes die Accessoriuslinie, geht vor dem Tuberculum cinereum und cunea-
tum hinweg zur dorsalen Fläche des Corpus restiforme und verliert hier, zum
Kleinhirn ziehend, ihre Abgrenzung. Fig. 93, 94.
So zusammengesetzt senkt sich das Corpus restiforme mit einem jetzt nicht
näher zu untersuchenden Teil seiner Fasermassen unter rascher Krümmung in das
Kleinhirn.
Außer den genannten Längsfaserzügen kommen an der Oblongata auch
Querfaserzüge vor, die in ihrer Gesamtheit den Namen Stratum zonale,
Gürtelschicht, Gürtelfasern, führen und wechselnde Ausbildung zeigen.
Die Querfasern entwickeln sich an der lateralen Fläche der rostralen Enden
der Corpora restiformia und verlaufen bogenförmig zur vorderen Fläche der
Oblongata, wo sie in die vordere Medianfissur eindringen. Die das kaudale Ende
der Oliven umgreifenden, auf die Pyramiden übertretenden Bündel haben oben
bereits als Fibrae arcuatae externae Erwähnung gefunden.
Besondere Querfasern umziehen in vielen Fällen das rostrale Ende der Pyramiden, bevor sie in
die Brücke dringen. Sie sind unter dem Namen Vorbrückchen , Propons, bekannt und ver-
schwinden jederseits neben den Pyramiden, sowie in der Tiefe der vorderen Medianfissur.
Dexter, F., Morphology of the Medulla oblongata of the Rabbit. Arch. Anat. u. Phys. 1896.
— Kölliker, A., Sur l'entrecroisement des Pyramides chez les Marsupiaux et les Monotremes. Vol.
jubilaire publie par la Societe de Biologie ä Paris. — Sabin, Fl. R., Model of the Medulla, Pons and
Midbrain of a New born Babe. John Hopkins Hosp. Reports, 1901.
c) Der IV. Ventrikel, Ventriculus quartus. Fig. 94, 95, 97, 101, 113, 114.
Die IV. Hirnkammer ist ein im Gebiet des Rhombencephalon enthaltener,
ependymbekleideter Hohlraum, eine Erweiterung des Zentralkanals, welche Liquor
cerebrospinalis enthält. Man unterscheidet an ihr einen Boden und ein Dach, zwei
seitliche Begrenzungsränder, zwei seitliche weithin gestreckte Ausbuchtungen, eine
rostrale in den Aquaeductus des Vierhügelhirns führende, und eine kaudale in
den Zentralkanal der Oblongata führende Mündung, sowie eine mediane und zwei
seitliche Öffnungen in den Subarachnoidalraum. Ihre Länge beträgt gegen 25 mm.
Das Dach der IV. Hirnkammer, Tegmen ventriculi quarti, besteht aus
drei verschiedenen Gebilden: rostral aus dem Velum medulläre anterius und
den seitlich dasselbe begrenzenden Brachia conjunctiva (cerebelli), in der
Mitte aus einem Teil des Kleinhirns selbst, kaudal aus dem Velum medulläre
posterius und der Tela chorioidea ventriculi quarti. Der gegen das Klein-
hirn zugeschärft sich erhebende Teil des Daches heißt das Zelt, seine Kante die
Giebelkante, Fastigium. Fig. 97.
Der kaudale Teil des Tegmen ventriculi IV. hat leicht verdickte Seitenränder,
welche sich vom Obex zum lateralen Ende des Recessus lateralis erstrecken und
an der Oblongata meist haften bleiben, wenn die übrige Deckplatte entfernt wird;
sie führen den Namen Taenia ventriculi IV (Fig. 113, 114). Ein vorderer Teil
der Taenia erstreckt sich von der Flocke des Kleinhirns zum Nodulus desselben
(Fig. 120); siehe unten Kleinhirn, S. 84 und Marksegel, S. 92. Über den
Bau der aus Epithel und Pia bestehenden Deckplatte, ihre Durchlöcherungen,
ihre Gefäßplexus siehe Hüllen des Gehirns. S. 159.
Der Boden der IV. Kammer, seiner Form und leichten Tieflage wegen
Rautengrube, Fossa rhomboidea, genannt, zeigt graue Farbe und viele Be-
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Sulcus olfactorius Gvrus rectus
Gyn oibitales
Sulci orbitales
Fissura cerebri
lat. [Sylvii]
Gyrus
temporalis inf.
A. cerebri media
Tuber cmereum
Sulcus
temporalis inf.
U ncus
gyri hippocampi
A. basilaris
Gyrus fusiformis |^
N. intermedius
Gyrus fusiformis
Flocculus
Sulcus horizon-
talis cerebelli
Lobulus biventer
Tonsilla
Lobulus
seinilunaris inf.
Lobulus
semilunaris sup.
Bulbus olfactoi ins
Tractus olfactoi in;
A. commuiiicans mit
Chiasma opticum
N. opticus
Substantia
perforata ant.
Infuiidibulum
— A. carotis int.
A.communicanspost
N. oculomotorius
- N. trochlearis
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A. cerebri post.
Corpus mamillare
N. tri gern inus
N. abducens
N. facialis
N. acusticus
N. glossopharyngeus
N. vagus
N. bypoglossus
N. accessorius
[W i 1 1 isi i]
N. cervicalis I.
Decussatio pyra-
midum
Incisura cerebelli post.
Fig. 96. Gehirnbasis.
Das Gehirn: Die einzelnen Gchirnabtcilungcn. 79
Sonderheiten seiner Oberflächengestaltung. Die graue Substanz der Rautengrube,
Stratum cinereuni fossae rhomboideae, liegt dicht unter dem Ependym
und ist die flächenhaft ausgebreitete Fortsetzung der grauen Säulen des Rücken-
markes.
Das kaudale, zugespitzte Ende der Rautengrube heißt wegen seiner Ähnlich-
keit mit einer Schreibfederspitze Calamus scriptorius. Fig. 114.
Eine Längsfurche, Sulcus medianus fossae rhomboideae, teilt die
Rautengrube in zwei symmetrische Hälften. Ein stärkerer, oder mehrere feine
markweiße Querstreifen, Striae medulläres (Fig. 97, 101), ziehen von der Gegend
der Recessus laterales quer gegen die Medianlinie und grenzen dadurch ein vor-
deres, mittleres und hinteres Gebiet ab.
Das hintere Gebiet, Pars inferior fossae rhomboideae, gehört der
Medulla oblongata an; es liegt zwischen den beiden Corpora restiformia. Das
mittlere, Pars intermedia fossae rhomboideae gehört zum Metencephalon;
es ist das von den Striae medulläres durchzogene Gebiet, und setzt sich seitwärts
fort in den Recessus lateralis ventriculi quarti (Fig. 114), welcher sich um
das Corpus restiforme herumschlingt und am Stiel des Flocculus endet (Fig. 120).
Der rostrale Teil der Rautengrube, Pars superior fossae rhomboideae, gehört
zum Isthmus; er wird von den Brachia conjunetiva seitlich begrenzt.
Neben der Medianfurche durchzieht jederseits ein flacher Längswulst die
ganze Länge der Rautengrube, wird aber im vorderen Gebiet breiter und deut-
licher, die Eminentia medialis (Fig. 113, 114), die das Gebiet der motorischen
Hirnnervenkerne einschließt; seine seitliche Abgrenzung wird gebildet von einer
flachen Furche, Sulcus limitans (fossae rhomboideae). Im kaudalen Teil der
Rautengrube, Fovea inferior, bemerkt man ferner ein durch tiefgraue Farbe und
leicht vertiefte Lage bestimmtes dreieckiges Feld, Ala cinerea, unter welchem
einer der Endkerne des N. vagus, der Nucleus alae cinereae seine Lage hat.
Zieht man von der rostralen Spitze der Ala cinerea eine Senkrechte auf den Sulcus
medianus, so wird ein dreiseitiges Feld abgegrenzt, Trigonum nervi hypo-
glossi, unter welchem der Kern des N. hypoglossus liegt. Lateral und vor der
Ala cinerea erhebt sich am Eingang in den Recessus lat. der Boden zu einem
flachen Hügel, Tuberculum acusticum. Es ist nur ein Teil der großen Area
acustica, deren Grenzen durch den Sulcus limitans, die Taenia ventriculi quarti
und das Brachium pontis gegeben werden. Fig. 113, 114.
Vor den Striae medulläres zeigt die verbreiterte Eminentia medialis einen
stärkeren rundlichen Vorsprung, Colliculus facialis, welcher durch das die
Oberfläche vorwölbende innere Knie des N. facialis bedingt wird. An dem late-
ralen Rande des Vorsprunges sinkt die Oberfläche zu einer kleinen Grube, Fovea
superior, ein. Vor der Fovea superior liegt jederseits dicht am Brachium con-
junetivum eine bläulich gefärbte Stelle, welche sich bis zum Eingang in den
Aquädukt hinzieht, der Locus caeruleus. Die blaue Farbe dieser Stelle ent-
steht, wie überall im Tierreich die blaue Farbe entsteht, dadurch, daß (bräunlich)
pigmentierte Nervenzellen durch die durchsichtige über ihnen liegende Gehirn-
substanz durchschimmern.
Über den Sulcus limitans siehe unten.
Über die Relief-Verhältnisse der Rautengrube vgl. G. Retzius, Das Menschenhirn. 1896. S.39ff.
Raüber-Kofsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 5
80 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
B. Das Hinterhirn, Metencephalon.
I. Die Brücke, Pons (Varoli). Fig. 96, 109, 112.
Die Brücke ist ein weißer mächtiger Vorsprung der Hirnbasis, welcher kaudal
von der Oblongata, rostral von den Pedunculi cerebri scharf begrenzt wird. ' Dies
ist aber nur die Pars basilaris der Brücke. Mit ihrer Pars dorsalis begrenzt
sie den rostralen Teil der Rautengrube. Die lateralen Grenzen der Brücke werden
künstlich durch je eine Linie bestimmt, welche die Austrittsstellen der Wurzeln
des N. trigeminus und facialis verbindet, d. i. durch die Trigeminus-Facialislinie.
Die lateral von dieser Linie gelegene, in das Kleinhirn sich einsenkende Fort-
setzung der Brücke stellt die Brückenarme, Brachia po ntis, dar.
Die ventrale Oberfläche der Brücke ist in querer und sagittaler Richtung
stark gewölbt und durch eine kräftig ausgesprochene Querfaserung ausgezeichnet.
Im allgemeinen nehmen die Querfasern ihren Weg zum Brückenarm. Die rostralen
Züge neigen sich dabei lateralwärts und rückwärts. Ein mittleres Bündel zeigt
diese rückwärts geneigte Bahn besonders stark, überschreitet die queren Bündel
und schlägt die Richtung gegen die Austrittsstelle des N. facialis ein, Fasciculus
obliquus (pontis). Fig. 112.
Die ventrale Brückenfläche trägt eine mediane Längsfurche, Sulcus basi-
laris (Fig. 109), welche die A. basilaris aufnimmt; doch fehlt die Furche nicht,
auch wenn die Arterie ungewöhnlich verläuft. An der rostralen Grenze der Brücke
verlaufen die Fila lateralis pontis (Fig. 114). Sie beginnen in der Furche
zwischen dem Brachium conjunctivum und dem Brachium pontis, folgen dem
rostralen Rande der Brücke und gehen in die Pedunculi cerebri über.
Die Länge der ventralen Brückenoberfläche beträgt 20 — 30, die Breite 30 — 36,
die Dicke gegen 25 mm. Die dorsalen Grenzen der Brücke sind kaudal durch die
Striae medulläres, rostral durch das Ende des Ventrikelbodens gegeben.
Skeletotopisch hat die Brücke ihre Lage auf dem vorderen Teil des
Clivus und reicht aufwärts bis an den oberen Rand der Sattellehne.
Das einfache Aussehen der Brücke bei ventraler Ansicht ist sehr trügerisch,
wenn man nach ihm etwa sein Urteil über ihre inneren Verhältnisse einrichten
wollte. Sie verdient vielmehr in letzterer Hinsicht ganz den alten Namen Nodus
cerebri. Über ihre grauen Massen, Nuclei pontis, und verschlungenen Leitungs-
bahnen siehe unten.
II. Das Kleinhirn, Cerebellum.
Das Kleinhirn hat die Form eines liegenden, vertikal abgeplatteten Ellipsoides;
es ist mit seiner langen Axe (9 — 11 cm) quergestellt, während die kurze (4 — 6 cm)
sagittal, die Dickenaxe (gegen 3 cm) vertikal verläuft. Fig. 95, 108.
Lage: Das Kleinhirn deckt die Oblongata, überragt sie weit nach beiden Seiten und füllt die
Fossae cerebellares der Hinterhauptschuppe fast ganz aus. Oben grenzt es an das Tentorium und die
Hinterhauptlappcn des Endhirnes. Die Tonsillae cerebelli ragen manchmal neben der Medulla ob-
longata bis in das Hinterhauptloch hinein (Schwalbe).
Sein Gewicht ist bei Männern und Weibern etwa gleich groß und beträgt 120 — 150g.
Man unterscheidet an ihm eine obere und eine untere Fläche, Facies
sup., in f., einen vorderen und einen hinteren Rand. Der vordere Rand ist durch
die Incisura cerebelli anterior, der hintere Rand durch die tiefere Incisura
cerebelli posterior eingeschnitten. Fig. 108.
Der zwischen den beiden Einschnitten gelegene Mittelteil des Kleinhirnes
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Radiatio
corporis callosi
(Pars frontalis)
Radiatio
corporis callosi
(Pars parietalis)
Polus frontalis
Radiatio
corporis callosi
(Pars occipitalis)
Polus occipitalis
Fig. 98. Balken, Corpus callosum von oben und Centrum semiovale.
Nach Wegnahme der oberen Teile beider Großhirnhemisphären bis zur Höhe der oberen Fläche des
Balkens und nach Entfernung der das Genu und das Splenum deckenden Teile des Gyrus cinguli.
Das Gehirn: Die einzelnen Gchirnabteihmgen. 83
führt den Namen Wurm, Vermis, weil er durch zahlreiche quere Einschnitte an
einen Ringelwurm erinnert. Dorsal wird der Oberwurm, Vermis superior,
durch zwei seichte Furchen, ventral der Unterwurm, Vermis inferior, durch
zwei tiefe Furchen von den Seitenmassen des Kleinhirnes (Fig. 119, 120) getrennt,
welche im Gegensatz zum Wurm die beiden Hemisphären des Kleinhirnes,
Hemisphaeria cerebelli, darstellen.
Beide Flächen des Kleinhirnes sind gewölbt, die untere stärker als die obere.
Die Gesamtwölbung der unteren Fläche aber wird unterbrochen durch eine tiefe
Einsenkung, welche hinten in die Incisura posterior übergeht. Die Einsenkung
heißt das Tal, Vallecula cerebelli. Der Grund des Tales wird von dem Unter-
wurm eingenommen.
Der Bau des Kleinhirnes ist blättrig, d. h. die Substanz ist durch eine große
Zahl mehr oder minder tief eindringender, langgezogener, einander parallel ver-
laufender Einschnitte, Sulci cerebelli, in eine große Zahl kleiner Blätterwin-
dungen, Gyri cerebelli, geteilt. Eine Kleinhirnwindung hat eine durchschnitt-
liche Breite von 2 — 3 mm. Es gibt Furchen von 2 — 27 mm Tiefe; an gewissen
Stellen aber ist nur eine Andeutung von Furchen vorhanden.
Die Tiefe der Furchen und die Ergebnisse der Entwicklung hat man dazu
benutzt, um die Hemisphären und den Wurm in verschiedene Lappen zu zerlegen.
a) Lappen der Hemisphären.
Auf der oberen Hemisphärenfläche wird durch eine tiefe Furche, Sulcus
superior cerebelli, ein viereckiger von einem halbmondförmigen Lappen geschieden.
Ersterer: Lobulus quadrangularis (Fig. 108), zerfällt durch eine der vorigen
nahezu parallele kleinere Furche, Sulcus collateralis superior, in eine Pars an-
terior und posterior. Beide zusammen bilden den Oberlappen der Hemi-
sphäre. Vor ihm liegt dicht auf dem Brachium conjunctivum die Ala lobuli
centralis. Fig. 120.
Hinter ihm folgt der Lobulus semilunaris superior (Fig. 108). Er wird
von dem angrenzenden, wesentlich der Unterfläche angehörigen Lobulus semi-
lunaris inferior (Fig. 119) durch eine lange und tiefe Furche getrennt, den
Sulcus horizontalis cerebelli (Fig. 108), welcher sich noch über die Lobuli
semilunares hinaus zum Brückenarm erstreckt und über diesen bis zur vorderen
Mittellinie verfolgt werden kann. In ihn münden alle übrigen großen Furchen aus.
Von dem Lobulus biventer trennt ihn der Sulcus inf. cerebelli.
Auf der unteren Hemisphärenfläche unterscheidet man drei ungleich große
Teile, einen lateralen, einen medialen und einen vorderen. Der laterale, Lobulus
biventer (Fig. 119), ist der größte von ihnen und wird durch den Sulcus collateralis
inferior oft in zwei Teile zerlegt. Der mediale, die Mandel, Tonsilla cere-
belli, von dem Biventer durch den Sulcus medialis inferior geschieden, besteht
aus einer hufeisenförmig geordneten Gruppe von Windungen. Sie liegt in einer
Vertiefung, welche beim Aufheben des medialen Schenkels der Tonsille sichtbar
wird, und das Nest, Nidus avis, genannt wird (Fig. 120). Vor dem Biventer und
der Tonsille liegt als vorderer Teil des Unterlappens, die Flocke, Flocculus,
durch den Sulcus inferior anterior von jenen beiden geschieden. Die Flocke ruht
auf der unteren Fläche des Brückenarmes und läuft medial in den markweißen
Flockenstiel, Pedunculus flocculi aus; der letztere setzt sich medial fort
5*
84 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
in ein dünnes Blatt, das hintere Marksegel, Velum medulläre posterius
(Fig. 120), welches selbst wieder mit dem Nodulus des Unterwurmes in Verbindung
steht. Häufig liegt lateral von der Flocke, in dem Winkel zwischen Biventer und
Quadrangularis, auf dem Brückenarme noch eine kleine besondere Gruppe von
Windungen, die Nebenflocke, Flocculus secundarius.
b) Wurm.
Die Windungen (Gyri) des Wurmes hängen mit denjenigen der Hemisphären
zusammen, trotz der tiefen Furchen, welche den Unterwurm von ihnen abgrenzen.
Der Oberwurm hat folgende Abteilungen: siehe Fig. 95.
1. Das Züngelchen, Lingula cerebelli (Fig. 102, 114), besteht aus 4 — 6
flachen Gyri, welche zwischen den Brachia conjunctiva auf dem Velum
medulläre ant. liegen. Sie haben in ihrer Gesamtheit große Ähnlichkeit
mit einer Zunge. Zur Seite der hinteren Blättchen der Lingula liegen noch
einige kleine Vorsprünge, Vincula lingulae, die sich gegen den Brücken-
arm ausdehnen.
2. Das Zentralläppchen, Lobulus centralis (Fig. 120). Es liegt über
dem vorderen Marksegel und setzt sich jederseits fort in die Ala lobuli
centralis.
3. Der Berg, Monticulus(Fig. 108), ist der größte Teil des Oberwurmes. Man
unterscheidet an ihm den Gipfel, Culmen, und den Abhang, Declive,
deren Windungen die Lobuli quadrangulares beider Seiten verbinden.
Zwischen Culmen und Declive dringt eine tiefe, bis in die Nähe des
Ventrikeldaches reichende Furche vor (Fig. 95), welche dem Sulcus colla-
teralis superior der Hemisphäre entspricht. Der Pars anterior des Lobus
quadrangularis gehört der Monticulus, der Pars posterior das Declive an.
4. Das Wipfelblatt, Folium vermis (Fig. 95). Es bildet die schmale
Verbindungsbrücke der medialen Enden der oberen Semilunarlappen und
liegt in der Incisura posterior cerebelli. Seine obere und seine untere Fläche
sind quergefurcht.
Der Unterwurm hat folgende Teile:
1. Der Wulst, Tuber vermis (Fig. 119). Seine Gyri verbinden die unteren
halbmondförmigen Lappen.
2. Die Pyramide, Pyramis (vermis) (Fig. 119), mit stark nach hinten kon-
vexen Gyri, welche die Lobuli biventeres verbinden.
3. Das Zäpfchen, Uvula (vermis) (Fig. 119), eine schmale langgestreckte
Quergruppe von Gyri, welche die hinteren Enden der Mandeln verbinden.
4. Das Knötchen, Nodulus (Fig. 120) ein zapfenförmiger, aus dicht-
gedrängten Gyri bestehender Körper, welcher mittels des hinteren Mark-
segels und der Flockenstiele die Flocken verbindet.
c) Marklager des Kleinhirns.
Das Mark des Cerebellum ist teils in den Hemisphären, teils in dem
Wurm enthalten.
1. Das Marklager der Hemisphäre, Corpus medulläre (hemisphaerii
cerebelli). Fig. 102.
85
Polus frontalis
Caput nuclei caudati _£___
Stria terminalis
Lamina affixa
Calcar avis
Fissura calcarina
Cornu ant. ventriculi lat.
Gyri breves
insulae
^.Gyrus longus
Pars centralis
ventriculi lat.
Plexus chorioideus
ventriculi lat.
Glomus chorioideum
Trigonum collaterale
Cornu post. ventriculi lat.
Polus occipitalis
Fig. 99. Die beiden Seitenventrikel, Ventriculi laterales von oben eröffnet.
Rechts ist die Insel freigelegt.
86
Polus frontalis
Cavum septi pellucidi
Lamina(dextra)sepli
pellucidi
Foramen intei ventri
ciliare [Monroi]
Corpus fornicis
Crus fornicis
Commissura
hippocampi
Calcar avis
Polus occipitalis
Fig. 100. Seitenventrikel, Ventriculus lateralis; Fornix; Septuni pelluciduni; Foramen inter-
ventricularc (Monroi).
Nach Entfernung des Truncus corporis callosi.
Das Gehirn: Die einzelnen Gehirnabteilungen.
87
Es hat ungefähr die Form der Hemisphäre, hängt medial mit dem Mark des
Wurmes zusammen und vereinigt sich durch je drei mächtige paarige Stiele mit
der Oblongata, der Brücke, und dem Vierhügelhirn (Fig. 101, 120). Der Stiel zur
Oblongata ist als Corpus restiforme bereits bekannt geworden (S. 75); ebenso
der Stiel zur Brücke: Brachium pontis (S. 80). Somit ist nur noch der Stiel
zum Vierhügelhirn zu erwähnen, Bindearm genannt, Brachium conjunetivum
(Fig. 101, 102). Die Stiele dringen jederseits vom hinteren Rand, von der unteren
und von der oberen Fläche in das Innere des Kleinhirnes, bilden so die Grundlage
des Markes der Hemisphären und des Wurmes und spalten sich auf ihrem Wege
zu den Randwülsten in Blätter, Laminae medulläres. Die vom Markkern
ausgehenden stärkeren Laminae medulläres entsenden unter meist spitzen Winkeln
Corpora quadrigemina
Trigonum lemnisci ..
Sulcus lat. mesencephali
Brachium conjunetivum &?^.
Sulcus medianus
Striae medulläres —
Pedunculus cerebri
Sulcus lat. mesencephali
■ Brachium conjunetivum
Corpus restiforme
Clava
Fig. 101.
Rautengrube, Kleinhirnstiele und Vierhügel. (Sappey.)
Auf der linken Seite sind die drei Kleinhirnstiele abgeschnitten; auf der rechten Seite dagegen sind der obere und der
untere Stiel noch im Zusammenhang mit der Markmasse des Kleinhirns, während der Brückenarm durchschnitten ist.
sekundäre und tertiäre Markblätter, welche endlich von grauer Substanz umhüllt
werden und dadurch die Windungen, Gyri, des Kleinhirnes bilden.
Der von den Laminae medulläres befreite Markkern hat eine Dicke von 10 — 15 mm, d. i. etwa
ein Drittel der Hemisphärendicke.
Die Zahl der vom Markkern der Hemisphäre ausgehenden primären Blätter schwankt
zwischen 10 und 15; Endleisten und Gyri sind auf einem größten Schnitte durch die Hemisphäre
gegen 315 zu zählen.
2. Das Marklager des Wurmes, Corpus medulläre vermis.
Es ist weit kleiner als das der Hemisphären und hat 2 — 3 mm Dicke. Der
Sagittalschnitt zeigt wiederum eine zierliche baumförmige Figur, den Lebens-
baum, Arbor vitae, dessen einzelne Äste in Fig. 95 nachzusehen sind.
Die Zeltspitze der IV. Hirnkammer dringt in den Markkern des Wurmes ein. Den 7 primären
Markblättern des Wurmes entsprechen auf dem Medianschnitt gegen 215 Endleisten und Endläppchen,
Gyri vermis.
d) Markfortsätze oder Stiele des Kleinhirns.
Die Stiele des Kleinhirns sind, wie oben erwähnt, in der Anzahl von drei
Paaren vorhanden, welche symmetrische Anordnung zeigen.
1. Die Brückenarme, Brachia pontis. Fig. 101, 114, 120,
bilden das weitaus stärkste Paar; sie treten am vorderen Rande des Lobulus
88
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
quadrangularis, Lobulus biventer und der Tonsille aus dem Markkern der Hemi-
sphäre hervor, werden von den Flocken, Flockenstielen und Nebenflocken bedeckt,
verlaufen konvergierend und an Breite gewinnend nach vorn und gehen in die
Brücke über. Ihr Austritt aus dem Kleinhirn liegt von allen Stielen am meisten
lateral.
2. Die Bindearme, Brachia conjunctiva (cerebelli), Fig. 101, 102,
114, 120, stellen plattrundliche Stränge dar und verlassen das Kleinhirn am vor-
deren Rande, medial von den vorigen. Um sie in oberer Ansicht zu sehen, müssen
die vorderen Teile des Oberwurmes und der Hemisphären zurückgelegt oder ent-
Seplum peilucidum
— Corpus strialum
Columna fornicis
— — -Vena terminalis
I! Tuberculum ant. thalami
— Stria terminalis
— Corpus pineale (umgeschlagen)
--- Habenula
i" Commissura post.
|- Pulvinar
"- Brachium quadrigeminum inf.
Frenulum veli medullaris ant.
Brachium conjunctivum
Brachium pontis
r- - Lingula
Rfc.
-y — jJk. — Corpus medulläre cerebelli
.— .Nucleus dentatus cerebelli
m
Corpora quadrigemina mLjv ^b^- -Jfll
Pedunculus curcnn -^i'f^i0^^T
Trigonum lemnisci
Sulcus lat. mesencephali ./%-*u
Velum medulläre am. ^rVc&-
Brachium pont:> ■Ov*£,''
Brachium conjunctivum ^^/.^^
Fig. 102.
Hirnstamm, von oben gesehen, vorn in Verbindung mit dem Streitenhügel, hinten bedeckt vom horizontal
halbierten Kleinhirn. 1:2. (Sappey.)
lernt werden. Bei ihrem Hervorgehen aus dem Markkern, etwa 1 cm voneinander
entfernt, konvergieren sie nach vorn-oben und haben sich an der Stelle, wo sie
unter die Vierhügel treten, bis zur Berührung genähert.
Die zwischen ihnen wie zwischen zwei Leisten ausgespannte dünne Lamelle
ist das vordere Marksegel, Velum medulläre anterius, welches dorsal die
Lingula des Kleinhirnes trägt. Fig. 102.
3. Die Corpora restiformia. Fig. 101, 114, 120.
Das Corpus restiforme befindet sich zwischen den medial austretenden Vier-
hügel- und den lateral austretenden Brückenarmen, zieht nach hinten-unten und
verläßt das Mark des Kleinhirns unter rechtwinkliger Umbiegung. An der Um-
biegungsstelle wird es vom deckenden Bindearme gekreuzt. Beide Corpora resti-
formia konvergieren kaudalwärts und hören in der Mitte der Medulla oblongata
allmählich auf.
Der Querschnitt der Brückenarme ist anfänglich fast kreisförmig, der des
Bindearmes elliptisch, der des Corpus restiforme dreieckig mit gerundeten Winkeln.
89
Polus frontalis
Caput nuclei caudati
Stria terminalis
Vena cerebri int.
A. chorioidea
Commissura hippo-__.
campi
Olomuschorioideum
Cavumsepti pellucidi
Septum pellucidum
Columna fornicis
(durchschnitten)
Tela chorioidea
ventriculi III
- Hippocampus
_ Taenia fornicis
- Corpus fornicis
Polus occipitalis
Fig. 103. Seitenventrikel, Ventriculus lateralis; Tela chorioidea ventriculi III.
Nach Durchschneidung der Columnae fornicis vom Foramen interventriculare [Monroi] aus und unter
Zurückklappen des linken und des rechten Corpus fornicis nebst Commissura hippocampi.
•III
I'olus frontalis
Gen u corporis
callosi
Gyri breves insulae .-
Gyrus 1ongus__
insulae
Cauda nuclei__.J
caudati
Crus fornicis
Spien i um corporis
callosi
Cornu posterius
Cavum septi pellucidi
Cornu anterius
Septum pellucidum
Caput nuclei caudati
Stria terminalis
Corpus fornicis
Polus occipitalis
Fig. 104. Seitenventrikel, Ventriculus lateralis; Insel rechts und links freigelegt.
Angabe der Schnitte (A, B), welche zur Herstellung der in den' Fig. 108 und 118 abgebildeten
Präparate notwendig sind.
A. Durchschneidung der Columnae fornicis vom Foramen interventriculare aus. B. Trennung des linken
vom rechten Fornix durch einen Medianschnitt, welcher auch das Splenium corporis callosi durchschneidet.
Das Gehirn: Die einzelnen Gehirnabteilungen.
91
e) Die grauen Kerne des Kleinhirnes. Fig. 102, 105.
1. Die Kleinhirnolive, Nucleus dentatus cerebelli, liegt im medialen
vorderen Teil des Marklagers jeder Hemisphäre als längliches, plattrundes Gebilde,
dessen Oberfläche wellig gebogen und medial offen ist, Hilus nuclei dentati.
Die Dicke der sie bildenden grauen Platte beträgt 0,6 mm. Ihr längster Durchmesser ist schräg
nach vorn geneigt, das vordere Ende hakenförmig umgebogen. Ihre untere mediale Fläche liegt dem
Dachkerne sehr nahe.
Der Nucleus dentatus steht zu den Brachia conjunetiva cerebelli in wichtigen Beziehungen;
hierauf weist schon seine Lage hin, die sich an der Stelle befindet, wo die Bindearme in den Mark-
kern einstrahlen (Fig. 102). Die den Kern zunächst umgebende Marksubstanz, Capsula nuclei
Fig. 105.
Graue Kerne des Kleinhirnes. Horizontalschnitt durch den Markkern des Wurmes und der Hemisphären
des Kleinhirnes. 2 : 1. (BT Stilhrig.)
li angeschnittene Gyri der Lingula. Die graue Rinde der Hemisphären ist nur teilweise ausgeführt, teilweise sind ihre
Grenzen nur skizziert; v.i. angeschnittene Windungen des Vermis inferior; a, a Dachkern ; g, g1, g2 Teile des Kugelkernes ;
e Pfropf (Embolus); d, d Nucleus dentatus; c große vordere Kreuzungskommissur des Wurmes.
dentati, Vliesregion, läßt sich teilweise als konzentrisch gebogene Faserschicht abblättern. Die
vom Kerne eingeschlossene Markmasse bildet dagegen den Markkern, Centrum medulläre
nucl ei dentati.
2. Der Dachkern, (Kölliker), Nucleus fastigii, ist im Dache des IV. Ven-
trikels enthalten, liegt nahe über dem Ventrikelepithel, unter dem Lobulus centralis
und der Lingula. Fig. 105, a.
Er hat die Form eines abgeplatteten Ellipsoides, reicht nahe an die Medianebene und ist als
gelblich durchscheinender Streifen in der weißen Substanz sichtbar. Seine Länge beträgt 9 — 10, die
Breite 5—6, die Dicke 3 mm; sein hinteres Ende pflegt in mehrere Spitzen auszulaufen.
92 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
3. Der Pfropfkern, Nucleus emboliformis (Sti Hing), liegt medial
neben dem Nucleus dentatus und hängt mit dessen oberem medialen Ende durch
dünne Streifen zusammen. Fig. 105, £.
Seine Basis ist nach vorn, die Spitze nach hinten gerichtet. Seine Länge beträgt 13 — 18, seine
größte Dicke 3 -4 mm.
4. Der Kugelkern, Nucleus globosus (Stilling), liegt an der lateralen
Seite des Dachkernes, oberhalb des Nestes, an der medialen und unteren Seite
des vorigen. Fig. 105, g,g\g-.
Er hat Pilzform und kehrt sein dickeres Ende nach hinten. Seine Länge beträgt 12 — 14 mm,
seine größte Breite gegen 4, die größte Dicke gegen 6 mm. An Schnitten, die ihn nicht in seiner
Axe treffen, tritt er meist in mehrere Kugeln zerfallen hervor.
f) Die Marksegel, W'la medullaria.
1. Das Velum medulläre posterius wird am leichtesten gefunden, wenn
man vorsichtig die Tonsilla cerebelli herauslöst (Fig. 120). Es ist ein dünnes Mark-
blättchen, welches lateral an den Flockenstielen, medial am Nodulus des Klein-
hirns befestigt ist; kaudalwärts hängt es mit dem Plexus chorioideus ventriculi IV.
zusammen. Sein Insertionsrand ist der vordere Teil jder Taenia ventriculi IV.; es
stellt einen mehr oder minder breiten und dicken, meist sehr zarten vorderen
Seitenteil der dünnen Deckplatte des IV. Ventrikels dar.
2. Das Velum medulläre anterius; siehe Isthmus rhombencephali und
Fig. 97.
C. Isthmus rhombencephali.
Der Isthmus ist ein schmaler, das rostrale Ende des IV. Ventrikels und der
Rautengrube umfassender Gehirnteil, welchem die Bindearme, das Velum medulläre
anterius und die Schleife angehören. Die Fig. 102, 114 gewähren eine deutliche
dorsale Ansicht des Isthmus, welcher kaudal vom Kleinhirn, rostral von den Vier-
hügeln begrenzt wird.
1. Die Bindearme, Brachia conjunctiva. Sie sind, des Zusammenhanges
wegen, bereits bei den Stielen des Kleinhirnes (S. 88) beschrieben worden.
2. Das Velum medulläre anterius hilft den rostralen Teil des IV. Ven-
trikels von oben her bedecken; es ist zwischen den Längsbalken der Brachia con-
junctiva und dem Kleinhirn ausgespannt und wird dorsal von der mit ihm ver-
wachsenen Lingula des Kleinhirns bedeckt. Durch Zurücklegen des vorderen Randes
des Kleinhirnes tritt es frei zu Tage. Im ganzen bildet das Velum medulläre an-
terius eine dünne, hinten breitere und dickere Substanzplatte. Fig. 97 und 102, 114.
Vom rostralen Ende des Velum medulläre anterius zum unteren Vierhügel-
paare erstreckt sich ein 2 mm breiter längsgefurchter Streifen, Frenulum veli
medullaris anterioris. Fig. 102, 114.
3. Die Schleife, Lemniscus. Es gibt eine mediale oder sensible
Schleife, Lemniscus medialis (sensitivus) und eine laterale oder Akustikus-
Schleife, Lemniscus lateralis (acusticus). Beide verlaufen im Innern der Me-
dulla oblongata und des Pons. Sie erreichen die Oberfläche am Isthmus rhomb-
encephali im Gebiet eines gegen 8 mm langen dreiseitigen Feldes, Trigonum
lemnisci, dessen Grenzen gebildet werden durch den Sulcus lateralis mesen-
cephali, durch das Brachium quadrigeminum inferius und durch das Brachium
conjunctivum. Fig. 109, 114.
Das Gehirn: Die einzelnen Gehirnabteilungen.
'.!.:
D. Das Mittelhirn, Mesencephalon. Fig. 111.
Das Vierhügel- oder Mittelhirn ist mit dem Isthmus die kleinste der 6 ver-
schiedenen Hirnabteilungen und hat eine dorsale Längsausdehnung von 20, eine
ventrale von 10 mm. Erstere erstreckt sich vom kaudalen Rande der Vierhügel-
platte bis zur Wurzel des Corpus pineale (Fig. 102, 114); letztere vom rostralen
Rande der Brücke zu den Corpora mamillaria (Fig. 107, 109, 111). Die ventrale
Fläche der Basis des Mittelhirnes liegt der Sattellehne des Keilbeines gegenüber.
Das Mittelhirn besteht aus einem dorsalen, einem ventralen und einem late-
ralen Teil. Der dorsale Teil wird gebildet von der Vierhügelplatte, La-
mina quadrigemina; der ventrale von den beiden Großhirnschenkeln,
Pedunculi cerebri, und der Substantia perforata posterior; der late-
rale von den beiden Brachia quadrigemina superius et inferius.
Das Mittelhirn wird von einem Längskanal durchzogen, dem Aquaeductus
cerebri (Sylvii).
Tuber cinereum
Tractus opticus
Pedunculus cerebri
N. oculomotorius
- Sulcus n. oculomotorii
Fig. 106. Fig. 107.
Fig. 106. Querschnitt durch das Mittelhirn. /. q. Lamina quadrigemina'; aq. Aquaeductus cerebri; 5. /. Sulcus lateralis
mesencephali; J. n. Substantia nigra; p Fuß des Hirnschenkels; / Haube (tegmentum) ; s. o. Sulcus n. oculomotorii.
Fig. 107. Basis des Mittelhirnes eines Erwachsenen.
Chi Chiasma opticum ; i Infundibuium ; p Pons; Sp Substantia perforata post.
I. Die Großhirnschenkel, Pedunculi cerebri. Fig. 107, 112
bilden den ventralen Abschnitt des Mittelhirnes und stellen den weitaus über-
wiegenden Bestandteil desselben dar.
Sie werden hinten von der Brücke und dem Brückenarme, vorn vom Tractus
opticus begrenzt und sind, wie Querschnitte des Mittelhirnes (Fig. 106) deutlich
zeigen, in zwei übereinander liegende Abteilungen, den Hirnschenkelfuß, Basis
pedunculi, und die Hirnschenkelhaube, Tegmentum, geschieden. Zwischen
Hirnschenkelfuß und -Haube liegt eine ansehnliche, mit freiem Auge leicht sicht-
bare Platte grauer (schwarzbrauner) Substanz, welche aus einem Lager dunkel-
pigmentierter Nervenzellen besteht, die Substantia nigra. Fig. 106.
Fuß und Haube des Hirnschenkels werden äußerlich durch Furchen von-
einander geschieden. Auf der lateralen Fläche durch den Sulcus lateralis
mesencephali (Fig. 114), auf der medialen Fläche durch den Sulcus n. ocu-
lomotorii (Fig. 97, 107), aus welchem der III. Hirnnerv, N. oculomotorius, an die
Oberfläche tritt. Das Tegmentum pedunculi ist dorsal bedeckt von der Lamina
quadrigemina.
a) Fuß des Hirnschenkels. Fig. 112.
Beide Hirnschenkelfüße schlagen sofort bei ihrem Hervortreten aus der Brücke
eine um etwa 80° divergierende, zugleich aufsteigende Richtung ein und lassen
eine schraubenförmige Drehung ihrer zahlreichen Bündel erkennen.
94 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Ihre Breite beträgt anfangs 12— 15 mm; im Vordringen verbreitern sie sich auf 18— 20 mm und
haben eine Gesamtlänge von 10 — 15 mm. Am Tractus opticus angelangt entziehen sie sich dem
Blicke und treten in das Innere des Gehirnes ein. Anfänglich sind sie kaum 2 mm, am Hinter-
rande der Tractus optici aber 15 mm voneinander entfernt.
Durch die medialen Ränder der Hirnschenkel und die Corpora mamillaria
wird eine kleine dreieckige Grube abgegrenzt, Fossa interpeduncularis
(Tarini). Ihr Boden enthält neben und in einer medianen Längsfurche eine zer-
streute Gruppe von Gefäßlöchern, sowie lateral davon einen freiliegenden basalen
Teil des Tegmentum, der undurchlöchert ist. Das durchlöcherte Feld führt den
Namen Substantia perforata posterior (Fig. 107). Der hintere Teil der Fossa
interpeduncularis wird als Recessus posterior, der vordere als Recessus ant.
bezeichnet. Fig. 97.
b) Haube des Hirnschenkels.
Die Haube, Tegmentum, des Hirnschenkels wird durch die Substantia
nigra vom Fuße getrennt. Die medialen Flächen beider Hauben hängen miteinander
zusammen (Fig. 106); ihre laterale und ein kleiner Teil ihrer unteren Fläche liegen
frei; ihre dorsale Fläche hängt mit der Lamina quadrigemina zusammen. An der
Stelle, wo die Hauben beider Seiten mit der Lamina quadrigemina zusammen-
stoßen, liegt der Aquaeductus cerebri.
Die Haube besteht, wie der Fuß, aus einer Anzahl der wichtigsten Längst aserzüge. Dazu
kommen netzförmig verflochtene Längs- und Querfasern mit reichlichen Mengen grauer Substanz
und besonderen grauen Kernen. (Näheres darüber siehe weiter unten.)
II. Die Vierhügelplatte, Lamina quadrigemina. Fig. 102, 111, 114.
Sie erstreckt sich vom rostralen Ende des Velum medulläre anterius bis zur
Wurzel des Corpus pineale. Dieses liegt am unveränderten Gehirn mitten auf dem
oberen Abschnitt der Vierhügelplatte, während der vordere Teil des Kleinhirnes
das untere Hügelpaar bedeckt. Die Lamina quadrigemina verdankt ihren Namen
zwei Hügelpaaren, die ihre Oberfläche krönen, einem oberen umfangreicheren
flacheren, und einem unteren kleineren stärker gewölbten Paar, Colliculus
superior et inferior.
Die Hügel beider Seiten sind voneinander getrennt durch eine mediane breite Längsfurche, die
vorderen von den hinteren durch eine Querfurche, so daß im Ganzen eine Kreuzfurche entsteht.
Im vorderen Teil der Längsfurche liegt ein kleiner flacher Wulst, Colliculus subpinealis (Schwalbe).
Vom Velum medulläre anterius zum hinteren Teil der Längsfurche erhebt sich das schon erwähnte
Frenulum veli medullaris anterioris. Links und rechts von seiner Wurzel liegt die Austritts-
stelle des IV. Hirnnerven, des N. trochlearis.
IM. Die Vierhügelarme, Brachia quadrigemina. Fig. 114.
Vom lateralen Rande des vorderen und des hinteren Hügels geht je ein
wichtiger Strang aus, Brachium quadrigeminum, deren es somit je ein oberes und
ein unteres Paar gibt.
Das Brachium quadrigeminum superius zieht vom oberen Hügel als
scharfgeschnittener markweißer, gegen 2 mm breiter Strang zwischen dem Polster
des Sehhügels und dem medialen Kniehöcker lateralwärts sowie abwärts und endlich
vorwärts, gelangt in die Gegend des lateralen Kniehöckers und läuft hier teils in den
Sehhügel, teils in das laterale Bündel des Tractus opticus aus; es enthält somit
eine aus dem oberen Hügel kommende Wurzel des Tractus opticus. Bis zum
lateralen Kniehöcker sich erstreckend, hat es eine Länge von etwa 25 mm.
95
Polus frontalis
Genu corporis callosi
Cornu ant. ventriculi lat.
Caput miclei caudati
Tuberculum ant. thalami
Thalamus
Commissura post. (cerebri)
Habenula
Corpus pineale
Pulvinar
Incisura cerebelli ant.
Lobulus quadrangularis
Sulcus horizontalis cerebelli'
Lobulus semilunaris sup.
Cavum septi pcllucidi
Septum pellucidum
Columnae fornicis
Stria terminalis
Lamina affixa
Taenia chorioidea
Stria medullaris
Taenia thalami
Trigonum habenulae
Colliculus sup.
Colliculus inf.
Culmen
Monticulus
Declive
Incisura cerebelli post.
Fig. 108. Dritter Ventrikel, Hirnstamm mit den großen Ganglien, Vierhügel, obere Fläche
des Kleinhirns.
Nach medianer Durchschneidung; der Commissura hippocampi und des Splenium corporis callosi, nach
Entfernung des Occipital- und Temporallappens der Großhirnhemisphären (dieses Stück ist in Fig. 118
dargestellt) und nach Wegnahme der Tela chorioidea ventriculi III.
96
Bulbus olfactorius
(I)
Gyri orbitales
Sulci orbitales
Stilcus olfactorius
Oyrus rectus
Substantia
perforata aut.
Tractus olfactoriusj
Stria medialis
/ Stria intermedia
Stria lateralis
Liinen iusulae
N. opticus (III
Chiasma opticum
.Tractus opticus
Pyramis (rnedullae oblongatae)
Decussatio pyramidum
Sulcus Iat. ant.
Corpus geniculatum laterale
,- Corpus geniculatum mediale
• l'ulvinar
-- Trigonum lemnisci
- N. trochlearis (IV)
N. trigeminus (\-)
N. oculomotorius (III)
N. abducens (VI)
N. facialis (VII)
N. acuslicus (VIII)
N. glossopharyngeus (IX)
N. vagus (X)
N. hypoglossus (XII)
N. accessorius [Wi llisi i] (XI)
Fig. 109. Hirnstamm und Hirnnerven mit der Insel und einem Teil des Stirnlappens
von der Seite und von unten.
* Sulcus lateralis mesencepliali.
Das Gehirn: Die einzelnen Gehirnabteilungen.
97
Das Brach i 11 in quadrigeminum inferius ist kürzer, breiter, flacher,
weniger weiß, geht vom unteren Hügel aus und verbirgt sich nach einem Laufe
von 5 — 8 mm unter dem medialen Kniehöcker. Jenseits dieses Hügels tritt wieder
ein weißer Streifen auf, der in das mediale Bündel des Tractus opticus übergeht.
Aquaeductus cerebri. Fig. 97, 106, 110.
Die Wasserleitung des Mittelhirnes ist 15 — 20 mm lang, vom Ependym aus-
gekleidet, stellt, ursprünglich selbst ein weiter Ventrikel, eine kanalartige Verbin-
dung zwischen dem IV. und III. Hirnventrikel dar und mündet in letzteren unter
der hinteren Kommissur des Zwischenhirnes. Sie hat dorsal die Vierhügelplatte,
ventral die beiden Hauben zur Begrenzung. Der Sulcus longitudinalis fossae
rhomboideae setzt sich in den Aquädukt fort, wie Querschnitte lehren. Letztere
zeigen zugleich die wechselnden seitlichen und dorsalen Begrenzungslinien. Fig. 110.
<*
Fig. 110.
Querschnitte durch den Aquaeductus cerebri.
(Nach Gerlach.) 4: 1.
1 Aus der Gegend der hinteren Kommissur;
2 aus der Mitte der oberen Vierhügel ; 3 aus dem
Ende der unteren Vierhügel; 4 unter dem Velum
medulläre anterius.
Fig. 111. Mesencephalon des Erwachsenen.
Rechte Seite. (G. Retzius.)
Lamina
quadrigemina f~
Fig. 111
Pons
Tractus opticus
sis peduneuli
E. Das Zwischenhirn, Diencephalon. Fig. 112, 123.
Am Zwischenhirn sind 2 Gebiete auseinander zu halten:
1. Der an der Hirnbasis gelegene Hypothalamus. Fig. 112;
2. Das dorsal gelegene Thalamencephalon. Fig. 123.
Der Hypothalamus umfaßt:
1. Die Pars mamillaris, welche die Corpora mamillaria enthält.
2. Die Pars optica, welche enthält
a) das Tuber cinereum, das Infundibulum und die Hypophysis cerebri,
b) den Tractus opticus und das Chiasma opticum,
c) die Lamina terminalis.
Das Zwischenhirn schließt die III. Hirnkammer ein.
I. Hypothalamus.
a) Pars mamillaris hypothalami.
Sie enthält nur die Corpora mamillaria (Fig. 112). Diese sind an der
Hirnbasis gelegene halbkugelige oder birnförmige, weiße Erhebungen von 5 — 6 mm
Durchmesser, welche durch eine mediane Spalte voneinander getrennt werden. Sie
stehen zu dem Fornix des Endhirnes in Beziehung und schließen graue Substanz
ein, die Nuclei corporis mamillaris.
98
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
b) Pars optica hypothalami.
1. Tuber cinereum, Infundibulum und Hypophysis. Fig. 97, 112, 115.
Das Tuber cinereum, der graue Höcker, liegt vor den Corpora mamillaria,
hinter dem Chiasma opticum und wird lateral von den medialen Rändern der
Fig. 112.
Basis des Hirnstammes. Gelb ist der Hypothalamus.
Auf der rechten Seite ist die Insel noch erhalten, während auf der linken Seite die gesamte Hemisphäre lateral von dem
Sehhügel abgetrennt ist. — /' Tractus olfactorius; // N. opticus sinister; //' Tractus opticus dexter; das zwischen beiden
gelegene Chiasma ist durch den Gehirnanhang (Hypophysis cerebri) verdeckt. Th Schnittfläche des linken Sehhügels;
i Corpus geniculatum mediale; e Corpus geniculatum laterale, welche sich an das Sehhügelpolster anlegen; Sy Gegend
der rechten Sylvischen Grube; C Insel; X X Substantia perforata anterior; tc Tuber cinereum mit dem Trichter und Hirn-
anhange h\ a Corpora mamillaria; '> Substantia perforata posterior; P Gehirnstiele ; /// Nn. oculomotorii; /KNn. trochleares:
V sensible, + motorische Wurzel des N. trigeminus; auf der rechten Seite ist die sensible Wurzel mit dem Ganglion semi-
lunare in Verbindung, an dessen hintere Abteilung sich die motorische Wurzel anlegt. 1 Augenast; 2 Oberkieferast; 3 Unter-
kieferast des N. trigerfiinus; PK Brücke mit ihrer Medianfurche; Ce obere, Ce' untere Hemisphärenhälfte; fh Horizontal-
furche des Kleinhirnes; // Flocke; am Tonsilla cerebelli ; VI N. abducens; VII N. facialis; VIII N. acusticus; IX N. glosso-
pharyngeus ; X N. vagus; XI N. accessorius; XII N. hypoglossus; pa Pyramide des verlängerten Markes; o Olive; r Seiten -
sträng der Medulla oblongata; ä vordere Rückenmarkfurchen am Übergange in die Pyramidenkreuzung; ca Vorderstrang
des Rückenmarkes; cl Seitenstrang desselben; Cl vordere Wurzel des ersten Cervikalnerven.
Hirnschenkel und der Tractus optici umfaßt. Es ist ein dünnes, graues Blatt, welches
einer vorderen Fortsetzung der Substantia perforata posterior des Mittelhirnes ent-
spricht und den Boden der III. Hirnkammer bilden hilft.
Die vordere Lamelle des Tuber cinereum wird durch das Chiasma opticum
und zwar durch den hinteren Rand und die dorsale Fläche desselben gegen den
Ventrikelraum eingebuchtet, wie am Medianschnitte (Fig. 95 und 97) deutlich zu er-
Colliculus inferior
yy
Fovea superior — J
Striae medulläres
Corpus resliforme
Ala cinerea
Nucleus eminentiae medialis
Tuberculum cinereum
Tuberculum euneatum !
Clava
Fasciculus gracilis [Oolli
Fasciculus euneatus |Burdachi
Funiculus lateralis
N. trochlearis
Pcdunculus cerebri
Sulcus lateralis mesencephali
Sulcus medianus fossae
rhomboideae
L Fissura mediana posterior
Sulcus intermedius posterior
Sulcus lateralis posterior
Fig. 113. Oberflächenbild der Raulengrube, Fossa rhomboidea mit der Dorsalprojektion der
hauptsächlichsten Kerne (nach Edinger und Streeters etwas geändert).
V. Nuclei nervi trigemini (blau); V* Nucleus tractus spinalis nervi trigemini; VI. Nucleus nervi abducentis
(rot); VII. Nucleus nervi facialis (rot); VIII. Nuclei nervi acustici (punktiert); X. Nucleus alae cinereae
(Nucleus sensibilis nervi vagi) (blau); XII. Nucleus nervi hypoglossi (rot).
100
Lamina affixa Septum pellucidum
Colunma fornicis
Stria terminalis
Taenia chorioidea
Habenula
Pulvinar
Frenuluni veli medullaris an
Lingula cerebelli
Fila lateralia pontis
Brachium conjunctivum
Brachium pontis
Corpus restiforme
Recessus lat. ventriculi IV
Taenia ventriculi IV.
Tuberculum cinereum
Tuberculum cuneatum
Clava
Funiculus lat.
Fasciculus cuneatus [Burdachi]
Fasciculus gracilis [Qolli]
Stria medullaris
Trigonum habenulae
Corpus pineale
.Colliculus sup.
Brachium quadrigeminum sup.
Colliculus inf.
Corpus geniculatum mediale
Brachium quadrigeminum inf.
rigonum lemniici
Sulcus lat. mesencephali
N. trochlearis
Fovea sup.
Sulcus limitans rhombencephali
Colliculus facialis
Tuberculum acusticum et Striae medulläres
Sulcus medianus fossae rhomboideae
Ala cinerea
Calamus scriptorius
Obex
Fig. 114. Hirnstamm, Vierhügelgegend, Rautengrube.
Das Präparat der Fig. 108 nach Durclischneidung der drei Paar Kleinhirnschenkel und nach Entfernung
des Kleinhirns.
Das Gehirn: Die einzelnen Gehirnabteilungen.
101
kennen ist. Vor dem Chiasma erhebt sich in steiler Richtung die Fortsetzung dieses
grauen Blattes als Lamina terminalis (Fig. 97), um oberhalb der Commissura
anterior cerebri in andere Wandteile des Endhirnes, aber auch unmittelbar in das
Dach des Zwischenhirnes überzugehen. Die zwischen der dorsalen Fläche des
Chiasma und der Lamina terminalis befindliche Ausbuchtung des III. Ventrikels
hat den Namen Recessus opticus. Fig. 97.
Der gesamte graue Boden des Zwischenhirnes, der sich in sagittaler Richtung
von den Corpora mamillaria bis zur Lamina terminalis erstreckt und eine Länge
von 10—12 mm besitzt, führt samt der Substantia perforata posterior auch den
Namen graue Bodenkommissur.
Das Tuber cinereum setzt sich in einen nach unten und vorn gerichteten,
trichterförmigen, sagittal abgeplatteten hohlen Zapfen fort, den Trichter, Infun-
dibulum, an welchem die Hypophysis
hängt. Die Höhlung des Trichters hat
den Namen Recessus infundibuli.
Fig. 97.
Von hier aus gelingt es unschwer,
durch Injektion des III. Ventrikels mit
erstarrenden Massen einen Ausguß des
gesamten Ventrikelsystems darzustellen,
welcher uns die Formen und den Zu-
sammenhang der einzelnen Kammern
im plastischen Bilde zeigt (Fig. 142).
Das untere, etwas verdickte, nicht hohle
Ende des Infundibulum senkt sich in
den Hinterlappen der Hypophysis ein.
Der Hirnanhang, Hypophysis
(Fig. 97, 112, 115), ist ein länglich-
runder, an der oberen Fläche abge-
platteter, mit der Längsaxe quer ge-
stellter Körper, welcher in der Sattelgrube des Keilbeinkörpers ruht und von einer
besonderen, durchbohrten Platte der Dura mater, dem Diaphragma sellae,
gedeckt wird.
Seine Farbe ist graurötlich, seine Festigkeit ansehnlich. Er besteht aus einem
hinteren kleineren, mit dem Infundibulum zusammenhängenden rundlichen Stück,
Lobus posterior (Neurohypophyse), und einem vorderen größeren, hinten
konkaven Lappen, Lobus anterior (Adenohypophyse), welche verschiedener
Abkunft, aber fest miteinander verbunden sind (Fig. 115). Der vordere drüsige
Lappen ist äußerlich graurot, innen grau; der hintere wesentlich aus Neuroglia
bestehende, ist weicher und von hellgrauer Farbe. Der große vordere Lappen
bildet die Hypophyse im engeren Sinne. Das eigentümliche Organ wird bei
niederen Wirbeltieren in relativ größerer Ausbildung gefunden.
Mit dem Namen Eminentia saccularis bezeichnet Retzius am menschlichen Gehirn ein
Gebilde, welches zwischen den Corpora mamillaria und der Wurzel des Infundibulum seine Lage hat
und merkwürdige Beziehungen besitzt zu dem Saccus vasculosus der Knochen- und Knorpelfische,
dem es entspricht. Andeutungen desselben sind oft noch am erwachsenen Gehirn vorhanden, deut-
licher ist das Gebilde am fetalen Gehirn ausgesprochen. Die beiden seitlichen Teile (vgl. Fig. 112
Fig. 115.
Ansichten der Hypophysis cerebri und des Infundibulum.
1 Hypophysis von hinten gesehen; 2 Sagittalschnitt durch
den vorderen Teil des Bodens vom dritten Ventrikel, Chiasma
{ck) und Hypophysis (a, b) ; 3 Horizontalschnitt durch die
Hypophysis. In allen Figuren bedeutet a den vorderen
Lappen, b den hinteren Lappen. Ersterer sendet in 2 bei a
einen Fortsatz an der vorderen Seite des Infundibulum (/)
in die Höhe, während b hinter diesem Fortsatz durch einen
soliden Stiel mit / in Verbindung steht. In 3 ist an der
Grenze beider Abteilungen ein schon makroskopisch sicht-
barer, mit Colloidmasse erfüllter epithelialer Schlauch ge-
troffen, während in derselben Figur in der Abteilung a jeder-
seits der Querschnitt einer Vene dargestellt ist. Ferner
bedeuten : o N. opticus ; ro Recessus opticus ; c. m Corpus
mamillare.
102
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
mit Fig. 117) stellen die Alae laterales der Emincntia saccularis dar, der hintere schmale Fortsatz,
Processus intcrmarnillaris, zieht zur intcrmamillaren Spalte. Der Hohlraum der Eminentia saccularis
ist eine Ausstülpung des Ventriculus tertius, Recessus saccularis.
Retzius, G., Über ein dem Saccus vasculosus entsprechendes Gebilde am Gehirn des Menschen.
Biolog. Untersuchungen, N. F. VII., 1895.
2. Tractus opticus, Chiasma opticum. Fig. 109, 112.
Der Tractus opticus ist ursprünglich hohl und gleich der Netzhaut des Auges
eine Ausstülpung des Zwischenhirnes. In seiner Endform entspringt der Tractus
mit mehreren Wurzeln.
Die Radix lateralis steht mit dem Corpus geniculatum laterale in Zusammen-
hang, die Radix medialis mit dem Corpus geniculatum mediale. Zwischen dem
letzteren Gebilde und dem Thalamus dringt ein starkes Bündel des Tractus als
Brachium emadrigeminum superius zum oberen Vierhügel; dies ist die Vierhügel-
Atrophischer Sehnerv
Tractus opticus
Commissura
tnf.
(Gudden)
Normaler Sehnerv
Meynertsche
Kommissur
Pedunculus
P-
Fig. 116.
Fig. 116. Commissura inf. (Gudden.)
Dargestellt am Kaninchengehirn durch Wegnahme
des rechten Augapfels. (Nach Gudden.)
Fig. 117. Eminentia saccularis.
Mittlerer Teil der Hirnbasis eines menschlichen
Gehirns. (G. Retzius.)
\
-''!
Fig. 117.
wurzel des Tractus; der Rest von Tractusfasern begibt sich teils zum Polster des
Sehhügels, die Thalamuswurzel des Tractus bildend, teils unmittelbar zum Endhirn
(siehe Sinnesorgane).
Der Tractus opticus windet sich als platter Strang um das vordere Ende des
freien Teiles des Hirnschenkels und ist mit letzterem verwachsen. Seine Richtung
ist dabei eine median-vorwärts ziehende.
Medial vom Hirnschenkel, die graue Bodenkommissur überschreitend und
mit ihr verwachsen, nähern sich beide Tractus immer mehr und treffen vor dem
Tuber cinereum und Infundibulum zur Bildung des Chiasma opticum zu-
sammen. Aus letzterem, welches weit hinter dem Sulcus chiasmatis der oberen
Keilbeinfläche seine Lage hat, gehen die auseinanderweichenden Nervi optici hervor.
Nach Gudden besteht der Tractus opticus aus zwei wesentlich verschiedenen Bestandteilen:
1. den überwiegenden Sehnervenfasern und 2. der Commissura inferior (Fig. 116). Letztere wird am
besten zur Ansicht gebracht durch Exstirpation einer oder beider Retinae. Die Guddenschc Kommissur
bleibt dabei erhalten, während die Tractus degenerieren. Sie liegt am hinteren Rande des Chiasma
und am Innenrande des Tractus. Der Ursprung der Kommissur scheint im Corpus geniculatum
mediale gelegen.
3. Lamina terminalis. Fig. 97.
Sie ist ein dünner, morphologisch wichtiger, median gelagerter Hirnteil,
welcher von der vorderen Fläche des Chiasma opticum vor der Commissura cerebri
anterior und vor den Columnae fornicis aufsteigt, um in das Endhirn und in die
Deckplatte des Ventriculus tertius sich fortzusetzen.
103
Corpus fornicis
Crus fornicis
Fimbria hippocampi
Digitationes des Uncus hippocampi
I'olus tcmporalis —
Polus occipitalis
Hippocampus
Eminentia collater'alis Trigonum collaterale Calcar avis
Fig. 118. Unterhorn und Hinterhorn des Seiten Ventrikels.
Fornix und Hippocampus.
Flocculus Plexus chorioideus ventriculi IV.
Lobulus biventer
Sulcus horizontalis cerebelli
Lobulus semilunaris sup.
Lobulus semilunaris inf.
Pyramis Tuber vermis
Fig. 119. Kleinhirn, Cerebellum von unten.
Lobulus centralis
Ala lobuli centralis ! Culmen
N. trigeminus
Brachium conjunctivum
Brachium pontis
Corpus restiforme
Pedunculus flocculi
Plexus chorioideus
ventriculi IV.
Lobulus biventer --_
Velum medulläre ant.
Nodulus
Velum medulläre post.
Recessus lat. ventriculi IV.
Tonsilla Uvula
Fig. 120. Kleinhirn, Cerebellum von vorn und unten.
Rechts in der Figur ist die Tonsille entfernt, wodurch der Nidus avis sichtbar gemacht ist.
104
Corpus fornicis
Splenium corporis callosi
Fasciola cinerea r
Fissura calcarina
Polus occipitalis -^f
» Polus temporalis
Sulcus collaleralii
Gyrus fusiformis
Fig. 121. Fascia dentata hippocampi, Fasciola cinerea.
Polus occipitalis
Splenium corporis callosi Corpus fornicis
Fasciola cinerea '
Fissura ealcarina
:
Fissura hippocampi
Uncus gyn hippocampi
Qvrus lingualis
Gyrus fusiformis
Gyrus temporalis inf.
Sulcus temporalis inf. :
Sulcus collateralis
Polus temporalis
Gyrus hippocampi
Fig. 122. Gyri und Sulci auf der Unterfläche des Schläfenlappens.
Das Gehirn: Die einzelnen Gehirnabteilungen.
10.5
Sie wird von der Hirnbasis aus leicht gesehen, wenn die Stümpfe der Nervi optici nach
hinten gezogen werden. Am Medianschnitte des Gehirnes wird zugleich ihre Beziehung zum
Ventriculus tertlus deutlich. Die Lamina terminales ist morphologisch das vordere Ende des zen-
tralen Nervensystems. Sie bezeichnet die Stelle des Neuroporus anterior.
Columna fornicis —
Tuberculum ant. thalami
Taenia chorioidea
Stria meduüaris
Trigonum habenulae
Cornu ant. ventricuü lat.
Caput nuclei caudati
Commissura ant.
Stria terminalis
Massa intermedia
- Thalamus
Colliculus sup
Trigonum lemnisci
Brachium conjunetivum
Habenula
Commissura post.
- Pedunculus cerebri
^-- Brachium pontis
Colliculus inf.
Frenulum veli meduüaris ant.
Fig. 123.
Mittelhirn, Zwischenhirn und Schweifkern von oben. Gelb ist das Thalamencephalon.
v. s. p. Cavum septi pellucidi ; g. c. c. Genu corporis callosi ; /. 5. p. Lamina septi pellucidi ; v Vena terminalis ; pu Pulvinar ;
ce Cerebellum.
II. Thalamencephalon.
a) Der Sehhügel, Thalamus.
Der Sehhügel ist ein gebogener, abgeplattet keulenförmiger Körper, an
welchem man eine freie dorsale oder obere, in sagittaler Richtung konvexe; eine
ventrale, untere, sagittal konkave oder Hypothalamusfläche; eine mediale, im
vorderen Teil ventrikuläre Fläche, und eine laterale oder kapsulare Fläche
(Capsula interna) unterscheidet; hierzu gehören die entsprechenden Ränder, sowie
ein vorderes und hinteres Ende. Fig. 97, 102, 108, 109, 114, 123—125, 128—132.
Die freie dorsale Fläche (Fig. 108, 114, 123) zeigt eine weißliche Beschaffen-
heit, infolge der Gegenwart einer oberflächlichen Markschicht, Stratum zonale.
An ihrem Außenrande wird die dorsale Fläche begrenzt von der langgestreckten
Stria terminalis, längs welcher die Vena terminalis dicht unter der Ober-
fläche von hinten nach vorn zieht. Die dünne Substanzschicht, welche über der
V. terminalis liegt, dehnt sich noch eine Strecke weit medianwärts aus und bedeckt
einen schmalen Streifen der Thalamus-Oberfläche Lamina affixa. An ihrem
Rande, Taenia chorioidea, ist der Plexus chorioideus ventriculi late-
ralis angeheftet. Der mediale Rand der oberen Fläche ist gesäumt durch die
Taenia thalami und durch einen Markstreifen, Stria medullaris, welcher
hinten in die Stiele, Habenulae, der Zirbel, Corpus pineale, übergeht.
106
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Lateral und ventral von diesem Stiel liegt jederseits ein kleines Feld des Seh-
hügels, Trigonum habenulae (Schwalbe). Vorn erhebt sich die Sehhügel-
fläche zu dem stumpf hervorragenden Tuberculum anterius thalami. Das
entgegengesetzte hintere Ende springt nach hinten unten vor und führt den Namen
Polster, Pulvinar.
Die mediale Sehhügelfläche (Fig. 95, 97) ist grau, soweit sie den III. Ventrikel
begrenzt, reicht von der hinteren Kommissur bis zum Foramen interventriculare
(Monroi), dorsal bis zur Stria medullaris, ventral bis zum Sulcus hypothala-
micus. Etwas vor ihrer Mitte stehen beide mediale Flächen der Sehhügel durch
die Massa intermedia in Verbindung, eine sekundäre Brücke grauer Substanz
von sehr verschiedener Stärke. Fig. 123, 128, 130.
Die ventrale Fläche des Sehhügels grenzt, wie gesagt, an den Hypotha-
lamus; die laterale Fläche dagegen liegt der Capsula interna an, der mark-
weißen Fortsetzung des Hirnschenkels nach oben. Fig. 128, 129, 131, 132.
Stria medullaris
Thalamus
Corpus geni-
culatum mediale
Corpus geni-
culatum laterale
Ansa intergenicularis
Fig. 124. Fig. 125.
Fig. 124. Abgelöster Thalamus des rechten Zwischenhirnes von der medialen Seite gesehen mit seinem Übergange
in den Tractus opticus (7"0).
M mediale (Ventrikel-)Fläche des Sehhügels; Cm Massa intermedia; Ta Tuberculum anterius des Sehhügels; P Gegend des
Pulvinar thalami ; Ba Brachium quadrigeminum superius; cgm Corpus geniculatum mediale; m mediale Wurzel des Tractus
opticus ; / laterale Wurzel des Tractus opticus ; Cgi Corpus geniculatum laterale ; To Tractus opticus ; Ch Chiasma opticum ;
No Nervus opticus.
Fig. 125. Basis des Zwischenhirns- und Mittelhirns eines neugeborenen Kindes. 1 : 1.
po Pons mit dem Sulcus basilaris; p Hirnschenkel; zwischen beiden Hirnschenkeln sind die länglichen Corpora mamillaria,
das durchschnittene Infundibulum und die beiden Nn. oculomotorii sichtbar; t Tractus opticus.
Über die laterale und dorsale Nachbarschaft des Sehhügels belehren vor allem Querschnitte
durch das Gehirn im Gebiete des ersteren. Fig. 128, 129.
Untersucht man den Sehhügel als Ganzes, wie er von seiner Nachbarschaft künstlich isoliert
vor das Auge tritt, so ergibt sich (Fig. 124) seine gebogene Form. Sein hinteres Ende setzt sich bei
m und l in einen markweißen Strang fort, den Tractus opticus (7b.) Die Konkavität der aus dem
Thalamus und Tractus opticus zusammengesetzten Platte dient zur Aufnahme des Hypothalamus. Dem
nach unten umgebogenen hinteren Sehhügelteile sind die beiden Corpora geniculata (cgm, Cgi) an-
gefügt. Die Verschmälerung des Sehhügels gegen sein umgebogenes unteres Ende findet dadurch
statt, daß der mediale Rand von der Zirbelgegend an zuerst mäßig, dann rasch lateral wärts zieht
(s. auch Fig. 123). Der laterale Rand der oberen Sehhügelfläche hat dagegen in ganzer Länge eine
lateral-rückwärts streichende Bahn.
Der Sehhügel besteht aus grauer und weißer Substanz. Die graue Substanz
bildet einen vorderen, einen medialen und einen lateralen Hauptkern,
Nucleus ant., medialis, lat. thalami, welche durch Faserschichten, Laminae
medulläres thalami, voneinander unvollständig getrennt sind, aber auch von
Faserzügen durchdrungen werden; sie erscheinen daher auf Durchschnitten
107
M
O
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c
o
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Ol
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—
Das Gehirn: Die einzelnen Gehirnabteilungen. 109
streifig. Der vordere Kern bedingt durch seine Lage das Tuberculum anterius
thalami; der mediale und laterale sind nur im vorderen Sehhügelteil voneinander
geschieden (Fig. 129, 131). Der mediale Kern des Thalamus ist viel kürzer als
der laterale und steht mit dem den III. Ventrikel umgebenden zentralen Grau in
Verbindung.
Zu ihnen gesellt sich noch ein kleiner mittlerer Kern (Zentralkern, Centre median
von Luys), sowie das Corpus patellare von Tschisch, welches zwischen dem mittleren Kern
und den Fasern gelegen ist, die vom roten Kern des Mittelhirns zum lateralen Kern des Thalamus
verlaufen.
Über die Lage der drei Kerne orientiert der Horizontalschnitt Fig. 131. Die laterale Wand
des Thalamus und seines lateralen Hauptkerns, welcher an die Capsula interna grenzt, ist ausge-
zeichnet durch eine reiche Einstrahlung von Nervenfasern aus den verschiedensten Gebieten der
Endhirnhemisphären. Man nennt diese Einstrahlung den Stabkranz des Thalamus. So dringen
vom Stirnhirn Faserbiindel in den vorderen Teil des lateralen Kernes ein; sie werden im beson-
deren vorderer Stiel des Thalamus genannt. Der hintere Teil des lateralen Kerns nimmt Faser-
strahlungen auf aus dem hinteren Teil des Stirnlappens, dem Scheitel-, Schläfen- und Hinterhaupt-
lappen, besonders aus dem letzteren; sie laufen zum Pulvinar. Da letzteres auch einen Teil des
Tractus opticus aufnimmt, so ist hier die Faserstrahlung besonders stark und hat den Namen Seh-
strahlung erhalten. Die Art der Einstrahlung der Stabkranzfasern in die laterale Sehhügelfläche ist
dadurch besonders gekennzeichnet, daß sie in der peripherischen Zone derselben ein Geflecht
von Bündeln der verschiedensten Richtung bilden, welches graue Substanz in seinen Maschen-
räumen enthält. Diese schmale gemischte Schicht heißt Gitterschicht, Stratum reticulatum.
Nach innen hin verdichtet sich diese Schicht zu einer dünnen Marklamelle, Lamina medullaris
externa des Sehhügels. Sie geht ventral in die dorsale Schicht des Hypothalamus über. Fig. 129.
An der Basis des vorderen Kernes des Thalamus breitet sich ein von der
Tiefe kommender Strang markhaltiger Fasern trichterförmig aus, das Vicq
d'Azyrsche Bündel, Fasciculus thalamomamillaris (Fig. 128; siehe auch
Fig. 97). Es kommt vom Corpus mamillare, durchdringt bogenförmig aufsteigend
den Hypothalamus und die unteren Teile des Thalamus und gelangt so zu dessen
vorderem Kern.
Die an der ventrikulären Wand des Thalamus befindliche graue Substanz,
das zentrale Grau oder das Höhlengrau des III. Ventrikels, liefert die sekun-
där entstandene Massa intermedia, ist durch den unteren Thalamusstiel
(Fig. 128) von dem medialen Kern des Thalamus abgegrenzt und setzt sich ven-
tral in die graue Bodenkommissur fort. Das Höhlengrau enthält außer dem unteren
Teil des Vicq d'Azyrschen Bündels die Pars teeta columnae fornicis (Fig. 97),
welche zum Corpus mamillare zieht. Vor und unter der Massa intermedia ist das
Höhlengrau beträchtlich verdickt. Aus dem hinter der Massa intermedia ge-
legenen Gebiet ist das Ganglion habenulae mit dem Nucleus habenulae
besonders zu erwähnen; aus ihm entspringt ein Bündel markhaltiger Fasern, das
Meynertsche Bündel, Fasciculus retroflexus (Meynerti), s. Tractus habe-
nulopeduncularis.
b) Metathalamus.
Die beiden Kniehöcker, Corpora geniculata. Fig. 109, 111, 112, 114, 124, 125.
Verfolgt man von der Hirnbasis aus den Tractus opticus in seiner Bahn um
den Hirnschenkel zentralwärts gegen das untere Ende des Thalamus hin (Fig. 109),
so sieht man ein laterales Bündel des Traktus zu einer kleinen länglichen An-
schwellung ziehen, welche mit dem unteren Thalamusende zusammenhängt: es
ist dies das Corpus geniculatum laterale (Fig. 109, 111, 112). Ein mediales
Bündel des Traktus dagegen erreicht eine viel schärfer abgegrenzte Anschwellung
Raübek-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 6
110 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
an der ventralen Seite des Pulvinar, von letzterem äußerlich geschieden durch
das Brachium quadrigeminum superius: dies ist das Corpus geniculatum
mediale. Die Länge dieses Körpers beträgt 8, seine Breite 4mm. Beide Knie-
höcker sind als besondere Auswüchse des Thalamus zu betrachten.
Eine zwischen beiden Corpora geniculata von Rauher beobachtete Verbindungsschleife zeigt
Fig. 125 unter der Bezeichnung Ansa int ergenicula ris.
c) Epithalamus.
a) Die Zirbel, Corpus pineale. Fig. 97, 102, 108, 114, 130, 132.
Die Zirbel, Epiphysis, ein sonderbarer unpaarer Körper von der Form
eines Pinienzapfens, liegt am hinteren Ende der Sehhügelgegend und überragt
dieselbe rückwärts, indem sie sich mehr oder weniger weit über die Vierhügelplatte
erstreckt. Ihre Länge erreicht bis 12, die Breite 8, die Dicke 4 mm. Ihre Spitze ist
nach hinten, ihre Basis nach vorn gerichtet.
Sie geht aus einer kleinen dorsalen Falte der dorsalen Hirnwand hervor und
enthält häufig noch in ihrer Endform einen Rest des III. Ventrikels, den Ventri-
culus pinealis; beständig zeigt sie noch eine Ausbuchtung des III. Ventrikels
gegen ihre verjüngte Basis, den Recessus pinealis (Fig. 97), der von der oberen
und unteren Lamelle der Zirbel eingeschlossen wird.
Die Zirbel entsendet nach rechts und nach links je einen Stiel zum Thalamus,
Habenula, welcher sich in die Stria medullaris fortsetzt (Fig. 102, 108, 114, 123).
Beide Habenulae sind miteinander verbunden durch die Commissura habenu-
larum. An der Stelle, wo die Habenula den Thalamus trifft, befindet sich ein
dreiseitiges Feld, Trigonum habenulae, welchem ein Kern, Nucleus habe-
nulae, entspricht. Fig. 108, 114, 123, 132.
Die Tela chorioidea ventriculi tertii (s. Hirnhäute) inseriert nicht am freien Rande
der Habenulae, sondern auf der oberen Fläche der Zirbel. So kommt eine zweite
Zirbelausbuchtung des III. Ventrikels zustande, der Recessus suprapinealis
(Reicherti); seine obere Fläche wird von der Tela und ihrem Epithel, seine untere
von der dorsalen Zirbelfläche gebildet.
Die obere Lamelle der Epiphysis zeigt nach Entfernung der Tela chorioidea
folglich einen freien Saum; in ihm, aber auch in der Zirbel selbst und in der
Tela, findet man meist gelbe sandartige Körnchen, den sogenannten Hirnsand,
Acervulus, welcher aus phosphor- und kohlensaurem Kalk und einer organischem
Grundlage besteht. Fig. 205.
In der Zirbel vermutete man früher den Sitz der Seele (Descartes). In neuerer Zeit fallt
sie dagegen, gleich der Hypophysis, den rudimentären Organen zu. Die Zirbel ist, wie erwähnt,
das Erzeugnis einer kleinen Falte der dorsalen Hirnwand, und zwar der kaudalsten von mindestens
drei solchen Falten, die im Reiche der Wirbeltiere vorkommen und bei ihrer weiteren Ausbildung
zu eigentümlichen Organen sich gestalten, den sogenannten Epiphysen des Zwischenhirns. Eine
dieser Epiphysen, das Parietalorgan genannt, ist mit guten Gründen auf ein ursprüngliches,
augenähnliches Sinnesorgan zu beziehen, wie besonders deutlich die Untersuchungen von
Spencer an Reptilien gezeigt haben. Näheres über diese Frage siehe die Lehrbücher der Ent-
wicklungsgeschichte und vergleichenden Anatomie, sowie die zusammenfassende Darstellung von
Gaupp in Merkel und Bonnets Ergebnissen 1897.
Braem, F., Epiphysis und Hypophysis bei Rana. Zeitschr. wiss.Zool.Bd.63, 1898.— Ley dig.F.,
Zirbel und Jacobsonschcs Organ einiger Reptilien. Arch. mikr. Anat. Bd. 50, 1897. — Melclie rs, T.,
Über rudimentäre Hirnanhangsgebilde beim Gecko (Epi-, Para- und Hypophysis). Zeitschr. wiss. Zool.
Bd. 67, 1900. — Minot, Ch. S., On the morphology of the pineal region. Amer. Journ. of Anat. I,
1901. — Spencer, B., On the presence and strueture of the pineal eye etc. Quart. Journ. micr. Sc.
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Das Gehirn: Die einzelnen Gehirnabteilungen.
113
Bd. 27, 1886. — Studnicka, F. K., Zur Kenntnis der Parietalorganc und der sog. Paraphyse. Ver-
handl. anat. Ges. XVIII, 1900.
b) Die hintere Kommissur, Commissura posterior (cerebri). Fig. 97, 102, 108, 123, 130.
Sie ist ein auf dem Querschnitt halbmondförmig gestaltetes Bündel quer-
verlaufender Nervenfasern von eigentümlichem verwickelten Verlauf. Der konvexe
Rand des Querschnittes ragt nach vorn. Dorsal wird sie vom Eingange in den
Recessus pinealis, ventral von dem Eingange in den Aquädukt begrenzt. Fig. 97.
Commissura ant. Pars libera columnac fornicis
Schnittfläche der Columna fornicis j Caput nuclei caudati
Tuberculum ant. thalami
Stria terminaüs
Massa intermedia
... Commissura post.
Thalamus
Pedunculus cerebri
N. trochlearis
Trigonum lemnisci
Pulvinar
'- Corpus pineale
"" Colliculus sup.
" Colliculus inf.
■ Frenulum veli medullaris ant.
Brachium pontis
Brachium conjunetivum Lingula cerebelli
Fig. 130.
Zwischen- und Mittelhirn, dorsale Fläche.
Ein Pfeil dringt aus dem Aquaeductus cerebri durch den Ventriculus 111 aufwärts. Die Lamina affixa und Taenia chorioidea
sind hier nicht dargestellt, siehe darüber Fig. 108.
Man sieht ihren Mittelteil leicht vom III. Ventrikel aus (Fig. 130); aber auch durch Umklappen
der Zirbel nach vorn kann sie als weißer Strang sichtbar gemacht werden. Fig. 102.
Der III. Ventrikel, Ventriculus tertius. Fig. 95, 97, 102, 108, 114, 123, 127—130, 132.
Die III. Hirnkammer, Ventriculus tertius, ist ein schmaler, hinten etwas
breiterer, vorn sich vertiefender Raum, welcher sich zwischen den Wänden des
Zwischenhirns befindet und vorn durch die Lamina terminaüs, sowie durch Teile
des Endhirns abgeschlossen wird (Columnae fornicis, Commissura cerebri anterior).
Hinten geht er durch den Aditus ad aquaeduetum cerebri in den Aquae-
ductus cerebri über, vorn und seitlich setzt er sich durch das wichtige Foramen
interventriculare (Monroi), einer ovalen Pforte zwischen der Columna fornicis
und dem Sehhügel, jederseits in den Seitenventrikel des Endhirns fort (Fig. 95).
Mitten durch ihn hindurch zieht die variable Massa intermedia, welche durch
eine (sekundäre) Verklebung der einander gegenüberstehenden Thalamusflächen
entsteht.
Besondere Ausbuchtungen des III. Ventrikels sind: die Recessus trian-
gularis, opticus, infundibuli, pinealis, suprapinealis (Fig. 95, 97). Am
Medianschnitt des Gehirns übersieht man dieselben am besten mit Ausnahme des
Recessus triangularis, welcher an einem Präparat, wie es Fig. 123 darstellt,
am deutlichsten ist. Er liegt zwischen der Commissura ant. und den beiden
6*
114 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Columae fornicis (Fig. 127). Der Recessus opticus befindet sich zwischen
Lamina terminalis und Chiasma opticum. Der Recessus infundibuli ist im Infun-
dibulum enthalten. Er liegt hinter dem Chiasma opticum. Fig. 97.
Über den Recessus pinealis und suprapinealis s. oben beim Corpus
pineale.
Der hintere Teil des Ventrikelbodens zeigt eine mediane Längsfurche,
die Fortsetzung des Sulcus medianus des Aquäduktus. Die Seitenwände des
Ventrikels zeigen den vom Foramen interventriculare (Monroi) zum Aquädukt
ziehenden Sulcus hypothalamicus (Fig. 95). Die Seitenwände des Ventrikels
werden von den medialen Wänden des Zwischenhirns, die vordere Wand von
der Lamina terminalis, den Columnae fornicis und der zwischen ihnen
freiliegenden Commissura ant. (cerebri) gebildet. Die hintere Wand besteht
aus der hinteren Kommissur und der Zirbelbasis. Die untere Wand wird gebildet
hinten vom Hirnschenkel, vorn von der grauen Bodenkommissur mit ihren ver-
schiedenen Bestandteilen (Substantia perforata posterior, Corpora mamillaria, Tuber
cinereum mit Infundibulum, Chiasma opticum). Ihre obere Wand, die Deck-
platte des III. Ventrikels, Tegmen ventriculi III, ist ein Teil der Tela
chorioidea ventriculi tertii (siehe Hirnhäute). Dorsal von der Tela chorioidea
und ihrem dem III. Ventrikel zugehörigen Gefäß-Plexus liegen als sekundäre
Bedeckungen des Ventrikels Teile des Gewölbes und Balkens des Endhirns.
Siehe Fig. 95, 97, 128, 129.
F. Das Endhirn, Telencephalon.
Das Endhirn, die vorderste und größte der 6 Hauptabteilungen des Gehirns
besteht:
1. aus den beiden symmetrisch gestalteten Halbkugeln (Hemisphaeria)
und
2. aus den Verbindungen beider Hemisphären miteinander: Lamina
terminalis (graue Schlußplatte), schon bei dem Zwischenhirn beschrieben
S. 101), Corpus callosum (Balken) und der vorderen Kommissur.
Verbindungen: Das Endhirn steht, abgesehen von Leitungsbahnen, nur mit dem zu-
nächst angrenzenden Zwischenhirn in Zusammenhang, obwohl es während seiner Entwicklung
alle hinter ihm gelegenen Hirnabteilungen, von oben her allmählich bedeckt. Man sieht daher
an einem unversehrten Gehirn bei dorsaler Betrachtung nichts anderes als das Endhirn und muß
letzteres, soweit es auf den übrigen Abteilungen aufliegt, entfernen, um deren dorsale Ansicht zu
gewinnen (Fig. 92, 98 — 100, 108, 114 zu vergleichen). Fig. 108 enthält vorn noch einige Gebilde des
Endhirns und läßt zugleich erkennen, daß die Verbindung des Endhirns mit dem Zwischenhirn nur
an der vorderen und seitlichen Fläche des letzteren statt hat.
Lage. Beide Hemisphären bedecken mit ihrer Basis die vordere und mittlere Schädelgrube,
sowie das Dach der hinteren Schädelgrube und nehmen mit ihrer Masse den bis zum Schädelgewölbe
reichenden Raum fast ganz ein.
Gewicht siehe S. 67.
Form. Beide Hemisphären sind durch eine tiefgreifende, im mittleren Gebiet bis auf den
Balken und unter dem Balken bis auf das Gewölbe reichende, vor und hinter dem Balken aber
durchdringende Spalte voneinander geschieden. Der ventral vom Balken gelegene Spaltenteil
wird Cavum septi pcllucidi genannt. Die bis zum Balken reichende, vor und hinter ihm
durchdringende große Spalte heißt Fissura longitudinalis cerebri. Als Fissura cerebri
transversa ist bereits jene große horizontale Spalte bekannt geworden, welche zwischen dem
Groß- und Kleinhirn von hinten eindringt. S. 66.
115
Fissura longitudinalis cerebri
Lamina (sinistra) septi pellucidi
Capsula int. (pars frontalis)
Vena terminalis
Capsula int (genu),__
Insula_
Capsula extrema
Claustrum
Capsula ext
Capsula int. (pars occipitalis)
I Gyri temporales transversi
Crus (sinistrum) fornicis —
Cauda nuclei caudati —
Splenium corporis callosi —
Sehstrahlung [Oratiolet]
Fissura calcarina -
Cornu ant. ventriculi lat.
Caput nuclei caudati
Capsula int. (pars frontalis)
Nucleus lentiformis
Nucleus ant. thalami
, Nucleus lat. thalami
_ Lamina medullaris
_ Nucleus medialis
thalami
- Capsula int. (pars
occipitalis)
,_ Crus (dextrum)
fornicis
Glomus chorioideum
— Calcar avis
Cornu post. ventri-
culi lat.
Fissura longitudinalis cerebri
Fig. 131. Gehirn. Flachschnitt I.
Rechts durch das Tuberculum ant. thalami, links (etwas tiefer) durch das Foramen interventriculare [Monroi].
Untere Schnittfläche von oben gesehen ('7,0).
116
Fissura longitudinalis cerebri
Qenu corporis callosi
Columna formcis
Caput nuclei caudati
Capsula int. (pars frontalis)
Insula' ■-.
Conimissura ant-
Capsula int. (genu)-.
Insula—
Claustrum
Globus pallidus
Putamen
Capsula int. „_
(pars occipitaüs)
Ventriculus 111 "
Commissura ppst,
Corpora
quadrigeniina
Glomus chorioideum
Vermis cerebelli
-Cornu ant. ventriculi lat.
-Caput nuclei caudati
^..Capsula int. (pars frontalis)
Putamen
^--Capsula int. (genu)
Globus pallidus
—Capsula externa
Claustrum
Capsula extrema
- Capsula int. (pars
occipitalis)
- Thalamus
Kucleus habenulae
—Corpus pineale
-Cauda nuclei caudati
- Crus fornicis
Glomus chorioideum
Cornu post. ventriculi
lat.
-Fissura calcarina
Splenium corporis callosi
sura longitudinalis cerebri
Fig. 132. Gehirn. Flachschnitt II.
Rechts durch das Foramen interventriculare [Monroi] (jedoch etwas tiefer als in Fig. 131 links), links durch den mittleren
Teil der Commissurae ant. und post. (:' ,„).
Das Gehirn: Äußere Oberfläche der Hemisphären. 117
An jeder Hemisphäre unterscheidet man 3 Flächen:
1. eine sagittal und quergewölbte dorsolaterale Fläche, Facies convexa;
2. eine durch' den Anfang der Fissura lateralis (Sylvii) in eine vordere und hintere Abteilung
zerlegte und in jeder Abteilung schwach gehöhlte basale Fläche und
3. eine vertikale ebene mediale Fläche oder Wand, Facies medialis.
Die mehr oder minder abgerundeten Übergangsränder der Flächen heißen Kanten der Hemi-
sphäre; es sind zu unterscheiden:
1. eine dorsale oder Mittelkante;
2. eine basale Kante, die mediale Fortsetzung der vorigen auf der Hirnbasis;
3. eine laterale Kante, die auch Temporo-Orbitalkante genannt wird.
Aus der Schädelhöhle herausgenommen und auf eine feste Unterlage gelegt, verliert das
Gehirn viel von seiner normalen Form; man muß es in geeignete Flüssigkeiten bringen oder vor
der Herausnahme härten.
Jede einzelne Hemisphäre und auch die Verbindungsglieder beider Hemisphären sind nun-
mehr auf ihre Besonderheiten zu untersuchen.
I. Äussere Oberfläche der Hemisphären.
An jeder Hemisphäre sind zu unterscheiden:
A. ein Stammteil, welcher dem Ende des Hirnstammes anliegt und
B. ein Mantelteil, jenseits des ersteren.
Der Stammteil der Hemisphäre besteht:
1. aus der Insel, 2. aus der Substantia perforata ant. und 3. aus dem Lobus
olfactorius.
Der Mantelteil der Hemisphäre umgibt den Stammteil wie ein vorn unten offener Ring:
er wird daher auch Ringlappen genannt. Er gliedert sich regional in verschiedene Abteilungen:
Stirn-, Scheitel-, Hinterhaupt- und Schläfenlappen.
Das vordere Ende des Stirnlappens heißt der Stirnpol, Polus frontalis, der Hemisphäre;
das hintere Ende des Hinterhauptlappens Hinterhauptpol, Polus occipitalis, das vordere Ende
des Schläfenlappens Schläfenpol, Polus temporalis, der Hemisphäre.
Schon an einer Abteilung des Stammteiles der Hemisphäre (Insel) zeigt sich die Oberfläche
in Falten gelegt: um so ausgebreiteter ist dies der Fall bei dem Mantelteil. Untersucht man die
Faltentäler oder Furchen der Hemisphäre genauer, so ergibt sich, daß sie sehr verschiedene Tiefen
erreichen. Zieht man auch die Entwicklungsgeschichte heran, so zeigt sich, daß ursprünglich jede
Hemisphäre eine glatte Oberfläche und dünne Wände, aber einen geräumigen Ventrikel
besaß. Die bei den Erwachsenen vorhandene Skulptur der Hemisphären ist daher eine spätere
Erscheinung, veranlaßt durch Wachstumsvorgänge am fetalen Gehirn, welche zu Faltungen führten.
Sowohl hinsichtlich des zeitlichen Auftretens der einzelnen Furchen als auch hinsichtlich ihrer
Tiefe machen sich bedeutende Unterschiede geltend. Furchen, welche die ganze Dicke der Hirn-
wand einnehmen und also Totalfalten entsprechen, nennt man Fissuren, solche, welche sich
nur auf die Hirnrinde beschränken und Rindenfalten entsprechen, Furchen, Sulci.
A. Stammteil der Hemisphäre.
1. Substantia perforata anterior. Fig. 109, 133.
Sie liegt lateral vom Chiasma opticum, grenzt vorn an das Trigonum olfac-
torium, lateral an den Schläfenlappen.
Ihre Oberfläche ist glatt, grau, von zahlreichen Gefäßlöchern durchsetzt. Ihre
graue Substanz hängt dorsal mit dem Nucleus lentiformis zusammen. Die flache
Grube, in der die Substantia perforata anterior ihre Lage hat, wird Vallecula
cerebri lateralis genannt.
Der mediale Teil der Substantia perforata anterior und der Gyrus subcallosus bilden den
sogen, hinteren Riechlappen (siehe S. 119).
118
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
2. Der Riechlappen, Lobus olfactorius, Rhinencepha Ion.
Sein hinterer Abschnitt, Tuber olfactorium, Riechwulst, ist ein pyra-
midaler kleiner Wulst, dessen ventrale Oberfläche sich dem Beschauer als Tri-
gonum olfactorium (Fig. 133) zuwendet. Das Tuber olfactorium ist von der
Substantia perforata anterior nur durch eine oberflächliche Rinne getrennt. Eine
tiefe, 4cm nach vorn sich erstreckende Furche des Stirnlappens, Sulcus olfac-
torius, nimmt sowohl den Körper der dreiseitigen Pyramide auf, als auch die
beiden vordersten Teile des Riechlappens, den Tractus und Bulbus olfactorius
(Fig. 96, 109, 133). Der Bulbus olfactorius ist eine graue Anschwellung von
8 — 10 mm Länge, 3 — 4 mm Breite und 2 — 3 mm Dicke. Der Bulbus liegt mit
Bulbus olfactorius
Tractus olfactorius
Rostrum corporis callosi
Sulcus parolfactorius ant.
Sulcus parolfactorius post.
Area parolfactoria (Brocae)
Gyrus subcallosus
Trigonum olfactorium
Stria olfactoria medialis
Commissura ant.
Lamina terminalis
Stria olfactoria lateralis
Substantia perforata ant.
(Pars post. rhiuencephali)
Ende des Gyrus subcallosus
Chiasma opticum Tractus opticus
Fig. 133.
Riechlappen des menschlichen Gehirnes nach einem frischen Präparat gezeichnet. (W. H i s.)
seiner ventralen, freien Fläche auf der Lamina cribrosa des Siebbeines. Von ihm
gehen die zahlreichen Nervi olfactorii aus, welche zur Schleimhaut der Regio
olfactoria der Nasenhöhle ziehen. Siehe Sinnesorgane.
Am dreikantigen Tractus olfactorius sind zwei markweiße Streifen sichtbar,
Stria olfactoria medialis und lateralis (Fig. 109, 133). Ersterer zieht entlang
der medialen Kante des Trigonum olfactorium zur Area parolfactoria; die Stria
lateralis zieht entlang der lateralen Kante des Trigonum nach hinten zum Ein-
gange der Fissura cerebri lateralis, bildet dort den sogenannten Linien insulae
(welcher also nicht zur Insel gehört) gelangt zum Schläfenlappen und erreicht
das Vorderende des Gyrus hippocampi, auf dessen vorderer innerer Fläche er in die
bei Feten deutlichen Gyri semilunaris und ambiens endigt. Die zwischen
beiden genannten Striae gelegene Stria intermedia, verliert sich in der Substanz
des Tuber selbst. Der dorsalen Kante entspricht eine Stria dorsalis, deren
Faserbündel in das Mark des Stirnhirnes eindringen.
Der fetale Riechlappen besitzt eine (beim Pferde z. B. dauernde) Höhlung, Ventriculus
olfactorius, Rhinocoel, von welchem im Bulbus lange Zeit ein Rest erhalten bleiben kann.
Der genannte Ventrikel ist ein vorderer und unterer, besonderer Arm des Seiten Ventrikels der
Hemisphäre.
Das Gehirn: ÄuUcrc Oberfläche der Hemisphären.
119
Die Entwicklungsgeschichte zeigt, daß der Bulbus, der Tractus, das Tuber olfactorium und die
Area parolfactoria zusammen den vorderen Riechlappen ausmachen gegenüber dem hinteren,
welcher vom medialen Teil der Substantia perforata anterior, von dem lateralen Riechstreifen und
von dem Gyrus subcallosus gebildet wird. Fig. 133.
Die Morphologie des Riechlappens wird wesentlich aufgehellt durch die vergleichend anato-
mische Untersuchung von Tiergehirnen. Hierüber orientiert beifolgende Zusammenstellung in Fig. 134.
Retzius, G., Zur Kenntnis der Windungen des Riechhirncs. Verhandl. anat. Ges. 1897. —
Wilder, G., Wat is the morphologic Status of the olfactory Portion of the Brain? Science, VII, 1898.
•- ß. G.
B. G.
B. G.
P.
B. olf.
Rh.
r\~
b.g.
B. olf.
V. tr.
B. olf.
B. olf. s
B. olf.
Fig. 134.
Schema der phylogenetischen Entwicklung des Endhirnes. (H. Rabl-Rückh ard, 1894.)
1 Pelromyzon; 2 Selachier (Akanthiasembryo) ; 3 Amphibien (Menopoma); 4 Teleostier (Salmonidentypus), sitzende Bulbi
olfactorii ; 5 Ganoiden; 6 Teleostier (Cyprinoidentypus), gestielte Bulbi olfactorii; 7 Reptilien (Chelonier), sitzende Bulbi
olfactorii ; 8 desgl. (Ophidier), gestielte Bulbi olfactorii; 9 Mammalia, Stirnhirn mit Riechlappen.
Bezeichnungen: B. olf. Bulbi olf. ; B.G. Basalganglion; P. Pallium; V. tr. Velum transversum (v.Kupffer); Tr. Tractus
olfactorii ; V. Ventrikel ; Rh. Rhinocoel ; PI. Plexus chorioidei.
3. Die Insel, Insula. Fig. 99, 104, 135.
Die Insel lag ursprünglich frei zu Tage, sank aber allmählich in die Tiefe, indem die um-
gebenden Teile (Stirn-, Scheitel- und Schläfenlappen) durch stärkeres Flächenwachstum sich über sie
hinwegwölbten. Daher heißt die Insel auch Lobus opertus. Um sie zu sehen, muß man die sie
verbergenden Decklappen auseinanderziehen. Den Zugang zu ihr zeigt eine an der lateralen
Fläche der Hemisphäre gelegene Fissur an, die Fissura cerebri lateralis (Sylvii). Die Fissur
führt in eine tiefe Grube, Fossa cerebri lateralis, in welcher die Insel ihre Lage hat.
Die Insel ist ein im Grunde der Fossa lateralis gelegener großer Hügel, der
seine Abhänge den Lappen zukehrt, die ihn bedecken. Es sind daher eine Facies
frontalis, frontoparietalis und temporalis zu unterscheiden. Der dreigrätige Kamm
ist der Fissur zugewendet und entspricht den drei Abschnitten der letzteren.
Die am meisten hervorragende Stelle wird Inselpol genannt. Durch die Er-
hebung der Insel vom Boden der Fossa bleibt eine sie allseitig umgebende
Furche zurück, Sulcus circularis (Reili) (Fig. 135). Vorn unten setzt sich die
Insel mittels einer Schwelle, Limen insulae (Schwalbe Fig. 135, L) in die
Substantia perforata anterior fort.
Das Limen insulae wird, wie schon erwähnt wurde, durch die Stria olfactoria lat. gebildet;
es gehört also zum Rhinencephalon.
Von den drei Flächen ist die dorsale (frontoparietale) am bedeutendsten
gefurcht; die hintere und längste dieser Furchen (Sulcus centralis insulae) greift
12Ü
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
meist über den Kamm ventralwärts hinaus und zerlegt so die Insel in eine fronto-
parietale und eine temporale Hälfte. Die Facies temporalis zeigt eine Reihe kürzerer
und minder tiefer Furchen. Am wenigsten gefurcht (meist nur einmal) ist die
Facies frontalis. Im ganzen werden 5—9 Inselwindungen, Gyri insulae,
gezählt, welche vom Inselpol fächerförmig über die Abhänge ausstrahlen. Man
unterscheidet die vorderen als Gyri breves von dem hinteren durch den Sulcus
centralis insulae abgegrenzten Gyrus longus. Fig. 104.
Die überwölbenden Hemisphärenteile werden Deckel, Operculum, der
Insel genannt. Am mächtigsten ist der dorsale Teil, Pars parietalis, welcher
aus einem Teil des Stirn- und Scheitellappens besteht. Ihm zunächst an Aus-
dehnung steht der temporale Teil, Pars temporalis, der kürzeste ist der
frontale, Pars frontalis.
Die Insel liegt in bezug auf tiefere Hemi-
sphärenteile lateral vom Claustrum und vom Nucleus
lentiformis. Fig. 126-129, 131, 132.
Die Insel ist nach M. Holl aufzufassen als
eine um den Sulcus longitudinalis insulae herum-
gelegte Bogenwindung; ihr hinterer Schenkel
ist schlank, glatt, der vordere hingegen breit, aus-
gedehnt, mit sekundären Furchen und Windungen
versehen; von den sekundären Furchen ist ge-
wöhnlich die als Sulcus centralis insulae bekannte
Furche am mächtigsten ausgebildet. Vcrgl. ana-
tomische Beobachtungen stützen diese Auffassung.
(Arch. Anat. u. Phys. 1902.)
Holl, M., Die Insel des Karnivorcngehirns.
Arch. Anat. und Phys. 1899. — Derselbe, Die
Insel des Ungulatengehirnes. Arch. Anat. und
Phys. 1900. — Derselbe, Die Insel des Menschen-
und Affenhirns in ihrer Beziehung zum Schläfen-
lappen. Sitzber. Akad. Wiss. Wien, math.-naturw. KI., Bd. 117, Abt. III, 1908. — Derselbe, Über
bisher unbekannte Bildungen im hinteren Inselgebiet des Menschen- und Affenhirns. Ebenda 1909. —
Derselbe, Die Entwicklung der Bogenwindung an der hinteren Insel des Menschen- und Affen-
hirns. Ebenda 1909.
B. Mantelteil der Hemisphäre.
/. Furchen, Sulci.
a) Lappentrennende Furchen, Sulci in terlobares. Fig. 136.
Als Furchen, welche die vier großen Lappen des Gehirns, Lobi cerebri,
trennen, sind zu nennen: die Fissura cerebri lateralis, der Sulcus centralis, der
Sulcus occipitalis transversus, die Fissura parieto-occipitalis. Sie sind es, welche
den Stirn-, Scheitel-, Hinterhaupt- und Schläfenlappen begrenzen.
/. Fissura cerebri lateralis (Sylvü). Fig. 91, 96.
Sie stellt jene Furche dar, welche bei gedeckter Insel als Zugang zur Fossa
cerebri lateralis äußerlich sichtbar ist und nimmt ihren Anfang vom lateralen
Ende der quergestellten Vallecula lateralis1) der Hirnbasis.
Von der Vallecula aus steigt die Fissura lateralis eine kurze Strecke weit
lateral-aufwärts (Truncus fissurae lateralis) und spaltet sich darauf in drei Äste:
Fig. 135.
Insel der linken Hemisphäre.
Pinselpol oder Inselhöhe; L Limen insulae, Inselschwelle.
Die Insel ist eingerahmt durch eine ringförmige, aus drei
Abschnitten bestehende Furche, den Sulcus circularis
insulae; die drei Abschnitte dieser Furche sind: Sulcus
praeinsularis (p), Sulcus suprainsularis (s) und der Sulcus
infrainsularis (/).
') Mit dem Namen Vallecula wird jene Grube bezeichnet, auf deren Grund die Substantia
perforata anterior gelegen ist.
Das Gehirn: Äußere Oberfläche der Hemisphären.
121
a) Der Ramus posterior ist der längste; streicht fast horizontal und über-
ragt die Länge der Insel noch um die Hälfte; sein Endstück ist dorsalwärts ge-
krümmt: Pars ascendens.
b) Der Ramus ant. ascendens steigt eine kurze Strecke weit fast senk-
recht auf.
c) Der Ramus ant. horizontalis dringt in der Richtung des hinteren
Astes nach vorn. Die beiden vorderen Äste schneiden in die untere Stirn-
windung ein.
2. Sulcus centralis (Rolandi). Fig. 91, 92.
Er zieht etwa von der Mitte der Mantelkante lateralwärts, vorwärts und
gegen den vorderen Teil des Ramus posterior fissurae lateralis, ohne ihn ganz
zu erreichen.
Das dorsale Ende kerbt häufig die Mantel-
kante ein und greift dadurch auf die mediale Fläche
über. Selten ist der Sulcus centralis in zwei Ab-
schnitte geteilt.
R e t z i u s , G., Über das Auftreten des S. cen-
tralis und der Fissura calcarina im Menschenhirn.
Biol. Unters. VIII, 1898. Die Zentralfurche geht in
manchen Fällen aus zwei Teilstücken hervor.
Die Calcarina entsteht bald einheitlich, bald aus
zwei Teilen; zu ihnen gesellt sich noch ein kleines
hinteres Stück. Es sind noch zahlreiche fetale
Gehirne zu untersuchen, um in beiden Fällen die
Regel zu erkennen.
Fig. 136.
Lappentrennende Furchen der konvexen Fläche der
linken Hemisphäre. 1:4.
/Stirn-, //Scheitel-, /// Hinterhaupt-, IV Schläfenlappen.
1 Stamm derFissura lateralis; 1' Ramus posterior, 1" Ramus
ant. ascendens, 1'" Ramus anterior horizontalis derselben.
a Pars ascendens des Ramus posterior fissurae lateralis;
2 Sulcus centralis; 3' dorsaler Teil der Fissura parieto-
occipitalis; 4' Pars marginalis des Sulcus cinguli; 7 Sul-
cus occipitalis transversus ; / Impressio petrosa.
Fläche über. Der mediale Abschnitt der
Fissur fließt ventral mit dem vorderen Ende der Fissura calcarina zusammen.
3. Fissura parieto-occipitalis. Fig. 95.
Sie liegt im hinteren oberen Teil
der medialen Hemisphärenfläche und
greift (meist 1 — 2 cm) auf die dorsale
4. Sulcus occipitalis transversus. Fig. 91, 136, 7.
Die Furche befindet sich meist im Zusammenhange mit einer Lappenfurche,
dem Sulcus interparietalis, und zieht in querer Richtung eine kurze Strecke über
die konvexe Hemisphärenfläche, ohne die Mantelkante zu kerben.
b) Furchen der einzelnen Hirnlappen, Sulci intralobares.
1. Furchen des Stirnlappens.
Der Stirnlappen umfaßt das ausgedehnte Hemisphärengebiet, welches vor
dem Sulcus centralis, sowie vor und über der Fissura cerebri lateralis gelegen ist
(Fig. 136). Er hat eine konvexe dorso-laterale, eine leicht konkave orbitale
und eine plane mediale Fläche.
Der Stirnlappen enthält folgende Furchen:
Auf der dorso-lateralen Fläche. Fig. 91, 92.
u. Sulcus praecentralis. Er beginnt aufsteigend nahe der Spitze des
Operculum und dringt dorsalwärts vor, der Richtung des Sulcus centralis ungefähr
parallel, erreicht aber nicht die Mantelkante. Er besteht oft aus zwei getrennten
Stücken.
122 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
;1. Sulcus frontalis superior; zieht vom S. praecentralis vorwärts.
y. Sulcus frontalis inferior; zieht vom S. praecentralis bogenförmig vor-
wärts und abwärts.
6, t. Ramus ant. ascendens und Ramus ant. horizontalis der Fissura
cerebri lat. (siehe S. 121).
Auf der orbitalen Fläche. Fig. 96, 109:
1'. Sulcus olfactorius; in der Nähe der Fissura longitudinalis cerebri und
ihr parallel laufend; er dient zur Aufnahme des Tractus olfactorius und hört hinter
dem Stirnpol auf.
/,. Sulci orbitales sind die übrigen meist eine unregelmäßige H-Figur
bildenden Furchen der orbitalen Fläche.
Auf der medialen Fläche. Fig. 95:
!)■. Sulcus corporis callosi, dessen Verlauf der äußeren Balkenfläche
entspricht.
/. Sulcus cinguli, welcher parallel dem vorigen verläuft. Sein vorderes
Stück wird als Pars subfrontalis unterschieden von der hinteren zur Mantel-
kante aufsteigenden Pars marginalis, welche auf der medialen Fläche den
Lobus frontalis vom Lobus parietalis trennt.
/., /.. Sulcus parolfactorius post. und ant. liegen in demjenigen Teil
des Stirnlappens, welcher unterhalb des Rostrum corporis callosi sich befindet. Sie
sind nur kurz, laufen einander parallel und annähernd vertikal.
2. Furchen des Scheitellappens.
Die Grenzen des Scheitellappens (Fig. 136) sind: Vorn der Sulcus centralis
und die Pars marginalis des Sulcus cinguli, hinten der Sulcus occipitalis trans-
versus und die Fissura parieto-occipitalis, unten der Ramus post. des Sulcus
cerebri lat. und eine gedachte Linie (punktiert in Fig. 136), welche vom Beginn
des aufsteigenden Teils der Sylvischen Furche zur Impressio petrosa gezogen ist.
Er hat eine dorsale und eine mediale Fläche.
Furchen der dorsalen Fläche (Fig. 91, 92) sind:
u. Der Sulcus retrocentralis verläuft ungefähr parallel dem Sulcus cen-
tralis. Er beginnt hinter dem unteren Teil der Zentralfurche und erreicht nicht
die Mantelkante. Oft besteht er aus zwei getrennten Stücken.
;!. Sulcus interparietalis verläuft ungefähr in der Mitte der dorsalen
Fläche nach rückwärts und medianwärts zum Hinterhauptlappen, wo er sehr oft
in den Sulcus occipitalis transversus mündet; er kann schon vor dem dorsalen
Ende der Fissura parieto-occipitalis sein Ende finden, aber auch bis zum Occi-
pitalpol fortlaufen.
;. Das Endstück der Ramus post. fissurae cerebri lat.
ö. Das Endstück des Sulcus temporalis sup.
Diese beiden Stücke verlaufen schräg aufwärts und rückwärts, das letz-
tere reicht weiter aufwärts.
Furchen auf der medialen Fläche. Fig. 95:
f. Sulcus corporis callosi, welcher parallel dem Balken verläuft.
.". Sulcus subparietalis liegt näher an t wie an der Mantelkante und
verläuft parallel zu t.
Das Gehirn: Äußere Oberfläche der Hemisphären. 123
3. Furchen des Hinterhauptlappens.
Der Hinterhauptlappen, als gemeinsame hintere Verlängerung des Scheitel-
und Schläfenlappens ist gegen letzteren nicht überall scharf abgegrenzt (Fig. 136).
Er hat die Form einer dreiseitigen Pyramide, deren Spitze vom Polus occi-
pitalis gebildet wird.
Die dorso-laterale Fläche ist konvex, die mediale plan, die basale
(tentoriale) leicht konkav. Auf der medialen Fläche sind die Fissura parieto-occi-
pitalis, auf der dorso-lateralen die gleiche Fissur und der Sulcus occipitalis trans-
versa zur Abgrenzung geeignet; an der lateralen Kante ist fast in der Ver-
längerung des Sulcus occipitalis transversus oft eine Kerbe sichtbar, welche der
Impressio petrosa entspricht und zur Abgrenzung des Lappens Verwendung finden
kann (Fig. 136, i). Die basale Fläche des Lappens geht ununterbrochen in den
Schläfenlappen über.
Die mediale Fläche (Fig 95) enthält an Furchen nur:
c(. Fissura calcarina. Sie beginnt hinter dem Balkenwulste, wendet sich
nach hinten und nimmt unter spitzem Winkel das untere Ende der Fissura parieto-
occipitalis auf, die von ihr durch eine tiefliegende Windung geschieden wird.
Unter leichter Biegung ihren Weg etwa 1 cm oberhalb der medialen Kante fort-
setzend, gelangt sie in die Nähe des Occipitalpoles und hört entweder hier auf
oder setzt sich in eine fast vertikale Furche der medialen Fläche fort. In diesem
Falle scheint sie sich in 2 Arme zu gabeln. Sie kann auch gespalten oder un-
gespalten auf die dorsolaterale Fläche vordringen.
Die Fissura calcarina dringt so tief ein, daß sie eine in der medialen Wand
des Hinterhornes des Seitenventrikels gelegene Erhabenheit vorwölbt, den
Vogelsporn, Calcar avis (Fig. 99, 131); daher ihr Name.
Auf der basalen Fläche (Fig. 121, 122) befindet sich:
■J. Fissura collateralis, welche auch dem Schläfenlappen angehört. Sie
beginnt näher oder ferner dem Occipitalpol und verläuft meist mit mehrfachen
Knickungen und Biegungen gegen den Schläfenpol, ohne diesen zu erreichen.
Sie besteht oft aus einem occipitalen und einem temporalen Stück. Die occipitale
Furche kann mit der 3. Temporalfurche zusammenfließen. Sie hat bedeutende Tiefe
und wölbt den Boden des Hinter- und Unterhornes in verschiedener Stärke vor
als Eminentia collateralis (Meckeli); daher ihr Name.
Auf der dorsolateralen Fläche (Fig. 91, 92) liegen:
;'. Sulci occipitales superiores.
ö. Sulci occipitales laterales.
4. Furchen des Schläfenlappens.
Die Grenzen des Schläfenlappens (Fig. 136) sind: die Fissura cerebri lat.,
die Fissura hippocampi, und die schon bei den Grenzen des Scheitellappens erwähnte
Linie vom Ramus post. fissurae cerebri lat. zur Impressio petrosa (punktiert in
Fig. 136). Auf der basalen Fläche ist keine Grenze zwischen ihm und dem
Hinterhauptlappen ausfindig zu machen.
Die Flächen des Schläfenlappens sind eine der Insel zugekehrte dorsale
Fläche, eine laterale und eine basale. Von Kanten sind eine dorsale, eine late-
rale, eine mediale vorhanden.
124 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Der Schläfenlappen enthält folgende Furchen:
a. Sulci temporales transversi (Schwalbe); 1 — 4 Furchen, welche an
der dorsalen Fläche des Schläfenlappens vorkommen; am tiefsten sind die der
hinteren Hälfte.
ß, ■/, ö. Sulcus temporalis superior, tnedius und inferior (Fig. 91,
121, 122). Von ihnen liegen die beiden ersten an der lateralen, der letzte auf der
basalen Fläche. Die obere Temporalfurche heißt auch Parallelfurche. Sie ver-
läuft dem Ramus posterior fissurae lateralis ungefähr parallel und ähnelt auch darin
dieser Fissur, daß sie einen aufsteigenden Ast an ihrem hinteren Ende ent-
wickelt. Der Sulcus temporalis medius entspricht der lateralen Kante; er besteht
meist aus einzelnen Stücken, seltener stellt er eine einheitliche Furche dar.
f. Fissura collateralis (Fig. 121, 122) beginnt in einiger Entfernung vom
Schläfenpol und zieht zum Hinterhauptpol.
-'. Fissura hippocampi (Fig. 121, 122). Sie ist die Fortsetzung des Sulcus
corporis callosi auf den Schläfenlappen. Sie liegt sehr versteckt und scheidet
den Gyrus dentatus vom Gyrus hippocampi.
//. Windungen, Gyri.
a) Windungen des Stirnlappens.
Auf der äußeren Fläche. Fig. 91, 92:
1. Gyrus centralis anterior, vordere Zentralwindung. Sie liegt
zwischen Sulcus centralis und praecentralis und reicht von der Fissura cerebri
lat. bis auf die mediale Fläche der Hemisphäre.
2. Gyrus frontalis superior, obere Stirnwindung. Sie liegt zwischen
dem Sulcus frontalis superior und dem Sulcus cinguli. Die hintere Grenze bildet
der Sulcus praecentralis. Sie besitzt eine dorsale und eine mediale Fläche und
verschmälert sich vorn.
3. Gyrus frontalis medius, mittlere Stirnwindung. Sie liegt zwi-
schen dem Sulcus frontalis sup. und dem Sulcus frontalis inf., ist die breiteste
aller Stirnwindungen und läßt häufig zwei Abteilungen, Pars sup. et inf., unter-
scheiden.
4. Gyrus frontalis inferior, untere Stirnwindung. Sie liegt zwischen
dem Sulcus frontalis inf. und der Fissura cerebri lat. Die hintere Grenze ist der
Sulcus praecentralis. Durch die Rami antt. der Sylvischen Furche wird sie in drei
Stücke zerlegt, welche von vorn nach hinten heißen: Pars orbitalis, Pars
triangularis, Pars opercularis.
Auf der orbitalen Fläche des Stirnlappens finden sich folgende Win-
dungen (Fig. 96, 109).
5. Gyri orbitales sind unregelmäßig verlaufende Windungen, welche durch
die Sulci orbitales und den Sulcus olfactorius begrenzt werden.
6. Gyrus rectus liegt zwischen dem Sulcus olfactorius und der Fissura
longitudinalis cerebri.
Auf der medialen Fläche (Fig. 95) liegen abgesehen vom Gyrus rectus
und vom Gyrus frontalis sup.:
7. Gyrus subcallosus (Pedunculus corporis callosi) verläuft parallel
dem Rostrum corporis callosi, wird vorn vom Sulcus parolfactorius post. begrenzt,
Das Gehirn: Äußere Oberfläche der Hemisphären. 125
beginnt an der Substantia perforata ant. und geht in die Stria longitudinalis me-
dialis des Corpus callosum über.
8. Area parolfactoria (Brocae) liegt zwischen Sulcus parolfactorius ant.
und post.
9. Gyrus cinguli ist ein Teil des Gyrus fornicatus. Er befindet sich
zwischen dem Sulcus corporis callosi und dem Sulcus cinguli.
10. Lobulus paracentralis gehört zum größten Teil dem Stirnlappen an.
Er ist die Verbindung zwischen dem Gyrus centralis ant. und post. und wird nach
unten und hinten begrenzt vom Sulcus cinguli, nach vorn von einem Ast dieses
Sulcus, welcher früher als Sulcus paracentralis besonders benannt wurde.
Septum pellucidum. Fig. 95, 100, 104, 126.
Das Septum pellucidum liegt in der Mittellinie; es ist ausgespannt zwischen
dem vorderen Ende des Truncus corporis callosi, dem Rostrum corporis callosi,
der Lamina rostralis, der Commissura ant. und den Columnae fornicis. Es trennt
die Cornua antt. der beiden Seitenventrikel voneinander, und besteht aus zwei
dünnen Blättern, Laminae septi pellucidi, welche meist einen verschieden
großen Hohlraum, Cavum septi pellucidi, einschließen, oft aber auch voll-
ständig miteinander verklebt sind. Ihre einander zugekehrten Oberflächen sind
von Endothel bekleidet.
Die Laminae septi pellucidi sind Teile der medialen Flächen der Großhirnhemisphärenbläschen.
Sie werden durch die Entwicklung des Balkens von den angrenzenden Teilen der Stirnlappen getrennt.
b) Windungen des Scheitellappens.
Auf der äußeren Fläche. Fig. 91, 92:
1. Gyrus centralis posterior, hintere Zentralwindung. Die hintere
Zentralwindung läuft der vorderen parallel und ist von ihr durch den Sulcus cen-
tralis getrennt.
2. Lobulus parietalis superior, oberes Scheitelläppchen, wird durch
den Sulcus interparietalis vom unteren Scheitelläppchen getrennt. Die vordere
Grenze ist durch das Ende der Pars marginalis sulei cinguli, die hintere durch die
Fissura parieto-occipitalis gegeben.
3. Lobulus parietalis inferior, unteres Scheitelläppchen. Liegt
unterhalb des Sulcus interparietalis und besteht aus zwei Windungen, dem Gyrus
supramarginalis, welcher um das obere Ende des Ramus post. fissurae cerebri
lat. herumgelegt ist und dem Gyrus angularis, welcher um das obere Ende
des Sulcus temporalis sup. herumgelegt ist.
Auf der medialen Fläche (Fig. 95) liegen:
4. Praecuneus, Vorzwickel, ist vorn von der Pars marginalis sulei
cinguli, hinten von der Fissura parieto-occipitalis, unten vom Sulcus subparietalis
begrenzt.
5. Gyrus cinguli, welcher im Bereich des Scheitellappens zwischen dem
Sulcus corporis callosi und dem Sulcus subparietalis liegt.
c) Windungen des Hinterhauptlappens.
Auf der äußeren Fläche. Fig. 91, 92:
1. Gyri occipitales superiores, obere Hinterhauptwindungen werden
durch die gleichnamigen Furchen abgegrenzt.
126 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
2. Gyri occipitales laterales, seitliche Hinterhauptwindungen
werden durch die gleichnamigen Furchen abgegrenzt.
Auf der medialen Flache. Fig. 95:
3. Cuneus, Zwickel, welcher zwischen der Fissura parieto-occipitalis und
der Fissura calcarina liegt.
Auf der unteren Fläche. Fig. 121, 122:
3. Gyrus lingualis, zungenförmige Windung. Sie gehört zum Teil
auch der medialen Fläche des Hinterhauptlappens an, zum Teil auch dem Schläfen-
lappen. Sie liegt zwischen Fissura calcarina und Fissura collateralis, erreicht hinten
den Occipitalpol und hängt vorn durch eine schmale Verbindung mit dem Isthmus
gyri fomicati zusammen.
d) Windungen des Schläfenlappens.
1. Gyrus temporalis superior, obere Schläfenwindung (Fig. 91).
Die erste Schläfenwindung erstreckt sich vom Schläfenpol bis zum Ende des Ramus
posterior fissurae lateralis, wo sie sich in den Gyrus supramarginalis und angu-
laris des Lobulus parietalis inferior fortsetzt. Dorsal ist sie von der Fissura lateralis,
ventral vom Sulcus temporalis superior begrenzt.
Die Sylvische (obere) Fläche dieser Windung zeigt in der vorderen Hälfte
nur schwach ausgeprägte, in der hinteren Hälfte 2 — 3 — 4 deutliche Gyri tempo-
rales transversi; der vordere der letzteren, G. temporalis transversus anterior,
ist konstant vorhanden.
Die obere Schläfenwindung geht bei männlichen Gehirnen links häufig unmittelbar in die
vordere quere Schläfenwindung über (Heschl).
2. Gyrus temporalis medius, mittlere Schläfenwindung (Fig. 91).
Sie liegt zwischen der oberen und der meist in mehrere Stücke zersprengten
mittleren Schläfenfurche, kann vorn den Schläfenpol erreichen und geht hinten in
den hinteren Teil des Lobulus parietalis inferior, oder auch in den Hinterhaupt-
lappen über.
3. Gyrus temporalis inferior, untere Schläfenwindung(Fig.91,96, 122).
Zwischen Sulcus temporalis medius und inferior gelegen; gegen die vorige Windung
meist schwer, leichter in der Regel gegen den Gyrus fusiformis abzugrenzen. Sie
wird von der lateralen Temporalkante durchlaufen, hängt am Schläfenpol mit der
mittleren Schläfenwindung zusammen und wendet sich mit ihrem hinteren Teil auf-
steigend gegen den Hinterhauptlappen.
4. Gyrus fusiformis, Spindelwindung, Spindelläppchen (auch Gyrus
temporalis IV genannt) (Fig. 96, 121, 122). Von der Fissura collateralis und dem
Sulcus temporalis inferior begrenzt und daher der basalen Fläche des Schläfen-
lappens angehörig. Sie erstreckt sich von der Gegend des Temporalpoles in meist
spindelförmiger Gestalt gegen den Hinterhauptlappen und geht in ihn über.
5. Gyrus hippocampi (Fig. 121, 122) liegt zwischen der Fissura collateralis
und der Fissura hippocampi. Er ist der untere Teil des Gyrus fornicatus,
dessen oberer Teil der Gyrus cinguli ist. Die Grenze zwischen den beiden Teilen
des Gyrus fornicatus bildet der Isthmus gyri fomicati, welcher in der Gegend
des Splenium corporis callosi liegt und mit dem vorderen Ende des Gyrus lingualis
zusammenhängt. Der Gyrus hippocampi endigt hinter dem Schläfenpol mit einer
kurzen zurücklaufenden Windung, Haken, Uncus (gyri hippocampi), an
welchem Fascia dentata und Fimbria hippocampi ihr vorderes Ende finden. Seine
Das Gehirn: Äußere Oberfläche der Hemisphären.
127
Oberfläche ist nicht rein grau, sondern von einer netzförmig ausgebreiteten
Lage weißer Substanz überzogen, der Substantia reticularis alba (Arnoldi),
welche aus dem den Balken seitlich umkreisenden Fasersystem des Cingulum
stammt.
Fig. 138.
Fig. 138. Fascia dentata der linken Hemisphäre.
1 Gyrus hippocampi ; 2 — 2 Uncus gyri hippocampi; 3 Fascia
Ficr 1^7 dentata; 4 Fimbria hippocampi ; 5 Uncus-Bä ndch en.
Fig. 137. Mediale Fläche der linken Hemisphäre eines Fetus.
/ Stirn-, // Scheitel-, III Hinterhaupt-, IV Schläfen-, V Schwalbes Sichellappen.
1 Fasciculus thalamo-mamillaris; 2 Corpus mamillare ; 3 Corpus fornicis; 4 Fimbria hippocampi; 5 Fascia dentata; 5' — 5"
seine Fortsetzung nach vorn als Fasciola cinerea und Stria longitudinalis lat. . zusammen einen rudimentären Gyrus dar-
stellend; 6 Uncus-Bändchen; 7 — 7 Uncus; 8 — 8 Corpus callosum ; 9 Commissura anterior.
6. Fascia dentata hippocampi (Fig. 121, 137, 138). Das eigentümliche,
eine rudimentäre Windung darstellende Gebilde liegt zwischen der Fimbria hippocampi
und dem Gyrus hippocampi eingefalzt und zeigt sich als ein schmales graues
Blatt mit gekerbtem freiem Rande, welches von der Fissura hippocampi aus leicht
zugängig ist. Sein dorsales dem Balken-
wulst aufliegendes Ende ist ungekerbt und
heißt Fasciola cinerea. Einer vorderen
Fortsetzung der Fasciola cinerea auf der
dorsalen Fläche des Balkens werden wir
als Stria longitudinalis lateralis des
Balkens begegnen.
Vom Uncus-Ende der Fascia dentata
setzt sich ein dünner bandförmiger Streifen,
dasUncus-Bändchen (Giacomini), über
die laterale Fläche des Uncus hinweg zur
medialen Seite desselben fort und ver-
schwindet hier unter zunehmender Ver-
dünnung. Fig. 138.
Mit dem Namen grand lobe limbique
hatte Broca jenen Teil des Hirnmantels als be-
sonderen Lappen ausgeschieden, welcher durch
den Gyrus cinguli, Gyrus hippocampi und Lobus
olfactorius dargestellt wird. Schwalbe läßt den Lobus olfactorius als besonderen Lappen be-
stehen, erweiterte die Ausdehnung des Lappens, indem er als Sichel läppen jenen Mantelteil
bezeichnet, welcher den Gyrus cinguli und hippocampi, das Septum pellucidum und den Gyrus
dentatus umfaßt; die letzteren zwei Gebilde sind Abkömmlinge eines bestimmten bogenförmigen
Teiles der embryonalen Hirnwand, des sogenannten Randbogens derselben; die getroffene Modi-
fikation erscheint hiernach begründet.
Die Windungen des Seh walb eschen Sichellappens bestehen demgemäß aus zwei kon-
Abgrenzung des Schwalbeschen Sichellappens
(punktiert.)
Mediale Fläche der rechten Großhirn-Hemisphäre.
/ Stirn-, // Scheitel-, /// Hinterhaupt-, IV Schläfen-,
V Sichellappen. — 3 Fissura parieto-occipitalis; 4 Sulcus
cinguli; 4' dessen Pars marginalis; 4" Sulcus subparie-
talis; 5 Fissura collateralis; 6 Fissura chorioidea ; / Im-
pressio petrosa; b Balken; s Septum pellucidum.
128 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
zentrischen Zügen, einem äußeren und einem inneren, die vorn unten offen sind und zugleich
ineinander übergehen. Fig. 139.
a) Der äußere Zug wird dargestellt durch den Gyrus fornicatus, welcher aus dem Oyrus
cinguli und dem Gyrus hippocampi besteht.
b) der innere Zug, Gyrus marginalis internus, besteht aus dem Septum pellucidum und
der Fascia dentata hippocampi.
Die B. N. A. haben den Sichellappen nicht als besonderen Teil des Hirnmantels dargestellt,
deshalb sind in unserer Beschreibung die einzelnen Teile des Schwalbeschen Sichellappens an
verschiedenen Stellen erwähnt.
Alle Windungen und Gebiete, die auf der medialen Fläche der Hemisphäre um deren kon-
kaven Innenrand herumliegen: der Gyrus hippocampi, Gyrus cinguli, Fascia dentata, die Stria
longitudinalis lateralis des Balkens (s. weiße Substanz), der Hippocampus, sind bei Tieren mit sehr
ausgebildeten Riechorganen stark entwickelt, dagegen beim Menschen und bei Tieren, die nur
kleine Riechlappen haben, ziemlich atrophisch, beim Delphin, der gar keinen Riechlappen hat, sehr
zurückgebildet (Broca; Zuckerkandl).
Retzius, G., Zur Morphologie des Gyrus dentatus und seiner Umgebung. Biolog. Unters. VIII,
1898. — Smith, G. EH., The Fascia dentata. Anat. Anz. XII, 1896.
Allgemeines über Hirnwindungen.
Schon auf Seite 67 wurde bemerkt, daß das Gesamthirn verschiedener Individuen mehr oder
weniger bedeutende Veränderlichkeit der Form, der Größe und des Gewichts erkennen läßt; jede der
sechs Hauptabteilungen des Gehirns, wenn sie bei einer großen Zahl von Individuen untereinander
verglichen werden, zeigt wieder ihre besondere Variabilität. In besonderem Grade ist dies der Fall
bei den Furchen und Windungen, sei es des Kleinhirnes oder des Endhirnes. Schon die rechte und
die linke Seite desselben Hirnes sind einander nicht ganz gleich; sie können sogar beträchtliche
Unterschiede enthalten. Um so weniger sind die Gehirne verschiedener Individuen einander gleich.
Aber auch die Gegenseite ist zu betrachten. Die Zeit ist noch nicht lange vorüber, in der
man die Windungen des Gehirns als ein durchaus unregelmäßiges, ordnungsloses Gewirr mäandrischer
Züge ansah und auch Abbildungen lieferte, welche einem Bündel von Darmschlingen, oder viel-
mehr, da auch die Darmschlingen kein ordnungsloses Gewirr bilden, einer Schüssel von Makkaroni
ähnlicher sahen, als einem Gehirn, wie ein Autor sich mit Grund ausdrückte. Man weiß jetzt, daß
ein typischer Plan in der Ausbildung der Furchen und Windungen, d. i. in der Gehirnfaltung,
vorhanden ist, trotz der vielen Verschiedenheiten. Man weiß ferner, daß für jede Tierspezies der
Windungsplan ein besonderer, wenn auch oft sehr ähnlicher ist, sofern das betreffende Gehirn über-
haupt Windungen besitzt, daß die verschiedenen Windungspläne einander näher oder entfernter
liegen, und daß hiernach eine begrenzte Anzahl von Haupttypen der Hirnfurchung vorliegt. Bei
diesen Betrachtungen wird man es nicht umgehen können, die Frage zu stellen, wozu denn über-
haupt Windungen vorhanden sind, wie sie zustande kommen, welche Verlaufsrichtungen sich in
ihnen aussprechen und ob sie zu den Hirnfunktionen in gewissen Beziehungen stehen.
/. Ursachen der Hirnwindungen.
Eine große Verbreitung gewann die Ansicht, der umgebende Schädel sei als Ursache der
Hirnwindungen anzusprechen. Er setze den Ausdehnungsbestrebungen der Hirnwand einen Wider-
stand entgegen und nötige sie dadurch, sich in Falten zu legen. Andere betrachteten zwar den
Schädel nicht als die nächste Ursache der Windungen, sondern schrieben ihm nur einen gewissen
Einfluß zu, wie auf die Gesamtform des Gehirns, so auf die Anlagen der Furchen und Windungen.
Der Schädel kann durch das Gehirn beeinflußt werden und z. B. bei Hydrocephalus des Gehirns
gewaltige Dimensionen erreichen, andererseits kann aber auch das Gehirn durch den Schädel
beeinflußt werden, z. B. durch vorzeitigen Verschluß von Schädelnähten, durch künstliche Miß-
staltung des Schädels. Lange Schädel zeigen vorwiegend longitudinalen, breite vorwiegend
queren Windungstypus des Gehirns.
Die Annahme von Reichert, daß die Ursache der Furchen und Windungen in der arte-
riellen Gefäß Verästelung enthalten sei, fand verschiedene Anhänger; eingehendere Beobach-
tungen zeigten jedoch so zahlreiche Ausnahmen von der behaupteten Übereinstimmung der Gefäß-
verästelung mit der Hirnfurchung, daß schon aus diesem Grunde Bedenken erwuchsen.
Das Gehirn: Äußere Oberfläche der Hemisphären. 129
Endlich war es die Hirnwand selbst, in deren Wachstum die wesentliche Ursache der
Windungen gesucht wurde; die Möglichkeit eines gewissen Einflusses des umgebenden Schädels,
ja des ganzen umgebenden Kopfes auf die Gestaltung der Hirnfurchung blieb dabei noch immer
offen und wurde von den meisten mit in Rechnung gebracht: Wundt suchte die Ursache in
Spannungen der Oberfläche, hervorgerufen durch verschieden rasches Wachstum des Gehirns nach
den einzelnen Richtungen. Heschl suchte die Ursache im Wachstum der weißen, andere Autoren
im Wachstum der grauen Substanz.
Anders steht es mit der Frage nach dem nächsten Zweck, welcher durch die Windungen
erreicht wird. Das Ergebnis der Hirnfaltung ist zweifellos eine bedeutende Oberflächen Ver-
größerung der grauen Rinde bei gegebener Dicke der letzteren und bei begrenztem Raum. Die
weiße Substanz, ein Erzeugnis der an Ort und Stelle oder an entferntem Platze gelegenen grauen,
hat hierdurch um so leichter die Gelegenheit zu ausgedehnten Beziehungen. Man könnte daran
denken, daß Furchen auch die Aufgabe zu erfüllen hätten, physiologische Rindengebiete ab-
zugrenzen. Dies ist aber als durchgehende Erscheinung keineswegs der Fall; das gleiche physio-
logische Rindengebiet kann von Furchen durchschnitten werden (vergl. darüber S. 178 — 181).
2. Richtung der Hirnfurchen.
Das Kleinhirn zeigt überwiegend queren Windungstypus, es ist also ein sehr bedeutendes
sagittales Wachstum in der Rinde des Kleinhirns ausgesprochen. Was das Endhirn betrifft, so hat
vor Jahrzehnten insbesondere Huschke zu zeigen versucht, daß, wie es von den Karnivoren und
Ungulaten feststeht, so auch bei den Primaten und dem Menschen mehrere Bogenwindungen
vorkommen, welche um die Sylvische Spalte herumgelegt sind und fast alle Windungen in sich
schließen (Fig. 140, 141); Huschke nannte diese Windungen Urwindungen. Vom Stirnpol aus-
gehend und um das hintere Ende der Fissura lateralis umbiegend, zieht sich bis zum Schläfenpol
in der Tat ein System von Bogenwindungen. Es umfaßt dorsolateral drei große Züge, ent-
sprechend der Zahl der Stirn- und Schläfenwindungen. Die I. Schläfenwindung entspricht der III. Stirn-
windung ; letztere wäre daher I. Stirnwindung zu nennen ; die II. Schläfenwindung der IL Stirnwindung,
die III. Schläfenwindung der I. Stirnwindung. Auf der medialen Fläche bietet sich ebenfalls eine
gewisse Stütze für die genannte Betrachtungsweise. Der Hinterhauptlappen, als ein aus dem Ring-
lappen sekundär nach hinten stärker ausgewachsener Vorsprung, kommt nicht unmittelbar in Betracht.
Eine Störung der Bogenwindungen wird auf der konvexen Hirnoberfläche durch die Zentral-
windungen gesetzt; auch auf der medialen Hemisphärenwand gibt es Windungen, welche mit
Bogenfurchen nichts zu tun haben. Doch ist die Erklärung dieser Störung leicht zu geben.
Querfurchen sind ein Ausdruck für gesteigertes Längenwachstum, Längsfurchen für gesteigertes
queres Wachstum. Warum sollte in einem Gehirn, das so sehr in die Länge und Breite und Höhe
zu wachsen hat, nur eine Richtung von Furchen sich ausprägen? Die Längsfurchen werden,
da der Hemisphärenmantel ringförmig ist, wesentlich bogenförmig sich gestalten müssen, die
Querfurchen werden leicht zu Ra diärfurchen. Annähernd ergibt sich also eine Furchung der
Hirnhemisphären, wie sie eine durch Meridian- und Äquatoriallinien eingeteilte Kugel zeigt.
3. Oyrifizierung und Intelligenz.
Gyrifizierung des Gehirns und Intelligenz stehen in keinem einfachen Verhältnis; dies zeigt
die Beobachtung am Menschen, zeigt insbesondere die Gehirnlehre der Tiere und kann nach dem
Bisherigen auch nicht anders erwartet werden. In der Tierreihe und sogar bei den Primaten kommen
gyrencephale (mit Hirnwindungen versehene) und lissencephale (mit glatter Hirnwand ver-
sehene) Gattungen vor. Es gibt sehr intelligente Affen mit fast glattem Gehirn, dagegen stark gyri-
fizierte Hirne bei wenig intelligenten Tieren, wie beim Schaf und Rind. In dieser Hinsicht gilt der
von Dareste begründete Satz: kleine Tiere haben, gleichgültig, welcher Ordnung sie angehören,
im allgemeinen glatte oder nur wenig gefurchte Hirne, große dagegen stark gefurchte. In einer
und derselben Tierabteilung wird die Furchung um so verwickelter, je größer die Art ist. Wenn
bei systematisch verwandten, an Größe aber sehr verschiedenen Tieren die Hirngröße mit der
Körpergröße wachsen muß, damit die Intelligenz dieselbe bleibt, so würden die Hirnvolumina wie
die Kuben ihrer Durchmesser wachsen; ein Gehirn von der zweifachen Länge und Breite eines
anderen übertrifft letzteres achtmal an Volum. Die Oberflächen aber wachsen nur wie die Quadrate
der Durchmesser und würden sich in dem gedachten Fall wie 1 : 4 verhalten. Das achtmal volu-
Raubee-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 7
130 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
minösere Cieliirn hätte nur eine viermal größere Oberfläche. Soll letztere um ebenso viel wachsen
wie das Volum, so muß sie sich in Falten legen (Baillarger). Bei gleich voluminösen Indivi-
duen derselben Art, mit gleich voluminösen Gehirnen, wird das windungsreichere, unter im übrigen
gleichen Bedingungen und auch gleicher Dicke der grauen Rinde, das intelligentere sein. Siehe
auch oben S. 67.
Stieda hat das Gehirn des Sprachkundigen Sauerwein, welcher 40 — 50 Sprachen be-
herrschte, untersucht und kommt zu dem Schlüsse: „Die anatomische Untersuchung der verschieden
gestalteten Oberfläche der Hirnhemisphären ergibt keine Anhaltspunkte, auf deren Grundlage die
höhere oder geringere Begabung der Hirnbesitzer oder einzelne hervorragende Fähigkeiten, geistiger
wie manueller Art, erkannt werden können. — Aus dem materiellen Substrat kann man auf die
Verrichtungen nicht schließen." (Zeitschr. Morphologie und Anthrop. XI, 1907.)
4. Schemata der Hirnfurchung.
Nachdem schon Pansch auf Grundlage der im sechsten Monat des Fetallebens erscheinenden
sogenannten primären Furchen das Gebiet der Hemisphäre in zwölf kleinere Abteilungen zerlegt
hatte, die er als Primärwülste oder Lobuli cerebrales bezeichnete, schlug Eberstaller ebenfalls
den entwicklungsgeschichtlichen Weg ein, mit dem Bestreben, die Variationstendenz der Hemisphäre
aufzuhellen. Er bezeichnete es mit Recht als einen Fehler, zu sehr zu schematisieren und hob
besonders die Notwendigkeit hervor, die Tief en Windungen voll zu berücksichtigen, indem sie
die Ornamentik der Gehirnoberfläche wesentlich beeinflussen. Wo Tiefenwindungen vorkommen,
zeigen sie an, daß eine bei oberflächlicher Betrachtung einheitliche Furche aus ebenso vielen
Furchen teilstücken hervorgegangen ist, als sie Tiefenwindungen birgt, oder auch, daß benach-
barte Furchen hier irregulärerweise zusammengeflossen sind. Die Kenntnis der Stellen, wo
Tiefenwindungen in relativer Mehrzahl der Fälle vorkommen, gibt uns hiernach einen wichtigen
Schlüssel für das Verständnis der innerhalb physiologischer Grenzen vorkommenden Varia-
tionen. Ein Schema der Großhirnwindungen darf also, soll es brauchbar sein, der Angabe dieser
Stellen nicht entbehren.
Treten Tiefenwindungen an die Oberfläche, so fixieren sie die Tatsache der fetalen Anlage einer
Furche aus mehreren Teilstücken. Das Oberflächlichwerden ist also nicht als ein aktiver Vorgang auf-
zufassen, sondern im Gegenteil als das Ergebnis des nicht völligen Zusammentreffens von in der
ersten Anlage schon getrennten Furchenteilstücken. Schon hierdurch können mannigfaltige individuelle
Variationen hervorgerufen werden. Sie werden noch verwickelter, wenn ein irreguläres Zusammen-
fließen sonst getrennter Furchen stattfindet. So kann die Pars ascendens der ersten Schläfenfurche
mit der Pars horizontalis unvereinigt bleiben, dagegen mit der Interparietalfurche zusammen-
fließen. Ebenso kann der hintere Endast der Sylvischen Fissur losgetrennt sein, um mit der
Interparietalfurche zusammenzufließen usw.
Was den physiologischen Wert der Übergangswindungen betrifft, so könnte man von
denjenigen, die im Verlauf einer normalen Furche vorkommen und oberflächlich bleiben, glauben,
sie stellten eine Art Hemmungsbildung, ein Zurückbleiben auf niederer Stufe dar. So wird es sich
auch in der Tat verhalten in Fällen, in welchen eine zusammengesetzte Furche einfach unterbrochen
wird. In der Regel aber verlaufen die Übergangswindungen mehr oder weniger stark geschlängelt
und sind als Erzeugnis eines gesteigerten Wachstums aufzufassen, welches die Enden der Teilstücke
nebeneinander vorbeiführte; statt sie ineinander münden zu lassen, sind sie übereinander hinaus-
gelangt. So sind sie beteiligt bei der Ausbildung des Windungsreichtums. Da die Primär-
furchen vorherrschend sagittal verlaufen, werden die sie unterbrechenden geschlängelten Übergangs-
windungen dazu beitragen müssen, dem Gehirn einen mehr transversalen Typus der Windungen
zu verleihen. So kann gerade der Mangel an Tiefenwindungen und der vorherrschende sagittale
Windungstypus als der inferiore gegenüber dem anderen erscheinen, und kann umgekehrt die Zer-
sprengung der typischen Furchen unter Umständen ein Zeichen weiterer Entwicklung sein.
5. Korrelation der Hirnfurchen und Hirnwindungen.
Wenn eine bedeutende, schon in der Fetalzeit auftretende primäre Hirnfurche einen stärker
irregulären Verlauf hat, so wird es leicht geschehen können, oft geschehen müssen, daß andere,
zumal benachbarte Furchen davon beeinflußt und ihrerseits von der Norm abgelenkt werden. Schon
jene erste ungewöhnliche Furche wird ein Zeichen sein von geänderten Wachstumsvorgängen, die
Das Gehirn: Äußere Oberfläche der Hemisphären. 131
nicht an Ort und Stelle liegen müssen, sondern auch aus weiterer Ferne ihre Wirkung geltend
machen können. Irregularitäten kommen daher an einem Gehirn oft nicht vereinzelt, sondern ge-
häuft vor. Es wäre eine dankbare Aufgabe, schon von rein mechanischen Gesichtspunkten aus das
Problem der Korrelation der Hirnfurchen an einem Körper von gleicher Form und ähnlichen physi-
kalischen Verhältnissen genauer zu untersuchen, als es bisher geschehen ist.
6. Irreguläre Hirnfurchung und Verbrechertypus.
Über diesen Gegenstand gibt es bereits eine kleine Literatur. Man hat, was nahe lag, irregu-
lären Windungstypus mit psychischer Störung, dabei auch mit der Anlage zu Verbrechen in Ver-
bindung gebracht. Der Gegenstand ist, was den letzteren Punkt betrifft, noch nicht hinreichend
erledigt, so daß es genügen wird, hierauf hingewiesen zu haben.
7. Variabilität der Hirnwindungen.
a) Die Windungen beider Hemisphären.
Die Anordnung der Furchen auf beiden Hemisphären eines und desselben Gehirns ist nur selten
bis zu einem gewissen genaueren Grade symmetrisch, wie schon erwähnt wurde. Die Abweichungen
können sehr beträchtlich sein. Eine etwas genauere symmetrische Anordnung hat man sogar als ein
schädliches Moment und als disponierend zu Geisteskrankheiten betrachtet.
G. Retzius (1896) findet an 35 rechten und 40 linken männlichen Hemisphären, bei Ver-
gleichung der prozentischen Zahlen, im großen und ganzen die Unterschiede der Furchung nur
unbedeutend. Kleinere Abweichungen sind nach ihm eher als zufällig zu betrachten.
b) Individuelle Verschiedenheiten der Furchen und Windungen.
Der Reichtum an sekundären und besonders an tertiären Windungen kann individuell sehr
verschieden sein. Dies ist schon bei gleich großen Gehirnen der Fall und kann bei größeren sich
noch wesentlich steigern.
Die wichtigsten individuellen Variationen wurden bereits im Vorausgehenden hervorgehoben.
Im allgemeinen ist noch hinzuzufügen, daß die Fissuren zwar konstant vorkommen, dennoch aber
sogar bei ihnen Verschiedenheiten in Richtung, Länge und Tiefe gefunden werden. Was die Primär-
furchen betrifft, so können von ihnen einzelne sogar fehlen. Sernoff stellte an 100 Gehirnen,
die auf die Konstanz der Furchen untersucht wurden, fest, daß der Sulcus frontalis superior und
inferior, ebenso der S. interparietalis zwar in der Mehrzahl der Fälle, aber nicht konstant vorkommen.
Der Sulcus centralis, praecentralis inferior, temporalis superior, occipitotemporalis, cinguli und olfac-
torius fehlten in keinem Falle. Was den Sulcus olfactorius betrifft, so ist sein Vorkommen vielleicht
durch die Konstanz des Riechlappens bedingt, und es ist fraglich, ob er bei mangelndem Riech-
lappen zur Ausbildung käme. Er kann, da besondere Verhältnisse bei seiner Entstehung mitwirken,
nicht unmittelbar mit den übrigen verglichen werden. In der Mehrzahl der Fälle fand Sernoff
außer den genannten noch den Sulcus praecentralis superior, retrocentralis, temporalis inferior und
orbitalis entwickelt.
cj Einfluß des Alters.
Die Entwicklung der Fissuren und primären Furchen vollzieht sich schon innerhalb des intrau-
terinen Lebens. Die Entwicklung der sekundären und tertiären Furchen ist dagegen mit der -Geburt
noch nicht abgeschlossen, sondern dauert noch einige Zeit nach derselben (nach Sernoff nur einen
Monat) fort. Engel stellte fest, daß auffallend breite Gyri besonders in der Blüte der Jahre (bei
Männern) vorkommen, bei jüngeren und älteren Personen aber fehlen. Die Stellung des Sulcus cen-
tralis erfährt im Laufe des Wachstums eine Änderung (Hamy), indem diese Furche bei Kindern
schräger gestellt ist als bei Erwachsenen; der nach vorn offene Winkel, welchen sie mit der Median-
linie bildet, nimmt von 52 bis 70 Grad zu. Hieran ist die stärkere Ausbildung der dritten Stirn-
windung beim Erwachsenen beteiligt.
d) Einfluß der Schädelform.
Das dolichocephale Gehirn zeichnet sich aus durch überwiegend longitudinale Ausbildung
der Windungen, das brachycephale durch die Neigung zur Bildung transversaler Windungen. Die
typischen sagittalen Windungen entwickeln zahlreiche quere Seitenbrücken, die schräg gestellten
werden der transversalen Stellung genähert. Dies gilt besonders von den Zentralwindungen und
Scheitelwindungen.
7*
132 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
e) Einfluß der Rasse.
Die typischen Furchen und Windungen kehren bei den Gehirnen aller Rassen wieder, was
Tiedemann zuerst am Gehirn des Negers und Buschmannes zeigte. Neuere Untersuchungen
an Negerhirnen weisen nach, daß im Windungscharakter sich eine größere Einfachheit ausspricht, als
beim Weißen. In 9 von 13 Fällen war die Insel nicht ganz bedeckt. In einem Falle lag die sonst
versteckte Zwickelwindung oberflächlich, wie bei den Affen. Von neueren Arbeiten auf diesem Gebiet
seien folgende erwähnt:
Retzius, G., Das Menschentum, mit Atlas von 96 Tafeln. Stockholm 1896. — Weinberg, R.,
Das Gehirn der Esten, mit 12 Tafeln. Kassel 1895. — Das Gehirn der Letten, mit Atlas von
20 Tafeln. Kassel 1896.
Die von verschiedenen Seiten ausgehenden Bestrebungen, allmählich eine Rassenanatomie
des Gehirns zu schaffen — unter allen Organen ist das Gehirn der in der Rassenanatomie am meisten
zurückgesetzte Teil geblieben — , verdienen alle Aufmunterung; denn es ist gewiß, daß wir uns noch
in den Anfängen dieser Lehre befinden, nicht allein bezüglich der Windungen des Endhirns, sondern
bezüglich der gesamten Hirnmorphologie. Jeder, der Gelegenheit hat, Rassenhirne zu sammeln oder
zu untersuchen, muß die Gelegenheit auch ergreifen, um dem noch bestehenden Mangel abzuhelfen.
Vor allem ist zu wünschen, daß von kundiger Hand zahlreiche Gehirne der Australneger gesammelt
werden. Es müssen allmählich sämtliche Rassen und ihre Unterabteilungen in den Kreis der Unter-
suchung gezogen werden.
f) Einfluß des Geschlechts.
Nach Huschkes und Wagners Beobachtungen hat der Stirnlappen im männlichen Geschlecht
eine bedeutendere Entwicklung als im weiblichen. In der neueren Zeit ist Rüdinger zu dem gleichen
Ergebnis gelangt. Er findet, daß schon im siebenten oder achten Monat des fetalen Lebens derartige
Geschlechtsverschiedenheiten bestehen. Beim männlichen Fetus ist der Stirnlappen mächtiger ent-
wickelt und früher mit sekundären Windungen versehen. Auch dem Scheitellappen des Mannes
kommt nach den Beobachtungen desselben Autors eine bevorzugte Ausbildung zu.
G. Retzius vergleicht 25 weibliche mit 75 männlichen Hemisphären und kommt zu dem
allgemeinen Ergebnis, daß die weiblichen Hemisphären etwas weniger Abweichungen vom Haupt-
typus, eine größere Einfachheit und Regelmäßigkeit darbieten. Die meisten Arten von Abweichungen
sind auch in den weiblichen Hemisphären nachweisbar; sie kommen aber in geringerer Prozentzahl
vor. Keine Anordnung der Furchen und Windungen im menschlichen Gehirn ist nachweisbar, welche
für das männliche oder für das weibliche Gehirn spezifisch wäre. —
g) Einfluß der Erziehung.
Ausgehend von dem Satze, daß ein Organ, welches stärker funktioniert und besser geübt wird,
eine ansehnliche Entwicklung erfährt, werden wir den Satz nicht unannehmbar finden, daß das Ge-
hirn und seine Windungen durch Erziehung und Unterricht in ihrer Entfaltung individuell günstig
beeinflußt werden. Neuerdings ist Rüdinger für die Richtigkeit dieses Satzes eingetreten.
8. Mikrocephalengehirne.
Am Schlüsse seiner Abhandlung „Vier Mikrocephalengehirne" (Biologische Unter-
suchungen, IX. Bd., 1900) beklagt es Retzius, daß die Mikro- bezw. Mikrencephalen von den Physio-
logen und Psychologen so selten genau untersucht wurden, bevor ihre Gehirne zur anatomischen
Untersuchung gelangten. „Falls eine solche Untersuchung vorläge, könnte es sich für die Anatomie
besser lohnen, diesen Gehirnen eine ins Einzelne gehende mikroskopische Analyse zu widmen,
die aber ohne solche Vorstudien kaum der Mühe wert ist."
Ohne Zweifel wird mit der Erfüllung dieser Bedingung die mikroskopische Untersuchung
interessantere Aufschlüsse liefern können; aber man vermißt sie dennoch auch im anderen Falle
sehr bedeutend; wäre nur der Erhaltungszustand der betreffenden Gehirne häufiger ein besserer,
als es der Fall zu sein pflegt. Schon die makroskopische Untersuchung hatte mit diesem Übel-
stande bisher teilweise schwer zu kämpfen.
Mikrocephalengehirne zeigen keinen bestimmten Typus, sondern sehr verschiedenartige Formen.
Dies beweist schon die von Retzius beschriebene Reihe für sich allein.
Das Gehirn: Äußere Oberfläche der Hemisphären.
133
9. Windungen von Tiergehirnen.
Die vergleichende Anatomie der Hirnwindungen ist zurzeit ein umfangreiches Kapitel der ver-
gleichenden Hirnlehre, auf das hier nur kurz verwiesen werden kann. Es wurde schon erwähnt, daß
in allgemeiner Hinsicht Iissencephale und gyrencephale Tiere unterschieden werden; doch
beziehen sich diese Ausdrücke nur auf das Endhirn; die Gyrifizierung des Kleinhirns ist von der des
Endhirns ganz unabhängig und ist in einem sehr viel größeren Tierkreise anzutreffen.
Von dem Verhältnis der Endhirnfurchung zur Tiergrüße ist bereits unter Nr. 3 die Rede gewesen.
Ebenso wurde schon hervorgehoben, daß jeder Tiergattung, wofern sie überhaupt Endhirnfurchung be-
sitzt, ein besonderer Windungsplan zukommt. Alle diese gruppieren sich um mehrere Hauptwindungs-
pläne mit vielen Unterabteilungen.
Fig. 140. Fig. 141.
Fig. 140. Laterale Fläche der linken Endhirn-Hemisphäre elnes;Orang-Utan. (Sammlung des zoologischen Institutes zu
Leipzig.) fm Sulcus frontomarginalis; Ol Sulcus orbitalis lateralis; oi Sulcus orbitalis medius; ra Ramus anterior fissurae
lateralis; fs Fissura lateralis; t1 Sulcus temporalis superior; t2 Sulcus temporalis medius; r3 hinteres Ende des Sulcus
temporalis tertius; fs Sulcus frontalis superior; fi Sulcus frontalis inferior; pc Sulcus praecentralis. inferior; c Sulcus centralis;
ps Sulcus postcentralis superior; p Sulcus interparietalis ; ot — ot1 Sulcus occipitalis transversus (Affenspalte); cm dorsaler
Einschnitt des Sulcus calloso-marginalis ; po Fissura parieto-occipitalis ; fc Endstück der Fissura calcarina. / Gyrus frontalis
superior; // Gyrus frontalis medius; /// Gyrus frontalis inferior s. tertius.
Fig. 141. Linke Hemisphäre des Gehirnes eines Hundes. 1 Sulcus cruciatus (Sulcus centralis); 2, 2, 2 Fissura lateralis;
3 Lobus olfactorius; 4 Gyrus praecentralis; 5 vorderer Teil des Stirnlappens; der Stirnlappen ist schraffiert.
Dem menschlichen Typus der Endhirnwindungen steht derjenige der Anthropoiden begreiflicher-
weise sehr nahe ; beide sind Unterabteilungen desselben Hauptplanes. Es fehlt nicht an Unterschieden
gegenüber dem menschlichen Typus; sie prägen sich insbesondere im Stirn- und Hinterhauptlappen
aus. Welches Anthropoidengehirn dem menschlichen am meisten benachbart sei, unterliegt noch ge-
wissen Zweifeln, Rauber hält dafür dasjenige des Orang-Utan. Wie sehr verschieden manche Fragen
der Furchung des Anthropoidengehirns noch beantwortet werden, darüber belehrt neuerdings die
sorgfältige Arbeit von Marchand „Über die Morphologie des Stirnlappens und der Insel derAnthro-
pomorphen*. Aus einer von Rauber schon vor Jahren ausgeführten, bisher aber nicht veröffent-
lichten Untersuchungsreihe, welcher auch die von Marchand erwähnten Gipsabgüsse von
Anthropoidengehirnen ihren Ursprung verdanken, sei hier nur eine dorsolaterale Ansicht des Orang-
hirnes beigefügt, um eine Vergleichung mit dem menschlichen anzuregen. Gegenüber anderen
Deutungen der Furchen des Oranghirnes, als sie hier gegeben ist, hält Rauber die vorliegende
Bezeichnung der Furchen und Windungen für die zutreffende. Fig. 140.
Einem entfernten Windungsplane gehört das Endhirn des Hundes an, worüber Fig. 141 zu
vergleichen ist.
Literatur.
L., Beiträge zur Affenanatomie: Über das Gehirn des Orang-Utan. Petrus Camper.
— Fischer, E. K., Windungen und Furchen des kindlichen Gehirns im ersten halben
Bolk
Bd. I, 1901.
134 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Lebensjahre. Petersburg 1902. — Guszmann, J., Beitrag zur Morphologie der Gehirnoberfläche.
Anat. Anz. XIX, 1901. G. beschreibt das Gehirn des Musikers R. Lenz, der Lobulus parietalis
inferior zeigt beiderseits eigenartige Gestaltung. — Retzius, G., Das Menschenhirn, Stockholm 1896.
— Derselbe. Das Gehirn des Mathematikers Sonja Kowalewski. Biol. Unters. IX, 1900. — Der-
selbe, Das Gehirn des Astronomen Hugo Gyldens. Biol. Unters. VIII, 1898. — Derselbe, Das
Affenhirn. Stockholm, Jena 1906. — Sperino, G., Descrizione morfologica dell' encefalo del Prof.
Carlo Giacomini. Internat. Monatsschr. XVIII, 1901. — Waldey er, W., Hirnfurchen und Hirn-
windungen. Hirnkommissuren, Hirngewicht. Merkel u. Bonnet, Ergebnisse VIII, 1898. — Derselbe,
Topographie des Gehirns. Nach einem Vortrage. Leipzig 1901. — Ziehen, Th., Das Zentralnerven-
system der Monotremen und Marsupialier, I.Teil, 1897. — Zuckerkand!, Zur Morphologie des
Affenhirns. Zeitschr. Morphol. und Anthropol. IV, 1902.
II. Ventrikuläre Oberfläche der Hemisphären.
Die innere oder ventrikuläre Oberfläche des Endhirns liegt in den Wänden
eines in der Hemisphäre enthaltenen flachen, langgestreckten Hohlraumes zutage,
der die äußere Form der Hemisphäre nachahmt und als Seitenventrikel,
Ventriculus lateralis, schon Erwähnung gefunden hat.
Jedem der vier Lappen der Großhirnhemisphäre entspricht ein Abschnitt des
Seitenventrikels. Das Vorderhorn, Cornu ant., liegt im Stirnlappen, der
zentrale Teil, Pars centralis im Scheitellappen, das Hinterhorn, Cornu
post., im Hinterhauptlappen, das Unterhorn, Cornu inf., im Schläfen-
lappen.
Der Ventriculus lateralis jeder Hemisphäre ist mit Ausnahme einer ein-
zigen Stelle, des ihn mit dem Ventriculus tertius verbindenden wichtigen Foramen
interventriculare (Monroi) allseitig geschlossen.
Die Anschauung, die man von dem Seitenventrikel und überhaupt vom
Ventrikelsystem des Gehirns durch die künstliche Eröffnung seiner Wände erhält,
wird wesentlich ergänzt durch Ausgüsse des Ventrikels mit erstarrenden Massen,
wie sie zuerst von Rauber und von Welcker hergestellt worden sind und wie
sie sich auch durch andere Methoden (Platten-Modelliermethode u. a.) in vergrößertem
Maßstabe herstellen lassen.
In Fig. 142, welche einen solchen Ausguß widergibt, bezeichnet die Ziffer III
den III. Ventrikel, der vorn seitlich durch einen dünnen Stiel, das ausgefüllte Foramen
interventriculare, in den Ventriculus lateralis übergeht. Rückwärts setzt sich der
III. Ventrikel in den Aquaeductus (a) fort, dieser in den IV. Ventrikel (IV), welcher
seitliche Ausbuchtungen trägt, die nur zu einem kleinen Teil gefüllt sind, die
bekannten Recessus laterales (r. /.); bei / befindet sich der Giebel des
IV. Ventrikels. Betrachtet man den rechten Seitenventrikel, so macht sich das
Cornu anterius als stärkerer vorderer Vorsprung (c. a.), das Cornu inferius (c. i.)
als ausgedehnter unterer Vorsprung, das Cornu posterius als kleiner hinterer Vor-
sprung geltend. An letzterem ist ein medialer Eindruck sichtbar, der dem Vogel -
sporn des Hinterhorns entspricht; ein stärkerer medialer Eindruck liegt auch im
Unterhorn (A); er entspricht der Wölbung des Hippocampus. Der vom Foramen
interventriculare bis zur Verbindungsstelle des Unter- und Hinterhorns reichende
Mittelteil stellt die Pars centralis dar. Deutlich tritt am ganzen Seitenventrikel
ferner dessen Ringform hervor, welche der Form des Ringlappens folgt und eine
vordere untere Lücke besitzt. Das Cornu anterius, vom Foramen interventriculare
bis zum Vorderende reichend, hat etwa 30, das Cornu posterius 12 — 20, das Cornu
Das Gehirn: Ventrikuläre Oberfläche der Hemisphären.
135
inferius 30 — 40, die Pars centralis 40 mm Länge. Vorder- und Hinterhornspitzen
sind in gerader Linie 75—80 mm entfernt. Die dorsal gelegenen Teile des Ven-
trikels divergieren rückwärts; zugleich zeigen sie eine S-förmige Krümmung; der
vordere Teil kehrt seine Konvexität medianwärts, der hintere lateralwärts.
Fig. 95 dagegen zeigt das Ventrikel-
system im Medianschnitte des Gesamthirns.
Vom Seitenventrikel ist hier natürlich nichts
wahrzunehmen. Man sieht nur zwischen Ge-
wölbe und Sehhügel die kleine Pforte des
III. Ventrikels, welche in den Seitenventrikel
führt, das Foramen interventriculare.
Retzius, A., Die Gestalt der Hirnventrikel des
Menschen. Nach jMetallausgüssen dargestellt. Biolog.
Unters. IV, 1900.
Wände des Seitenventrikels.
a) Cornu anterius. Fig. 99, 100, 103, 108,
126—132.
1. Nucleus caudatus, Schweif-
kern. Als ein Teil des Bodens und der
lateralen Wand des Ventrikels fällt vor allem
ein grauer Hügel auf, Nucleus caudatus,
welcher aus einem am Vorderhorn gelegenen
dicken Kopfe, Caput nuclei caudati,
und einer dünnen, nach hinten und in das
Unterhorn ziehenden Verlängerung, Seh weif,
Cauda nuclei caudati, besteht. Im Unter-
horn bildet der langgestreckte Schweif einen
Teil des Daches des Unterhornes und geht
als schmaler Streifen am Vorderende des Horns in den Nucl. amygdalae über.
Der Nucleus caudatus ist also ein vorn-unten offener Ring, ähnlich dem
Thalamus, an dessen lateraler Seite gelegen er rückwärts, abwärts und vonvärts
zieht; der Kopf hat 2 cm größte Breite und endet vorn abgerundet. Seine Kon-
vexität ist medianaufwärts gerichtet. An der Umbiegungsstelle in das Unterhorn
hat der Schweif eine Breite von etwa 3 mm, die sich nach unten und vorn ver-
mindert. Die freie Fläche ist vom Ependym bekleidet.
2. Corpus callosum. Das Dach des Vorderhorns wird vom Corpus cal-
losum gebildet. Das Knie des Balkens schließt den Seitenventrikel vorn ab,
bildet also die vordere Wand und noch einen Teil der unteren Wand des-
selben. Fig. 97.
3. Septum pellucidum. Es bildet die mediale Wand des Vorderhorns und
des vorderen Teiles der Pars centralis des Ventrikels. Fie;. 100, 103, 108, 126.
Fig. 142.
Ausguß des Ventrikelsystems.
(Nach R a u b e r und W e 1 c k e r.) ca. 2 : 3.
IV Vierter Ventrikel mit dem Zelte / (Fastigium) und
den Recessus laterales (r. /.); a Aquaeductus; ///dritter
Ventrikel; F.M. Verbindung des dritten Ventrikels
durch das Foramen interventriculare mit dem linken
Seitenventrikel. Am Ausgusse des rechten Seiten-
ventrikels bedeutet ca. das Cornu anterius; c.p. das
Cornu posterius ; b Trigonum collaterale ; c. i. Cornu
inferius mit h. Abdruck des Hippocampus.
b) Pars centralis. Fig. 99, 100, 128, 129.
Die Pars centralis ist eine niedrige bis 15 mm breite Spalte, deren vom Balken
gebildetes Dach jederseits unter sehr spitzem Winkel an den Boden grenzt, wie
die Fig. 128, 129 deutlich zeigen. Der Boden wird lateral vom Nucleus caudatus
136 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
gebildet; medial folgen die Stria terminalis, die Lamina affixa, welche die
Thalamusoberfläche bedeckt, der Plexus chorioideus ventriculi lateralis mit
seiner Epithelbekleidung, die dorsale Fläche des freien, mit dem Balken nicht
verwachsenen Teiles des Fornix.
1. Stria terminalis. Der Grenzstreif ist ein schmaler, zwischen Thalamus
und Nucleus caudatus hinziehender Streifen, welcher infolge einer dicht unter der
Oberfläche gelegenen, seiner Bahn folgenden Vene, V. terminalis, oft ein bläuliches
oder bräunliches Aussehen besitzt. Fig. 99, 100, 108.
2. Lamina affixa (Fig. 108) ist eine dünne Substanzschicht, welche die
V. terminalis zudeckt und sich als dünnes Blatt über den anstoßenden Teil des
Sehhügels fortsetzt. Dann geht sie in das Epithel des Plexus chorioideus ventri-
culi lateralis über. Die Breite der Lamina affixa nimmt von vorn nach hinten erst
zu und dann wieder ab, sie erreicht im Maximum 5 — 6 mm. Entfernt man den
Plexus chorioideus ventriculi lat, so kommt der mediale Rand der Lamina affixa
deutlich zu Gesicht. Er wird als Taenia chorioidea bezeichnet. Fig. 108.
Im Unterhorn kommt die Taenia chorioidea dicht an die Stria terminalis zu liegen.
Die Taenia chorioidea steigt neben der Cauda nuclei caudati in das Unterhorn herab bis
zu dessen vorderem Ende. Hier biegt sie in den Saum der Fimbria hippocampi um und geht so
in die Taenia fornicis über. Die beiden Fornixtaenien verbinden sich schließlich über dem
Monroschen Loche (For. interventriculare) in der Mittellinie.
Die Lamina affixa ist, wie dies neuerdings auch Hochstetter betont, gleich dem Epithel
des lateralen Adergeflechtes und gleich dem Fornix und dem Septum pellucidum ein Rest der
medialen Hemisphärenwand.
3. Plexus chorioideus ventriculi lateralis, siehe Hirnhäute.
4. Fornix, siehe weiße Substanz des Endhirnes.
c) Corna posterius. Fig. 99, 100, 103, 118, 131.
Das Hinterhorn ist eine lateral konvexe, medial konkave Spalte, deren Spitze
dem Occipitalpol sich zuwendet. Der Querschnitt ist ungefähr dreiseitig.
Die dorsale Wand wird von der Balkenstrahlung gebildet. Die ventrale
Fläche wird von Markteilen des Hinterhauptlappens getragen. Die mediale Wand
zeigt meist zwei übereinander liegende Längswülste* von welchen der konstante
untere, Calcar avis, Vogelsporn (Fig. 99, 118), durch das tiefe Eindringen
der Fissura calcarina (Fig. 131), der obere, Bulbus cornu posterioris, durch
die hinteren Teile der Balkenstrahlung erzeugt wird. Der Boden des Hinter-
hornes ist meist mehr oder weniger stark gewölbt.
d) Cornu inferius. Fig. 118, 129, 144.
Das Unterhorn erstreckt sich bis auf 12 mm Entfernung vom Vorderende
des Uncus gyri hippocampi und hat dreiseitigen Querschnitt. Der Boden des
Unterhornes ist die Fortsetzung des Bodens des Hinterhornes nach unten und
vorn; er zeigt lateral einen mehr oder weniger starken Längswulst, Eminentia
collateralis, der an der Grenze des Hinterhornes als Trigonum collaterale
beginnt und durch das tiefe Eindringen der Fissura collateralis erzeugt wird. Das
Dach des Unterhornes wird wie das Dach des Hinterhornes vor allem durch die
Strahlung des Balkens gebildet. Dieses Dach der beiden Hörner heißt insbesondere
Tapetum, die Strahlung selbst Tapetumstrahlung des Balkens. Das Dach
des Unterhornes besteht aber ferner noch aus dem medial gelegenen Schweife des
Das Gehirn: Die grauen Kerne des Endhirnes. 137
Nucleus caudatus und aus dem an seiner medialen Seite dahinziehenden Teil der
Stria terminalis und der Taenia chorioidea.
Die größte Merkwürdigkeit besitzt das Unterhorn aber in dem Hippocampus
s. Cornu Ammonis. Fig. 118, 144.
An der unteren und der medialen Wand des Unterhornes gelegen, stellt dieser
einen halbmondförmig gekrümmten, 50 mm langen Wulst dar, welcher vor dem
Bulbus cornu posterioris beginnt und mit lateral gerichteter Konvexität nach vorn
verläuft. Auf diesem Wege nimmt er an Breite und Höhe zu und zeigt sich im
vorderen breiteren Teile durch 2 — 4 seichte Eindrücke in eine wechselnde Anzahl
nebeneinander liegender Klauen, Digitationes hippocampi, gegliedert.
Besonders deutlich und konstant ist einer dieser Wülste, der mediale, der
sich in den Uncus gyri hippocampi fortsetzt. Von den Crura fornicis ist hier vor-
greifend zu erwähnen, daß sie als Fimbria hippocampi dem Hippocampus in
das Unterhorn folgen, zwischen dem Hippocampus und der Fascia dentata ihre
Lage haben und an den Hippocampus befestigt sind, in welchen ein Teil ihrer
Faserung ausstrahlt.
Die mediale Wand des Unterhornes wird aber nicht allein vom Hippo-
campus gebildet, sondern auch vom Plexus chorioideus ventriculi lateralis.
Der letztere setzt sich von der Pars centralis aus in das Unterhorn fort, ohne in das Hinter-
horn einzudringen, oder letzteres nur mit einem stumpfen Fortsatze beteiligend. Er ist an der
Taenia chorioidea des Unterhornes und am Rande der Fimbria hippocampi, welcher Taenia
fimbriae genannt wird, befestigt. Über die Hauptverhältnisse der verschiedenen Teile des Unter-
hornes orientieren Querschnitte besonders leicht; siehe Hirnhäute.
Die Hirnwindung des Schläfenlappens, welche den Hippocampus trägt und durch Umrollung
sich in denselben fortsetzt, ist der Gyrus hippocampi. Basal von der Fimbria, medial vom
Hippocampus liegt der freie Vorsprung der sonderbaren Fascia dentata hippocampi. Man
erkennt, daß sowohl der Hippocampus als auch die Fascia dentata nichts anderes sind, als modi-
fizierte Gyri; dies zeigt auch die mikroskopische Untersuchung; siehe weiter unten.
Barrat, J. O. W., The form and form-relations of the human cerebral ventricule cavity.
Journ. Anat., Phys. Bd. 36, 1902.
III. Die grauen Kerne des Endhirnes.
Außer der grauen Rinde besitzen die Hemisphären noch andere graue Massen,
die in ihrem Inneren gelegen sind und daher graue Kerne oder Ganglien des
Endhirnes genannt werden. Es sind ihrer jederseits vier vorhanden: Nucleus cau-
datus, Nucleus lentiformis, Claustrum und Nucleus amygdalae; man sieht, daß die
Namen ihrer Form entlehnt sind.
Sie stellen zusammen nur einen kleinen Bruchteil der grauen Substanz der Hemisphäre dar,
und man erkennt, daß die überwiegenden Funktionen notwendigerweise nicht im Inneren des
Hirnes sich abspielen, wie es der Anfänger sich vorzustellen pflegt, sondern in der Peripherie
desselben. Immerhin aber sind die grauen Kerne bedeutungsvolle Gebilde und bedürfen ebenso
genauer Erforschung, wie die übrigen Teile des Gehirnes.
1. Nucleus caudatus, Schweifkern. Fig. 108, 126 — 132.
Er hat keulenförmige Gestalt, folgt ganz dem Verlaufe des Seitenventrikels
und hat dessen Breite. Man unterscheidet an ihm das Caput nuclei caudati
und die Cauda nuclei caudati.
Im vorderen Teil ist er zugleich am dicksten und nimmt nach dem Schwanzende immer
mehr an Masse ab. Mit der medialen Kante seiner dorsalen Fläche stößt er an die Stria terminalis,
mit der lateralen erreicht er den lateralen Rand des Seitenventrikels und sendet im mittleren
138 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Gebiet noch eine hakenförmige Verlängerung auf den lateralen Abschnitt des Ventrikeldaches. Da
der Schweif des Schweifkernes neben dem Thalamus zum Dache des Untcrhornes umbiegt, so
wird der Kern durch Frontal- und Horizontalschnitte zweimal getroffen werden können. Die laterale
Fläche des Nucleus caudatus ist der Capsula interna zugewendet und im Gebiet des Schweifes
konvex; im Gebiet des Kopfes ist sie dagegen schwach konkav, zugleich tritt hier der ventrale
Rand mit dem gegenüberliegenden ventralen Rande des Nucleus lentiformis in unmittelbare
Substanzverbindung. Außer dieser großen ventralen Brücke kommen weiter dorsal graue Ver-
bindungsstreifen zwischen den beiden Kernen vor. Diese Streifen insbesondere gaben Veran-
lassung zu der alten Bezeichnung Corpus Stria tum für beide Kerne und ihre Verbindungsstreifen.
2. Nucleus lentiformis, Linsenkern. Fig. 126—129, 131, 132.
Der Linsenkern liegt lateral vom Schweifkern und ist von ihm durch eine
breite Spalte geschieden, welche von weißer Substanz, der Capsula interna,
eingenommen wird. Vorn ventral hängt er mit dem Schweifkern zusammen; einen
anderen Zusammenhang bewirken die vorher erwähnten Verbindungsstreifen.
Die mediale Fläche des Linsenkernes grenzt an die Capsula interna und besitzt eine geneigte,
aufwärts und median wärts sehende Lage ; die lateraleFläche steht vertikal, ist leicht gewölbt, der Insel-
rinde parallel und grenzt an die Capsula externa. Die ventrale Fläche liegt horizontal und hängt in
ihrem mittleren Teil mit der grauen Substanz der Substantia perforata anterior zusammen. Der
Querschnitt ist hiernach dreiseitig und die Schneide des Keiles gegen den Hirnschenkel gerichtet.
Am frischen Präparat lassen sich durch Farbenunterschiede drei in Quer-
richtung nebeneinander liegende Teile, die Glieder des Linsenkernes wahr-
nehmen. Das äußere Glied ist das längste und überragt die beiden anderen
vorn und hinten; es ist von rotbrauner Farbe und mit feinen weißen Streifen
durchsetzt. Man nennt es seit Burdach die Schale, Putamen. Die beiden
inneren Glieder sind blaß und gelbgrau; sie bilden zusammen den Globus palli-
dus. Der vordere Teil der ventralen Fläche oder der Basis des Linsenkernes
wird von der Commissura anterior cerebri gekreuzt und erhält von ihr eine Furche.
Der vordere Teil des Linsenkernes, der allein aus dem Putamen besteht, ist ver-
glichen mit dem Querschnitte des Kopfes des geschwänzten Kernes sehr klein; er
erstreckt sich auch nicht so weit nach vorn wie der Kopf des Nucleus caudatus,
welcher von allen Ganglien am weitesten nach vorn reicht.
Sehr instruktive Bilder gewähren auch Horizontalschnitte, die besten aber plastische
Konstruktionen nach Schnittserien. Ein Horizontalschnitt zeigt die schwach konvexe Außen- und
die stark konvexe, aus zwei Teilen bestehende Innenwand des Linsenkernes, so daß man auch hier
drei Seiten unterscheiden kann. Die größere äußere Seite sieht zur Capsula externa, die vordere
zum Nucleus caudatus, die hintere zum Sehhügel. Fig. 131, 132. Dem Übergange der vorderen
in die hintere Seite entspricht das wichtige Knie der inneren Kapsel und die Stria terminalis.
Auf Sagittalschnitten hat der Linsenkern die Form einer bikonvexen Linse. Vorn und hinten ist
der ventrale Rand frei, in der Mitte aber mit der Substantia perforata anterior verbunden.
3. Claustrum, Vormauer. Fig. 126—129, 131, 132.
Dieser flächenhaft ausgebreitete Kern liegt an der äußeren Seite der Capsula
externa und stellt eine schmale, 1 — 2 mm dicke Platte grauer Substanz dar, die
sich ventralwärts auf das Doppelte verdickt und hier medial mit der Substantia
perforata anterior zusammenhängt.
Die mediale Fläche ist glatt, die laterale springt von Strecke zu Strecke
leistenartig vor. Von der grauen Rinde der Insel ist die Vormauer durch ein
ansehnliches Marklager getrennt, welches Capsula extrema genannt wird.
Das Gehirn: Die weiße Substanz des Endhirnes. 139
4. Nucleus amygdalae, Mandelkern. Fig. 128.
In der Nähe des Schläfenpoles der Hemisphäre, vor der Spitze des Unter-
hornes, springt er in Form eines vor dem Ende des Hippocampus gelegenen
Wulstes gegen die Höhle des Unterhornes und gegen das Marklager der Hemi-
sphäre vor und hängt mit der Rinde des Gyrus hippocampi sowie mit der Sub-
stantia perforata anterior zusammen.
Claustrum und Nucleus amygdalae sind abgespaltene Teile von den tieferen Schichten der grauen
Substanz und zwar die Vormauer von der Inselrindc, der Mandelkern von der Rinde des Schläfcnlappcns.
IV. Die weisse Substanz des Endhirnes.
Die bedeutende Entfaltung grauer Substanz in der Rinde und den Kernen
des Endhirnes läßt schon für sich allein entsprechende Mengen von weißer Sub-
stanz, d. i. von Leitungsbahnen, erwarten. In der Tat nimmt die weiße Substanz
einen beträchtlichen Raumteil im Endhirn ein; sie bildet überall die Ausfüllungs-
masse" zwischen der Rinde, den Ganglien und dem Ventrikelependym.
Am breitesten erscheint das Marklager an einem Horizontalschnitte, welcher
die dorsale Fläche des Balkens streift. Es stellt hier ein großes weißes Feld von
ovaler Form dar, welches den Namen Centrum semiovale (Fig. 98) erhalten
hat. Sein Außenrand ist reichlich mit Vorsprüngen besetzt, welche als Mark-
leisten in die Höhlungen der Rindenwülste passen. Am medialen Rande geht das
Centrum semiovale entsprechend der Ausdehnung des Balkens unmittelbar in dessen
Fasermassen über. An der Zusammensetzung des ganzen Markkörpers sind drei
verschiedene Arten von Faserstrahlungen beteiligt: 1. Assoziationssysteme, 2. Kom-
missurensysteme, 3. Hirnschenkelsysteme.
/. Assoziationssysteme. Fig. 143.
Assoziationssysteme sind kleinere oder größere Faserzüge verschiedener La-
gerung, welche Verbindungen herstellen zwischen näheren und entfernteren Ge-
bieten der grauen Substanz derselben Hemisphäre.
Man unterscheidet:
a) Fibrae arcuatae gyrorum. Sie wenden sich von einer Windung bogen-
förmig zur benachbarten anderen;
b) die äußere Tangentialfaserschicht (siehe den Abschnitt: Feinerer Bau);
c) den Gennarischen Streifen (siehe den Abschnitt: Feinerer Bau);
d) das super- und interradiäre Flechtwerk (siehe den Abschnitt: Feinerer Bau);
e) Fasciculi longi (Fibrae arcuatae cerebri der B. N. A.). Unter diesem
Namen sind acht lange, schon makroskopisch darstellbare Assoziations-
systeme vereinigt, nämlich:
1. Cingulum, Zwinge (Burdach). Dieser sagittal verlaufende Faserzug
liegt in der Markleiste des Gyrus cinguli parallel dem Balken und dessen dorsaler
Fläche dicht anliegend, folgt sodann der Bahn des Gyrus hippocampi und gelangt
bis zum Uncus. Das Bündel gibt fortwährend Fasern an die benachbarten Win-
dungen ab und empfängt neue. Es hilft die Substantia reticularis alba des Gyrus
hippocampi bilden.
2. Fasciculus longitudinalis superior, oberes Längsbündel (Bur-
dach). Es verbindet wesentlich Stirn- und Hinterhauptlappen, von ersterem be-
sonders die mittlere Stirnwindung.
140
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
3. Fasciculus subcallosus (Onufrowitsch-Kaufmann), ebenfalls ein
fronto-occipitales Bündel. Es liegt mit dem größten Teile seiner Fasern unmittel-
bar unter dem Balken und hilft hinten das Tapetum des Seitenventrikels bilden.
4. Fasciculus longitudinalis inferior, unteres Längsbündel (Arnold).
Verbindung des Hinterhauptlappens mit dem Schläfenlappen; nach Flechsig aber
mit dem Thalamus einen Teil der Radiatio occipito-thalamica bildend.
5. Fasciculus uncinatus, Hakenbündel. Es zieht von der unteren Stirn-
windung über die Inselschwelle zum Gyrus hippocampi und den angrenzenden
Teilen des Sichel- und Schläfenlappens.
6.FasciculusverticaIis(Wernicke).Vom
unteren Scheitelläppchen zum Gyrus fusiformis.
7. Das Brocasche Bündel. Von der
Spitze des Hippocampus durch die Substantia
perforata anterior zum Gyrus cinguli.
8. Das Gewölbe, Fornix. Ein Teil
der Fornixfasern geht nicht bis zum Corpus
mamillare herab, sondern endet im Septum pellu-
cidum. Der Fornix ist ein gemischtes System.
f) die Verbindungen des Nucleus lenti-
formis mit dem Nucleus caudatus;
g) die Verbindungen dieser beiden und
der zwei übrigen Kerne des End-
hirnes mit der grauen Rinde.
Fig. 143.
Lange Assoziationssysteme der Hemisphäre
des menschlichen Endhirnes. 1:4.
a Fasciculus arcuatus; c Cingulum ; u Fasciculus
uncinatus; li Fasciculus longitudinalis inferior;
o Occipitalpol ; / Stirnpol der Hemisphäre.
Das Gewölbe, Fornix. Fig. 97, 100, 103, 104, 118, 127—132, 137, 144.
Das Gewölbe hat seinen passenden Namen von dem Umstände, daß es in
langem, an die Ventralseite des Balkens großenteils angeschmiegtem, dorsal kon-
vexem Bogen sich von den Corpora mamillaria aus bis zum Uncus gyri hippo-
campi jeder Seite erstreckt, welche beiden Stellen als die Fußpunkte des Gewölbes
betrachtet werden können. Fig. 137, 144.
Das Gewölbe, ein paariges Gebilde, besteht aus einem verborgenen und
einem freien Teil. Letzterer beginnt als sogenannte Columna fornicis. Der
verborgene Teil, Pars tecta columnae fornicis (Fig. 97), liegt im Boden und
in der Seitenwand des III. Ventrikels, im Höhlengrau des letzteren, und läßt
sich bis zum Corpus mamillare derselben Seite verfolgen. Dicht hinter der vorderen
Kommissur beginnt der freie Teil des Gewölbes und steigt als Pars libera
columnae fornicis vom Boden des III. Ventrikels in die Höhe, begrenzt das
Foramen interventriculare (siehe III. Ventrikel, S. 113) von vorn und durch-
zieht gewölbeförmig in einem unten-vorn offenen Bogen die ganze Länge des
konkaven, inneren Randes der medialen Hemisphärenfläche bis zum vorderen
Ende des Schläfenlappens. In der vorderen und hinteren Abteilung des Verlaufes
sind die Gewölbehälften beider Seiten voneinander getrennt (siehe Fig. 102, 103);
im mittleren Teil aber legen sie sich an der ventralen Balkenfläche innig an-
einander und bilden hier das Corpus fornicis; es geht aus der Aneinander-
lagerung der beiden Columnae fornicis hervor. Weiter hinten weichen die beiden
Hälften des Corpus fornicis wieder auseinander und heißen alsdann Crura for-
nicis, Gewölbeschenkel. Letztere biegen hinter dem Pulvinar thalami in das
Das Gehirn: Die weiße Substanz des Endhirnes.
141
Unterhorn des Seitenventrikels um, gehen zum Teil in den Hippocampus über,
zum Teil werden sie zu einem Saume, Fimbria hippocampi (Fig 118), welcher,
mit dem Hippocampus verbunden, letzteren in das Unterhorn bis zum Haken be-
gleitet. So hat die Fimbria ihre Lage zwischen dem Hippocampus und seiner
Fascia dentata.
Das Corpus fornicis liegt auf der Tela chorioidea. Sein lateraler Rand, Taenia
fornicis, ist mit dem Plexus chorioideus ventriculi lat. verbunden, und setzt sich
fort in die Taenia fimbriae.
Das Gewölbe ist durch seine Säulen mit dem Septum pellucidum, durch
seinen Körper und seine Schenkel mit der unteren Fläche des Balkens ver-
bunden, indem letzterer die genannten Teile bedeckt. Die Vereinigung des Ge-
Fig. 144.
Fornix, Hippocampus und Commlssura am. 1 : 1.
Vom rechten Hinterhaupt- und Schläfenlappen ist ein dorsaler Teil entfernt.
1 dorsale Fläche der hinteren Hälfte des Balkens, dessen vordere Hälfte durch einen Querschnitt (2) entfernt wurde; 3 seit-
liche Schnittfläche des Balkens; 4 — 5 horizontale Schnittflächen des Schläfen- und Hinterhauptlappens; 6 Schläfenpol;
7 — 7' rechte Hälfte der vorderen Commissur; 8 Corpus mamillare dextrum ; 9 — 9 Hirnschenkelbündel zum Corpus mamillare;
10 Columna fornicis; 10' dieselbe der linken Seite; 11, 11 Corpus fornicis; 12 Crus fornicis; 121 Fimbria hippocampi;
13 Gyrus hippocampi; 14 Hippocampus; 15 lateral von letzterem gelegener Teil des Unterhornes und Bahn der Eminentia
collateralis; 16 Trigonum collaterale.
wölbes mit dem Balken ist am Anfange des Corpus fornicis am innigsten. Die
auseinanderweichenden Crura fornicis umschreiben mit der unteren Fläche des
Balkenwulstes ein gleichschenkeliges Dreieck, dessen Spitze nach vorn gerichtet
ist (Fig. 100). Zwischen den seitlich begrenzenden Fornixschenkeln liegt eine
dünne Markplatte mit wesentlich transversaler Faserung zutage, welche die ven-
trale Fläche des Balkens bedeckt. Sie ist mit dem Balken häufig nicht voll-
ständig verwachsen, sondern durch einen kleinen Spaltraum von ihm getrennt.
Die beiden Schenkel mit den quer ausgespannten Fäden, oder diese allein,
führten früher den Namen Psalterium oder Lyra Davidis. Jetzt werden sie
als Commissura hippocampi, Ammonskommissur (Fig. 100 und 103) be-
zeichnet.
Die Columnae fornicis haben einen ovalen Querschnitt, das Corpus ist dreiseitig, die Crura sind
platt (Fig. 127, 128). Die Länge des freien Gewölbes bis zum fimbrialen Ende beträgt gegen 9 cm.
1 1- Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Von den Wurzeln des Gewölbes ist zusammenzufassen, daß vom Tuberculum anterius thalami
das Vicq d'Azyrsche Bündel (Fasciculus thalamo-mamillaris) ausgeht und durch den Thalamus und
das Höhlengrau des III. Ventrikels zum Corpus mamillare gelangt (S. 109); das Vicq d'Azyrsche
Bündel heißt daher auch Radix descendens fornicis ; vom Corpus mamillare steigt andererseits die
Pars tecta columnac fornicis auf, ebenfalls im Höhlengrau des III. Ventrikels, als erster unmittelbarer
Bestandteil des Gewölbes; die Columna wird daher auch Radix ascendens fornicis genannt. Fig. 97.
2. Kommissurensy steme.
Während die Assoziationssysteme das Gebiet ihrer Hemisphäre nicht verlassen,
also in dieser Hemisphäre liegende Verbindungen darstellen, bilden die Kommis-
surensysteme im Gegensatze zu ihnen Verbindungen zwischen beiden
Hemisphären. Ob sie ausschließlich oder nur teilweise Verbindungen zwischen
identischen Gebieten beider Hemisphären darstellen, steht dahin.
Das Endhirn enthält zwei große Kommissurensysteme, den Balken und die
vordere Kommissur. Verglichen mit den Verhältnissen des Rückenmarkes sind
beide als dorsale Kommissuren zu betrachten.
a) Der Balken, Corpus callosum (Commissura maxirna). Fig. 95, 97, 98, 126—129, 131.
Man unterscheidet an ihm einen freien mittleren Teil und eine seitliche Aus-
strahlung: den Balkenstamm und die Balkenstrahlung (Burdach).
a) Der Balkenstamm, Truncus corporis callosi, zeigt sich beim Aus-
einanderziehen der dorsalen Ränder beider Hemisphären als eine in der Tiefe der
Fissura longitudinalis cerebri liegende starke, 7 — 9 cm lange Markbrücke, welche
vom Vorderrande der Hemisphäre 3, vom Hinterrande 5 — 6 cm entfernt ist; 3cm
beträgt auch sein Abstand von der Mantelkante. Die dorsale Fläche des Balkens
ist jederseits von der überliegenden Hemisphärenwand durch den Sulcus corporis
callosi abgegrenzt, welcher bis 5 mm tief eindringt. So kommt es, daß die freie
Fläche des Balkens eine Breite von 15 mm erreicht. Nahe der Mittellinie laufen
zwei weiße Längsstreifen, die vorn und hinten etwas auseinander weichen: Striae
longitudinales mediales (Fig. 98). Die Striae biegen vorn und hinten auf die
ventrale Fläche um. Zwei andere Längsstreifen, Striae longitudinales laterales,
liegen verdeckt vom Gyrus cinguli und werden nach Ablösung desselben sichtbar;
sie gehören ursprünglich einem rudimentären Gyrus, der sich hinten in die
Fasciola cinerea und in die Fascia dentata fortsetzt, sowie späterhin dem Cin-
gulum (siehe Assoziationssysteme) an. Quere Furchen grenzen die Striae
transversae ab.
Die ventrale Fläche des Balkens, etwa 1 cm von der dorsalen entfernt,
läuft im ganzen, abgesehen von beiden Enden, der dorsalen parallel. Die ventrale
Fläche ist in ihrer vorderen Hälfte entlang der Mittellinie mit dem Septum pellu-
eidum verwachsen, hinter letzterem mit dem Corpus fornicis und den Crura
fornicis. Seitlich vom Septum pellucidum bildet der Balken das Dach der Vorder-
hörner sowie der Pars centralis des Seitenventrikels und ist von Ependym bedeckt.
Der vordere Rand des Balkenkörpers biegt sich (siehe den Medianschnitt Fig. 97)
in starker Krümmung nach vorn-unten um und gestaltet sich so zum Balkenknie,
Genu corporis callosi. Infolge dieser Umbiegung entsteht ein 2 cm langes
ventrales Horizontalstück, welches auf den Medianschnitt keilförmig zugeschärft
erscheint und Balkenschnabel, Rostrum corporis callosi, genannt wird.
Das Rostrum läuft seinerseits in ein sehr dünnes Markblatt aus, welches sich nach
Das Gehirn: Die weiße Substanz des Endhimcs.
143
hinten-unten bis zur Lamina terminalis erstreckt und hier endigt. Dieses 1 cm
lange dünne Markblatt führt den Namen Lamina rostralis. Der vordere und
untere Rand des Septum pellucidum ist entlang der Mittellinie am Balkenknie und
Balkenschnabel befestigt. Auf der vorderen Fläche des Balkenknies dagegen
sind die Fortsetzungen der Striae mediales sichtbar, die auf dem Rostrum diver-
gierend weiterziehen und jederseits als kleine Wülste bis zur Substantia perforata
anterior gelangen; man nannte sie früher Pedunculi corporis callosi, gegen-
wärtig dagegen Gyrus subcallosus. Fig. 95, 133.
Das hintere Ende des Balkens ist verdickt und bildet so den Balken-
wulst, Splenium corporis callosi. Bei genauerem Zusehen jedoch findet
etwas Ähnliches statt wie vorn; auch hier rollt sich
der Balken um, doch plötzlicher, so daß der umge-
rollte Teil sich inniger an die ventrale Fläche anlegt
(Fig. 146). Der infolge dieser Verdoppelung verdickte
hintere Balkenteil, Splenium corporis callosi, ist
1,5 — 1,8 cm dick und deckt bei natürlicher Lage der
Teile von oben her das Corpus pineale und die Vier-
hügel (Fig. 97). Zwischen dem Splenium und den
Vierhügeln dringt die Fissura transversa cerebri
ein, durch welche die Pia zum Dache des Ventriculus
tertius gelangt, um die Tela chorioidea ventriculi tertii
zu bilden.
Abgesehen von den genannten zarten Längs-
streifen und dem Ventrikelependym besteht der Balken
wesentlich nur aus Querfasern, welche in die
Hemisphärenwand eindringen und dort zur Balken-
strahlung werden. Medianschnitte zeigen, daß diese
Querfasern zu frontal gestellten Blättern von 1 mm Dicke vereinigt sind
Genu und am Splenium neigen sich die zugehörigen Blätter radienartig.
b) Die Balkenstrahlung, Radiatio corporis callosi, besteht aus einem
mittleren, dem Balkenstamme angehörigen, aus einem vorderen, dem Balken-
knie, und aus einem hinteren, dem Balkenwulste angehörigen Teil. Die Strahlung
des Balkenkörpers versorgt den hinteren Teil der Stirnlappen, Pars frontalis,
und den gesamten Scheitellappen, Pars parietalis. Das Balkenknie versorgt
den größeren vorderen Teil des Stirnhirnes.
Der hintere Teil des Balkenkörpers und der Balkenwulst sind für den
Hinterhaupt- und Schläfenlappen, Pars temporalis, Pars occipitalis, bestimmt,
der an das Splenium grenzende Teil des Balkenkörpers sendet seine Fasermassen
in einem lateral konvexen Bogen lateral- und ventralwärts und verläuft in der
dorsalen Wand des Hinter- und Unterhornes als eine ausgedehnte, ependym-
bekleidete Platte, welche Tapetum genannt wird (Fig. 146, tap)1). Die Tapete
enthält die Fasern für den Schläfen- und den unteren Teil des Hinterhauptlappens.
s
Fig. 145.
Radiatio corporis callosi. (Schema.
1 Pars frontalis; 2 Pars occipitalis;
3 Hemisphärenrinde; 4 und 5 Fissura
longitudinalis cerebri.
Am
') Nach Onufrowitsch-Kaufmann gehört die unmittelbar über dem Dache des Unter-
land Hinterhornes liegende Faserausbreitung nicht dem Balken an, da sie auch bei Balkenmangel
vorhanden ist. Sie gehört vielmehr der kaudalen Ausbreitung des Fasciculus subcallosus an.
Siehe S. 140, Fasciculus subcallosus.
144
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Die Fasern des Splenium selbst ziehen besonders zu den hinteren und dorsalen
Teilen des Hinterhauptlappens; zu dem hinteren Teil laufen die ventralwärts
umgerollten Bündel des Splenium, die eben den hintersten Teil des Balkens
darstellen.
Splenium corporis callosi
Corpus geniculatum mediale
Fig. 146.
Hinterer Teil der Balkenstrahlung der linken Hemisphäre, von der medialen Seite gesehen. (Abfaserungspräparat.)
c Durchschnitt des Balkenkörpers ; for Pars occipitalis der Radiatio corporis callosi; tap die Tapetum-Strahlung; th mediale
Wand des Thalamus; t.p. Durchschnitt des Hirnschenkels; p Pulvinar thalami ; /. /'. Fasciculus longitudinalis inferior;
O Spitze des Hinterhauptlappens.
b) Die vordere Kommissur, Commissura anterior (cerebri).
Sie bildet eine Ergänzung des Balkens, liegt in der vorderen Wand des
III. Ventrikels und wird als kurzer weißer Querbalken zwischen den beiden Columnae
fornicis sichtbar, wenn letztere nach Eröffnung des dritten Ventrikels (von oben
her) auseinandergedrängt werden. (Fig. 102, 123, 127.) Auf dem Medianschnitt
des Gehirns hat sie elliptischen Querschnitt (5 : 4 mm). (Fig. 97.) Der mittlere
Teil setzt sich in einem leicht vorwärts konvexen Bogen, welcher der Bahn des
hinter ihm liegenden Tractus opticus nahezu parallel läuft, seitlich fort. Fig. 147.
Innerhalb der Substantia perforata anterior und an der Basis des Linsenkerns,
welcher von ihr eine Furche erhält, bogenförmig lateralwärts, rückwärts, abwärts
dahinziehend, verbindet die Commissura anterior Teile der Rinde, die vom Balken
unberücksichtigt geblieben sind, nämlich einen beträchtlichen Teil des Schläfen-
lappens, das basale Gebiet des Hinterhauptlappens und den Riechlappen.
Der letztere, bei dem Menschen kleine, bei vielen Tieren starke Anteil der vorderen
Kommissur verbindet die Wurzelgebiete der Tractus olfactorii miteinander. Man
unterscheidet daher eine Pars anterior und eine Pars posterior der vorderen
Kommissur. Fig. 148.
Das Gehirn: Die weiße Substanz des Fndhirnes.
145
Ob die Fasern der Pars olfactoria sich kreuzen und ein Riechchiasma darstellen
(Meynert), ist zweifelhaft. Nach Exstirpation des Bulbus olfactorius einer Seite beim Kaninchen
atrophiert der Riechteil der Kommissur im ganzen, nicht partiell, wie es bei einer Kreuzung voraus-
gesetzt werden müßte (Ganser).
Lamina septi pellucidi
Cornu ant. ventriculi tat.
Ventriculus III
Genu corporis callosl
/ Cavum septi pellucidi
Ansa peduneularis
Tuber cinereum
Corpus mami
ommissura ant.
Tractus opticus
~~-- Corpus geniculatum lat.
Corpus geniculatum mediale
nar
Substantia perforata post.
Fig. 147.
Vordere Kommissur von der Hirnbasis aus In ihrem Verlauf dargestellt.
Entfernt sind die basale Balkenfaserung (Rostrum corporis callosi), ferner die Substantia perforata anterior und ihre Nach-
barschaft sowie der Boden des dritten Ventrikels.
nl Nucleus lentiformis; // N. opticus; ch Chiasma opticum; /// N. oculomotorius ; pe Pedunculus; p Pons.
Die vorderen Fasern des Mittelstückes der Kommissur gelangen in ihrem weiteren Ver-
lauf über die obere Fläche der Seitenteile zum hinteren Rand; die hinteren über die untere Fläche
zum oberen Rand der Kommissur; die Fasern erfahren hiernach eine spiralige Drehung.
c) Commissura hippocampi.
Sie besteht aus Fasern, welche die beiden
Hippocampi miteinander verbinden, und bildet
eine dünne, dreiseitige Platte, welche zwischen
den Crura fornicis an der Unterfläche des
Balkens dicht vor dem Splenium gelegen ist
(siehe S. 141).
Fig. 148.
Schema der vorderen Kommissur.
p.t. Pars posterior; p.o. Pars anterior.
3. Hirnschenkelsystem (Projektionssysteme).
Das Hirnschenkelsystem im allgemeinsten Sinne sind teils cortieofugal,
teils corticopetal leitende Verbindungen, welche die grauen Massen beider Hemi-
sphären mit kaudal liegenden Abteilungen des Gehirns (Nucl. caudatus, Thalamus,
Hypothalamus, Corpora quadrigemina, Pons, Medulla oblongata) und mit dem
Rückenmark verbinden. Sie enthalten auch einige Bahnen, welche nicht im eigent-
lichen Hirnschenkel enthalten sind; deshalb ist die Bezeichnung Projektions-
systeme wohl vorzuziehen.
Raubek-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 8
146
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Die Fasermassen des Hirnschenkels treten an der ventralen Fläche des Thalamus
gedeckt vom Nucleus caudatus in das Endhirn ein. Sie liegen zwischen den drei
großen Kernen (Thalamus, Nucl. caudatus, Nucl. lentiformis) und werden als
innere Kapsel, Capsula interna, bezeichnet. Sie strahlen durch diese in
dorsolateraler Richtung in das Marklager des Centrum semiovale ein, welches sie
bilden helfen. Diese Strahlung der Hirnschenkel zur ganzen Ausdehnung der
Hirnrinde wird seit Reil der Stabkranz, Corona radiata, genannt (Fig. 149).
Man unterscheidet an ihm eine Pars frontalis, parietalis, temporalis,
occipitalis. Im unteren Teil der inneren Kapsel sind die Fasermassen der
Hirnschenkel noch dicht gedrängt. Allmählich aber treten sie in zahlreiche sagit-
tal abgeplattete Blätter auseinander, welche beim Aufsteigen sich deutlich sondern,
ähnliche, frontal gestellte Blätter der Balkenstrahlung zwischen sich durchtreten
Laterale Fläche des Nucleus lentiformis
Capu^nuclei caudati
Rinne für die Commissura ant.
Unterer Stiel des Thalamus
Pedunculus cerebri
Fig. 149.
Stabkranzfaserung. (Faserungspräparat.) 1:1. Von / bis o Ausbreitung des Stabkranzes.
lassen und so ein außerordentlich zierliches Bild gewähren. Die Seitenansicht
der Ausstrahlung zeigt die Kanten oder Schmalseiten der Blätter und läßt die-
selben als Stäbe erscheinen, daher der Name Stabkranz. In der Mitte des Stab-
kranzes stehen die Blätter vertikal; in der Richtung nach vorn und hinten aber
gehen sie in zunehmend geneigte Lagen über, so daß sie schließlich fast hori-
zontal liegen.
Der Austritt der Fasermassen der inneren Kapsel erfolgt in der ganzen Länge
der lateralen Kante des Schweifkerns. Entsprechend der Bogenform des letzteren
ist die Ausgangslinie der Ausstrahlung, der Fuß des Stabkranzes, ebenfalls
bogenförmig gekrümmt. Die Ausstrahlung im Gebiet des Stirnlappens erfolgt nach
vorn und oben, im Gebiet des Scheitellappens nach oben, für den Hinterhaupt-
lappen nach hinten, für den Schläfenlappen nach hinten und unten.
An der inneren Kapsel unterscheidet man eine Pars frontalis capsulae
internae und eine Pars occipitalis capsulae internae. Erstere liegt zwischen
dem Caput nuclei caudati und dem Nucleus lentiformis, letztere zwischen Thalamus
und Nucleus lentiformis. Beide stoßen in stumpfem Winkel, Genu capsulae
internae, zusammen, welches dem vorderen Ende der Stria terminalis entspricht.
Fig. 131, 132.
D.i^ ("icliirn: Die weiße Substanz des Endhirnes. 147
Die im Stabkranz verlaufenden Projektionsfasern werden ihrer Länge nach
unterschieden als kurze und als lange Bahnen. Erstere sind Verbindungen
zwischen der Endhirnrinde und den grauen Kernen von Endhirn, Zwischenhirn,
Mittelhirn, letztere ziehen zum Hinterhirn, Nachhirn, Rückenmark und bilden das
eigentliche Hirnschenkelsystem.
A. Kurze Projektionsbahnen.
Es sind Faserbahnen von der Endhirnrinde zum Thalamus, Corpus striatum,
Corpora geniculata, Nucleus ruber.
1. Die Thalamusstrahlungen (Stabkranz des Thalamus) sind Faser-
züge zwischen verschiedenen Teilen der Endhirnrinde und dem Thalamus. Man
unterscheidet vier Teile oder Thalamusstiele: Der vordere Thalamusstiel
zwischen Stirnhirn und vorderem Ende des Thalamus, der obere Thalamusstiel
zwischen den Gyri centrales sowie den angrenzenden Teilen des Stirn- und Scheitel-
lappens und dem medialen sowie lateralen Kern des Thalamus, der hintere Thala-
musstiel zwischen dem Occipitallappen und dem Pulvinar, der untere Thalamus-
stiel zwischen Temporallappen und dem ventralen Teil des Thalamus.
2. Die Gratiolet'sche Sehstrahlung ist die Verbindung zwischen der
Hirnrinde aus der Umgebung der Fissura calcarina (Sehzentrum) mit dem late-
ralen Kniehöcker, dem Pulvinar und dem oberen Vierhügel.
3. Die Hörstrahlung verbindet die Rinde der oberen Schläfenwindung mit
dem medialen Kniehöcker und dem unteren Vierhügel.
4. Die Strahlungen des roten Kerns stammen von der Rinde des Oper-
culum und des Stirnlappens.
5. Die Strahlungen des Corpus striatum sind:
a) Fasern von der Rinde des Stirn- und Scheitellappens (Meynert).
b) Verbindungen zwischen Putamen und Schweifkern.
c) Verbindungen zwischen Linsenkern und Thalamus, die Linsenkern-
schlinge, Ansa lenticularis, bestehend aus Fasern von allen Gliedern
des Linsenkerns, welche an dessen Basis eine dichte Schicht bilden und
medianwärts zum Thalamus ziehen.
B. Lange Projektionsbahnen.
Sie ziehen ohne Unterbrechung von ihrem Ursprungsort, der Endhirnrinde,
durch die innere Kapsel und den Hirnschenkelfuß zu den Endstätten in Brücke,
Medulla oblongata, Rückenmark.
1. Die Pyramidenbahn, Tractus cerebrospinalis, beginnt in der Rinde
der vorderen Zentralwindung, des Lobulus paracentralis, sowie der angrenzenden
Teile der oberen Stirnwindung, zieht durch die Gegend des Knies und des hinteren
Schenkels der inneren Kapsel, bildet das zweite bis vierte Fünftel des Hirnschenkel-
fußes und endigt in den motorischen Kernen des Mittelhirns, Hinterhirns, Nach-
hirns und des Rückenmarkes.
2. Die frontale Brückenbahn, Tractus frontopontinus, entspringt in
der Rinde der oberen und der mittleren Stirnwindung, zieht durch die Gegend
des Knies und des vorderen Schenkels der inneren Kapsel, nimmt im Hirnschenkel-
fuß das mediale Fünftel ein und endigt in ventralen Brückenkernen.
148 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
3. Die temporale Brückenbahn, Tractus temporopontinus, entspringt
nach Flechsig aus der Rinde der oberen Schläfenwindung, zieht durch die Gegend
des hinteren Schenkels der inneren Kapsel, nimmt das laterale Fünftel des Hirn-
schenkelfußes ein und endigt in dorsalen Brückenkernen.
6. Die Wurzeln der Hirnnerven.
Hirnnerven werden jene Faserstränge genannt, welche in symmetrischer Reihen-
folge im Gehirn oder außerhalb des Gehirns in besonderen Ganglien entspringen,
an bestimmten Stellen die Gehirnoberfläche erreichen und zu einem weitaus-
gedehnten, vom Kopf bis zu den Bauchorganen sich erstreckenden peripheren
Gebiet verlaufen, um letzteres mit dem Gehirn in funktionelle Beziehungen zu setzen.
Wie an allen peripheren Nerven, so ist auch an den Hirnnerven eine innere und eine äußere
Bahn zu unterscheiden. Nicht die innere, intracerebrale Bahn, mit welcher sie einen gewissen Teil
der weißen Substanz des Gehirns ausmachen, ist für jetzt zu untersuchen, auch nicht die periphere
Ausbreitung, sondern nur Zahl, Reihenfolge, Austritt an der Oberfläche des Gehirns.
Seit Sömmering zählt man in Deutschland und Frankreich allgemein zwölf Hirnnervenpaare,
nicht sowohl aus wissenschaftlichen Gründen, als aus Gründen des Herkommens; dasselbe gilt für
England, wo man früher nach der Einteilung von Willis nur neun Hirnnerven aufzählte; Olfactorius
und Opticus werden in der heute gebräuchlichen Einteilung als die beiden ersten Hirnnerven gerechnet.
In neuerer Zeit ist noch ein dreizehnter Hirnnerv dazu gekommen, der N. terminalis,
welcher neben dem N. olfactorius in das Gehirn eintritt.
Die Hirnnervenzählung gehört zu den schwierigen Problemen; die sichere wissenschaftliche
Durchführung des Unternehmens ist zurzeit nicht einmal möglich, obwohl schon eine umfangreiche
Grundlage vorliegt; aber sie setzt nichts weniger voraus, als die gesamte vergleichende Anatomie und
die gesamte vergleichende Entwicklungsgeschichte, insbesondere des Kopfes, wie an späterer Stelle
erhellen wird.
Fürs erste ist es also geraten, mit Sömmering folgende Hirnnerven zu
zählen: 1. N. olfactorius (und N. terminalis), 2. N. opticus, 3. N. oculomotorius,
4. N. trochlearis (patheticus), 5. N. trigeminus, 6. N. abducens, 7. N. facialis, 8. N.
acusticus, 9. N. glossopharyngeus, 10. N. vagus (pneumogastricus), 11. N. accessorius
(recurrens), 12. N. hypoglossus.
Drei von diesen Nerven sind spezifische Sinnesnerven (I, II u. VIII) für Geruch, Sehen und
Hören; sechs sind beim Erwachsenen motorischer Natur (III, IV, VI, VII, XI u. XII); drei sind ge-
mischte Nerven (V, IX u. X); der IX. ist mit dem größeren Teil seiner Fasermasse wiederum spezi-
fischer Sinnesnerv für den Geschmack.
Über die Funktion des N. terminalis ist noch nichts Sicheres bekannt.
Austrittsstellen der Hirnnerven aus dem Gehirn1). Fig. 96, 150.
Der N. olfactorius (I) wird jederseits durch die Summe der Fila olfac-
toria dargestellt, welche am Bulbus olfactorius die Gehirnoberfläche verlassen.
Der N. terminalis tritt kaudal vom Bulbus olfactorius aus.
Dieser Nerv ist zuerst von G. Fritsch (Unters, über d. feineren Bau d. Fischgehirns, Berlin
1878) gefunden und als .überzähliger Nerv« bezeichnet worden. Sein jetziger Name stammt
von Locy (Anat. Anz., Bd. 26). Er ist wahrscheinlich ein receptorischer Nerv, denn er entwickelt,
ein Ganglion mit bipolaren Ganglienzellen. Seine periphere Ausbreitung befindet sich innerhalb
der Nasenhöhle. J. B. Johnston, Nervus terminalis etc. Journ. comp. Neurol. 1913. — Derselbe,
The nervus terminalis in man and mammals. Anat. Record. 1914. — C. Brookover, The nervus
terminalis in adult man. Journ. comp. Neurol. 1914.
Der N. opticus (II) geht in lateralwärts und vorwärts gerichteter Bahn aus
dem Chiasma opticum hervor.
') Über den Ursprung der Hirnnerven s. unten: Feinerer Bau des Gehirns.
Das Gehirn: Die Wurzeln der Hirnnerven.
149
Der Oculomotorius (III) verläßt das Mittelhirn mit 9 — 12 Bündeln an der
ventralen Fläche des Hirnschenkels, im Sulcus nervi oculomotorii, an der Grenze
zwischen Fuß und Haube des Hirnschenkels. Fig. 97.
Der Trochlearis (IV) gelangt mit zwei oder mehreren Fäden, die sogleich
zusammentreten, als einziger der Hirnnerven an der dorsalen Oberfläche des
Fig. 150.
Hirnnerven, Gehirn mit demjangrenzenden Teil des Rückenmarkes, von der ventralen (basalen) Fläche.
Rechts sind die vorderen Wurzeln kurz abgeschnitten und medianwärts umgeschlagen. (Nach Rüdinger und Henle.)
1 Olfactorius; // Opticus; /// Oculomotorius; IV Trochlearis ; V Trigeminus ; VI Abducens; VII Facialis; VII* (N. inter-
medius); VIII Acusticus ; IX Glossopharyngeus ; X Vagus; XI Accessorius; XII Hypoglossus ; nc I N. cervicalis /.
Gehirns heraus, und zwar am Seitenrande des vorderen Marksegels, lateral vom
Frenulum veli medullaris anterioris, dicht hinter der Vierhügelplatte, Fig. 114, 130.
Er verläuft zuerst seitwärts, dann ventralwärts um den vorderen Kleinhirnstiel und den
Großhirnschenkel und kommt nunmehr an der Gehirnbasis zum Vorschein, um weiterhin unter der
150 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
ventralen Fläche des Hirnschenkels vorwärts zu ziehen. Obwohl sein Austritt so eigentümlich ist,
liegt sein Ursprungskern ganz regelmäßig ventral vom Aquaeductus cerebri.
Der Trigeminus (V) kommt mit etwa 50 sensiblen Wurzelbündeln an der
Grenze zwischen Brücke und Brückenarm, d. i. in der Trigeminus-Facialislinie
zur Oberfläche, und zwar an der Grenze des vorderen und mittleren Drittels dieser
Längslinie; die Austrittsstelle ist also vom kaudalen Rande des Brückenarmes etwa
doppelt so weit entfernt als vom rostralen. Die motorische Portion tritt neben
oder vor der sensiblen aus und legt sich darauf naturgemäß an die mediale
Fläche der sensiblen, wie der Facialis an den Acusficus, wie die motorischen
Wurzeln der Spinalnerven an die sensiblen.
Der Abducens (VI) tritt zur Oberfläche medial vom Facialis in der lateralen
Querfurche, welche die Brücke von der Pyramide trennt.
Der Facialis (VII) verläßt das Hinterhirn am kaudalen Rande der Brücke,
an der Grenze der letzteren gegen den Brückenarm, d. i. am hinteren Ende der
Trigeminus-Facialislinie, in der Furche zwischen dem Brückenarm und der Olive,
medial vom Acusticus.
Er wird alsbald in eine mediale Rinne des Acusticus aufgenommen.
Der Acusticus (VIII) tritt mit der Hauptmasse seiner Fasern hinter der
Brücke, lateral vom Facialis, aus dem Corpus restiforme hervor, zur Seite der
Furche, welche letzteren Strang vom Seitenstrang der Oblongata trennt.
Mit der unteren Fläche dieses Bündels verschmelzen andere, welche am dorsolateralen
Rande der Oblongata austreten, scheinbar aus den Striae medulläres hervorgehen, sich um die
Seitenfläche des Corpus restiforme lateralwärts krümmen und dabei mit diesem Strang und mit
dem Flockenstiel durch Bindegewebe oft fest verbunden sind.
Der Glossopharyngeus (IX) verläßt die Oblongata ebenfalls im Sulcus
lateralis posterior, und zwar am rostralen Ende desselben.
Aus 5 — 6 Wurzelbündeln entwickeln sich zuerst zwei Stämmchen. Die am meisten rostrale
Wurzel tritt hinter und 'zwischen den Wurzelbündeln des Facialis und Acusticus zur Oberfläche.
Die Wurzelbündel des Vagus und Glossopharyngeus schließen sich so unmittelbar aneinander, daß
sie nur von den Stämmen aus gesondert werden können.
Der Vagus (X) tritt aus der Oblongata mit 10 — 15 Bündeln aus dem Sulcus
lateralis posterior hervor.
Der Accessorius (XI) besteht aus einem cerebralen und einem spinalen Teil,
d. i. aus dem Accessorius vagi und dem Accessorius spinalis.
Der letztere setzt sich aus 6 — 7 Wurzelbündeln zusammen, welche in weiten Abständen aus
dem Halsmark austreten, so daß der letzte Wurzelfaden in der Höhe des VI. Halsnerven zur Ober-
fläche gelangt. Nach und nach laufen sie zu einem Stämmchen zusammen. Schon im Beginn
treten die Bündel hinter dem Ligamentum denticulatum aus. Bis zum I. Halsnerven rücken die
Austrittsstellen der Wurzelbündel immer näher zu den hinteren Spinalnervenwurzeln heran und
fallen am I. Halsnerven so mit der hinteren Wurzel zusammen, daß ein Bündel sich auf beide ver-
teilen kann. Der cerebrale Teil des Accessorius, Accessorius vagi, verläßt die Oblongata mit
4 — 5 Bündeln, im kaudalen Anschluß an die Vaguswurzeln, im Sulcus lateralis posterior.
Der Hypoglossus (XII) verläßt die Medulla oblongata mit 10 — 15 Wurzel-
fäden, welche in einer Längsreihe aus dem Sulcus lateralis anterior der Oblongata
hervortreten und sich zu zwei Bündeln vereinigen. Fig. 96, 150.
7. Die Hüllen des Gehirnes, Meninges.
A. Die harte Hirnhaut, Dura mater encephali. Fig. 151.
Die harte Hirnhaut ist zugleich äußere Gehirnhülle und inneres Periost der
Schädelknochen (Endocranium).
Das Gehirn: Hüllen. 151
Bei Kindern der Innenfläche des Schädels fester anhaftend, steht sie heim Erwachsenen an
vielen Stellen nur in lockerer Verbindung mit ihm. Im Bereich der Schädelnähte und insbesondere
am Körper des Keilbeins und Hinterhauptbeins ist jedoch auch beim Erwachsenen die Verbindung
eine innige. Die äußere Oberfläche ist wegen der Verbindungsfäden rauh, die Innenfläche glatt
und glänzend. Letztere ist vollständig, erstere nur zwischen den Verbindungsfäden von Endothel
bekleidet.
Die innere glatte Oberfläche der Dura steht mit den übrigen Hirnhäuten in
Verbindung:
1. durch die verschiedenen Hirnvenen, welche zu den Sinus venosi der
Dura gelangen;
2. durch die sogenannten Arachnoidalzotten oder Pacchionischen
Granulationen.
Eine Spaltung der Dura in zwei Blätter tritt an vielen Orten zutage:
1. im Bereich der Sinus venosi;
2. im Bereich des Cavum ganglii semilunaris, welches auf der oberen Fläche des Felsen-
beins liegt;
3. im Bereich des Saccus endolymphaticus des häutigen Labyrinths, an der hinteren
Fläche des Felsenbeins.
Fortsätze der Dura:
a) äußere: Die Durascheiden der Hirnnerven. Wie die Dura spinalis an
die Spinalnerven, so gibt die Dura cerebri an die Hirnnerven starke Scheiden ab.
b) innere: Durch die inneren Fortsätze wird das Cavum cranii unvoll-
ständig in einige den Hauptteilen des Gehirns entsprechende Kammern zerlegt.
Solcher Fortsätze sind zwei sagittale und zwei transversale vorhanden. Die sagit-
talen werden Hirnsicheln, Falx cerebri und Falx cerebelli, genannt, die
queren Fortsätze sind das Kleinhirnzelt, Tentorium cerebelli, und das
Hypophysendach, Diaphragma sellae. Das Tentorium bildet keinen voll-
ständigen Abschluß des von ihm bedeckten unteren Raumes gegen den oberen
Schädelraum; beide Räume stehen vielmehr miteinander in Verbindung. Die
vordere Begrenzung dieser Pforte wird durch die Sattellehne, die seitlich-hintere
durch einen tiefen Ausschnitt des vorderen Randes des Tentorium gebildet, durch
die Incisura tentorii. Die beiden Sicheln und das Zelt stoßen an der Protu-
berantia occipitalis interna unter Bildung einer Kreuzfigur zusammen.
/. Kleinhirnzelt, Tentorium cerebelli. Fig. 151.
Es bildet eine straffgespannte, dorsal gewölbte quere Scheidewand zwischen der basalen
Fläche der Hinterhauptlappen des Endhirns und der dorsalen Fläche des Kleinhirns. Durch die
Incisura tentorii wird die Form des Zeltes halbmondförmig, mit hinterer Konvexität, vorderer
Konkavität. Man unterscheidet am Zelte eine dorsale oder cerebrale und eine ventrale oder cere-
bellare Fläche; einen vorderen freien konkaven und einen hinteren befestigten konvexen Rand.
Der letztere inseriert 1. an den Sulci transversi des Occipitale und Parietale, in deren Bereich er
den Sinus transversus einschließt; 2. an der oberen Kante des Felsenbeins, wo er den Sinus
petrosus superior einschließt.
An der Spitze des Felsenbeins trifft der äußere mit dem inneren Rand zusammen. Eine von
der Felsenbeinspitze zum Processus clinoideus anterior gespannte Fortsetzung dieses Randes wird
Plica petroclinoidea lateralis genannt; die von der Felsenbeinspitze zum Processus clinoideus
posterior gespannte Fortsetzung heißt Plica petroclinoidea medialis (s. unten, Hirnnerven).
An der Vereinigungsstelle des Tentorium mit der Falx cerebri befindet sich der Sinus
rectus, welcher hinten im sogenannten Confluens sinuum mündet, während er vorn durch
eine dreieckige Lücke, Foramen tentorii, die V. cerebri magna (Galeni) aufnimmt.
152 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
2. Großhirnsichel, Falx cerebri. Fig. 151.
Die Großhirnsichel erstreckt sich von der Crista galli bis zur Protuberantia occipitalis interna,
ist median gestellt und dringt zwischen beiden Hemisphären des Endhirns, entsprechend der
Fissura longitudinalis cerebri, fast 3 cm tief ein, so daß sie vom Balken nur noch 2 mm entfernt
bleibt. Der Fortsatz ist sichelförmig, hat zwei sagittal stehende Flächen, welche den medialen
Rändern der Hemisphären zugewendet sind, sowie einen konvexen äußeren (oberen) befestigten,
und einen konkaven inneren (unteren) freien Rand.
Der konvexe Rand haftet an der Crista frontalis und an den Seitenrändern des Sulcus sagit-
talis des Schädeldaches bis zur Protuberantia occipitalis interna. Der zwischen der äußeren und inneren
Duralamelle eingeschlossene Raum, Sinus sagittalis superior, hat dreieckigen Querschnitt und
ist von Endothel ausgekleidet. Der konkave Rand ist stärker gekrümmt und viel kürzer, da er v o r n
weiter nach hinten entspringt und hinten weiter nach vorn, d. i. am hinteren Winkel der Incisura
tentorii, endet. Er schließt den schwachen Sinus sagittalis inferior ein. Derjenige Rand endlich,
mit welchem die Sichel entlang dem Sinus rectus in das Tentorium übergeht, stellt den Zeltrand,
der gegenüberliegende, welcher am Hahnenkamm befestigt ist, den Kammrand der Sichel dar.
3. Kleinhirnsichel, Falx cerebelü.
Die Kleinhirnsichel macht sich als eine sagittale kleine Fortsetzung der Großhirnsichel im
hinteren unteren Teile des Schädelgewölbes geltend. Sie besitzt eine Basis, welche die kleine
Sichel mit dem Zelte verbindet, einen konvexen äußeren (hinteren) und einen konkaven inneren
(vorderen) Rand. Der konvexe Rand befestigt sich, den Sinus occipitalis bergend, an der Crista
occipitalis interna. Entsprechend den beiden terminalen Schenkeln der letzteren läuft auch die
kleine Sichel in zwei niedrige auseinanderweichende Falten aus, welche seitliche Fortsetzungen
des Sinus occipitalis einschließen können.
4. Diaphragma sellae.
Das die freie (innere) Wand des Sinus cavernosus bildende Durablatt brückt sich quer über den
Türkensattel hinweg zu dem entgegenkommenden der andern Seite und läßt nur eine kleine mittlere
Pforte frei, das Foramen diaphragmatis (sellae) für den Durchtritt des Infundibulum. Zwischen
dem basalen und dorsalen Durablatt der Sella liegt die Hypophysis cerebri eingeschlossen.
Feinerer Bau. Der feinere Bau der Dura cerebri stimmt mit demjenigen
der Dura spinalis im wesentlichen überein. Sie besteht vor allem aus dicht ver-
flochtenen Bindegewebsbündeln. Der äußere Teil der Dura zeigt eine andere
Faserung als der innere, cerebrale (Key, Retzius und Michel). Die Haupt-
richtung in der inneren Lage geht von vorn-medial nach hinten-lateral; in der
äußeren Lage von vorn-lateral nach hinten-medial. Dazu kommen pinselförmige
Ausstrahlungen in querer Richtung, die dem Ursprung der Sichel entsprechen.
Infolge der Wucherung der Arachnoidalzotten kann die Dura stellenweise so
verdünnt sein, daß sie siebförmig durchbrochen erscheint. An der Sichel strahlen
die Fasern vom vorderen Ende der Basis radienartig zum konvexen Rande aus;
am Tentorium ziehen sie von derselben Stelle aus lateralwärts.
Die Dura cerebri erhält arterielle Blutgefäße von verschiedenen Seiten;
insbesondere sind die Aa. meningeae mediae, meningeae anteriores, sowie die A.
meningea posterior aus der A. pharyngea ascendens und die Rr. meningei der Aa.
occipitales und vertebrales zu nennen. Sie verlaufen im äußeren Blatt, sind nur
durch wenig Bindegewebe vom Knochen getrennt und hinterlassen, wie aus der
Knochenlehre bekannt ist, zum Teil bestimmte Furchen an den Knochen. Sie
werden in der Regel von zwei Venen begleitet.
Von Lymphgefäßen ist in der Dura ein Saftbahnsystem enthalten.
Zwischen den verflochtenen Bindegewebsbündeln bleiben nämlich feine kapillare
Spalten frei, die wenigstens auf einer Seite von flachen Endothelzellen begrenzt
153
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154
rea praeparietalis
Fig. 152.
Regio retrocentralis
.-Area praeparietalis
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•Area striata
Fisr. 153.
Fig. 152, 153. Die Hauptregionen der Endhirnrinde des Menschen (nach Brodmann).
Das Gehirn: Hüllen. 155
sind. Durch Einstich in das Gewebe der Dura kann dieses Saftbahnsystem injiziert
werden, wobei die Masse an der cerebralen Fläche der Dura (in den Subduralraum)
leicht ausfließt (Michel).
Die Nerven der Dura bestehen aus feinen Zweigen des Trigeminus, Vagus,
Hypoglossus und Sympathicus. Es sind vasomotorische und eigene Nerven
der Dura vorhanden (Rüdinger, Alexander). In neuerer Zeit gelangten
Acquisto, V., und E. Pusateri (Über Nervenendigungen in der Dura mater 1896)
zu folgenden Ergebnissen :
Außer Vasomotoren sind auch Nn. proprii vorhanden. Letztere bilden mit
ihren feinen Verzweigungen ein reiches Netzwerk, aus welchem feine Endästchen
hervorgehen, die mit einer knopfförmigen Anschwellung zwischen den Endothelzellen
der inneren Fläche der Dura endigen.
Nose, S., Zur Struktur der Dura mater cerebri. Arbeiten Neurolog. Institut Wien, H. VIII,
1902. — Sterzi, G., Intorno alla divisione della dura madre dall' endoeranio. Monitore zoolog.
ital. XIII, 1902.
B. Arachnoidea encephali.
Die äußere, glatte, endothelbekleidete Fläche dieser zarten gefäßlosen Haut
ist der Dura zugewendet und umschließt mit ihr den kapillaren Subduralraum.
Die innere Fläche ist rauh und flockig durch die Gegenwart zahlreicher endothel-
bekleideter Bälkchen und Häutchen, welche die Arachnoidea mit der Pia verbinden
und subarachnoidales Gewebe genannt werden. Durch dieses wird der zwischen
beiden Häuten befindliche Raum in ein System zusammenhängender kleinerer und
größerer Räume verwandelt, welche den Namen subarachnoidale Räume haben
und den Liquor subarachnoidalis, einen Teil des Liquor encephalo-
spinalis, enthalten.
Während im Gebiet des Rückenmarks die Arachnoidea durch einen weiten
subarachnoidalen Raum von der Pia getrennt ist, verhält sich die Arachnoidea cerebri
in dieser Hinsicht örtlich sehr verschieden. Über den Windungen der konvexen
und planen Oberflächen des Endhirns sind die subarachnoidalen Bälkchen so kurz
und straff, daß beide Häute als eine betrachtet werden können (Leptomeninx),
die aus zwei festen Grenzplatten besteht und im Innern Bälkchen und Zwischen-
räume enthält. Über den Furchen ändert sich schon das Bild. Die Pia dringt
in die Furchen ein, die Arachnoidea brückt sich darüber hinweg. So ist Raum
für längere Bälkchen und Häutchen und größere Spalten. Im Gebiet der Hirn-
basis und beim Übergang ins Rückenmark ist die Arachnoidea am freiesten,
erhebt sich an bestimmten Stellen weit von der Pia und bildet große subarach-
noidale Höhlen, Cisternae subarachnoidales.
Die größte dieser Cisternen, Cisterna cerebello-medullaris, ist eine
Fortsetzung des hinteren Subarachnoidalraumes des Rückenmarks. Die Arach-
noidea dringt nämlich nicht in den Raum zwischen dem Unterwurm und der
Tela chorioidea des IV. Ventrikels hinein, sondern brückt sich von der ventralen
Fläche des Kleinhirnes zur dorsalen Fläche der Oblongata hinüber. Auch der
vordere Subarachnoidalraum des Rückenmarkes setzt sich hinwärts fort. Er
fließt mit dem hinteren Räume im Gebiete der Oblongata um so freier zusammen,
als das Ligamentum denticulatum hier noch in Wegfall kommt. Die ganze Ob-
longata ist somit von einem' weiten Subarachnoidalraum umgeben. An der ven-
tralen Fläche der Brücke setzt sich dieser Raum in einen mittleren und zwei seit-
156 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
liehe Räume fort, Cisternae pontis media und laterales, von welchen der
mittlere die A. basilaris einschließt. Vom Vorderrande der Brücke springt die
Arachnoidea zum Vorderrande des Chiasma opticum hinüber. In diesem großen
Raum sind mehrere Unterabteilungen zu unterscheiden. Eine vom Infundibulum
zu den Austrittsstellen der Nn. oculomotorii verlaufende unvollständige Scheide-
wand trennt einen vorderen, Cisterna chiasmatis, von einem hinteren Teil,
Cisterna interpeduneularis. Vorn und dorsal vom Chiasma liegt die Ci-
sterna laminae terminalis. Ihr folgt dorsal längs der konvexen Fläche des
Balkens die Cisterna corporis callosi. Im Gebiet der Vallecula und der
Fissura lateralis cerebri treffen wir auf die Cisterna fossae lateralis cerebri
(Sylvii). Um die Hirnschenkel herum steigt zur dorsalen Fläche des Hirnstammes
die Cisterna ambiens empor, welche auch die Vierhügel einschließt und sich
auf den Balken fortsetzt. Um die Vena magna cerebri befindet sich die Cisterna
venae magnae cerebri. Werden alle großen und kleinen subarachnoidalen
Räume künstlich mit gefärbten Massen gefüllt, so wird die Hirnoberfläche mehr
oder weniger vollständig von den umgebenden Massen verdeckt und wird in
ihren Einzelheiten nicht mehr gesehen.
Die größeren Blutgefäße des Gehirnes verlaufen innerhalb der subarach-
noidalen Räume. Die feineren Zweige dringen zur äußeren Oberfläche der Pia,
sind an ihr befestigt und heißen nunmehr Piagefäße. Fig. 154.
Die Arachnoidea encephali besteht (mikroskopisch) aus einem mehr oder
weniger dichten Flechtwerk von Bindegewebsbündeln, welche zu einer, an beiden
Flächen endothelbelegten dünnen Haut ausgebreitet sind.
Granulationes arachnoidales (Pacchioni).
Besondere Gebilde der Arachnoidea sind eigentümliche, kolbige, gefäßlose
Wucherungen; man nennt sie arachnoidale Zotten oder Pacchionische
Granulationen. Sie ragen im ausgebildeten Zustande verschieden tief in das
Duragewebe hinein, welches so verdünnt werden kann, daß die Zotten scheinbar
frei der Knochenwand anliegen und in Lücken derselben sitzen. Eine dünne Schicht
zwischenliegender Dura fehlt indessen nie. Besonders beliebte Stellen für das Ein-
wuchern der Granulationen sind die Sinus venosi oder ihre nächsten Umgebungen.
Denkt man sich an einem duralen Venenraum die Innenwand durch eine gewucherte
Zotte in den Venenraum eingestülpt, so ist hiermit alles Wesentliche bereits gesagt
und auch das Verhältnis der Lymphbahnen zu den Gebilden deutlich erkennbar.
Der perigranuläre Lymphraum (Fig. 155) ist ein ausgestülpter Teil des subduralen
Lymphraumes und steht mit diesem in offener Verbindung. Die Zotte ist aus
einem Netzwerk subarachnoidaler Bälkchen zusammengesetzt und entbehrt der
Blutgefäße; ihre Außenfläche hat eine Endothelbekleidung. Vom duralen Blutraum
wird die Zotte getrennt durch den perigranulären Raum und das Innenblatt der
Dura. Der Stiel der Zotten kann schmaler oder breiter sein. Sie finden sich vor-
zugsweise im Sinus sagittalis superior und in seiner Umgebung; sie fehlen aber
auch im Gebiet des Sinus transversus nicht. Sie bedürfen ferner für ihr Zustande-
kommen nicht der Nähe einer Knochenwand; denn sie kommen auch am Sinus
rectus vor. Nach den Untersuchungen von Key und Retzius wird durch die
Zotten der Übertritt seröser Flüssigkeit aus den subarachnoidalen Räumen in die
Venenräume der Dura erleichtert. Ihr Vorkommen bei Erwachsenen ist eine so
Das Gehirn: I lullen.
157
gewöhnliche Erscheinung, daß sie kaum mehr als anomale Gebilde bezeichnet
werden können.
Ihre Bedeutung hat man auch in einer einfach mechanischen Aufgabe gesucht und sie als
knopfartige Befestigungsmittel der Arachnoidea, Pia und Hirnoberfläche an die Dura und das
Schädelgewölbe angesehen. — Bluntschli (Morph. Jahrb., Bd. 41, 1910) stellt in der aufsteigenden
Primatenreihe eine Zunahme und höhere Differenzierung der arachnoidalcn Wucherungen fest.
Wie die Dura, so sendet auch die Arachnoidea einen scheidenartigen Fort-
satz, Arachnoidalscheide, zu den Nervenwurzeln. Dadurch wird es begreif-
lich, daß der Subduralraum und die Subarachnoidalräume des Gehirnes und
Rückenmarkes mit den Lymphbahnen der Nerven, und durch diese mit anderen
Fig. 154.
Fig. 154. Durchschnitt durch die Hirnrinde mit ein-
tretenden Blutgefäßen. (Halbschematisch.)
Mit Benutzung einer Figur von Key und Retzius
entworfen.
vtv,,v' kapillare Gefäße; v noch innerhalb der Subarach- Fig. 155.
noidalräume; s subarachnoidale Bälkchen und Häutchen;
p Intima pia , sich trichterförmig in die Adventitiascheide der in ]die Hirnsubstanz eindringenden Gefäße fortsetzend;
a.p. adventitieller perivasculärer Raum; pe Hisscher perivasculärer Raum; ep, ep sogenannter epicerebraler Raum.
Fig. 155. Schematische Darstellung einer Arachnoidalzotte und ihrer Hüllen.
co graue Rinde der Endhirn-Hemisphäre; p Intima pia; sa Subarachnoidalraum mit den subarachnoidaien Bälkchen, sich
in die Arachnoidalzotte pa kontinuierlich fortsetzend; a Arachnoidea; sd Subduralraum; sd' Subduralraum der Arach-
noidalzotte, in der Umgebung des dünnen Stieles der letzteren mit sd kommunizierend ; d inneres Blatt der Dura mater
durch den Venenraum v vom äußeren Blatte d' getrennt; ds Durascheide der Arachnoidalzotte.
Lymphbahnen in Verbindung stehen. So können vom Subarachnoidalraum des
Gehirnes aus z. B. die Lymphgefäße der Nasenschleimhaut, ein Raum um den
Sehnerven, der perilymphatische Raum des Gehörlabyrinthes künstlich gefüllt werden.
Die subarachnoidaien Räume des Gehirnes und Rückenmarkes kommunizieren
an drei Stellen mit dem Ventrikelsystem des Gehirnes:
1. durch die Apertura medialis ventriculi quarti (Foramen Ma-
gend ii).
2. und 3. durch die paarige Apertura lateralis ventriculi quarti (Key-
Retzii); siehe Pia.
C. Pia mater encephali. Fig. 154.
Innig der Gehirnoberfläche angeschmiegt, dringt die Pia in die Tiefe aller
Furchen und Fissuren ein, nie jedoch in die Ventrikel des Gehirnes selbst, wie man
es früher von den Plexus chorioidei annahm; auch bei ihnen bekleidet sie nur
die Außenfläche der epithelial gebliebenen Wandteile des Gehirnes, die Laminae
chorioideae epitheliales.
158 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Die Pia cerebri besteht in größter Ausdehnung nur aus einer Intima pia (Seite 31),
auf deren Außenseite die kleineren Blutgefäße fest angeheftet sind. Im Gebiete der
Cisternae subarachnoidales liegen ähnliche Verhältnisse vor, wie am Rückenmark.
Die Blutgefäße verhalten sich in ihrem weiteren Verlaufe, wie bereits S. 31 be-
schrieben ist, d. h. es kommen Piatrichter und adventitielle Scheiden vor. Die
zwischen diesen Scheiden und der Gefäßwand vorhandenen Kanalräume hängen
mit den subarachnoidalen Räumen unmittelbar zusammen.
Als besondere Gebilde der Pia cerebri und des Ventrikelepithels sind
die Telae chorioideae und die Plexus chorioidei zu nennen.
Man unterscheidet zwei Telae chorioideae, Aderhautausbreitungen,
eine obere und eine untere, welche den beiden queren Gehirnspalten
(Seite 66) und deren Lage entsprechen. Die Tela chorioidea ventriculi
tertii ist zwischen die ventrale Fläche des Balkens und des Gewölbes einerseits,
und die dorsale Fläche des Zwischenhirnes andererseits nach vorn vorgeschoben.
Die Tela chorioidea ventriculi quarti dagegen dringt zwischen der ventralen
Fläche des Kleinhirns und der dorsalen Fläche der Medulla oblongata vor.
/. Tela chorioidea ventriculi tertti. Fig. 103, 127—129, 156, 157.
Sie hat die Form eines gleichschenkligen Dreieckes mit vorderer, an die
Columnae fornicis reichender Spitze und hinterer, dem Balkenwulst entsprechender
Basis und besteht aus einem dorsalen und einem ventralen Blatte, welche durch
subarachnoidales Gewebe miteinander verbunden werden. Seitlich schlägt sich
das dorsale in das ventrale Blatt um. Der Umschlagrand ist durch den in den
Seitenventrikel des Endhirnes vorspringenden Plexus chorioideus ventriculi
lateralis ausgezeichnet, welcher sich vom Foramen interventriculare durch die
Pars centralis ventriculi lat. bis zum Ende des Unterhornes erstreckt. An der Stelle
des Trigonum collaterale, wo Hinterhorn, Unterhorn und Pars centralis zusammen-
stoßen und der Seitenventrikel weit ist, bildet der Plexus eine dickere Masse, das
Glomus chorioideum. Die beiden Plexus laterales gehen vorn, in dem zwischen
beiden Foramina interventricularia liegenden schmalen Räume, in den sie ventral-
wärts umbiegen, ineinander über und entsenden nach hinten die beiden schmalen,
dicht nebeneinander gelagerten Plexus chorioidei ventriculi tertii, mittlere
Adergeflechte, deren Verhältnisse aus den Fig. 128, 129, 157 ersichtlich sind.
Während im Plexus chorioideus ventriculi lateralis das dorsale Blatt die dem
Plexus angehörigen gefäßtragenden Zotten entwickelt, ist es im Plexus chorioideus
ventriculi tertii das ventrale.
Das laterale Ende des Plexus chorioideus ventriculi lat. ist an der Taenia
chorioidea, das mediale am lateralen freien Rande des Fornix befestigt (Fig. 157).
Das Epithel des Plexus setzt sich, entsprechend den Anheftungslinien, in die Be-
kleidung der bezüglichen Organe fort. Die beiden Plexus chorioidei ventri-
culi tertii sind seitlich an der Stria medullaris thalami befestigt. Weiter hinten
geht die Befestigung auf die Habenulae und auf die Oberfläche des Corpus pineale
über. In dem subarachnoidalen Gewebe, welches zwischen den Piablättern der
Tela chorioidea ventriculi tertii enthalten ist, verlaufen zwei größere Venen, die
Venae cerebri internae; sie vereinigen sich am hinteren Ende der Tela zur
Vena cerebri magna (Galeni). Jede V. cerebri interna nimmt am vorderen
Ende der Tela die V. chorioidea und die V. terminalis auf. Fig. 156.
Das Gehirn: Hulk-n.
159
2. Tela chorioidea ventriculi quarti. Fig. 97, 120, 159.
Sie besteht aus der epithelialen, seitlich zur Taenia ventriculi quarti und
vorn zum Velum medulläre posterius ziehenden Decke des IV. Ventrikels und
Venen vom Corpus callosum
Vena cerebri interna
Tela chorioidea ventriculi ill
Plexus chorioideus ventriculi lat.
Vena terminalis
Vena chorioidea,'-
/'
Venen vom Thalamus
Plexus chorioideus ventriculi lat.
Vena cerebri interna I — f — £££
(Vena hippocampi)
(Vena calcaris avis.) ■J^,---^r:- Ä»dö/i>
Splenium corporis callosi
Crus "fornicis
Commissura hippocampi
Fig. 156.
Tela chorioidea ventriculi tertü und Plexus chorioidei ventriculi lateralis. (Nach Vicq d'Azyr.) 3:2.
Der Balken ist abgetragen; die Columnae fornicis sind am Foramen interventriculare (Monroi) durchgeschnitten, Corpus
und Crura fornicis sind nach hinten umgeklappt.
Fig. 157. Fig. 158.
Fig. 157. Querschnitt durch die Tela chorioidea ventriculi tertü und deren Umgebung.
// Ventriculus lateralis; III Ventriculus tertius; C.c. Corpus callosum; F Fornix; 77z Thalamus; St. m. Stria medullaris;
St.t. Stria terminalis; V.t. Vena terminalis; L Lamina affixa. 1 Taenia thalami ; 2 Taenia chorioidea; 3 Taenia fornicis.
Die Figur zeigt den Übergang der Taenien in das Epithelblatt der Plexus chorioidei.
Fig. 158. Schema zur Demonstration des Verhaltens der Striae, Taeniae und der Lamina chorioidea epithelialis.
(W. His.)
der ihr aufliegenden Pialamelle. Das Piablatt, welches der gegenüberliegenden
Kleinhirnfläche angehört, kann, wenn man will, als dorsales Blatt der Tela
chorioidea betrachtet werden. Die Basis dieser Tela liegt vorn und zieht entlang
160
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
dem Velum medulläre posterius zu den Flockenstielen; sie ist folglich breit zwischen
den beiderseitigen Flockenstielen gelegen und hat als mittleren Befestigungspunkt
den Nodulus des Unterwurmes; die Spitze liegt am hinteren Ende des IV. Ventrikels,
am Calamus scriptorius.
Auch hier gelangt jederseits ein Plexus lateralis und ein scheinbar un-
paarer Plexus medius zur Ausbildung. Die ersteren erstrecken sich vom No-
dulus seitlich zu den Recessus laterales ventriculi quarti; der letztere, aus zwei
nebeneinanderliegenden Streifen bestehend, zieht vom Nodulus rückwärts, tritt aus
der Apertura medialis ventriculi quarti hervor und zieht sich noch eine Strecke
Hemisphaerium
sinislrum
cerebelli
Hemisphaerium
dextrum
cerebelli
Plexus chorioideus ventriculi IV /
Subarachnoidales Gewebe
Apertura medialis ventriculi IV \
(Foramen Magendii)
Medulla oblongata
Tela chorioidea ventriculi IV
Fissura mediana post.
Fig. 159.
Untere Fläche des Kleinhirnes und obere der Medulla oblongata, nach Spaltung der Arachnoldea auseinander-
gebogen, um die Apertura medialis ventriculi quarti zu zeigen. (Key und Retzius.)
o Arachnoidalwand der Cisterna cerebello-medullaris; t,t Tonsillen des Kleinhirnes. Man sieht, wie aus der Apertura
medialis ventriculi quarti der mittlere Teil der beiden Plexus chorioidei ventriculi IV hervorkommt und sich eine Strecke
weit an der unteren Fläche des Unterwurmes entlang zieht.
weit am Unterwurm hinauf. Im Recessus lateralis hat der Plexus mit seiner seit-
lichen Umschließung durch die Taenia ventriculi quarti die Form eines mit Beeren
beladenen Füllhornes und wird auch Füllhorn oder Bochdaleksches Blumen-
körbchen genannt.
Während die Tela chorioidea ventriculi tertii völlig geschlossen ist, kommen,
wie schon erwähnt, an der Tela chorioidea ventriculi quarti zweierlei sekundäre
Durchbrechungen vor, eine mittlere, die Apertura medialis ventriculi
quarti (Foramen Magendii), und zwei seitliche, die an den Recessus laterales
sich ausgebildet haben, Aperturae laterales ventriculi quarti (Key-Retzii).
Die Apertura medialis (Fig. 159) befindet sich im hinteren Bereich des
Ventrikeldaches, unmittelbar vor dem Obex. Die beiden anderen nehmen die
Enden der Recessus laterales ein. Key und Retzius haben diese Öffnungen des
IV. Ventrikels ausführlich beschrieben und ihr wirkliches Vorhandensein früheren
Das Gehirn: Hüllen. 161
abweichenden Meinungen gegenüber sichergestellt. Vor mehreren Jahren haben
ihre Angaben durch erneuerte Untersuchung von in Müllerscher Flüssigkeit ge-
härteten Gehirnen volle Bestätigung gefunden.
So untersuchte Hess zu diesem Zwecke 30 Gehirne von Erwachsenen, 10 von Neugeborenen,
7 von Feten. Das Magendiesche Loch, seit 1842 bekannt geworden, stellt meist nicht eine Durch-
brechung einer Membran dar, sondern erscheint als die Endmündung eines kurzen, mehr oder weniger
zylindrischen Rohres, dessen Wandungen vielfach durchlöchert sind. Im übrigen kommen bedeutende
individuelle Schwankungen vor, so daß ausnahmsweise die Öffnung fehlt und die Pia mit dem Ventrikel
geschlossen bleibt. Bei Neugeborenen, ja schon bei Feten von 15 cm Länge pflegte die Öffnung
vorhanden zu sein. In der Regel wurden auch in den Reccssus laterales Öffnungen gefunden.
Die Funktion dieser Öffnungen besteht in der leichteren Ermöglichung
einer Druckregulierung des in den Hirnhöhlen enthaltenen Liquor eneephalicus,
welcher sich durch die Öffnungen mit der subarachnoidalen Lymphe zum Liquor
encephalo-spinalis mischt. Die Funktion der Plexus chorioidei aber ist
von der ersten Zeit ihrer Ausbildung an keine andere, als Liquor eneephalicus
abzusondern. Dessen Mengenschwankungen spielen bei den Schwankungen des
Blutgehaltes des Gehirnes und Schädelinnenraumes notwendigerweise eine ge-
wisse Rolle.
Die Adergeflechtzotten bestehen aus einem fibrillenarmen Bindegewebe,
deckendem Epithel und eingeschlossenen Blutgefäßen. Eine zuführende Arterie
und eine abführende Vene bilden innerhalb derselben ein reiches Kapillarnetz. Sie
haben eine Länge von 1 — 2 mm und sind in zierlicher Weise mit mehreren sekun-
dären Erhebungen von 0,4 mm, diese wieder mit kleinen tertiären Läppchen von
0,07 mm Länge besetzt.
Hier ist auch der Ort, die mehrfach erwähnten Taenien des Gehirnes (S. 76, 105,
136, 137, 141) übersichtlich zusammenzustellen. Man bezeichnet nach dem Vor-
gange von Reichert mit jenem Namen alle jene Säume, längs welcher die Sub-
stanz des Gehirnes in das Epithel der betreffenden Tela chorioidea sich fortsetzt.
Zum Verständnis ist aus der Entwicklungsgeschichte zu erwähnen, daß von der
ursprünglichen Wand des embryonalen Gehirnrohres ein größerer Teil sich verdickt
und zu Nervensubstanz gestaltet, ein kleinerer Teil dagegen auf epithelialer Stufe
verharrt und dünne Platten bildet (Fig. 163, 179). So geschieht es an der Decke
des IV. und des III. Ventrikels und in einem Längsstreifen der medialen Wand
des Endhirnes. Längs der Grenze der kompakten gegen die dünne Platte haben
alle jene Taenien ihre Lage. Die Pia mater geht von der kompakten auch auf
die dünne Platte über, welche stellenweise verwickelte Einfaltungen erfährt und
dadurch die Telae und Plexus chorioidei veranlaßt. Beim Ablösen der Pia mater
von der Hirnwand zerreißt der Zusammenhang zwischen kompakter und dünner
Platte, und die Taenien bleiben als feine gezackte Säume zurück. In der Nähe der
Taenien haben sich Markstreifen ausgebildet, sogenannte Striae medulläres
(siehe Fig. 157 und 158).
1. Taenia ventriculi quarti. Sie beginnt am Obex (Seite 72), geht vor
dem Ende des Fasciculus gracilis und euneatus schräg auf das Corpus restiforme
über (Fig. 113, 114), umsäumt den Recessus lateralis und schließt sich darauf dem
Kleinhirn an, indem sie dem Pedunculus floeculi und dem Velum medulläre po-
sterius zum Nodulus folgt (Seite 76). Sie ist folglich, im Zusammenhange mit
derjenigen der anderen Seite, ringförmig gestaltet.
162
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
2. Taenia thalami. Die Taenie des dritten Ventrikels bildet mit der Taenia
chorioidea des Seitenventrikels einen zusammenhängenden Streifen, an welchem wir
mit His drei Hauptabschnitte unterscheiden können: die Taenia thalami, die
Taenia chorioidea und die Taenia fornicis.
Die Taenia thalami beginnt am Corpus pineale (Fig. 108) und folgt jederseits
dem freien Rande der Stria medullaris; sie setzt sich in die schmale Epithelplatte fort,
welche den Plexus chorioideus ventriculi III an seiner unteren Fläche bekleidet.
Am Foramen interventriculare angelangt, biegt die Taenia thalami rückwärts in die
Fig. 160.
Fig. 161.
Fig. 160. Plexus chorioideus ventriculi lat. Im Bereich des Unterhorns.
Frontalschnitt durch Hippocampus und Unterhorn des Seitenventrikels. 2 : 1.
v.l. Unterhorn des Seitenventrikels; sub. Gyrus hippocampi; c. A. Hippocampus, auf der Ventrikelseite von d bis c mit
weißer Marklamelle bedeckt, die bei c in die Fimbria// übergeht. Zwischen a und b spannt sich eine das Adergeflecht p. eh.
tragende Pialamelle aus; die Fortsetzung der Pia mater auf der freien Oberfläche ist punktiert dargestellt; n.c. Cauda
nuclei caudati ; / Fascia dentata; g Lamina medullaris involuta, aus der Substantia reticularis alba hervorgehend.
Fig. 161. Tela chorioidea ventriculi III, Plexus chorioideus ventriculi III und ventriculi lat.
Frontalschnitt durch das Zwischenhirn und die Seitenventrikel. Halbschematisch. 2:1.
Th. Sehhügel; t Haube; er Großhirnschenkel; v.lll dritter Ventrikel; v.l. Seitenventrikel; r dessen Recessus zwischen
oberer Fläche des Fornix (/) und unterer Fläche des Balkens (ea); n.c. Nucleus caudatus; st. t. Stria terminalis. Von der
lateralen Kante des Fornix c brückt sich ein den Plexus chorioideus lateralis (ch.l) tragendes Piablatt nach a zum Rande
der Lamina alfixa hinüber. Die Piablätter hier, sowie an der unteren Seite des Fornix und auf der oberen Fläche des
Thalamus und dritten Ventrikels sind durch punktierte Linien angedeutet, das Epithel der Plexus chorioidei schematisch
durch eine ausgezogene, vielfach eingebuchtete Linie. Zwischen den beiden Piablättern befindet sich lockeres subarach-
noidales Gewebe (sa.) und die Querschnitte der Venae cerebri int. (v, v); ch.m. Plexus chorioidei des dritten Ventrikels.
Taenia chorioidea um. Letztere setzt sich am vorderen Ende des Hippocampus
fort in die Taenia fimbriae und diese in die Taenia fornicis. Fig. 118.
Die Blutgefäße der Pia sind zum überwiegenden Teil für das Zentral-
organ, nicht für sie selbst bestimmt. Die Quellen der arteriellen Gefäße sind die
A. carotis interna und A. vertebralis (siehe Abt. III). Von den Lymphgefäßen
der Pia war schon oben (S. 31) die Rede.
Die Nerven der Pia stammen zum größten Teil aus dem Sympathicus und
dessen Geflechten für die A. carotis interna und A. vertebralis.
Das Gehirn: Gefäße. 163
Cavazzani, E., Zur Physiologie der Plexus ehorioidei des Gehirnes. Zcntralbl. f. Phys. XVI,
1902. — Imamura, Sh., Zur Histologie des Plexus chorioideus. H. Obersteiners Arbeiten, VIII,
1902. — Melnikow-Raswedenkow, N., Über den Bau der Dura matcr. Jena 1900. — Nahm-
macher, VV., Die Nerven der Dura mater cerebri. Rostock 1879. — Strasscr, H., Die Hüllen
des Gehirnes und des Rückenmarkes, ihre Funktion und ihre Entwickclung. Comptes r. Assoc.
anat., 3e S. 1901. — Zander, R., Beiträge zur Morphologie der Dura matcr und zur Knochen
entwickclung. Festschrift für Kupffer, 1899. Die Ursache der Gliederung der Dura spinalis in
ein periostales und medulläres Blatt ist die Beweglichkeit der Wirbelsäule, im Gegensatz zu den Verhält-
nissen des Schädels. Epidurale Räume des letzteren hat Z. nicht wahrgenommen. Als Dura mater und
als Periost betrachtet Z. nur die fibrösen Häute und trennt davon das knochcnbildcnde Gewebe ganz.
8. Gefäße des Gehirnes.
A. Arterien.
Der in der Angiologie enthaltenen Darstellung der Hirnarterien ist über die weitere Verästelung
der Hirnarterien nach Untersuchungen von Duret und Heubner das Folgende hinzuzufügen:
I. Arterien des verlängerten Markes und des Kleinhirnes.
1. Aa. radiculares (Duret). Sie stammen aus den Aa. vertebrales, der A. basilaris, oder
aus den Aa. cerebelli inferiores, verlaufen zu den Nervenwurzeln, erreichen sie kurz vor ihrem
Austritt und teilen sich in einen peripheren R. descendens und einen zentralen R. ascendens, der
die Nervenwurzel bis zum Kern begleitet.
2. Aa. medianae s. Aa. nucleorum, zahlreiche feine Arterien, die innerhalb der Raphe
zum Boden des vierten Ventrikels aufsteigen. Duret unterscheidet 4 Gruppen: Die der einen
Gruppe stammen aus der A. spinalis anterior und ziehen zu den Kernen des Hypoglossus und
Accessorius; die der zweiten Gruppe (3—4) stammen aus der Vereinigungsstelle der Vertebrales
zur Basilaris und versorgen die Kerne des Vagus, Glossopharyngeus und Acusticus; die der dritten
Gruppe (4 — 6) stammen aus der Basilaris und versorgen besonders die Kerne des Facialis, Abducens
und Trigeminus; die der vierten Gruppe endlich (einige feine Äste) stammen aus der Teilungsstelle
der Basilaris und ziehen durch Löcher der Substantia perforata posterior zur Haube und den Kernen
des Mittelhirnes. Das Kapillarnetz aller dieser Gefäße hängt zusammen mit der Endverästelung
der zentralen Äste der Aa. radiculares.
3. Zweige zu den Oliven, Pyramiden und Corpora restiformia, zur Tela und zu den Plexus
ehorioidei des vierten Ventrikels. Letztere stammen aus der A. cerebelli inferior posterior.
Die drei Arterien für jede Kleinhirnhälfte gehen untereinander starke Anastomosen ein.
Der Verlauf der Hauptzweige dieser Gefäße ist ferner nahezu rechtwinkelig zur Richtung der
Furchen und Randwülste. Das dichteste Kapillarnetz besitzt, wie sich erwarten läßt, die Körner-
schicht (Gerlach, Oegg).
II. Arterien des Mittelhirnes.
1. Zweige für die Substantia perforata posterior und die Haube aus der A. cerebri
posterior. Zu ihnen gehören auch die aus der Teilungsstelle der Basilaris entspringenden (bei I, unter 2,
vierte Gruppe erwähnten) Zweige.
2. Zweige für die Pedunculi cerebri. Sie sind die Aa. peduneulares mediales und laterales.
Von den medialen Zweigen stammen die vorderen aus der A. communicans posterior, die hinteren
aus dem Anfangsteil der A. cerebri post.; einige von ihnen dringen zur Substantia nigra. Die lateralen
Zweige stammen besonders aus der A. cerebri post., zum Teil aus der A. chorioidea.
3. Zweige für die Vierhügel. Für das Velum medulläre anterius und die Bindearme sind
feinere Arterien aus der A. cerebelli superior bestimmt. Das Hauptgefäß für die Vierhügelplatte selbst
(A. collicularis lateralis) stammt aus der A. cerebri post., umschlingt den Pedunculus, gelangt zum
Sulcus intercollicularis transversus und verbreitet sich von hier aus. Von der A. cerebri post. oder
einem ihrer Thalamuszweige entspringt häufig ein für die vordere Abdachung des Vierhügels be-
stimmtes Gefäß (A. collicularis anterior). Sie alle anastomosieren untereinander und bilden in der
Vierhügelplatte ein reiches Kapillarnetz.
Raübee-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 9
164 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
III. Arterien des Zwischenhirnes.
1. Für die Zirbel, die Tela chorioidea ventriculi tertii und die Plexus chorioidei
ventriculi tertii ist jederseits ein aus der A. cerebri posterior entspringendes Gefäß bestimmt,
die A. chorioidea posterior medialis, die sich in einen medialen, zurTela, und einen lateralen
zum Plexus ziehenden Zweig teilt.
2. Für den Thalamus sind mehrere Gefäße bestimmt, die sämtlich Endarterien (siehe
Gefäßlehre) im Sinne von Cohnheim sind. Man unterscheidet:
a) die Aa. thalamicae mediales, eine anterior und eine posterior. Letztere entspringt
aus der A. cerebri post. oder aus der A. communicans posterior. Die anterior stammt aus der
A. communicans posterior; sie durchbohrt die graue Bodenkommissur zwischen Tuber cinereum und
Corpus mamillare und gelangt zum vorderen Teil der Wand des Ventriculus III und zum Tuberculum
anterius thalami. Die posterior durchbohrt die Substantia perforata posterior und gelangt zur
medialen Fläche des Thalamus und zur Massa intermedia.
b) Die Aa. thalamicae dorsales. Sie stammen aus der A. chorioidea posterior late-
ralis, einem Aste der A. cerebri post., welcher die Tela chorioidea ventriculi III und den Plexus
chorioideus ventriculi lateralis versorgen hilft.
c) Die Aa. thalamicae laterales (2—3) stammen aus der A. cerebri post. und versorgen
die Corpora geniculata und das Pulvinar.
3. Die Corpora mamillaria, das Tuber cinereum, das Infundibulum und die Hypo-
physis werden von Zweigen aus der A. communicans posterior versorgt.
4. DerTractus opticus erhält in der Reihe von hinten nach vorn Zweige von der A. chorioidea
anterior, der Communicans posterior und der Carotis interna.
5. Das Chiasma erhält an seiner hinteren Fläche Zweige der A. communicans posterior; an
der vorderen: Zweige der A. communicans anterior und A. cerebri anterior; an der lateralen:
Zweige aus der Carotis interna.
6. Die Lamina terminalis wird von der A. communicans anterior versorgt.
IV. Arterien des Endhirnes.
Sie sind a) Arterien der Endhirnganglien und der Capsula interna,
b) Arterien der Endhirnrinde und des übrigen Markes.
a) Die Arterien der Endhirnganglien (Nucleus caudatus und lentiformis) sind sämtlich
Endarterien (Heubner, Duret) und stammen: 1. aus der A. cerebri anterior. Meist ist nur ein
Zweig vorhanden, welcher durch eine mediale Öffnung der Substantia perforata anterior zum
basalen Teil des Kopfes des Nucleus caudatus zieht; 2. aus der A. chorioidea lateralis, einem Zweige
der A. cerebri post., feine Zweige, die in den dorsalen Teil des genannten Kopfes eindringen;
3. aus der A. cerebri media eine größere Zahl von Zweigen, welche die Löcher der Substantia
perforata anterior durchbohren und zum Linsenkerne (seinen drei Gliedern), zum mittleren Teil
des Nucleus caudatus, zur Capsula interna bis zum Thalamus gelangen. Fig. 162.
b) Arterien der Rinde. Die aus den Ästen der Piaarterien hervorgegangenen Hirngefäße
verlaufen zunächst noch eine Strecke parallel der Oberfläche und dringen dann rechtwinklig zur
Oberfläche in die Rinde ein. Man unterscheidet: a) Aa. medulläres (Duret), gröbere Zweige, welche
durch die Rinde 3 — 4 cm tief eindringen, somit auch die tiefsten Teile der Marksubstanz erreichen und
innerhalb derselben in langgestreckte Kapillarnetze übergehen. Schon innerhalb der Rinde geben sie
einige feinere Zweige ab. Auf einem Schnitte, der eine Windung quer durchschneidet, werden 10 — 15
Aa. medulläres wahrgenommen; b) Aa. corticales. Sie sind feiner, viel zahlreicher und bilden
hauptsächlich das Kapillarnetz der grauen Rinde. Dieses ist in der äußeren zellenarmen Schicht
weitmaschig, in der Hauptmasse der Rinde dagegen sehr dicht. Aus der Grenzschicht gegen das
Mark entwickeln sich insbesondere die Venen der Hirnrinde. Im übrigen werden auch die Venen
als Vv. medulläres und Vv. corticales unterschieden.
I. A. cerebri anterior. Sie gibt zunächst feine Zweige zum Septum pellucidum und zum
Rostrum corporis callosi ab und versorgt darauf den größeren Teil des Stirnlappens, einen Teil des
Scheitellappens und den Balken, indem sie in folgende Zweige zerfällt:
a) Die Aa. frontales inferiores mediales, für den Sulcus olfactorius und die an ihn.
grenzenden Orbitalwindungen.
Das Gehirn: Gefäße, Entwicklung.
165
b), c) und d) Die A. Frontalis m cd ialis anterior, media und posterior. Dir anterior
ist für die mediale und dorsale Flache der ersten Stirnwindung und für die dorsale Fläche der zweiten
Stirnwindung bestimmt; die media versorgt den hinteren Teil der ersten Stirnwindung, den Gyrus
cinguli und die oberen Enden der beiden Zentralwindungen; die posterior versorgt den Praccuneus,
das Corpus callosum und das dorsale Epcndym der Seitenventrikel.
2. A. cerebri media. Nachdem sie ihre Zweige für die Endhirnganglicn abgegeben hat,
teilt sie sich auf der Außenseite der Insel in folgende -1 Endzweige:
a) Die A. frontalis inferior lateralis, für die
dritte Stirnwindung.
b), c) und d) Die A. parictalis anterior, media
und posterior. Die anterior versorgt das hintere Ende
der zweiten Stirnwindung und die vordere Zentralwindung,
die media breitet sich im Gebiet der Zentralwindungen und
des Lobulus parietalis superior aus, die posterior begibt sich
zum Lobulus parietalis inferior, zur dorsalen Fläche des
Schläfenlappens, sowie zur ersten und zweiten Schläfen-
windung.
Die A. cerebri media gibt ferner eine Reihe von
Rami insulares ab, von welchen Reiser bis zum Claustrum
vordringen.
3. A. cerebri posterior.
Von ihrer medialen Seite die erwähnten Zweige zum
Mittel- und Zwischenhirn entsendend, gibt sie von ihrer
lateralen Seite folgende Zweige zur Hirnrinde:
a) und b) A. temporalis anterior und posterior
und c) A. occipitalis. Die A. temp. ant. versorgt den G.
hippocampi und die Spitze des Schläfenlappens; die A. temp.
post. den Gyrus hippocampi, die dritte Schläfenwindung
und den Gyrus fusiformis; die A. occipitalis den größten
Teil des Hinterhauptlappens; sie verläuft zum Teil in der
Fissura calcarina zum Occipitalpol.
Siehe Abt. III,
B. Venen.
S. 401—405.
3
Fig. 162.
Äste der A. cerebri media zu den Stamm-
ganglien.
Frontalschnitt der linken Hemisphäre hinter
dem Chiasma opticum.
1 Fissura lateralis cerebri ; 2 Insel ; 3 Schläfen-
lappen; 4 Nucleus amygdalae; 5 Nucleus len-
tiformis; 6 Nucleus caudatus; 7 Thalamus;
8 'Chiasma opticum; 9 Carotis interna und
ihre Teilung in die A. cerebri media und A.
cerebri anterior.
C. Lymphbahnen.
Siehe hierüber den Abschnitt: Hüllen des Gehirnes, sowie Abt. III, S. 469.
Cavazzani, E., Weiteres über die Cerebrospinalflüssigkeit. Zentralbl. f. Physiologie, 1896, X,
Nr. 6. — Grashey, H., Experim. Beiträge zur Lehre von der Blutzirkulation in der Schädel-Rück-
grathöhle. München 1892, J. F. Lehmann. — Triepel, H., Die Struktur der Gehirnvenen und die
Blutzirkulation in der Schädelhöhle. Anat. Hefte, Nr. 36, 1898. — H. Baum, Die Lymphgefäße
des Nervensystems des Rindes. Zeitschr. Infektionskrankh. usw. 1913.
9. Blick auf die Entwicklung des Gehirns.
Das Medullarrohr, welches dem Rückenmark und Gehirn den Ursprung gibt, geht aus einer
langen und breiten, aus zwei symmetrischen Hälften zusammengesetzten zelligen Platte des Ektoderms
hervor, die den Namen Medullarplatte erhalten hat. Ringsum setzt sich die Medullarplatte in
den peripheren Teil des Ektoderms fort, welcher Hornblatt genannt wird. An der Grenze zwischen
beiden gliedert sich jederseits ein besonderer Strang ab, die Ganglienleiste, die Ursprungsplatte
der Ganglia communia, welche sekundär in Ganglia spinalia und Ganglia sympathica
sich gliedern.
Wenn auch natürlicherweise das Maßgebende des ganzen zentralen Nervensystems immer die
Substanzplatte selbst ist und in der frühzeitig sich ausbildenden Rohrform nichts Geheimnis-
volles gesucht werden darf, so hat die Medullarplatte doch nicht umsonst die Rohrform angenommen;
9*
166 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
es leitet sich aus dieser Modifikation der Urform die Leichtigkeit der Oberflächenentfaltung und eine
große Anzahl anderer morphologischer Folgen ab. Geht man dem Gegenstande weiter auf den
Grund, so zeigt gerade die Endform des zentralen Nervensystems am deutlichsten, daß von dem
ganzen Querschnitte des Medullarrohres nicht jeder Teil eine gleich große morphologische Be-
deutung besitzt, sondern daß die Seitenwände des Rohres es sind, welchen die Hauptbedeutung
in der ganzen Länge der Anlage zukommt. Zwei gebogene starke seitliche Platten also sind es,
in welche der wesentliche Begriff des Medullarrohres sich auflöst, zwei neurale Balken, welche je
durch eine schwache dorsale und ventrale Brücke oder Kommissur miteinander zusammenhängen.
Von diesen beiden neuralen Balken gehört je einer einer Körperhälfte an, der Lage nach der
gleichseitigen, der Funktion nach der gegenseitigen. Jeder neurale Balken zerfällt in zwei
verschiedene Zonen, in eine mehr ventral und in eine mehr dorsal gelegene; sie führen den Namen
Grundplatte und Seiten- oder Flügelplatte i Fig. 163). Was der Grund- und Flügelplatte
jederseits in der ganzen Länge des Medullarrohres an morphologischer Leistung zukommt, wird
alsbald gezeigt werden.
Vorerst ist von der Rohrform noch hervorzuheben, daß sie auch in der Endform des Zen-
tralnervensystems immer noch deutlich erkennbar bleibt. Die Lichtung erweitert sich an einigen
Stellen zu mehr oder weniger geräumigen Kammern, die sogar sekundäre Durchbrechungen erfahren
können; aber hierin liegt kein Hindernis für jene Vorstellung. Daß das Rückenmark in seiner End-
form ein dickwandiges Rohr darstellt, ist bekannt; die Medulla oblongata, die Brücke und das
Kleinhirn setzen die Rohrform unter Ausbildung der IV. Hirnkammer fort; das Mittelhirn, in Form
zweier symmetrischer Massen um den Aquädukt gelegt, ist ein kurzes, dickwandiges Rohrstück;
bedeutendere Umbildungen erfuhr das Zwischenhirngebiet, aber im ganzen zeigt es ebenfalls zwei
symmetrische Seitenmassen, die um die III. Hirnkammer gelegt sind. Bringt man endlich jede
Hemisphäre auf ihren einfachsten Ausdruck, läßt man Furchen und Windungen verstreichen und die
Region der Hemisphärenkerne sich verdünnen, so zeigt sich jede Hemisphäre als eine Blase, welche
vorn-seitlich dem Zwischenhirn aufgesetzt ist; das Foramen interventrikulare ist jederseits die Über-
gangsstelle des Zwischenhirnlumens in den Blasenhohlraum.
Über die Einzelheiten der vielen Umbildungen liegen zahlreiche Untersuchungen vor,
welche, wenn sie auch nicht überall zu völlig abschließenden Ergebnissen geführt haben, doch
alle grundlegenden Vorgänge zu überschauen gestatten.
Während soeben versucht worden ist, die Endformen der Hauptabteilungen des Gehirnes in
Gedanken rückwärts auf die einfacheren Verhältnisse eines gegliederten Rohres zu verfolgen und
zu zeigen, daß auch das fertige Gehirn die Rohrform noch durchblicken läßt, sind nunmehr die
vorschreitenden Bahnen der Entwicklung des Medullarrohres objektiv zu untersuchen.
Das Medullär- oder Neuralrohr steht in früher Zeit sowohl mit dem den ganzen Körper ab-
schließenden epidermalen Rohre, als auch mit dem gastralen Rohre in der Gegend des hinteren Leibes-
endes in offener Verbindung. Der bezügliche Kanal führt den Namen Canalis neuren tericus.
Beifolgende Fig. 164, welche den Medianschnitt eines Batrachier-Embryo widergibt, erläutert
das Angegebene in den für uns wichtigsten Teilen; tue lateralen Nebenröhren der Körperanlage sind
auf dem Medianschnitt natürlich nicht sichtbar. Dagegen zeigt sich, daß das epidermale Rohr e am
hinteren Leibesende, bei R, der Rusconischen Pforte, die äußere Mündung eines inneren Gangwerkes
enthält, von welchem m das dorsal bereits geschlossene Medullarrohr, g das Gastralrohr darstellt;
bei ne führt der Canalis neurentericus vom Medullarrohr in das Gastralrohr und zur Rusconischen
Pforte. Der Canalis neurentericus vermittelt die beiderseitige Verbindung nur während kurzer Zeit;
er schließt sich darauf ab, der merkwürdige Zusammenhang mit dem Darmapparat ist dann auf-
gehoben.
Während Fig. 164 das Medullarrohr dorsal bereits überall geschlossen zeigt, führt Fig. 165
ein Stadium der Kaninchenentwicklung vor, in welchem die Medullarplatte zwar symmetrisch ge-
bogen ist und daher eine Rückenfurche (rf) einschließt, die lateralen Ränder der Platte aber
noch weit voneinander entfernt sind; sie nähern sich später immer mehr, verwachsen miteinander
und schnüren sich vom anstoßenden Hornblatt der Länge nach ab.
Aus der Wand des Medullarrohres gehen hervor die graue und weiße Substanz des Rücken-
markes und Gehirnes, das Ependym des Zentralkanales und der Ventrikel, sowie die Neuroglia.
Hat sich einmal ein primitiver Wirbelkanal gebildet, so füllt das Rückenmark den Wirbelkanal
fast ganz aus und erstreckt sich bis an dessen kaudales Ende. Später überholt die Wirbelsäule
das Rückenmark im Wachstum; dieses füllt alsdann den Wirbelkanal weder im Querschnitt, noch
Das Gehirn: Entwicklung.
167
in der Längsrichtung ganz aus, sondern es bleiben ansehnliche Räume frei. Der steile Verlauf der
Lenden- und Kreuznerven weist auf letztere Beziehung noch hin. Die Wirbelsäule macht gegenüber
dem Rückenmark einen Descensus durch; nur dem Scheine nach liegt alsdann ein Ascensus medullac
spinalis vor.
Das Medullarrohr gliedert sich schon frühzeitig deutlich in einen cerebralen und einen spinalen
Teil, die an der Grenze unmittelbar ineinander übergehen; jeder der beiden großen Abschnitte aber
Fig. 163. Fig. 164.
Fig. 163. Querschnitt der embryonalen Oblongata, zur Kennzeichnung der Hlsschen Längszonen desMedullarrohres.
1 Grundplatte; 2 Seiten- oder Flügelplatte; 3 Bodenplatte; 4 Deckplatte; 5 Ventriculus quartus.
Fig. 164. Schema eines Batrachlerembryo im Längsschnitt.
e, e Ektoderm (Hornblatt als äußeres Rohr des Körpers); m Medullarrohr mit dem Zentralkanal und der (mit starker Linie
gekennzeichneten) Wand; ne Canalis neurentericus; R Rusconische Pforte; g Gastral oder Darmrohr (mit gestrichelter
Linie gekennzeichnet). An der vorderen Wand wird später der Mund gebildet, der jetzt noch fehlt, ch Linie zur Andeutung
der Lage der Chorda dorsalis.
gliedert sich wieder in Unterabteilungen, wie Fig. 167 zeigt, welche den cerebralen Abschnitt des
Medullarrohres, d. i. das Hirnrohr eines zweitägig bebrüteten Hühnchens in dorsaler Ansicht wiedergibt.
Das Hirnrohr gliedert sich zunächst in die drei der Länge nach aufeinanderfolgenden primären
Hirnblasen, in das primäre Vorderhirnbläschen (I), Mittelhirnbläschen (II) und Hinter-
hirnbläschen (III).
Am primären Vorderhirnbläschen stülpen sich die Seitenwände zu den primären Augenblasen
aus, welche sich allmählich mehr von ihrem Mutterboden abschnüren, so daß schließlich nur noch
ch
Fig. 165.
Querschnitt durch die Embryonalanlage eines Kaninchens von 8 Tagen.
rf Rückenfurche; mp Medullarplatte, gebogen, die Rückenfurche einschließend und zum Medullarrohr sich umgestaltend;
ect Hornblatt des Ektoderm ; ch Chorda dorsalis ; ent Entoderm ; uw Urwirbel ; ung Urnierengang; hp Hautplatte; df Darm-
faserplatte des Mesoderm , die Leibeshöhle (/) zwischen sich fassend; ao absteigende primitive Aorta mit Wand und
Lichtung; u, u Teile des Ur-Lymphsystems (blau), zwischen den Ausbreitungen und Gebilden des mittleren, äußeren und
inneren Keimblattes sich hinziehend.
ein hohler epithelialer Stiel die Verbindung festhält. Weiterhin geht aus dem primären Vorder-
hirnbläschen durch Ausstülpung der Vorderwand das sekundäre Vorderhirn oder Endhirn hervor,
während sich der Rest des primären Vorderhirnbläschens zum Zwischenhirn umgestaltet. Dies
alles ist die Leistung des Bläschens I. Das mittlere Hirnbläschen (II), durch je eine Einschnürung
von dem vorderen und langgestreckten hinteren Hirnbläschen getrennt, läßt aus sich das Mittel-
hirn hervorgehen. Das hintere Hirnbläschen (III) zerfällt durch Einschnürung in das Hinterhirn-
und das Nachhirnbläschen; jenes liefert an der Grenze zum Mittelhirn den Isthmus, darauf die
Brücke und das Kleinhirn, dieses die Medulla oblongata. Das Nachhirnbläschen zeigt
vorübergehend eine Reihe von aufeinanderfolgenden Einschnürungen und Anschwellungen. Der
Spinalteil des Nervenrohres entwickelt eine ähnliche Gliederung, welche mit der Urwirbelgliederung
in Zusammenhang steht; sie deutet eine Sonderung in einzelne Unterabteilungen an.
168
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Wie regelmäßig die zeitweilige Gliederung des Gehirnes, zunächst des Mentencephalon in
Abteilungen, Encephalomeren, sich gestaltet, davon gibt Fig. 168 ein treffliches Beispiel.
Fig. 166.
Fig. 166. Gehirn eines menschlichen Embryo der dritten Woche. (W. His.)
A Augenblase; //Hemisphären- oder Endhirn; Z Zwischenhirn ; M JVVittel-
hirn; /Isthmus; Hh Hinterhirn; N Nachhirn ; Ob Gehörblase ; Rf Rauten-
grubenfeld ; Br Brückenfeld und Brückenkrümmung; Nk Nackenkrümmung;
Pm Mamillarwulst; Tr Trichterwulst.
Fig. 167. Optischer Horizontalschnitt des Cerebralrohres eines Hühnchens von zwei Brüttagen.
/ vorderes Hirnbläschen mit den primitiven Augenblasen als seitlichen Erweiterungen; // mittleres Hirnbläschen; /// lang-
gestrecktes hinteres Hirnbläschen mit fünf Unterabteilungen, an welche sich der Spinalteil des Medullarrohres anschließt.
Die Höhlungen sind die Anlagen des Ventrikelsystems.
Im spinalen Teil des Neuralrohres nennt man die einzelnen Glieder Medullarsegmen te ,
Neuromeren. Ob die im Gebiet der Oblongata sichtbaren Abteilungen, Rhombomeren ,
wie es den Anschein hat, gleichwertige Gebilde sind, oder nicht, wird verschieden beurteilt. Ob
gar die vor der Oblongata gelegenen fünf cere-
bralen Glieder ebenfalls Neuromeren gleichwer-
tiger Art darstellen, diese Frage muß man sich
vorlegen, wenn man auch nicht sofort imstande
ist, sie zu entscheiden. Eine gewisse Neuro-
merie spricht sich natürlich unverkennbar in dieser
Zerlegung aus, aber sie könnte ja ganz fremd-
artigen Grundlagen ihr Dasein verdanken.
Nach Graeper (Arch. mikr. Anat. Bd. 83)
sind bestimmte Beziehungen der Kerne und der
Austrittsstellen der Hirnnerven V, VI, VII, IX, X
zu den Rhombomeren vorhanden.
Über die Vorgänge am primären Vorder-
hirnbläschen ist noch folgendes zu bemerken;
Fig. 166 zeigt die Augenblasc (A) als umfang-
reichen hohlen Fortsatz der Seitenwand. Die Ab-
schnürung des Fortsatzes ist schon weit vorge-
schritten, so daß man von der dorsalen und
hinteren Seite her tief zwischen Hirnwand und
Augenblase eindringen kann; der Augenblasen-
stiel inseriert hiernach vorn, seitlich, ventral.
Aber nicht nur die Augenblasc ist am primären
vorderen Hirnbläschen zur Entwicklung gelangt, sondern auch das Endhirn oder Hemisphärenhirn (H)
ist bereits angelegt und zeigt sich als eine vor der Augenblase liegende hohle vordere Ausstülpung
jenes Bläschens, als eine hohle Knospe, welche alsbald durch eine an der Seitenwand von oben-hinten
Fig. 168.
Profilansicht des Gehlrnmodelles eines 4 mm langen
Schafembryo. 50 : 1.
ab Augenblase; lo Lobus olfactorius impar; M Mittelhirn;
N Nachhirn; ro Recessus opticus; / Recessus infundibuli ;
V Vorderhirn. (L. Neumayer, 1898.)
Das Gehirn: Entwicklung.
169
nach unten-vorn verlaufende Einschnürung vom primären vorderen Hirnbläschen abgegrenzt wird.
Eine von vorn her eindringende mediane Furche teilt die Knospe in zwei symmetrische Hälften, in
die beiden Hemisphärenbläschen, welche durch einen breiten hohlen Stiel mit dem Reste des primären
Vorderhirnbläschens zusammenhängen. Dieser Rest ist nunmehr zur Anlage des Zwischenhirncs
geworden und die beiden Hemisphärenbläschen stellen das sekundäre Vorderhirn, das Endlurn,
dar. Es sind dies, oberflächlich betrachtet und dem ersten Eindrucke nach, merkwürdig einfach erschei-
nende Grundlagen, wenn man bedenkt, welche ferneren Umgestaltungen sich an sie knüpfen werden.
Für die genauere Vorstellung der Entstehung der Hemisphärenknospe und ihrer Zweiteilung
gibt Fig. 169 die nötige Erläuterung. In Fig. 1 liegt bei b das Mittelhirnbläschen vor; der vorn
sich ihm anschließende Abschnitt a ist das primäre Vorderhirnbläschen, weiches die Hemisphären-
knospe h aus seiner vorderen Wand schon hat hervorgehen lassen; eine seichte Furche (bei c)
deutet die symmetrische Teilung an. Die beiden Augenblasen sind nicht gezeichnet; sie sind
bereits ventral gerückt und bis auf den Stiel abgeschnürt als laterale, hinter // gelegene Fortsätze
von a zu denken. In Fig. 2 hat die Abscheidung der
beiden Hemisphärenknospen (h, h) vom Zwischenhirn (a)
bedeutende Fortschritte gemacht. Die beiden Hemi-
sphären kommunizieren mit ihrer weiten Höhle, dem Ven-
triculus lateralis, durch eine noch ansehnliche Pforte {fM)
mit der Höhle des Zwischenhirns, dem Ventriculus tertius.
Die Verbindungspforte (/Af) wird später noch enger,
schwindet aber nie vollständig; sie ist das vielgenannte
Foramen interventriculare. Die Höhle des Mittelhirnes (b),
auch zuerst ein Ventrikel, wird durch Verdickung der
Wände zum Aquaeductus. Die vordere Substanzbrücke
zwischen den beiden Hemisphärenbläschen stellt die
wichtige Lamina terminalis des fertigen Gehirnes,
die embryonale Schlußplatte der Hemisphären-
bläschen dar.
Unterdessen führt das anfänglich fast gerade ge-
streckte Cerebralrohr, bei starkem Längenwachstum, auch
Krümmungen in sagittaler Ebene aus, die folglich um
eine Queraxe sich aufreihen.
So zeigt Fig. 170, 1 das Gehirn eines 7 Wochen alten
menschlichen Fetus von der Seite, II von oben betrachtet
Vorderhirnbläschen hervorgegangenen Abschnitte, die Hemisphäre (1 b) und das Zwischenhirn (1 a).
Eine von vorn, oben und hinten eindringende Einschnürung, die sichelförmige Falte, grenzt beide
Abschnitte voneinander ab. Bei 2 befindet sich das stark dorsalwärts vorspringende Mittelhirn,
welches bei 3a in das sekundäre Hinterhirn (Brücke -f- Kleinhirn) übergeht; an dieses schließt
sich unter starker Krümmung bei p das Nachhirn (36) an, die Anlage der Medulla oblongata,
welche ihrerseits bei sp in den Spinalteil des Medullarrohres, in das Rückenmark sich fortsetzt. Bei o
ist derTractus opticus angedeutet. Die bei o liegende ventrale Ausbuchtung des Zwischenhirnbodens
entspricht der späteren Trichtergegend.
Was nun die Krümmungen betrifft, so liegt an der Übergangsstelle des Mittelhirnes zum
Zwischenhirn die sogenannte vordere Scheitelkrümmung; das Mittelhirn setzt sich gegen das
Hinterhirn durch die hintere Scheitelkrümmung (bei 3a) ab. Beide Scheitelkrümmungen
werden auch Kopfbeuge genannt. An sie reiht sich die ventral-konvexe Brückenkrümmung
(bei p). Am Übergange der Oblongata in das Rückenmark findet sich eine dritte dorsal-konvexe
Krümmung, die Nackenkrümmung. Der Kopfbeuge und Nackenbeuge entsprechen an der Ober-
fläche des embryonalen Körpers der Kopf- oder Scheitelhöcker und der Nackenhöcker.
Zur Ergänzung der seitlichen Ansicht dient Fig. 170 II, welche dasselbe Gehirn von oben be-
trachtet darstellt. Sehr deutlich zeigt sich das Verhältnis der Hemisphärenanlage (hms) zum
Zwischenhirn (la), sowie die Beziehung der Schlußplatte (It) zu beiden.
Ein Medianschnitt durch den Kopf eines Hühnchens vom 5. Brüttage (Fig. 171) zeigt folgende
Verhältnisse. Bei epd liegt die Epidermis vor, welche den Kopf allseitig umhüllt. Hinter der
Stelle hph (Hypophysenanlage, Rathkesche Tasche) hört die Epidermis auf; ihre Fortsetzung auf
die nicht gezeichnete Unterkieferanlage ist durchrissen; hinter hph, entsprechend dem kleinen hier
Fig. 169.
Schematische Darstellung der Umbildungen
des Vorderhirnes.
a Zwischenhirn ; b Mittelhirn. In 1 ist das End-
hirn h noch einfach, nur durch eine seichte
Furche bei c ist die Teilung angedeutet. In 2
sind Hemisphären h, h und Schlußplatte c ge-
sondert. Der Hohlraum der Hemisphärenblase
(Seitenventrikel) kommuniziert jederseits durch
das Foramen interventrikulare (AI/) mit dem
dritten Ventrikel o.
la und \b sind die aus dem primären
170
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
liegenden Vorsprunge, beginnt das Epithel des Kopfteiles des Darmes, chd zeigt das Vorder-
ende der Chorda dorsalis, welches sich gegen den Grund der Rathkeschen Tasche ventralwärts
krümmt; bsl ist die Arteria basilaris. Die Hohlen vi, v2>, aqd und v4 stellen das weite serum-
erfüllte Ventrikelsystem des Gehirnes dar, um welches die Hirnwand wie eine dünne, umfangreiche
Schale gelegt ist. Die Wand hms gehört der Hemisphärenblase an, die Wand um v3 entspricht
dem Zwischenhirn; der dorsale Teil dieser Wand entwickelt im hinteren Gebiet eine zunächst
vorwärts gerichtete Schleife, die Faltenanlage der Epiphysis cerebri. Bei 2 liegt die längere dorsale
und gegenüber die kürzere ventrale Wand des Mittclhirnes vor, welche das Ende der primären
Sattellehne bedeckt. Bei cb befindet sich die Anlage des Kleinhirnes, ihr gegenüber die nur schwach
angedeutete Anlage der Brücke; 3 zeigt die Basis des Nachhirnes, welche eine dünne Deckplatte
als dorsale Wand besitzt. Hinter- und Nachhirn schließen den 4. Ventrikel ein.
Bei kräftiger Entwicklung der Brückenkrümmung wird auch die Deckplatte des Ventriculus
quartus gefaltet. Für das Nachhirn liegen alsdann folgende Verhältnisse vor, die das Schema Fig. 172
epä
4 n
: jjyj^^
Fig. 170. Gehirn eines sieben Wochen alten menschlichen Fetus. Vergrößerung 3:1.
/ von der linken Seite, // von oben betrachtet; \a Zwischenhirn oder primäres Vorderhirn; lft Endhirn; o Sehnerv; hms
Hemisphärenblase; /( Schlußplatte; 2 Mittelhirn; 3a sekundäres Hinterhirn (Cerebellum); p Brücke und Brückenkrümmung;
3b Nachhirn (Medulla oblongata) ; sp Rückenmark; olf Riechlappen.
Fig. 171. Medianschnitt durch den Kopf eines 41'., Tage alten Hühnerembryo. (Von v. Mihalkovics.)
Vergrößerung 14 : 1.
hms Hemisphärenblase; v\ ihr Hohlraum; v3 dritter Ventrikel ; aqd Aquaeductus (Syl vi i) ; f4 vierter Ventrikel ; pin Anlage
des Corpus pineale ; hph Hypophysentasche; 2 Mittelhirn; cb Kleinhirnplatte; t Deckplatte des vierten Ventrikels ; 3 Basis
des Nachhirnes; bsl Basilararterie ; chd Chorda dorsalis; epd Epidermis.
erläutert. Die gefaltete Deckplatte zeigt bei m eine in den Ventrikelraum vorspringende Einbiegung,
durch welche ein vorderer Teil der Deckplatte, v, von einem hinteren Teile, t, gesondert wird. So
hat das Dach des 4. Ventrikels nunmehr drei Abteilungen, eine vordere, Cerebellum, eine mittlere (v),
welche den Durchschnitt des Velum medulläre posterius enthält, und eine hintere, die Tela chorioidea
ventriculi quarti, innerhalb deren durch sekundäre Auflösung die Aperturae ventriculi qtiarti ent-
stehen werden.
Während die Epiphysis cerebri als eine Falte der dorsalen Zwischenhirnwand entsteht,
verhält es sich mit der Hypophysis folgendermaßen. Fig. 171 läßt die Hypophysenanlage als
eine dorsalwärts gerichtete Falte der Epidermis der primitiven Mundbucht erkennen. In Fig. 173
hat sich die Anlage zu einer ansehnlichen Hypophysenblase (h) weiter entwickelt, welche all-
seitig geschlossen ist und nur durch den Hypophysengang (hg) mit der Mundbucht einstweilen
noch zusammenhängt; der Hypophysengang wird später schwinden, die epitheliale Hypophysen-
blase gänzlich abgeschnitten sein und als solche ihre fernere Entwicklung durchmachen. Hinter
dem Hypophysengange folgt das Darmcpithel (ent). Hinter der Hypophysenanlage aber ist eine
ventrale Ausstülpung der Zwischenhirnwand zur Ausbildung gelangt, der Processus infundi-
buli (pi), Trichterfortsatz, welcher dem Infundibulum und dem Hinterlappen der Hypophysis den
Ursprung gibt, während ihr vorderer Lappen aus der Hypophysenblase (A) hervorgeht. Fig. 1 15 zeigt die
Das Gehirn: Entwicklung.
171
Endform der Hypophysis. Der Hypophysengang ist geschwunden, der vordere Lappen ist bei a,
der kleine hintere Lappen ist bei b sichtbar ; der letztere allein enthält die bleibende Verbindung
mit dem Infundibulum. In pathologischen Zustünden, oder auch bei manchen Tieren, kann der
Hypophysengang erhalten bleiben.
Fig. 172.
Fig. 172. Schematische Darstellung der Um-
wandlung des Daches vom vierten Ventrikel.
cb Kleinhirnplatte; v Velum medulläre posterius;
t Tela chorioidea ventriculi IV; / Giebelkante;
m Umbiegungskante von v in /; p Brücke.
Fig. 173. Entwicklung der Hypophysis beim Kaninchen.
Medialer Sagittalschnitt durch den Boden des Zwischen- und Hinterhirnes
ect Ektoderm; ent Entoderm ; hg Hypophysengang; h Hypophysenblase; ch Chorda dorsalis
epc Boden des Hinterhirnes.
(Von v. Mihalkovics.) 50:1.
der Gegend um fipti Fig. 171 entsprechend.
pi Processus infundibuli;
Für das Verständnis der Vorderhirn-Hemisphären ist folgendes von Wichtigkeit.
Das Gehirn eines menschlichen Fetus von 2'/2 Monaten zeigt die in Fig. 174 wiedergegebene
äußere Form, während ein solches von 4 Monaten zu dem ansehnlichen Körper von Fig. 175 heran-
gewachsen ist.
An dem jüngeren Gehirn, dessen Hemisphären schon mächtig entwickelt sind, ist gleichwohl
das Mittelhirn und natürlich auch das weiter hinten liegende Hirngebiet noch unbedeckt; c zeigt
das Kleinhirn, a das verlängerte Mark. Bei s deutet eine leichte Einsenkung die Stelle der späteren
ulf- opt- '•
Fig. 174.
Fig. 174. Gehirn eines menschlichen Fetus aus der Mitte
des dritten Monats, von der linken Seite gesehen.
Natürliche Größe. (Nach v. Mihalkovics.)
FStirnlappen; P Scheitellappen; T Schläfenlappen; a Medulla oblongata ; b Mittelhirn (Vierhügel); c Cerebellum ; o//Lobus
oifactorius (Riechlappen); opt abgeschnittener Sehnerv; s Depression der Syl vi sehen Grube, die Gegend der Insel
bezeichnend.
Fig. 175. Gehirn eines vlermonatigen menschlichen Fetus, von der linken Seite gesehen. (Nach Ecker.)
F Stirnlappen; P Scheitellappen; rSchläfenlappen; O Hinterhauptlappen; a Medulla oblongata; c Cerebellum; sSylvische
Grube, in deren Tiefe die Insel (schraffiert) gelegen ist.
Sylvischen Grube und die noch unbedeckte Insel an. Ein Occipitalteil der Hemisphäre ist noch
nicht entwickelt, wohl aber sind die Gegenden des Stirn-, Scheitel- und Schläfenlappens (F, P, T)
erkennbar. Ventral erscheint (dunkel gehalten) das Trichtergebiet und der Opticus. Am ventralen
Ende des Stirnlappens tritt der Riechlappen zutage.
Das viermonatige Gehirn läßt einen besonderen Occipitallappen unterscheiden, doch ist mit
Ausnahme der deutlich begrenzten Fossa lateralis die dorso-laterale Hemisphärenfläche noch glatt.
172
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Der Riechlappcn steht zu der Insel in deutlicher Beziehung. Um die Insel zieht sich der vorn-
unten offene Ringlappen der Hemisphäre. Das Mittelhirn ist bedeckt. Die mediale Wand der Hemi-
sphäre trägt zu dieser Zeit schon eine Reihe tiefer Einschnitte, nämlich die Fissura parieto-occipitalis,
calcarina, hippocampi und chorioidea.
An der Hemisphäre eines sechsmonatigen menschlichen Fetus (Fig. 176) sind auf der dorso-
lateralen Fläche folgende Furchen bemerkbar: die Fossa lateralis (Sylvii) (s), der Sulcus centralis (c),
der Sulcus praecentralis und Sulcus frontalis inferior (/2), der Sulcus interparietalis (p), der Sulcus
temporalis superior (t l), sowie eine bei io befindliche Furche, welche als hinteres Ende des Sulcus
temporalis inferior sich geltend macht.
Die mediale Fläche der Hemisphäre eines fünfmonatigen Fetus (Fig. 177) enthält den Sulcus
cinguli (cm), den Sulcus corporis callosi und dessen hintere untere Fortsetzung, die Fissura hippo-
campi, die Fissura parieto-occipitalis (po), die Fissura calcarina (ca), die Fissura collateralis im
Zusammenhange mit dem Anfangsteil der beiden vorhergenannten Fissuren, die Fissura chorioidea.
Fig. 176
Fig. 177.
Fig. 176. Primärfurchen auf der konvexen Fläche der linken Hemisphäre eines sechsmonatigen menschlichen
Fetus. (Nach Ecker.)
F Stirnlappen; P Scheitellappen; T Schläfenlappen; O Hinterhauptlappen; s Fossa lateralis, in ihrer Tiefe die Insel;
s' Ramus posterior fissurae lateralis ; s" deren Ramus ant. ascendens ; olj Lobus olfactorius ; c Sulcus centralis ; p Sulcus inter-
parietalis; tl Sulcus temporalis superior; i.o. Incisura praeoccipitalis; /'-' Sulcus frontalis inferior und praecentralis inferior.
Fig. 177. Mediale Fläche der rechten Hemisphäre eines fünfmonatigen menschlichen Fetus.
It Lamina terminalis; ol Tractus und Bulbus olfactorius; cm Sulcus cinguli; sce Sulcus corporis callosi; cc Corpus
callosum ; s Septum pellucidum ; / dorsaler Teil des Randbogens (Fasciola cinerea, später die Stria lateralis des Balkens);
po Fissura parieto-occipitalis; ca Fissura calcarina; ot Fissura collateralis; c Commissura anterior; / Fornix; ch Fissura
chorioidea; d Fascia dentata; u Uncus mit Übergang in den Fornix.
(Letztere von den B. N. A. nicht genannt, entspricht der Eintrittsstelle des Plexus chorioideus
ventriculi Iat.) — Die mediale Wand der Hemisphäre reicht, worauf besonders aufmerksam zu
machen ist, von der Mantelkante nicht nur bis zum Balken und bis zur Fissura hippocampi, sondern
über diese Grenzen konzentrisch weiter hinaus, bis zur Fissura chorioidea, deren Konkavität die
mediale Wand der Hemisphäre abschließt. Demgemäß stellen die Abschnitte Septum pellucidum,
Fornix und Fascia dentata Teile der medialen Hemisphärenwand dar. Der Balken begrenzt die
mediale Hemisphärenwand nicht, sondern er hat sie zur Zeit seiner Entwicklung durchbrochen,
nachdem an der Durchbruchsstelle die Hemisphärenwände vorher miteinander verwachsen waren.
Der den Balken dorsal deckende Saum (t), Stria longitudinalis lat. genannt (siehe Seite 142) setzt
sich am Balkenknie seitlich von der Mitte auch auf dessen ventrale Fläche fort und endigt als
sogenannter Pedunculus corporis callosi oder Gyrus subcallosus an der medialen Seite des
Trigonum olfactorium (Fig. 133); auf der entgegengesetzten Seite, hinter dem Balkenwulste, zieht
sich derselbe Streifen als Fasciola cinerea um den Balkenwulst, dann den Gyrus hippocampi
entlang zum Uncus und stellt hier die Fascia dentata dar. Der Gesamtstreifen, vom Trigonum
olfactorium über den Balken zum Uncus sich erstreckend, ist nichts anderes als ein rudimentärer
Gyrus. Er ist zugleich der äußere Zug einer größeren Abteilung der medialen Hemisphären-
fläche, nämlich des embryonalen Randbogens, dessen innerer Zug durch das Septum pellu-
cidum und das Gewölbe gebildet wird. Zwischen dem äußeren und inneren Zuge hat im großen
Das Gehirn: Entwicklung. 173
vorderen Gebiete der Balken seine Lagerstätte gefunden, während hinter dem Balkenwulste der
äußere und innere Zug sich berühren. Fig. 137.
Wie man erkennt, sind im sechsten Monat der Fetalzeit nicht allein sämtliche Fissuren,
sondern auch die meisten Furchen bereits angelegt.
Schon früher wurde erwähnt, daß Fissuren totale Ei nfaltungen der Hirnwand darstellen
und sich also auch auf der ventrikulären Oberfläche der Hemisphäre ausprägen. Hierher gehören
die Fissura chorioidea, Fissura hippocampi, Fissura calcarina, Fissura lateralis, Fissura collatcralis,
Fissura parieto-occipitalis. Ihre zugehörigen ventrikulären Vorsprünge sind, in der entsprechenden
Reihenfolge aufgezählt: die Plica chorioidea (Adergeflechtfalte), der Hippocampus, der Calcar avis,
das Corpus striatum, das Trigonum collaterale und die Eminentia collateralis; die Fissura parieto-
occipitalis allein hat keinen bleibenden inneren Vorsprung im Gefolge.
Sulci wurden jene Einfaltungen genannt, welche auf die Hirnrinde beschränkt bleiben. Sie
sind je nach der Zeit ihrer Entstehung tiefer oder oberflächlicher und werden in primäre, sekundäre
und tertiäre Furchen geteilt.
Im Zwischenhirn, Vorderhirn und Hinterhirn kommt es an den früher beschriebenen Stellen
zur Ausbildung von sogenannten Adergeflechten, Plexus chorioidei. Es sind dies Gebilde,
welche aus gewissen Teilen der Hirnwand und aus der sie deckenden gefäßhaltigen Pia mater
hervorgehen, mit anderen Worten aus einer cerebralen und pialen Lamelle bestehen.
Die im Bereich des vierten und dritten Ventrikels vorhandenen Adergeflechte bereiten dem
morphologischen Verständnisse keine Schwierigkeiten, wohl aber ist dies der Fall mit den Ader-
geflechten der beiden Endhirnhemisphären. Deren Entstehung wird nun eingeleitet durch eine von
der medialen Hemisphärenwand im Gebiete der Fissura chorioidea gegen den Hohlraum vordringende
Falte, Adergeflechtfalte, Plica chorioidea genannt. Zur Erläuterung dient Fig. 179, welche
einen Querschnitt durch das Gehirn eines menschlichen Fetus vom Ende des 2. Monats darstellt.
Sieht man zu, welche Vorgänge die Umbildungen der verschiedenen Hirnbläschen herbei-
führen, so wird man bald gewahr, daß es dieselben Vorgänge sind, welche die Hirnbläschen selbst
zur Entstehung brachten : in erster Linie also örtlich und zeitlich, quantitativ und qualitativ ge-
regelte Wachstumsvorgänge. Die den merkwürdigen Wachstumsvorgängen vorstehenden Kräfte
aber fallen zusammen mit denjenigen Kräften, welche die Entwicklung des ganzen Individuum be-
herrschen. Es bleibt übrig, zusammenzufassen, welche Teile der Hauptabschnitte des Gehirnes je
aus der Bodenplatte, der Grund-, Flügel- und Deckplatte des Hirnrohres hervorgehen.
Was die wichtigsten Bestandteile der Wand-, die Grund- und Flügelplatte betrifft, so orientiert
hierüber die Fig. 178, in welcher die Grundplatte von der Flügelplatte durch eine gestrichelte
Bogenlinie geschieden ist.
Zwei seitliche Längsfurchen zeigen, wie His hervorhebt, frühzeitig die Grenze des ventralen
und des dorsalen Teiles des Gehirnrohres: es sind dies die Sulci limitantes. Alle motorischen
Kerne der Hirnnerven liegen medial von den Grenzfurchen, die sensiblen Endkerne dagegen
lateral davon. Vom Calamus scriptorius verläuft die Grenzfurche jederseits zunächst dem medialen
Rande der Ala cinerea entlang zur Fovea superior, die nach Henle ein Stückchen unausgefüllten
Bodens vorstellt. Im Mittelhirn sind die Grenzfurchen der ganzen Länge nach vorhanden. Sie
setzen sich dann als Sulci hypothalamici (s.%Monroi) fort, die jederseits im Recessus opticus aus-
laufen. Auf diese Grenzfurche also bezieht sich die gestrichelte Bogenlinie der Fig. 178.
Der Nucleus olivaris inf. und seine Verwandten (siehe unten), im ausgebildeten Gehirn
tief ventral gelegen, geht jedoch aus einer in die Tiefe dringenden Wucherung der Flügelplatte
hervor (His).
Endlich ist hier noch der Hirnaxe und der Stammesverwandtschaft des Hirnbaues
zu gedenken.
1. Hirnaxe. v. Baer hatte sie im Trichter gesucht; W. His läßt sie an der Lamina termi-
nalis, v. Kupffer im Recessus neuroporicus endigen. Burkhardt gibt aus ontogenetischen und
vergleichend -anatomischen Gründen der Kupfferschen Auffassung den Vorzug, desgleichen
L. Neumayer.
Der vordere Endpunkt der Lichtungsaxe des Hirnrohres läuft (nach Kupffer) in dem vor-
deren Neuroporus aus. Nach Verschluß des Porus fällt dieser Punkt zusammen mit dem vorderen
Endpunkte der dorsalen Hirnwand, mit der Grenze zwischen Decke und Vorderwand (Lamina termi-
nalis) des Gehirns.
174
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Kupffer unterscheidet zunächst eine Zweiteilung des Hirnes in das Vor- und Nachhirn.
Ersteres gliedert sich bei den Amnioten in das Vorder- und Mittelhirn. Hieraus ergibt sich die
definitive Dreigliederung in die drei Hirnbläschen der älteren Embryologie. Bei Amphioxus ist die
Zweigliederung der bleibende Zustand. Die vordere Wand des Vorderhirnes ist die Lamina terminalis.
Fig. 178.
Fig. 179.
Fig. 178. Medianschnitt durch das Oehirn eines menschlichen Fetus vom Ende des ersten Monates mit ein-
gezeichneten Feldern. (W. His.)
I. Myelencephalon: 1 Pars ventralis; 2 Pars dorsalis. II. Metencephalo n : 1 Pons; 2 Cerebellum. III. Isthmus:
I Pedunculi cerebri ; 2 Brachia conjunetiva, Vel. med. ant. IV. Mesencephalon : 1 Pedunculi cerebri ; 2 Corpora quadri-
gemina. V. Diencephalon: 1 Pars mamillaris hypothalami ; 2 Thalamus; 3 Metatbalamus; 4 Epithalamus.
VI. Telencephalon: 1 Pars optica hypothalami; 2 Corpus strialum ; 3 Rhinencephalon ; 4 Pallium.
Fig. 179. Querschnitt durch das Oehirn eines menschlichen Fetus am Ende des zweiten Monates. (\V. His.)
II Venlriculus lateralis; III Ventriculus tertius; Th Thalamus; C. st. Corpus strialum; V.l. Ventriculus impar. 1 Taenia
thalami ; 2 Taenia chorioidea; 3 Taenia fornicis. Auf der einen Seite des Schnittes sind Thalamus und Corpus strialum
noch voneinander getrennt, auf der anderen dagegen verbunden.
Das Großhirn (d. i. das Telencephalon der oben angenommenen Nomenklatur) ist dagegen ein
Erzeugnis der dorsalen Gegend des Vorderhirnes, woran Deckplatte und Seitenwände sich be-
teiligen; es ist in Wirklichkeit gar kein Endhirn, kein Telencephalon in embryologischem Sinne, kein
rostral-terminales Gebilde, sondern ein dorsales Erzeugnis. Neumayer in einer die Anschauungs-
weise Kupffers bestätigenden Arbeit über die Entwickelung des Schafhirnes schlägt daher den
Namen Sphärencephalon für Telencephalon vor. Siehe Fig. 178.
10. Feinerer Bau des Gehirnes.
a) Die Rinde des Endhirnes.
1. Gemeinsame Charaktere im Bau der Endhirnrinde. Fig. 180.
In der grauen Substanz der Großhirnrinde liegen Nervenzellen und Nerven-
fasern in bestimmter regelmäßiger Anordnung. Die Lage der einen bedingt die
der anderen, doch ist es zweckmäßig, zunächst nur die Fasern und dann in Be-
ziehung auf diese die Schichtung der Zellen zu betrachten.
Von der weißen Substanz ziehen in die graue Rinde Bündel von Nerven-
fasern, Markstrahlen oder radiäre Bündel genannt. Sie werden nach der
Peripherie allmählich dünner und sind (als Bündel) in der äußeren Zone der grauen
Das Gehirn: Feinerer Bau.
175
Substanz nicht mehr vorhanden. So kann man eine äußere Hauptzone und
eine innere Hauptzone unterscheiden. Die Grenze beider ist die Stelle, an
welcher die Markstrahlen nicht mehr zu erkennen sind. Allerdings befinden sich
auch in der äußeren Hauptzone radiär verlaufende Fasern, sie liegen aber nicht in
Bündel zusammen.
1. iMolekular-
schicht
2. Äußere Kör- )
nerschicht i
3. Mittelgroße
Pyramiden-
zellen
4. Innere Kör-
nerschicht
5. Große Pyra-
midenzellen
6. Polymorphe
Zellen
Chromsilber-Imprägnation
Nißls Methode
Markscheiden-Färbung
vämm
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Äußere
Hauptschicht
Gennari - \
scher I Strei-
Bail lar- ( fen
ger scher '
Innere
Hauptschicht
Fig. 180.
Bau der Endhirnrinde des Menschen. (Schema nach Brodmann.)
Quer zu den Markstrahlen, also parallel zur Oberfläche ziehen zahlreiche
Nervenfasern, welche sich in verschiedenen Richtungen durchkreuzen, spärlicher
in der äußeren, reichlicher in der inneren Hauptzone vorhanden sind. Im Bereich
der letzteren bezeichnet man sie als interradiäres Flechtwerk, innerhalb der
äußeren Hauptzone bilden sie das superradiäre Flechtwerk. An zwei Stellen
findet eine dichtere Anhäufung: dieser Fasern statt: innerhalb der äußersten Schicht
176 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
der grauen Rinde, wo sie als äußere Tangentialfasern bezeichnet werden,
und an der Grenze der beiden Hauptzonen, wo das interradiäre Flechtwerk den
an dicken Schnitten deutlichen Gennarischen (Baillargerschen) Streifen bildet.
Die Nervenzellen der Großhirnrinde, ihrer Form wegen Pyramiden-
zellen oder kurz Pyramiden genannt, liegen zwischen den beschriebenen Bün-
deln und Geflechten der Nervenfasern. Sie sind von verschiedener Größe, mehr
oder weniger regelmäßiger Form und liegen bald dichter, bald lockerer zusammen.
Indem nun innerhalb verschiedener Schichten der grauen Rinde Zellformen derselben
Art in bestimmter Weise angeordnet liegen, entsteht eine der Oberfläche parallele
Schichtung. Sie ist an den einzelnen Stellen der Großhirnoberfläche mehr oder
weniger verschieden, kann aber auf einen sechsschichtigen Grundtypus
(Brodmann) zurückgeführt werden.
Wir betrachten zunächst den Grundtypus und die Beziehungen seiner Schichten
zu den Nervenfasern; die Abweichungen finden in dem folgenden Kapitel eine
eingehende Darstellung.
Die äußere, dicht unter der Pia mater befindliche Schicht ist arm an Nerven-
zellen, aber reich an Neurogliazellen; sie wird als 1. Molekularschicht be-
zeichnet und enthält die äußeren Tangentialfasern. Es folgen eine Lage kleiner
Pyramidenzellen als 2. äußere Körnerschicht und eine Schicht mittelgroßer
Pyramidenzellen als 3. Pyramidenschicht; im Bereiche des Gennarischen
Streifens befindet sich als 4. innere Körnerschicht eine Lage kleiner Pyra-
midenzellen und dann folgen im Gebiet der Markstrahlen 5. die Schicht der
tiefen großen Pyramidenzellen und 6. die Schicht der polymorphen
Zellen.
Über die Gestalt der Zellen, das feinere Verhalten der Nervenfasern und der
Kollateralen ist folgendes zu sagen.
Die Nervenzellen der Hirnrinde besitzen zum weitaus überwiegenden
Teil eine mehr oder weniger ausgesprochene Pyramidenform, und werden daher
Pyramidenzellen genannt; sie bilden den am meisten charakteristischen Be-
standteil der Rinde. Ihre Größe ist verschieden. Die kleinsten haben einen Basis-
durchmesser von 7, die größten (Riesenpyramidenzellen des Gyrus centralis ant.)
einen solchen von 40 bis 80/;. Sie haben drei und mehr Seitenflächen, eine dem
Mark zugewendete Basis und eine langausgezogene Spitze, Spitzen- oder Haupt-
fortsatz genannt, welcher gegen die äußere Oberfläche verläuft. Der Spitzen-
fortsatz gibt seitlich dünne Äste ab, verschmälert sich und löst sich endlich in
feine Reiser auf. Von den Ecken der Basis entspringen ebenfalls 3 — 5 verästelte
Fortsätze, seitliche Basalfortsätze; von der Mitte der Basis geht dagegen der
Nervenfortsatz, mittlerer Basalfortsatz aus; er wird zum Axenzylinder einer
radiär zur Markleiste ziehenden Nervenfaser, während die übrigen Fortsätze Den-
dritenfortsätze darstellen. Der Spitzenfortsatz zeichnet sich noch dadurch aus,
daß er selbst, sowie seine Nebenästchen, von unzähligen dicht aufeinander
folgenden feinen und kurzen Stäbchen besetzt ist, die mit einem Kölbchen
endigen (Fig. 181, 5). Der Nervenfortsatz gibt Seitenzweige ab, welche in Nerven-
fasern übergehen können. Der Kern der Pyramidenzellen ist ellipsoidisch und hat
ein deutliches Kernkörperchen. Der Körper, besonders der größeren Zellen, ist
gelblich pigmentiert.
Das Gehirn: Feinerer Bau.
177
Die äußere Tangentialfaserschicht enthalt zahlreiche, meist tangential
verlaufende Nervenfasern und eine besondere Art von Zellen, Cajalsche Zellen.
Es sind unregelmäßig gestaltete multipolare Zellen, deren lange Ausläufer in der
Richtung der Tangentialfasern verlaufen (Fig. 181,2, 182). Sie besitzen mehrere
Neuriten. In dieselbe Schicht treten zweitens Neuriten kleiner Pyramidenzellen
aus den nächstfolgenden Schichten, drittens ziehen dicke, meist von Markscheiden
umgebene Nervenfasern (Fig. 198, E.) hinein, welche aus dem Marklager stammen,
auf ihrem Wege Äste abgeben, und auch in der Tangentialfaserschicht selbst sich
noch verzweigen. Sie stammen aus Fernzellen und werden als Fern-Fasern
bezeichnet. Viertens endigen hier die am
~ meisten peripheren dichten Endausbreitungen
der Pyramidenzellen der inneren Hauptzone.
Die Neuriten der Pyramidenzellen geben
zahlreiche Nebenästchen ab und ziehen gegen
die Marksubstanz. In der Nähe der letzteren
teilen sich viele Neuriten in einen horizontalen
und in einen kaudalen oder absteigenden Ast.
Fig. 181.
Fig. 182.
Cajalsche Nervenzelle aus der oberflächlichen Schicht der
Großhirnrinde eines Katzenfetus. (Q. Retzius.)
a Zellkörper ; b Protoplasmafortsatz ; c Nervenfortsätze.
Fig. 181. Zellformen der Endhirnrinde (Chromsilber-Imprägnation.
Nach Cajal.)
1 Tangentialfaserschicht; 2 Cajalsche Zelle; 3 kleine Pyramiden-
zelle, die ihren Neuriten (n) in die Tangentialfaserschicht sendet;
4 kleine Pyramidenzelle, die ihren Neuriten (n) einwärts sendet;
5 große Pyramidenzelle mit ihrem Spitzenfortsatz, den lateralen
und dem mittleren Basalfortsatz ; der letztere zieht zur Marksub-
stanz und gibt Kollateralen ab; 6, 6 verzweigter Neurit einer Fern-
zelle; 7, 8 polymorphe Zellen; 7 sendet ihren Neuriten gegen die
freie Fläche, 8 ist eine Cellula axiramificata oder Golgische
Zelle des II. Typus mit vielverästeltem , aufgelösten Neuriten;
9 weiße Substanz.
In der jetzt folgenden Schicht der polymorphen Ganglienzellen befinden
sich zahlreiche Zellen von dreieckiger und kurzpyramidaler Form, welche sich
bezüglich ihrer weniger zahlreichen Ausläufer den vorigen anschließen. In der-
selben Schicht kommen ferner zahlreiche, multipolare Zellen (Fig. 181, s) vor,
welche dem Golgischen II. Typus entsprechen und oben Cellulae axi-ramificatae
genannt worden sind; ihre Neuriten können nach den verschiedensten Richtungen
sich wenden, zerfallen aber bald in ein reiches Geäst von Fäserchen, die alle frei
endigen. In geringerer Zahl kommen Zellen derselben Art in allen übrigen
Schichten vor; sie scheinen, wo immer sie auftreten, besonders geeignet, verschie-
dene Zellgebiete in besonderer Weise physiologisch miteinander zu verknüpfen.
Bezieht man das superradiäre, das interradiäre Flechtwerk und den Gen-
178 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
narischen Streifen auf bestimmte Zellen, so scheinen die in ersteren enthaltenen
markhaltigen Nervenfasern von Fernzellen zu stammen, mag diese Ferne eine
mehr oder weniger entlegene sein. Der Genn arische Streifen scheint größten-
teils von Kollateralen der Pyramidenzellen -Neuriten gebildet zu werden. Das
Gleiche gilt von dem interradiären Plexus, wobei auch die Beimischung der Neu-
ritenäste der Cellulae axi-ramificatae eine Rolle spielt.
Die Neurogliazellen der Großhirnrinde sind Langstrahler und Kurzstrahler
(siehe Abt. I, Fig. 214, 215). Erstere kommen hauptsächlich in der weißen Substanz
vor, letztere sind wesentlich in der grauen Substanz vorhanden. Häufig findet
man in der Nähe der Pyramidenzellen eine größere Anzahl von Gliazellen.
2. Örtliche Verschiedenheiten im Bau der Großhirnrinde.
Dem Vorkommen von örtlichen Verschiedenheiten im Bau der Endhirnrinde hat man begreif-
licherweise ein besonderes Interesse zugewendet.
Bedeutende Unterschiede sind schon früher nachgewiesen im Lobulus paracentralis, in
der Umgebung der Fissura calcarina, im Septum pellucidum, im Gyrus hippocampi, im Hippocampus,
in der Fascia dentata, im Lobus olfactorius, in der teilweise zu ihm gehörigen Substantia perforata
anterior, in der Inselrinde usw.
Neuere umfassende Untersuchungen von Brodmann haben eine überraschende Mannigfaltigkeit
des zelligen Aufbaues, Cytoarchitektonik, an zahlreichen Punkten der Großhirnrinde festgestellt.
Dieser Autor unterscheidet gegen 50 verschiedene Felder, R indenfelder oder Areae genannt,
welche zum großen Teil auf den ursprünglich sechsschichtigen Typus (S. 176) zurückzuführen, und aus
ihm unter Erhaltung oder durch Vermehrung oder Verminderung der Schichten hervorgegangen sind.
Eine Ausnahme davon sind gewisse „rudimentäre" Rindengebiete (Rhinencephalon, Teile des
Gyrus cinguli), bei denen eine sechsschichtige fetale Stufe nicht nachweisbar, oder noch nicht nach-
gewiesen ist.
Die Verschiedenheiten des Baues der einzelnen Rindenfelder entstehen aus dem Grundtypus
durch Veränderung der Zahl und der Ausbildung der Einzelschichten oder durch Änderung der
Dichtigkeit und Größe der zelligen Elemente auf dem Gesamtquerschnitt und innerhalb einzelner
Schichten oder durch Ausbildung bestimmter Zell formen oder durch Veränderung der Breite der Gesamt-
rinde und das relative Breitenverhältnis der verschiedenen Schichten zueinander. (Man vergleiche die
Fig. 184, 185, 186, welche bei derselben Vergrößerung verschiedene Areae darstellen.)
Jede einzelne Schichtungsart ist beschränkt auf das betreffende Rindenfeld. Die Grenzen
benachbarter Felder sind teils linearscharf, teils sind allmähliche Übergänge vorhanden ; sie entsprechen
mit wenigen Ausnahmen meist nicht genau den Furchen.
Einstweilen hat Brodmann nur die Grenzen der verschiedenen Rindenfelder angegeben
(Fig. 192, 193) und erst von einer kleineren Zahl der Felder den feineren Bau beschrieben. Deshalb
kann zunächst nur ein allgemeiner Überblick über diese wichtigen Tatsachen gegeben werden.
Interessant und bedeutungsvoll ist die auch schon von anderen Untersuchern erkannte und
hervorgehobene Feststellung, daß eine Anzahl der anatomisch unterschiedenen Rindenfelder ganz
oder annähernd mit physiologisch bestimmten Zonen, den sogenannten psychischen Zentren,
mehr oder weniger genau übereinstimmen. So ist es der Fall bei den motorischen Zentren,
welche im Gyrus centralis anterior sich befinden und übereinstimmen mit dem Riesenpyramiden-
typus (Feld 4, Fig. 192, 193) und bei den sensiblen Zentren, welche im Gyrus centralis posterior
liegen und den Rindenfeldern 1, 2, 3 entsprechen (Fig. 192, 193). Das Sprachzentrum, das
Brocasche Feld, entspricht den Rindenfeldern 44, 45 (Fig. 192), das Zentrum des Sprachver-
ständnisses, die Wernickesche Stelle, den Feldern 41, 42 (Fig. 192). Die Sehsphäre stimmt
übercin mit dem anatomisch abgegrenzten Calcarina typus, welcher auch als Area striata be-
zeichnet wird (Feld 17, Fig. 193). Vergleiche die Fig. 152, 153 mit den Fig. 250, 251.
Auf Grund dieser auffallenden Übereinstimmung des anatomischen Baues mit der Funktion
darf man wohl als wahrscheinlich annehmen, daß auch den anderen anatomisch abgegrenzten Rinden-
feldern bestimmte und verschiedene Funktionen zukommen. Es liegt hier noch ein großes Gebiet
der physiologischen Forschung. (Brodmann: Beiträge zur histologischen Lokalisation der Groß-
hirnrinde. VII. Mitteilung. Journ. Psychol. u. Neurol. Bd. X, 1908).
Das Gehirn: Feinerer Bau. 179
Eine Anzahl benachbarter Areae zeigt gewisse gemeinsame Charaktere, man kann sie demnach
zusammenfassen zu Hauptrcgioncn, Regiones. Brodmann unterscheidet 11 solcher Regionen
(Fig. 152, 153) und innerhalb einiger noch Unterregionen.
1. Regio praecentralis. Sie umfaßt die vordere Zentralwindung, die vorderen beiden Drittel
des Lobulus paracentralis und einen angrenzenden Teil der oberen und der mittleren Stirnwindung.
— Sic besitzt eine zurückgebildete innere Körnerschicht (Fig. 183) und die sogenannten Betzschen
Riesenpyramidenzellen (Fig. 183, 184). Man bezeichnet deswegen die Schichtungsart als
Riesenpyramidentypus.
2. Regio retrocentralis entspricht der hinteren Zentralwindung und dem vorderen Drittel
des Operculum. — Sie enthält im Gegensatz zur Regio praecentralis eine wohlbegrenzte innere
Körnerschicht aber keine Riesenpyramidenzellen.
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Mark
Fig. 183.
Zellenschichten der Regio praecentralis und der Regio retrocentralis des erwachsenen Menschen. 20: 1.
(Nach Brodmann.) Die Pfeile bezeichnen die Grenze und zugleich die Tiefe des Sulcus centralis.
3. Regio frontalis umfaßt das Gebiet des Stirnlappens mit Ausnahme des von der Regio
praecentralis eingenommenen Gebietes und des Gyrus cinguli. — Sie besitzt eine deutliche innere
Körnerschicht.
Als besondere Unterabteilung kann die Subregio frontalis inferior abgegrenzt werden,
die ungefähr der unteren Stirnwindung entspricht.
■4. Regio insularis entspricht im wesentlichen der Insel, dehnt sich aber auf die benachbarten
Teile der Endhirnrinde aus. — Das Hauptmerkmal ihrer Zellenschichtung besteht in der Dreiteilung
der polymorphen Zellenschicht, indem von dieser durch eine tangentiale Faserschicht, Capsula extrema,
eine innerste Zellenlage abgegrenzt wird, die sich zum Claustrum umbildet. Ein Unterschied
zwischen dem vorderen und dem hinteren Abschnitt der Insel wird bedingt durch das Verhalten
der inneren Körnerschicht, welche im hinteren Abschnitt dauernd erhalten bleibt, während sie sich
im vorderen und im basalen Teil zurückbildet.
5. Regio parietalis deckt sich im großen und ganzen mit dem Lobus parietalis, doch
gehört noch dazu das hintere Drittel des Lobulus paracentralis. — Die Sechsschichtigkeit der Rinde
Rauber-Kopsch. Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 10
180
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
bleibt hier dauernd erhalten. Nur ein Teil dieser Region, die Area pracparietalis (Fig. 152, 153)
hat als besonderes Merkmal außerordentlich große Zellen in der Schicht der großen Pyramidcnzellcn.
6. Regio occipitalis umfaßt den ganzen Hinterhauptlappen; die Grenzen gegen die be-
nachbarten Regionen sind unbestimmt. — Sie zeigt im allgemeinen sehr gut ausgebildete Sechs-
schichtigkeit (Fig. 185). Eine Ausnahme macht die Area striata, die Sehrinde, welche acht
Zellschichten aufweist; ihre Schichtungsart wird als Calcarina typus bezeichnet. Die Vermehrung
der Schichten ist bedingt durch eine Dreiteilung
der inneren Körnerschicht. Fig. 186.
Die Ausdehnung der Area striata entspricht
demjenigen Teil der Hirnrinde, welcher die Wände
der Fissura calcarina bildet; sie reicht nur wenig
weit in die nähere Umgebung dieser Fissur. Über
[IIb den Hinterhauptpol reicht sie nur wenig, in manchen
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Fig. 184.
Fig. 185.
schichten der Regio occipitalis des er-
wachsenen Menschen. 66:1. (Nach Brodmann.)
Fig. 184. Riesenpyramidenzellen (Betz) in der Regio praecentralis des erwachsenen Menschen. 66:1.
(Nach Brod ma n n.
Fällen gar nicht, auf die laterale Oberfläche der Endhirnhemisphäre. Sie entspricht im wesent-
lichen dem Sehzentrum (vergl. Fig. 152, 153 mit Fig. 250, 251).
Bei manchen außereuropäischen Rassen (Sudanesen, Herero, Javaner) haben E.Smith und
Brodmann eine große Ausdehnung der Area striata auf die laterale Oberfläche nachgewiesen. Diese
Rassen verhalten sich darin ähnlich wie die anthropoiden Affen.
Der Gennarische Streifen ist im Bereich der Area striata so stark ausgebildet, daß er leicht
Das Gehirn: Feinerer Bau.
181
mit freiem Auge gesehen werden kann:
bekannt. Fig. 131, 187.
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Fig. 186.
er ist hier unter dem Namen Vicq d'Azyrscher Streifen
7. Regio temporalis erstreckt sich über
den Schliifenlappen mit Ausnahme des Gyrus
hippocampi. — Sic zeigt abgesehen von den Areae
35, 36 (Fig. 193) eine sechsschichtigc Rinde. Durch
einen besonderen Bau namentlich inbezug auf die
Fasern ist nur die Regio supratempora I i s
(Fig. 152) ausgezeichnet, welche dem akustischen
Sprachzentrum (Fig. 250) entspricht.
8. Regio cingularis begreift das Gebiet
des Gyrus cinguli mit Ausnahme des hinter dem
Balkenwulst gelegenen Gebietes, welches die be-
sondere Regio retrosplenialis bildet. — Der Zellen-
schichtung nach kann die Regio cingularis
anterior mit typischer Sechsschichtung und einer
geschlossenen inneren Körnerschicht unterschieden
werden von der Regio cingularis posterior,
welche keine innere Körnerschicht hat.
9. Regio retrosplenialis ist derjenige
Teil des Gyrus cinguli, welcher hinter dem Balken-
wulst liegt. Die Schichtenzahl dieser Region ist
vermindert, die Grenzen der vorhandenen Schichten
sind sehr unscharf. Die Reduktion betrifft die
Schichten II— IV.
10. Regio hippocampica umfaßt den
Gyrus hippocampi. Hier ist das äußere Nerven-
fasergcflecht sehr stark ausgebildet und als Sub-
stantia reticularis alba bereits erwähnt wor-
den. Dieselbe stammt vor allem aus Fasern der
weißen Substanz, welche in feinen Bündeln bis
zur Oberfläche gelangen und hier zumeist der
Länge nach verlaufen. Die Zellenschichtung weicht
erheblich von dem Grundtypus ab. Genaueres
darüber ist noch nicht beschrieben.
Im Anschluß an diese Region kann der Bau
des Hippocampus geschildert werden.
IVa
IV b
IV c
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Fig. 187.
Fig. 187. Durchschnitt durch die graue Rinde des End-
hirnes in der Umgebung der Fissura calcarina (/. ca). 1:1.
Die graue Rinde ist durch einen weißen Streifen, den Vicq
d'Azyrschen (= Gennarischen) Streifen, ausgezeichnet,
weiche der inneren Oberfläche der grauen Rinde näher liegt
als der äußeren.
Fig. 186.
Die 8 Zellenschichten der Area striata, Calcarlnatypus des erwachsenen Menschen. 66:
(Nach Brodmann.)
Auch die Hippocampus-Formation besteht aus grauer und weißer Substanz. Die Sub-
stantia reticularis alba des Gyrus hippocampi setzt sich, indem sie teilweise eine tiefere Lage ein-
10*
182
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
nimmt, auf die Konkavität des Hippocampus fort und wird hier Lamina medullaris involuta
oder Kernblatt genannt. Schaffer unterscheidet am Hippocampus der Säugetiere (Kaninchen und
Schwein) folgende Schichten Fig. 188:
1. Alveus; 2. Schicht der polymorphen Zellen, a) fusiforme Zellen, b) polygonale Zellen;
3. Schicht der großen Pyramidenzellen; 4. Schicht der kleinen Pyramidenzellen; 5. Zellenarme
Schicht — kugelige und spindelförmige Elemente.
Gleich Cajal fand Seh affer ferner Nervenzellen mit aufsteigendem Neuriten und Cellulae axi-
ramificatac, d. i. Zellen des II. Typus von Oolgi. Hieraus ergibt sich eine wesentliche Analogie
der Hippocampusformation mit der typischen Hirnrinde, wie es kaum anders erwartet
werden kann, wenn man bedenkt, daß der Hippocampus die Fortsetzung der Rinde des Gyrus
hippocampi darstellt. Der einzige Unterschied besteht darin, daß im Hippocampus zwei Schichten von
Pyramidenzellen dicht aneinandergerückt, die Schicht der kleinen Pyramidenzellen vielmehr in jene der
Fig. 188.
Schema des Hippocampus. (K. Schaffer.)
C Stelle der Rindeneinrollung. 1 fusiforme, 2 polymorphe, 3 Golgische Nervenzelle; 4 Riesenpyramidenzelle ; 5 kleine
Pyramidenzelle; 6 Nervenzelle der molekularen Schicht; al aufsteigende Kollateralen der Pyramidenzellen, welche (zum
Teil auch jene der polymorphen Zellen) samtlich in das Stratum lacunosum übergehen; 7 polygonale Nervenzellen der
Fascia dentata; S fusiforme Zellen desselben.
großen hinabgerückt erscheint; dadurch kommt ein ausgesprochenes Stratum radiatum zustande. Der
Hippocampus ist daher einer typisch gebauten, gleichsam komprimierten Rinde zu vergleichen.
Hirnrinde und Hippocampusrinde zeigen hiernach folgende einander entsprechende Schichten
(Schaffer):
I. Die zellenarme oder molekulare Schicht faßt in sich die Tangentialfasern, d. h. die Lamina
medullaris involuta, die kugeligen und spindeligen Nervenzellen. 2. Schicht der kleinen Pyramiden-
zellen, über welcher das dem Gen na Tischen Streifen entsprechende Stratum lacunosum liegt.
3. Schicht der großen Pyramidenzellen. Dadurch, daß im Hippocampus die kleinen Pyramidenzellen
auf die großen hinabgerückt sind, entsteht eine zellenarme Zwischenschicht, das Stratum radiatum.
4. Körnerschicht oder Schicht der kleinen unregelmäßigen Nervenzellen: ihr entsprechen die poly-
morphen subpyramidalen Zellen. 5. Schicht der Spindelzellen; ihr entsprechen jene gestreckten
Zellen, welche unmittelbar über dem Alveus liegen. 6. Das Marklager aber (Windungsmark, Mark-
leiste) und der Alveus bilden als entsprechende Teile den inneren Abschluß.
II. Regio olfactoria. Zu ihr gehören Bulbus, Tractus und Trigonum olfactorium, die
Substantia perforata ant., das Tuberculum olfactorium.
Das Gehirn: Feinerer Bau.
183
a) Der Bulbus olfactorius. (Fig. 189—191.) Das Mark des Bulbus liegt exzentrisch,
besteht aber ebenfalls aus einer dorsalen und einer ventralen Platte, welche randwärts ineinander
Dorsale Marksubstanz
Zentrale Marksubstanz
Ventrale Mark-
substanz
Nervenfaser-
' A' ''r ' p'exus und
^., - -'".-'ä* .- Kürnerschicht
: .[ Mitralzellen-
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gk *. Schicht
| Gelatinöse
g 1 Schicht
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Schicht der
Glomeruli
olfactorii
Olfactoriusschicht Nervi olfactorii
Fig. 189.
Fig. 1S9. Querschnitt durch den Bulbus olfactorius.
(Nach Figuren von Henle, Meynert und eigenen Präparaten halbschematisch
entworfen). (G. Schwalbe.) 20:1.
Fig. 190. Schema des elementaren Baues des Bulbus olfactorius und der Rlech-
schleimhaut.
g Grenze zwischen beiden Gebieten. 1 Riechzelle; 2 ihr Neurit; 3 Riechzellenteil eines
Glomerulus olfactorius gl; 4 Mitral- oder Pyramidenzellenteil des Glomerulus ; 5 basaler Fig. 190.
Dendrit einer Mitral- oder Pyramidenzelle des Bulbus olfactorius; 6 Körper- und Seiten-
fortsätze einer Mitral- oder Pyramidenzelle des Bulbus olfactorius; 7 Neurit der letzteren Zelle mit Kollateralen 8 Nerven-
zelle des Bulbus mit peripher ziehendem, in ein Endbäumchen auslaufenden Neuriten ; 9 Cellula axi-ramificata des Bulbus.
(Cajal.)
Fig. 191.
Schema des Baues von Bulbus und Tractus olfactorius. (Cajal.)
A Riechschleimhaut; B Glomeruli olfactorii des Bulbus olfactorius; C Mitralzellen ; D Tractus olfactorius; E Körnerzellen;
F Pyramidenzellen des Tractus olfactorius; G Region des äußeren Riechstreifens; //Kollateralen des äußeren Riechstreifens;
j Kollateralen des Bulbus olfactorius; L zentrifugale Fasern; M Zelle mit kurzem Axenzylinderfortsatz.
übergehen und eine dünne Lage grauer Substanz zwischen sich fassen. Die dorsale Rinde ist
äußerst dünn, um so dicker dagegen die ventrale, welche folgende Schichten entwickelt:
a. Stratum granulosum, Körnerschicht. Sie besteht aus einem Geflecht markhaltiger
Nervenfasern, in dessen Maschenräumen Ansammlungen kleiner Nervenzellen liegen.
184 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie
.'. Pyramiden- oder Mi tralzellenschicht. Sie enthält eine Reihe großer multipolarer
Nervenzellen von kurzer Pyramidenform. Sie entsenden mehrere Dendritenstämmchen in die nächst-
folgende Schicht, während der Neurit zu dem Plexus der vorhergenannten Schicht gelangt (üolgi).
;•. Stratum gelatinosum, gelatinöse Schicht. Sie entspricht der äußeren Hauptzone
der Endhirnrinde und enthält zerstreute kleine Nervenzellen.
iV. Stratum glomerulosum, Knäuelschicht. Sie besteht aus zahlreichen kugeligen oder
ovalen Gebilden von 0,1 mm Durchmesser, welche meist in doppelter Reihe liegen und je zweierlei
Endbäumchen enthalten: das zentrale Endbäumchen der Riechzellenfasern und das periphere End-
bäumchen der Neuronen nächsthöherer Ordnung. Dazwischen kommen kleine Zellen vor, deren
Zugehörigkeit zum nervösen Apparat oder zur Neuroglia noch nicht ganz sichergestellt ist.
Schicht der Olfactorius-Fasern. Auf der ventralen Fläche der Glomeruli bilden sie
dichte Geflechte markloser Fasern besonderer Art, mit denen die Nn. olfactorii zusammenhängen.
b) Der Tractus olfactorius besteht teils aus den Fortsetzungen der Schichten des Trigonum,
teils aus Nervenfasern, welche besonders an der ventralen Fläche und ihren Rändern angehäuft
sind. Die dorsale Kante besteht zumeist aus grauer Substanz. Eine Lage grauer Substanz be-
findet sich auch im Zentrum, an Stelle des früheren Ventriculus olfactorius. Die Faserbündel
ziehen zum Stirnlappen, zum Gyrus fornicatus und gehören teilweise der vorderen Kommissur an.
c) Das Trigonum olfactorium besitzt auf seiner ventralen Fläche einen Überzug gelb-
grauer, mit der Substantia perforata anterior übereinstimmenden Masse, welche sich gegen den
Tractus stark verdünnt. Der dorsale Teil des Trigonum enthält eine Fortsetzung der Rinde des
Stirnhirnes, die ebenfalls verdünnt auf den Tractus übergeht.
Die Substantia perforata anterior ist ähnlich gebaut wie der Globus pallidus des
Linsenkernes, doch enthält sie weniger Nervenfasern als letzterer.
Das Septum pellucidum hat drei Schichten: eine dünne Markschicht, eine dünne Rinden-
und (lateral) eine ependymale Schicht. In der Rindenschicht kommen Pyramiden- und Spindel-
zellen vor.
b) Die weiße Substanz des Endhirnes.
Sie enthält, wie wir S. 139 gesehen haben, folgende Arten von Nervenfasern:
Kommissurenfasern, Assoziationsfasern, Projektionsfasern.
1. Die Kommissurenfasern sind enthalten im Balken, der vorderen
Kommissur, der Commissura hippocampi.
a) Die Balkenfasern sind von großer Feinheit, als wären sie nur Kolla-
teralen von Axenzylindern. Sie entspringen in der ganzen Rinde einer Hemisphäre
und endigen in der anderen, mit Ausnahme jener Gegenden, welche zur Commis-
sura anterior gehören, nämlich des basalen Teils vom Stirnlappen, des Pols vom
Schläfenlappen, des Hippocampus. Viele der Balkenfasern geben einige sehr feine
Kollateralen ab, die sich wie diejenigen der Assoziationsfasern verhalten. Balken-
fasern scheinen nicht nur zwei symmetrische Punkte der Hemisphären miteinander
zu verbinden; der Balken ist vielmehr ein verwickeltes Quersystem, durch welches
die in irgend einem Rindenpunkte entsprungene Nervenfaser nicht nur symme-
trische Zellen der anderen Hemisphäre, sondern durch ihre Kollateralen noch viele
andere Zellen der verschiedenen Rindenschichten und Bezirke beeinflußt (Cajal).
Fig. 196.
b und c) Für die Fasern der beiden anderen Kommissuren gelten mutatis
mutandis dieselben Regeln, wie für die Balkenfasern.
2. Die Assoziationsfasern. Sie sind Neuriten der großen und kleinen
Pyramidenzellen und der polymorphen Zellen. Der Übergang des Neuriten in die
Assoziationsbündel der weißen Substanz (siehe S. 139) ist meist ein einfacher;
doch kommen auch T-förmige Teilungen mit gleichen oder ungleichen Ästen vor
(Fig. 197); im letzteren Falle geht der innere Teilast in eine Balkenfaser über.
185
Fig. 192. Rindenfelder, Areae, der Endhirnrinde des Menschen. (Brodmann.)
Ansicht der linken Hemisphäre von der Seite.
Die einzelnen Rindenfelder sind durch verschiedene Zeichen und Nummern kenntlich gemacht.
Fig. 193. Rindenfelder, Areae der Endhirnrinde des Menschen. (Brodmann.)
Ansicht der rechten Hemisphäre von der medialen Fläche.
Die verschiedenen Rindenfelder sind durch verschiedene Zeichen und Nummern kenntlich gemacht.
186
kolloider Masse
m
Adenohypophyse
':.-v:::,. "
I
- 1
Neuro hypophyse
Fig. 194. Medianschnitt durch die Hypophyse eines erwachsenen Mannes.
-
^P*«
Hirnsand.
Fig. 195. Querschnitt durch die Zirbel eines erwachsenen Mannes.
Das Gehirn: Feinerer Bau.
187
Überall jedoch läßt sich feststellen, daß viele Assoziationsfasern eine Zelle eines
bestimmten Rindenpunktes mit vielen anderen Zellen verbinden, die in anderen
Rindenbezirken und vielleicht gar in verschiedenen Lappen einer Hemisphäre
liegen (Cajal). Die Summe der Assoziationsfasern steht in gleichem Verhältnis
zur grauen Rindensubstanz. Beim Menschen und den größeren Säugetieren bilden
die Assoziationsfasern die Hauptmasse der weißen Substanz.
Bei vielen Assoziationsfasern sind sehr feine Kollateralen vorhanden, die auf-
steigen und sich in den verschiedenen darüberliegenden grauen Rindenschichten
bis in die Molekularschicht hinein verzweigen. Außer diesen radiären Kollateralen
finden sich solche, die in der weißen Substanz, oder in der Grenzschicht zwischen
grauer und weißer Substanz zu endigen scheinen; Kollateralen zur weißen Sub-
Fig. 197.
Fig. 197. Assoziationsfasern zwischen Stirn- und
Occipitallappen an einem Längsschnitt durch das
Gehirn schematisch dargestellt. (Cajal.)
a, b, c Pyramidenzellen ; d aufsteigende Endverzwei-
gungen der Kollateralen; e nervöse Endverzweigung;
Fig. 196. i Corpus callosum, quer getroffen.
Fig. 196. Anordnung der Kommissuren- und corticofugalen Fasern an einem Querschnitt durch das Gehirn
schematisch dargestellt. (Cajal.)
A Corpus callosum; B Commissura anterior; C Pyramidenbahn (motorische Willkürbahn).
a, bt c Pyramidenzellen; ä aufsteigende Endverzweigungen der Kollateralen; e nervöse Endverzweigung.
stanz, welche wahrscheinlich an den zahlreichen absteigenden Protoplasmafortsätzen
daselbst endigen. Fig. 198.
3. Die Projektionsfasern leiten teils corticopetal, teils corticofugal.
a) Die corticofugalen Fasern stammen (nach Untersuchungen an Gehirnen
kleiner Säugetiere) aus sämtlichen Rindenbezirken, konvergieren und ziehen durch
das Corpus striatum hindurch zum Hirnschenkel. In der Höhe des Balkens
geben sie eine starke Kollaterale zu diesem ab (siehe Fig. 196); dann ziehen sie
in getrennten Bündeln durch Anhäufungen grauer Substanz hindurch und senden
dieser äußerst feine Kollateralen zu. Es gibt auch Axenzylinder, welche weder an
den Balken, noch im Gebiet des Corpus striatum, Kollateralen abgeben, sondern
ihre Individualität behalten. Alle die genannten zentrifugalen Fasern stammen von
den großen und kleinen Pyramidenzellen der Hirnrinde (Fig. 196 C), vielleicht
auch von einzelnen polymorphen Zellen derselben. Daher erklärt sich ihr ver-
schiedenes Kaliber.
Der größte Teil dieser Fasern endigt bereits in den Ganglien des Zwischen-
hirns (Thalamus, Nucleus ruber, Corpora geniculata). Andere Fasern ziehen ohne
Unterbrechung durch den Hirnschenkel zum Mittelhirn, Nachhirn und Rückenmark.
Ein großer Teil der Fasern endigt als motorische Willkürbahn (als Pyramiden-
bahn mit Fasciculus cerebrospinalis lateralis und anterior. Fig. 85).
188
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
b) Die corticopetalen Fasern: Außer den Assoziationsfasern verzweigen
sich in der grauen Rinde noch Fasern von viel stärkerem Kaliber, die vielleicht
aus dem Rückenmark, Kleinhirn usw. kommen. Sie durchsetzen die graue Sub-
stanz mit gewaltigen Endverzweigungen, welche besonders um die kleinen Pyra-
midenzellen herumliegen. Diese Verzweigungen sind anzusprechen als das letzte
Ende der sensiblen Nerven im Gehirn,
oder vielmehr ihrer sekundären Systeme
(siehe Fig. 85 und 198).
Fornix longus. Von Forel 1872 bei
Cavia cobaya aufgefunden, später durch Kölliker
auch beim Menschen nachgewiesen. Er durchbohrt
wie bei Tieren den Balken und kommt sicher
von Teilen, die mit dem Qyrus fornicatus eine
Vergleichung zulassen. Durch die Ausstrahlung
dieser Fasern im Septum, durch ihre Beziehungen
zum Fornix (inferior) und vermittelst der Striae
longitudinales laterales des Balkens zur Fascia
dentata ergeben sich diese Fasern auch hier als
Teile der Riechbahn, wenn dieselben auch wohl
beim Menschen, der geringeren Entwicklung seines
Geruchshirnes entsprechend, nicht die Entwicklung
erlangen, wie bei den makrosmatischen Geschöpfen
(v. Kölliker, 1896).
c) Die Kleinhirnrinde.
An Durchschnitten durch die frische
Rinde, Substantia corticalis, des Klein-
hirnes erkennt das freie Auge zwei
Schichten, eine äußere graue, Stratum
cinereum, und eine innere gelbe oder
rostfarbene, Stratum granulosum. Das
Mikroskop zeigt an der äußeren Ober-
fläche des Stratum cinereum eine dünne
Grenzhaut, Lamina basalis, und an der
Grenze der grauen Schicht und der Körner-
schicht, noch eine besondere Lage, die
Schicht der Purkinjeschen Nervenzellen,
Stratum gangliosum.
Die an die Markleiste angrenzende rostfarbene oder Körnerschicht
besteht aus dicht gedrängten, in Gruppen zusammengestellten kleinen Zellen mit
großem Kern und geringem Zellkörper von 6—7// Durchmesser (Fig. 199). Dennoch
entsenden die kleinen Zellen mehrere kleine Dendritenstämmchen und einen in
die (graue) Molekularschicht eintretenden Neuriten, welcher sich innerhalb der-
selben in zwei nach entgegengesetzter Richtung ziehende Zweige teilt (Fig. 200, k).
Von einer zweiten Zellenart der rostfarbenen Schicht wird alsbald die Rede sein.
Zunächst ist noch zu bemerken, daß sie außerdem ein reiches Geflecht mark-
haltiger Nervenfasern enthält, welches sich einwärts in die Faserung der Mark-
leiste fortsetzt.
Die Schicht der Purkinjeschen Zellen (Fig. 199,3) besteht aus einer ein-
Fig. 198.
Ursprung und Ende von Neuriten in derGroßhirnrinde.
Schema. (Cajal.)
A kleine Pyramidenzelle; B große Pyramidenzelle; CD
polymorphe Zellen; E Endigung einer aus anderen
Zentren kommenden Fernfaser; F Kollateralen der weißen
Substanz; G Axenzylinder , der in der weißen Substanz
sich teilt (Bifurkation).
Das Gehirn: Feinerer Bau.
189
fachen Reihe großer Nervenzellen von bim- oder keulenförmiger Gestalt, welche
mit ihrem längsten Durchmesser senkrecht oder schief zur Körnerschicht gestellt
sind. Das dicke Ende ragt etwas in die Körnerschicht hinein und entsendet hier
einen durch die Körnerschicht dringenden Neuriten, der sich sehr bald mit Mark
umhüllt und in die Markleiste eintritt (Fig. 200). Der Außenpol der Zelle geht in
einen oder zwei mächtige Dendritenstämme über, welche sich (kandelaberartig)
überaus reichlich teilen und mit den Endästen radiär in die graue Schicht vor-
dringen. Die Hauptverästelung findet in quer zur Gyruslänge gerichteter Ebene
statt. Die größeren Fortsätze laufen dabei
gewöhnlich eine Strecke weit wagerecht oder
schräg, bis sie sich allmählich durch Abgabe
radiärer Zweige erschöpft haben und dann
selbst in die Radiärrichtung umbiegen. Dieses
Verhalten hängt zusammen mit den Abständen
der Zellen voneinander, welche häufig das
Drei- und Vierfache der Zellendurchmesser be-
tragen, aber auch auf weniger als einen ein-
zigen sich verringern können. Auf der Höhe
der Randwülste pflegen nämlich die Zellen
dichter zu stehen als im Grunde der Furchen.
Es kommt hinzu, daß das Astgebiet der einen
Zelle in das der benachbarten übergreift.
Randwärts erstrecken sich feine Endästchen
bis nahe zur Oberfläche. Sie gehen teils aus
fortgesetzter Teilung hervor, können aber auch
unmittelbar aus den kriechenden oder aufge-
richteten Dendritenstämmen entspringen. Der
Neurit gibt Seitenästchen ab, welche in die
Körnerschicht dringen; nicht selten laufen
solche Kollateralen gegen die Zellkörper zurück
und gehen in Endbäumchen über.
Die graue oder molekulare Schicht,
feinkörnige Schicht, wird durch stärkere Ver-
größerung in ein dichtes Gerüst aufgelöst,
welches teils aus Dendriten- und Neuritenverästelungen, teils aus Neuroglia und
Nervenzellen besteht. Ein horizontal ausgebreiteter Plexus markhaltiger Nerven-
fasern liegt an der Grenze der Purkinj eschen Zellen gegen die Körnerschicht.
Fig. 199, 2.
Eine Art von Nervenzellen der grauen Schicht, kleine Rindenzellen
(Fig. 200, G), sind multipolare Zellen wahrscheinlich vom II. Golgitypus. Eine
andere Art entsendet nach allen Seiten Dendriten, den Neuriten aber parallel
der Purkinjeschen Zellenschicht; dieser entläßt von Strecke zu Strecke eine
Kollaterale, welche sich gegen die Purkinjeschen Zellen wendet und um
dieselben ihre Endästchen in Form eines Faserkorbes entwickelt (Fig. 200, K).
Man nennt diese Zellen der grauen Substanz deshalb Korbzellen; von ihnen
aus findet also ein Einfluß auf eine ganze Reihe von Purkinjeschen Zellen statt,
sofern nicht der entgegengesetzte Weg die Bahn bezeichnet. In der Körnerschicht
Fig. 199.
Durchschnitt durch die Rinde des menschlichen
Kleinhirnes. (Th. Meynert.) 150:1.
1 Graue Schicht der Kleinhirnrinde, mit 2, quer-
verlaufenden feinsten markhaltigen Nervenfasern;
3 Purkinjesche Zellen; 4 Körnerschicht; 5 Sub-
stanz der Markleiste.
190
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
kommt eine zweite größere Zellenart vor, welche mit den Cellulae axi-ramificatae
die nächste Verwandtschaft besitzt; denn ihr in die Körnerschicht entsendeter
Neurit oder deren mehrere spalten sich in ein feines, überaus reiches, weit aus-
gedehntes Geäst feinster Reiser (Fig. 200, L).
Von der Markleiste steigt ferner eine Anzahl kräftiger Fasern auf, welche
von Fernzellen stammen und in der Körnerschicht unter Astbildung ihr Ende
finden. Eine andere Anzahl von Fernzellenfasern (Fig. 200, F) durchdringt die
Körnerschicht und gelangt in die graue Substanz; von ihnen abgehende Kollate-
ralen treten zu den Purkinjeschen Zellen und umgeben deren Körper in einem
Fig. 200.
Die hauptsächlichen Nervenzellenformen und Faserarten der Kleinhirnrinde.
FF Fernfasern (Kletterfasern); G kleine Rindenzellen; K Korbzelle; kk kleine Körnerzellen; L große Körnerzelle;
P Purkiniesche Zelle.
korb- oder nestähnlich gestalteten dichten Endbäumchen, während die weiter
gegen die Oberfläche ziehenden Teile der Faser an den Dendritenstämmen der
Purkinjeschen Zellen emporklettern, sie und deren Zweige umranken und daher
von Cajal Kletterfasern genannt worden sind.
Man erkennt, daß der Bau der Kleinhirnrinde ein sehr verwickelter ist; ge-
lungene Präparate, die nach der Golgischen Methode angefertigt sind, gewähren,
ob nun dieser oder jener Teil der Elemente besser hervortritt, einen überaus pracht-
vollen Anblick.
Neuroglia der Kleinhirnrinde. Fig. 201, 202.
In allen Schichten des Kleinhirnes kommen Neurogliaelemente in Form von
Kurzstrahlern und Langstrahlern vor. Eine besondere Form von Neurogliazellen
durchsetzt in radiärer Richtung die graue Substanz. Der Zelleib dieser Stütz-
elemente ist klein und liegt in der Schicht der Purkinjeschen Zellen, die radiären
Ausläufer ziehen bündelweise vom Zellkörper aus zur Pia und endigen mit kegel-
Das Gehirn: Feinerer Bau.
191
förmigen Ansatzstücken, die sich zu einer unter der Pia gelegenen Lamina
basalis verbinden (Fig. 201). Zwischen dieser und der äußeren Oberfläche bleibt
Fig. 201.
Neurogliazellen der grauen Substanz der Kleinhirnrinde.
Vertikalschnitt durch die Rinde einer Kleinhirnwindung eines 7monatigen menschlichen Fetus. (Retzius.)
Rechts ein Stück einer Purkin j eschen Zelle.
ein feiner bei Schrumpfung erweiterter, von den Radiärfasern durchsetzter Raum
übrig, ein epicerebellarer Lymphraum, in welchem auch Lymphkörperchen beobachtet
werden können. Fig. 202.
Da außer den Dendriten der Purk inj eschen Zellen
und den Radiärfasern der Neurogliazellen auch die Blut-
gefäße in radiärer Richtung die graue Schicht durchdringen,
erfährt deren Substanz eine feine radiäre Zerklüftung.
d) Die Endhirnganglien.
Der Nucleus caudatus scheint in allen seinen
Teilen gleichmäßig gebaut zu sein. Er ist von einem
dicken Ependym bedeckt und enthält außer Nervenfasern
besonders zwei Arten von Nervenzellen: 1. größere multi-
polare (von 30,«), 2. viel zahlreichere kleine multipolare
(von 15,«). Dazu kommen noch eigentümliche rundliche
in Lücken gelagerte Zellen (Henle).
Der Nucleus lentiformis. Der Bau des Putamen
stimmt mit dem des Nucleus caudatus überein, wie er ja
auch vorn mit demselben ununterbrochen zusammenhängt.
Die blassere Farbe der beiden Innenglieder (Globus pallidus), von welchen das
innerste wieder etwas dunkler ist, rührt von einem größeren Reichtum an Nerven-
fasern, aber auch von zahlreichen gelb pigmentierten Nervenzellen her. Die drei
-Glieder des Linsenkernes sind voneinander abgesetzt durch dünne Markplatten,
Laminae medulläres externa et interna, welche Ausläufer in die Substanz
der einzelnen Glieder entsenden, durch die innere Kapsel hindurch mit dem
Fig. 202.
Peripherischer Teil der grauen
Schicht der Kleinhirnrinde mit
der abgehobenen Lamina
basalis (5).
1 Pia mater; 2 äußere Grenze der
grauen Schicht; 3 epimedullarer
Lymphraum; 4AusläuferderNeu-
rogliazellen der grauen Substanz.
Über 4 ein Lymphocyt.
192
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Nucleus caudatus in Verbindung stehen, aufwärts aber in das Hemisphärenmark
und in die graue Rinde ausstrahlen. Auf der ventralen Seite des Linsenkernes
hingegen treten beide Laminae medulläres zu einem kräftigen und wichtigen
Faserbündel zusammen, welches längs der ventralen Seite medianwärts verläuft
und so auf nächstem Wege den medialen Rand des Hirnschenkels erreicht.
Dies Bündel führt den Namen Linsenkernschlinge, Ansa lenticularis.
Das Claustrum, jener eigentüm-
liche bandförmige Kern, welcher lateral
vom Nucleus lentiformis gelegen ist und
ventral mit der Substantia perforata an-
terior zusammenhängt, ist, wie wir schon
oben gesehen haben, entstanden durch
Abtrennung von der polymorphen Schicht
der Inselrinde.
Die zelligen Elemente des Claustrum
sind vorzugsweise Spindelzellen, welche
mit ihrer Längsaxe parallel der Ober-
fläche gestellt sind. Meynert hat des-
halb auch die an anderen Orten vor-
kommenden, an Spindelzellen reichen
tiefen Lagen (gewöhnliche Rinde, Man-
delkern) als „Vormauerformation" be-
zeichnet.
e) Das Zwischenhirn.
Die zentrale graue Substanz des
dritten Ventrikels setzt sich kaudal in
die den Aquaeductus des Mittelhirnes
umgebende graue Substanz, letztere aber
in das Bodengrau des vierten Ventrikels
fort. Nach einer von Meynert einge-
führten Unterscheidung der verschiedenen
Lagen grauer Substanz im Gehirn wird
die zentrale graue Substanz der genann-
ten Hirnabteilungen auch Höhlengrau
genannt. Das Höhlengrau des dritten
Ventrikels setzt sich ventral ununterbro-
chen in die graue Bodenkommissur
(S. 101) fort, hängt lateral mit dem me-
dialen Kern des Thalamus (S. 109) zusammen und bildet auch die Substanz der Massa
intermedia; das Höhlengrau des dritten Ventrikels enthält zahlreiche Nervenzellen.
Eine besondere keulenförmige Ansammlung multipolarer kleiner Nervenzellen im
Trigonum habenulae (S. 109) stellt das Ganglion habenulae von Meynert dar.
Aus ihm zieht ein Bündel markhaltiger Fasern abwärts, das Meynertsche Bündel
oder der Fasciculus retroflexus zum Ganglion interpedunculare (Gudden)
(siehe Fig. 129 und Leitungsbahnen). Über das Vicq d'Azyrsche Bündel, die Pars
tecta columnae fornicis und ihre Lagerung im Höhlengrau siehe S. 109 und Fig. 97.
lob. ternp
Fig. 203.
Schematische Darstellung der Fasern, welche aus dem
Linsenkern und dem Sehhügel zur Rinde verlaufen.
(W. v. Bechterew.)
c.cal Corpus callosum ; es Nucleus caudatus; Fh Thalamus;
cL Nucleus hypothalamicus (Luysscher Körper); gp Globus
pallidus nuclei lentiformis; pt Putamen nuclei lentiformis;
et Claustrum ; fsi mittlerer Thalamusstiet ; // Faserbündel,
welches aus dem Globus pallidus und den Laminae medul-
läres des Linsenkernes zur Rinde zieht und wahrscheinlich
auch Fasern des Lemniscus medialis (sensitivus) enthält;
anl Ansa nuclei lentiformis; fit unterer Thalamusstiel;
/Fornix; no Nervus opticus; ca vordere Kommissur; ins
Insula telencephali; Inb.pariet. Rinde des Parietallappens;
lob.temp. Rinde des Temporallappens; et Capsula interna;
a Fasern zur Verbindung des Nucleus caudatus mit dem
Globus pallidus; b Fasern zur Verbindung des Putamen mit
dem Globus pallidus; c Fasern, welche vom Luysschen
Körper zum Globus pallidus verlaufen.
Das Gehirn: Feinerer Bau.
193
Begriff des Höhlengrau, der grauen Rinde und der Kerne.
Untersucht man auf Grund der neueren Erfahrungen über die Herkunft der grauen Substanz
den Begriff des Höhlengrau, so ist schon im Allgemeinen Teile auseinandergesetzt worden, daß
alle graue Substanz in ihrem Ursprünge auf das Epithel des Zentralkanals zurückführt oder der
inneren Zellenlage des Medullarrohrcs den Ursprung verdankt. Diese Zellenlage, Pro lifera tions-
schicht oder Prüdilektionsschicht, entwickelt längere Zeit hindurch fortwährend Mitosen und
Zellteilungen, welche ventrikuläre Mitosen genannt worden sind. Die ncugebildeten Zellen
sammeln sich an der Außenfläche der Prädilektionsschicht und bilden durch weitergehenden Nach-
schub von innen her allmählich ansehnliche Zellenlager. Schon von Anfang an tritt auch eine
Differenzierung der Zellen zutage, indem ein Teil sich zu jugendlichen Nervenzellen (Neuroblasten),
ein anderer zu Ependymzellen gestaltet.
Jene bilden die Grundlage aller grauen
Substanz. An gewissen Orten (in den End-
hirnganglien, ebenso auch in den Kernen
des Zwischenhirns, des Kleinhirnes usw.)
vermehren sich die jungen Nervenzellen
durch eigene mitotische Zellteilung; diese
Mitosen werden ultraventrikulare Mi-
tosen genannt; auch die ventrikuläre
Mitosenbildung liefert immer noch neue
Zellen. Die Zellen der Endhirnrinde
stammen von ventrikulären mitotischen
Zellteilungen ab, während gerade die End-
hirnganglien teils aus ventrikulären,
teils aus ultraventrikularen mitotischen
Zellteilungen herstammen. Wo bleibt nun
der Begriff des Höhlengrau? Alles
Grau ist ursprünglich Höhlengrau. Aber
ein Teil dieser grauen Massen wird durch
allmählich gelieferte weiße Substanz von
dem Mutterboden zur Peripherie abge-
drängt. Dies ist das Rindengrau. Ein
anderer Teil der grauen Substanz aber
bleibt mit dem Mutterboden in Verbindung
und ist dann Höhlengrau. Natürlich
gehören damit der Nucleus caudatus und
lentiformis auch zum Höhlengrau. Immer
aber kann man noch Unterschiede machen,
insofern man ersteren Namen für die um
das Ventrikelependym gelagerten diffu-
sen grauen Massen beibehält, für die
mehr isolierten, selbständigeren Lager gehäufter grauer Substanz den Namen graue Kerne fest-
hält; wobei man aber wissen muß, daß der Nucleus caudatus und lentiformis, wie oben angegeben,
von dem ihnen zugehörigen ventrikulären Epithel abstammen.
Muchin, N., Zum Bau des zentralen Höhlengraues des Gehirnes. Internat. Monatsschr., XVIII,
1901. — Rauber, A., Die Mitosen des Medullarrohres. Arch. f. mikr. Anat. Bd. 26, 1886.
Das Corpus mamillare beherbergt in seinem Inneren zwei graue Kerne,
Nuclei corporis mamillaris (S. 97 und Leitungsbahnen), mit spindelförmigen,
20 — 30.« langen Nervenzellen.
Die Hypophysis cerebri (Fig. 194) besteht in ihrem kleinen hinteren
cerebralen Lappen, der Neurohypophyse, aus Neuroglia, Blutgefäßen und
Bindegewebe, ohne Beimischung von Nervenzellen oder Nervenfasern (A. Kohn)
und enthält mehr oder weniger zahlreiche epitheliale Gebilde, welche vom vor-
deren Lappen stammen.
Fig. 204.
Unterschied von Höhlengrau, grauer Rinde und grauen Kernen.
Frontalschnitt durch das Gehirn eines Schaffetus von ca. 7 cm Länge.
10 il. (A. Kölliker.)
st Corpus striatum ; m Foramen interventriculare; /Ventriculus III;
pl Plexus chorioideus; l Ventriculus lateralis; s Schlußplatte der
Hemisphären, hier Verbindungsplatte der beiden Plexus chorioidei
und Fortsetzung der Deckplatte des 3. Ventrikels; / große Hirn-
spalte mit der primitiven Sichel ; th tiefster vorderster Teil des
Thalamus; ch Chiasma; o Opticus; c Hirnstielfaserung; h Hemi-
sphären mit einer in den Seitenventrikel vorspringenden Windung
an ihrer medialen Wand; p Pharynx; sa Sphenoidale anterius;
a Ala parva. Siehe auch Fig. 203, 179, 128.
194 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Die Gliazellen sind meist von einfacher Form, bilden nur spärliche Fasern
und besitzen viel Protoplasma. Schon frühzeitig tritt Pigment auf, welches bei
älteren Individuen außerordentlich reichlich ist. Es befindet sich meist in den
Zellfortsätzen und in den Gliafasern (A. Kohn), weniger im Zelleib.
Die vom vorderen Lappen in die Neurohypophyse gelangten Epithelzellen
liegen einzeln oder zu Gruppen und Strängen vereinigt oder bilden die Wand
kolloidhaltiger Bläschen.
Der größere vordere Lappen, Adenohypophyse, besteht wesentlich aus
epithelialen, meist soliden, teils hohlen Strängen von sehr ungleicher Dicke, die von
helleren oder dunkleren Zellen zusammengesetzt werden. Die Schläuche sind in lockeres
gefäßführendes Bindegewebe eingehüllt. Die Blutgefäße sind weit und dünnwandig.
Die Zellen enthalten teils acidophile, teils basophile Granula. In der Nähe
der Neurohypophyse treten hohle Zellstränge und kolloidgefüllte Bläschen auf,
welche den Follikeln der Schilddrüse ähnlich sind, aber eine mehrschichtige Zell-
wand besitzen. Das Kolloid der Hypophyse zeigt alle mikrochemischen Reaktionen
des Schilddrüsenkolloid.
Über die Hypophysis pharyngea siehe Abt. IV, S. 93.
Kohn, A., Über die Hypophyse. Münch. med. Wochenschr. 1910. — Derselbe, Über das
Pigment in der Neurohypophyse des Menschen. Arch. mikr. Anat. Bd. 75, 1910.
Das Corp us pineale (Zirbel, Epiphyse)
(Fig. 195) besitzt eine bindegewebige Hülle,
welche Fortsätze in das Innere sendet, wo-
durch einzelne Abteilungen geschieden wer-
den. Letztere bestehen aus Gruppen poly-
edrischer Epithelzellen, Neuroglia sowie Blut-
gefäßen, Nervenfasern und Ganglienzellen.
Über den Hirnsand siehe S. 110. Die Körner
des Hirnsandes (Fig. 205) erinnern an ver-
wandte Dinge, die besonders in höherem
Fig. 205. Alter in den Wänden der Hirnkammern, aber
Himsand, aus der zirbei isoliert. auch in der grauen und weißen Substanz,
und in peripheren Nerven gefunden werden.
Man nennt sie Corpora amylacea; sie sind rund oder eingeschnürt, deutlich
geschichtet und färben sich mit Jod und Schwefelsäure violett, wie Stärkekörner.
Illing, P., Vergl. anat. und histol. Untersuchungen über die Epiphysis cerebri einiger Säuger.
Dissertation Leipzig 1910.
Der Thalamus ist an seiner dorsalen Oberfläche durch ein kräftiges Stratum
zonale markhaltiger Nervenfasern bekleidet und erinnert hierdurch an die End-
hirnrinde, noch mehr an die Lamina quadrigemina. Über seine drei Hauptkerne
und das sie mehr oder weniger trennende dünne Markblatt, Lamina medullaris
interna, siehe S. 106, 109; ebenda ist auch der Ursprung des Vicq d'Azyrschen
Bündels vom vorderen Kerne geschildert. Die Nervenzellen aller Kerne sind
zahlreich und klein, am größten (40,«) die des vorderen Kernes und des Pulvinar.
Innerhalb dieser Hauptkerne sind in neuerer Zeit auf Grund verschiedener Untersuchungs-
methoden zahlreiche (von manchen Autoren 30 und mehr) kleine Kerne unterschieden worden. Die
genauen Beziehungen der meisten dieser Kerne sind bisher noch nicht festgestellt.
Zum Thalamus gelangen fast aus allen Gebieten der Endhirnrinde Fasern,
welche sich in seiner Nähe zum Teil in dichteren Bündeln sammeln und alsdann
Das Ochirn: Feinerer Bau.
195
Stiele des Thalamus genannt werden, während die Gesamtstrahlung der End-
hirnrinde zum Thalamus mit dem Namen Stabkranz des Thalamus bezeichnet
wird. (Siehe S. 109.) So bedeutet in Fig. 206: das Sehhügelende der aus dem
Stirnlappen kommenden Fasern :' den
vorderen Stiel des Thalamus, der aus
dem hinteren Teile des Stirnlappens und dem
Scheitellappen kommenden Fasern o den
oberen Stiel, der aus dem Schläfenlappen
und der Insel kommenden Fasern u den un-
teren Stiel, der aus dem Hinterhauptlappen
kommenden Fasern h den hinteren Stiel
des Thalamus, der zur sogenannten Seh-
strahlung gehört.
Der Thalamus hat ferner wichtige
Verbindungen mit dem Tractus opticus. Sie
sind zweierlei Art, indem ein Teil der Thala-
musfasern des Tractus opticus zum Stratum
zonale zieht, ein anderer aber zu dem tiefen Zellenlager des Pulvinar. Über andere
Verbindungen des Thalamus siehe Leitungsbahnen.
Das Corpus geniculatum laterale schließt sich an das laterale Ende des
Pulvinar an und hebt sich durch seine dunklere Farbe von der Umgebung deut-
Fig. 206.
Teil des Stabkranzes des Thalamus.
//Hemisphärenrinde; Th Thalamus; v vorderer Stiel ;
o oberer, h hinterer (der Sehstrahlung angehörender),
u unterer Stiel des Thalamus.
Fig. 207.
Schnitt durch das Corpus geniculatum laterale der Katze.
Chromsilber-Imprägnation. Einstrahlung von Optikusfasern und Auflösung derselben in Endbäumchen. (Pedro Ramön.)
licher ab. Seine Substanz ist eigentümlich gestreift, indem schmale weiße und
breitere graue Lagen abwechseln. Dies rührt her von der Einstrahlung bestimmter
lateraler Faserbündel des Tractus opticus. Seine Ganglienzellen sind zahlreich,
multipolar, meist pigmentiert. Fig. 207.
Die Opticusfasern haben ihren Ursprung teils in der Retina des Auges,
wo sie aus Neuriten der dort befindlichen Nervenzellen hervorgehen, teils außer-
halb der Retina, in den tieferen Zentren des N. opticus. Ein Teil dieser Fasern
endigt unter Bildung starker Endbäumchen um die Nervenzellen des äußeren
Kniehöckers, ein anderer im Thalamus, wahrscheinlich in gleicher Weise.
Siehe auch Sinnesorgane.
Corpus geniculatum mediale. Seine graue Substanz geht dorsal und
196 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
ventral in die graue Substanz des Thalamus über. Seine zahlreichen Nervenzellen
haben etwa 25 ,« größten Durchmesser.
In ihm endigen die Fasern des Lemniscus lat., sowie Fasern, welche aus
dem unteren Vierhügel stammen. Die Neuriten seiner Ganglienzellen ziehen zum
großen Teil zur oberen Schläfenwindung.
Das Ganglion habenulae hat folgende Verbindungen: a) mit dem Fasciculus
retroflexus, der eine Verbindung mit dem Ganglion interpedunculare darstellt;
b) mit der Stria medullaris, deren zahlreiche Verbindungen (mit dem Hippocampus,
der Substantia perf. anterior, dem Tuber cinereum, dem Corpus pineale) vielleicht
zur Verknüpfung der Zentren des Geruches und Gesichtes dienen.
Lotheisen, G., Über die Striae medulläres thalami. Anatomische Hefte, Nr. 12.
Der rote Kern des Hypothalamus enthält zahlreiche kleine Ganglienzellen.
Von ihm ziehen Faserbündel (Haubenstrahlung) zum Thalamus und zur inneren
Kapsel. Diese Faserzüge stammen aus verschiedenen Gebieten (Bindearm, Formatio
reticularis der Haube, Nuclei pontis und aus dem Nucleus ruber selbst). Aus dem
roten Kern entspringende Fasern bilden den Tractus rubrospinalis (Monakowsches
Bündel). Die aus dem Kern tretenden Fasern kreuzen sich in der Mittellinie und
ziehen kaudalwärts durch Brücke, Medulla oblongatazum Rückenmark (vergl. S.61).
Der Nucleus hypothalamicus (Fig. 129) oder das Corpus Luysi besteht
aus gelbbraun pigmentierten Nervenzellen, zwischen denen Nervenfasern in ver-
schiedenen Richtungen verlaufen. Dorsal und ventral ist das linsenförmige Gebilde
von einer dünnen Markkapsel mit unentwirrbar scheinender Faserung umgeben.
Die Zona incerta, eine wenig deutlich abgegrenzte Zone des Hypothalamus,
setzt sich kaudal in die Formatio reticularis der Mittelhirnhaube fort und besteht
aus Längsfaserbündeln, welche durch graue Substanz mit spärlichen Nervenfasern
zerklüftet werden; sie geht medial in das Höhlengrau des III. Ventrikels, lateral
in die Gitterschicht des Thalamus, vorn in das Tuber cinereum über.
f) Die Kerne des Kleinhirnes.
Die Kleinhirnrinde ist bereits oben (S. 188) im Anschlüsse an die End-
hirnrinde betrachtet worden.
Von den Kernen des Kleinhirnes stellt der Nucleus dentatus ein in der
hinteren Verlängerung der Brachia conjunctiva gelegenes taschenförmiges, mit
Nebenfalten versehenes graues Blatt dar, welches eine Dicke von 0,3 — 0,5 mm
besitzt, während die ganze, vorn-medial offene Tasche 15 — 20 mm lang, 8 — 10 mm
breit und 10 — 12 mm hoch ist. Der feinere Bau stimmt auffallend mit dem des
Nucleus olivaris inf. überein, dessen äußere Form ebenfalls eine ähnliche ist. In
dem grauen Blatte nämlich sind in mehreren Lagen zahlreiche, 30 — 36 ,« große,
gelblich pigmentierte multipolare Zellen enthalten, während zwischen den Zellen
zahlreiche Nervenfasern durchziehen. Das Innere des Nucleus dentatus ist mit
markhaltigen Nervenfasern erfüllt, welche den Markkern des Nucleus dentatus
bilden. Die untere Wand des Nucleus liegt in der Gegend des Vogelnestes und
befindet sich damit in großer Nähe des Ependym des IV. Ventrikels, von welchem
nur eine 0,1 mm dicke Markschicht sie trennt. Die den Nucleus dentatus um-
hüllende Markkapsel stellt einen Filz starker markhaltiger Nervenfasern dar und
wird das Vlies oder die Capsula nuclei dentati genannt.
197
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Bfar Fasciciilus cuneatus
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-Fila radicularia posll. n. ccrv. I.
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lTict.;^.«OA^ ».. . . •.. •- i '-■.-•. Fasciciilus cerebrospinalis lat.
(pyramidalis lat.)
Substantia gelatlnosa centralis
yy; '• ~ ".<: ;■-<; *- .-.---.-• -r--.~f"-. <£> — - i aualis centralis
Formatio reticularis
Colunina ant.
Fila radicularia autt. n. cerv. I.
Fissura mediana ant. Decussatio pyramidum
Fig. 208. Erstes Cervikalsegment. Querschnitt (siehe Orientierungsfigur 213).
Markhaltige Nervenfasern schwarz, Ganglienzellen rot.
Fasciciilus gracilis
5£«&x Fasciculus cuneatus
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Fasciculus anterolateralis
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Fig. 209. Medulla oblongata. Querschnitt I (siehe Orientierungsfigur 213).
Ungefähr Mitte der Decussatio pyramidum; Caudale Enden der Nuclei fasciculi gracilis und cuneatus.
Markhaltige Nervenfasern schwarz; Ganglienzellen rot.
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Das Gehirn: Feinerer Bau. 199
Der feinere Bau des Pfropf kern es stimmt mit dem des Nucleus dentatus
überein, während der Kugelkern mehr dem Bau des Dachkernes ähnlich ist.
Der letztere besitzt pigmentierte multipolare Nervenzellen, welche bis 60 ,« Durch-
messer haben. Der Pfropf verhält sich zum Nucleus dentatus ähnlich, wie die
Nebenoliven zum Olivenkern.
Über die Faserbahnen der Kleinhirnschenkel siehe das folgende Kapitel.
g) Mittelhirn, Brücke und verlängertes Mark.
Vorbemerkungen: Die verwickelte Mikrotopographie dieser Hirnteile wird, ebenso wie
beim Rückenmark, mit Nutzen klargelegt durch Betrachtung und Erklärung einer Reihe von Quer-
schnittsbildern, deren Einzelheiten zunächst erlernt werden müssen in der Art, wie die Topographie
der Erdoberfläche mit Hilfe von Karten erlernt wird. Erst die völlige Kenntnis der verschiedenen
Querschnittsbilder erlaubt die körperliche Vorstellung des gesamten Aufbaues. Zur weiteren Unter-
stützung der Anschauung dienen Modelle und Projektionszeichnungen, sowie Schnitte, welche in
anderer Richtung, geführt worden sind.
Wir werden hier nur eine systematische Folge von Querschnittsbildern betrachten, und
später (im Kapitel Leitungsbahnen) an Projektionszeichnungen den Gesamtverlauf einzelner Bahnen
übersehen. Über die Lage der Querschnitte belehrt die Orientierungsfigur 213.
Aus didaktischen Gründen empfiehlt es sich, vom Rückenmark auszugehen
und von hier rostralwärts vorzuschreiten, denn so knüpfen wir an bekannte Ver-
hältnisse an, und können die Änderungen im Aufbau leichter erklären und behalten.
1. I. Cervikalsegment.
Wir beginnen mit einem Schnitt durch das erste Cervikalsegment (Fig. 208).
Das Rückenmark ist hier annähernd rund. Die graue Substanz ist entsprechend
der geringen Stärke des ersten Cervikalnerven schwach entwickelt, die Vorder-
säulen sind schmal, der Hals der Hintersäule ist außerordentlich dünn, die Sub-
stantia gelatinosa post. (Rolandi) dagegen sehr stark. Die ganze Hintersäule ist
etwas ventralwärts umgebogen. Die Formatio reticularis ist mächtiger als in den
folgenden Cervikalsegmenten. Rechts ziehen Faserbündel durch die Basis der
Vordersäule zum Vorderstrang der anderen Seite. Dies sind Fasern der Pyramiden-
Seitenstrang-Bahn; wir haben also das kaudale Ende der Decussatio pyramidum
vor uns.
2. Medulla oblongata, Querschnitt I.
Der Schnitt durch die Pyramidenkreuzung (Fig. 209) zeigt ventral vom
Zentralkanal die dichte Masse der einander durchkreuzenden Bündel der Pyramiden-
Seitenstrang-Bahn. Die schon gekreuzten Bündel bilden zu beiden Seiten der
Fissura mediana ant. dichte Fasermassen, welche das kaudale Ende der Pyramiden
der Medulla oblongata sind. Ihre einzelnen Bündel, Fasciculi pyramidales,
sind quer, schief und längs getroffen. Die mediale Grenze der Vordersäule ist
noch vorhanden, lateralwärts geht die Vordersäule auf in der Formatio reticularis.
Diejenigen quer durchschnittenen Fasern, welche zwischen der Pyramidenkreuzung
und der Vordersäule sich befinden, sind der Fasciculus longitudinalis
medialis.
Im Innern des Gollschen Stranges tritt ein Kern auf, der Nucleus fasci-
culi gracilis. Der Kern des Burdachschen Stranges, Nucleus fasciculi
euneati, beginnt dagegen im Zusammenhang mit der zentralen grauen Substanz.
Die Substantia gelatinosa posterior ist noch mächtiger geworden; nach außen von
Räubee-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 1 1
200 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
ihr liegt der Tractus spinalis nervi trigemini an derselben Stelle, welche im
Rückenmark die Zona terminalis inne hat. Die Kollateralen dieser Fasern ziehen
in die Rolandosche Substanz (Fig. 232), welche nunmehr als Nucleus tractus
spinalis nervi trigemini bezeichnet wird. Zu beiden Seiten des Zentralkanals
liegt eine Zellengruppe, der Nucleus dorsalis nervi accessorii.
3. Medulla oblongata, Querschnitt II.
Der nächste Schnitt (Fig. 210) liegt dicht oberhalb der Pyramidenkreuzung.
Der Nucleus fasciculi gracilis und der Nucleus fasciculi cuneati, sowie
der Nucleus tractus spinalis nervi V sind größer geworden; auch der Tractus
spinalis nervi trigemini ist mächtiger. In der grauen Substanz um den Zentral-
kanal tritt der Nucleus alae cinereae (Nucl. sensibilis nervi vagi) auf; dorsal
von ihm befindet sich der Nucleus dorsalis nervi accessorii. Die Vorder-
säule ist nach medianwärts, gegen den Fasciculus longitudinalis medialis
noch scharf abgegrenzt, nach der Seite geht sie ohne Grenze über in die
Formatio reticularis. Der ventrale Teil des Schnittes wird gebildet von den
mächtigen Pyramiden, deren einzelne Bündel, Fasciculi pyramidales, noch
nach verschiedenen Richtungen durcheinanderlaufeh, so daß man längs-, schräg-
und quergeschnittene Bündel findet. Über die Faserzüge des Seitenstranges ist
nichts Besonderes zu sagen.
Als neu auftretende Erscheinung sind die Fibrae arcuatae internae und
die Fibrae arcuatae externae anteriores zu nennen. Erstere ziehen zu
Bündeln vereinigt bogenförmig um die zentrale graue Substanz herum und kreuzen
sich ventral vom Zentralkanal mit den Fasern der Gegenseite. Nach der Kreuzung
biegt ein Teil der Fasern in aufsteigende Richtung um und verläuft neben der
Mittellinie liegend in rostraler Richtung. Diese Fasern bilden die mediale
Schleife, Lemniscus medialis (sensitivus); deshalb heißt die Kreuzung der
Fibrae arcuatae intt. Schleifenkreuzung, Decussatio lemniscorum. Ein
anderer Teil der Fasern, welche in der Schleifenkreuzung auf die Gegenseite
gelangt sind, begibt sich nicht in die Schleife, sondern verläuft in der Raphe
ventralwärts, liegt auf der medialen Oberfläche der Pyramide, biegt um die mediale
untere Kante der Pyramide um, bedeckt die äußere (ventrale) Oberfläche der
Pyramide und strebt dorsalwärts weiter. Diese Fasern heißen Fibrae arcuatae
externae anteriores.
Über das Wesen der Fibrae arcuatae sei folgendes bemerkt. Die Fasern der Fasciculi gracilis
et cuneatus, welche Neuriten sensibler Neuronen I. Ordnung sind, finden sämtlich in den Nuclei
fasciculi gracilis et cuneati ihr Ende. Dort beginnt das II. sensible Neuron, die sekundäre
sensible Bahn, mit den Ganglienzellen der genannten Kerne. Die Neuriten dieser Ganglien-
zellen ziehen als Fibrae arcuatae internae zur Decussatio lemniscorum, bilden den rostralwärts
ziehenden Lemniscus medialis und die um die äußere Oberfläche der Medulla herumlaufenden
Fibrae arcuatae ext. antt. Letztere sind also vorher Fibrae arcuatae intt. gewesen. Fig. 253, 254.
4. Medulla oblongata, Querschnitt III.
Im Schnitt (Fig. 211) füllt der Nucleus fasciculi gracilis beinahe den
ganzen Raum des Gollschen Stranges aus. Der Nucleus fasciculi cuneati
ist auch bedeutend größer geworden, doch liegt nach außen von ihm noch eine
beträchtliche Menge von Fasern des Burdachschen Stranges. Auch der Nucleus
tractus spinalis nervi V ist größer und ebenso der nach außen von ihm be-
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Das Gehirn: Feinerer Bau.
203
Endliche Tractus spinalis nervi V. Die Vordersäule des Rückenmarkes ist
völlig aufgegangen in der Formatio reticularis. Die Pyramiden sind gegen die
angrenzenden Teile gut abgegrenzt.
In der grauen Substanz um den Zentralkanal finden wir den Nucleus alae
cinereae und den Nucleus dorsalis n. XI an bekannter Stelle (vergl. Fig. 210).
Neu aufgetreten ist der Nucleus nervi hypoglossi. Er liegt ventral vom Zen-
tralkanal jederseits dicht neben der Mittellinie, dicht oberhalb des Fasciculus
longitudinalis medialis, ist ausgezeichnet durch große Zellen und zahlreiche mark-
Fig. 230
Fig. 229
Fig. 227
Fig. 226
Fig. 225
Fig. 224
Fig. 223
Fig. 219
Fig. 218
Fig. 217
Fig. 216
Fig. 215
Fig. 214
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/--»»• Fig. 210
l-WL Fig. 209
Fig. 208
Fig. 213.
Orientierungsfigur über die Lage der Querschnittsbilder von Mittelhirn, Brücke und verlängertem Mark.
haltige Nervenfäserchen, welche in verschiedenster Richtung den Kern durchsetzen.
Die Neuriten seiner Zellen ziehen schräg ventral- und lateralwärts an der seitlichen
Grenze des Fasciculus longitudinalis medialis herab.
Neu ist auch ein Faserbündel, welches etwas dorsal vom Zentralkanal an
der Grenze der zentralen grauen Substanz, seitlich vom Nucleus alae cinerae liegt.
Es ist der Tractus solitarius (Radix descendens IX, X).
Die Zahl der Fibrae arcuatae intt. ist bedeutend größer als im vorher
betrachteten Schnitt; die von ihnen beschriebenen Bögen durchsetzen in weiter
Ausdehnung das Gebiet der Formatio reticularis, welche nunmehr auch als Sub-
stantia reticularis grisea bezeichnet wird.
Die Decussatio lemniscorum ist breit, der Lemniscus medialis ist stärker
geworden. Die Fibrae arcuatae extt. antt. können auf der Oberfläche der
Medulla oblongata verfolgt werden bis zu einer Stelle, welche dorsal liegt vom
11*
204 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Nucleus tractus spinalis nervi V. Sie liegen peripher vom Tractus spinalis nervi V
und drängen ihn von der Oberfläche ab. Zu ihnen gesellen sich die Fasern des
Fasciculus cerebello-spinalis, der Kleinhirn-Seitenstrang-Bahn, welche an
der Peripherie des Seitenstranges liegt, und zwar im Rückenmark ventral von der
Zona terminalis (Fig. 86), im Bereich der Medulla oblongata ventral von dem
Tractus spinalis nervi trigemini. Die Fasern dieser Bahn biegen in der Höhe
dieses Schnittes dorsalwärts um, gesellen sich zu den Fibrae arcuatae extt. antt.
und ziehen mit diesen zusammen nach außen vom Tractus spinalis nervi trigemini
zu einer Stelle dorsal von letzterem. Hier angelangt biegen sie beide in auf-
steigende Richtung um und bilden so das kaudale Ende des Corpus resti-
forme. Zu diesem kommen als Fibrae arcuatae extt. posteriores Neuriten
von Ganglienzellen der Nuclei fasciculi gracilis et cuneati derselben Seite.
Die Fasern des Fasciculus longitudinalis medialis ziehen schräg dorsalwärts
und liegen dicht unterhalb der grauen Substanz links und rechts von der Median-
linie. An dieser Stelle werden wir sie bis zum Mittelhirn finden.
In dem Seitenstrang treten hier und da größere und kleinere Gruppen von
Ganglienzellen auf, welche als Nuclei laterales bezeichnet werden. Dorsalwärts
von der Pyramide befindet sich eine winklig gebogene Platte von grauer Substanz,
der Nucleus olivaris accessorius medialis. Er grenzt an den Lemniscus
medialis und liegt dicht an der dorsalen Grenze der Pyramide.
Neu sind auch graue Massen zwischen Pyramide und Fibrae arcuatae extt.
antt. Sie werden als Nuclei arcuati bezeichnet. Wir werden sie im Verlauf
der ganzen Medulla oblongata antreffen.
5. Medulla oblongata, Querschnitt IV. i
Der folgende Schnitt (Fig. 212) liegt dicht unterhalb der Spitze des Calamus
scriptorius und geht durch das kaudale Ende der Olive.
Der Zentralkanal ist zu einer langen schmalen Spalte geworden. Der
Nucleus fasciculi gracilis und der Nucleus fasciculi cuneati erreichen
an dieser Stelle ihr Maximum. Der Nucleus tractus spinalis nervi V und
der Tractus spinalis nervi V sind noch größer geworden. Die Abgrenzung
des letzteren gegen die Umgebung ist nunmehr sehr leicht, denn seine Nerven-
fasern sind sämtlich genau quer geschnitten und liegen in gleichmäßiger Weise
verteilt nebeneinander. Nach außen und dorsal von ihm befindet sich das untere
Stück des Corpus restiforme zusammengesetzt aus den Fibrae arcuatae extt.
antt. et postt., sowie aus dem Tractus cerebellospinalis. Seine Fasern sind schräg
getroffen, woraus folgt, daß sie noch weiter dorsalwärts ziehen.
Die zentrale graue Substanz zeigt ventral den Hypoglossuskern, weiter
dorsal den Nucleus alae cinereae und den Tractus solitarius. An letzterem
tritt ein kleiner Kern auf, Nucleus tractus solitarii.
Die Zahl der Fibrae arcuatae intt. ist noch größer wie vorher. Sie durch-
schreiten die Substantia reticularis grisea, die Substantia reticularis alba,
kreuzen sich in der Mittellinie, der Raphe, biegen zum Teil, wie auf den
früheren Schnitten, in den Lemniscus medialis um oder werden zu Fibrae arcuatae
extt. antt. Die Wurzelfasern des Hypoglossus ziehen an der Grenze der Substantia
reticularis grisea und alba schräg lateralwärts und ventralwärts.
Als Substantia reticularis alba wird derjenige Teil des Schnittes be-
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Das Gehirn: Feinerer Bau. 207
zeichnet, welcher zwischen den Wurzelfasern des Hypoglossus und der Raphe
sich befindet. Sie besteht aus den längs geschnittenen (quer verlaufenden) Fibrae
arcuatae intt. und den quer durchschnittenen Bündeln des Fasciculus longitudi-
nalis medialis und des Lemniscus medialis, sowie einer Menge von Ganglienzellen,
welche namentlich längs der Raphe sich befinden. Der dorsale Teil ihrer quer
geschnittenen Fasern ist der Fasciculus longitudinalis medialis, der ventrale
(größere) Teil der quer durchschnittenen Fasern ist die mediale Schleife.
Die Substantia reticularis grisea besteht ebenfalls aus zahlreichen längs
geschnittenen und zahlreichen quer geschnittenen Bündeln, doch überwiegt die
zwischen diesen befindliche graue Substanz, während in der Substantia reticularis
alba die Nervenfaserbündel überwiegen.
Neu tritt in der Substantia reticularis grisea ungefähr in der Mitte
zwischen dem Nucleus tractus spinalis nervi V und den Wurzelfasern des Hypo-
glossus eine kleine Gruppe von Nervenzellen auf, Nucleus ambiguus, der
motorische Vaguskern. Die Neuriten dieser Zellen ziehen schräg dorsalwärts und
medianwärts zum Tractus solitarius und von dort in die Wurzelfasern des Vagus,
welche auf der Figur nicht vorhanden sind.
Neu ist ferner der Nucleus olivaris inferior, eine reich gefaltete Platte
grauer Substanz, welche zahlreiche mittelgroße Ganglienzellen enthält. Median-
wärts und ventralwärts von ihm liegt der uns schon bekannte Nucleus olivaris
accessorius medialis, dorsalwärts tritt nunmehr auch der Nucleus olivaris
accessorius dorsalis auf.
Am lateralen Umfang des Nucleus olivaris inf. enden Fasern, welche vom
Thalamus zur Olive herunterziehen, Tractus thalamoolivaris (Bechterew).
Über Pyramide, Nuclei arcuati und die Bahnen des Seitenstranges ist nichts
Besonderes zu sagen.
6. Medulla oblongata, Querschnitt V.
Der folgende Schnitt (Fig. 214) geht durch das untere (kaudale) Drittel der
Olive und durch das untere Ende der Rautengrube. Er bietet im wesentlichen
ähnliche Verhältnisse wie der vorhergehende Schnitt, wenn auch alle einzelnen
Teile, Kerne wie Faserzüge, kräftiger geworden sind. Nur der Nucleus fasciculi
gracilis ist kleiner geworden. Ein erheblicher Unterschied besteht aber darin,
daß der Zentralkanal sich zum IV. Ventrikel erweitert hat. Dadurch erfahren
Nucleus n. hypoglossi und Nucleus alae cinereae eine Verlagerung derart, daß der
letztere weiter seitwärts rückt. Dies wird in den folgenden Schnitten noch mehr
hervortreten.
7. Medulla oblongata, Querschnitt VI.
Der Schnitt (Fig. 215) geht ungefähr durch die Mitte der Olive. Die graue
Substanz enthält dicht neben dem (durch einen Pfeil bezeichneten) Sulcus medianus
fossae rhomboideae den großen Hypoglossuskern, dessen Wurzelfasern in mehreren
(2 — 3) Bündeln an der Grenze von Substantia reticularis alba und grisea schräg
lateralwärts und ventralwärts ziehen und im Sulcus lateralis ant. zwischen Olive
und Pyramide heraustreten.
Dorsalwärts vom Hypoglossuskern befindet sich der kleinzellige Nucleus
eminentiae medialis (früher Nucl. funiculi teretis), lateralwärts der Nucleus
intercalatus.
208 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Die graue Substanz im Bereich der Ala cinerea enthält den Nucleus alae
cinereae. Lateralwärts und dorsalwärts von diesem tritt schon der Nucleus n.
vestibularis medialis (Schwalbe) des N. acusticus auf.
Vom Nucleus fasciculi gracilis ist nichts mehr zu sehen; der Nucleus
fasciculi cuneati ist noch vorhanden. Der Nucleus tractus spinalis nervi
trigemini ist kleiner als vorher, dagegen ist der Tractus spinalis nervi trigemini
noch stärker geworden. Er wird durchsetzt von den Wurzelfasern des N. vagus
und von Fasern, welche aus den Olivenkernen kommen, und wird dadurch in
einzelne Bündel zerlegt, deren Zusammengehörigkeit aus dem gleichartigen Aus-
sehen erschlossen werden kann.
Bedeutend kräftiger ist das Corpus restiforme, welches einen starken seit-
lichen Vorsprung am Schnittbild bedingt. Der Tractus solitarius und sein
Kern sind stärker als auf den vorhergehenden Schnitten. Lateralwärts und dorsal-
wärts von ihm treten zahlreiche größere und kleinere, genau quergeschnittene
Bündel von Nervenfasern auf, welche insgesamt die Radix descendens n. vesti-
bularis darstellen.
Der Nucleus ambiguus ist rechts etwas deutlicher, links ist er kaum zu
erkennen. Über die Nuclei laterales und die Bahnen des Seitenstranges ist nichts
Besonderes zu sagen. Der Nucleus olivaris accessorius dorsalis ist größer
und schärfer abgegrenzt. Der Nucleus olivaris accessorius medialis liegt
mehr im Bereich des Lemniscus. Der Nucleus olivaris inf. zeigt sich als stark
gefaltete, medianwärts offene Platte. Die Öffnung wird als Hilus nuclei oli-
varis bezeichnet. Die starken, längs getroffenen Bündel, welche in ihn hinein-
bezw. heraustreten, bilden den Pedunculus nuclei olivaris. Er besteht zum
großen Teil aus Neuriten der Zellen des Nucleus olivaris inf., welche auf die
Gegenseite ziehen, nach Durchschreitung des Seitenstranges den Tractus spinalis
nervi trigemini mit mehreren dicken Bündeln durchsetzen, sowie an ihm vorbei
mit anderen Bündeln zum Corpus restiforme ziehen, woselbst sie in aufsteigende
Richtung umbiegen. Die Fasern heißen Fibrae cerebelloolivares.
An der Pyramide, den Fibrae arcuatae ext. antt. und den Nuclei arcuati sind
keine wesentlichen Veränderungen aufgetreten.
8. Medulla oblongata, Querschnitt VII.
Der Schnitt (Fig. 216) durch das rostrale Drittel der Olive zeigt die Kerne der
grauen Substanz der Rautengrube im wesentlichen in derselben Anordnung wie
der vorhergehende Schnitt, doch ist nunmehr auch der Nucleus fasciculi cuneati
nicht mehr vorhanden.
Links und rechts vom Sulcus medianus liegt der Hypoglossuskern, über
ihm der Nucleus eminentiae medialis, weiter seitlich der Nucleus inter-
calatus, Nucleus alae cinereae und der Nucleus n. vestibularis medialis
(Schwalbe).
Das Corpus restiforme hat beträchtlich an Masse zugenommen, was sich durch
die große Zahl der Fibrae cerebelloolivares erklärt.
Die äußere Oberfläche des Corpus restiforme ist von grauer Substanz und
von längsgeschnittenen Nervenfasern bedeckt. Beide gehören dem Nervus acu-
sticus an.
Der Tractus solitarius und sein Kern sind stärker geworden; die Zahl
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Das Gehirn: Feinerer Bau. 211
und die Dicke der Bündel der Radix descendens n. vestibularis sind ver-
mehrt, zwischen ihnen liegen zahlreiche große Ganglienzellen.
Der Nucleus tractus spinalis nervi trigemini ist kleiner geworden,
die Fasermasse des Tractus spinalis nervi trigemini aber hat noch mehr
zugenommen und wird in mehrere Bündel zerspalten durch die Fibrae cerebello-
olivares und die Wurzelfasern des Vagus.
Die Fasermassen des Lemniscus medialis erfahren eine fortdauernde Zu-
nahme. Man bezeichnet die zwischen den Oliven befindlichen Teile der Substantia
reticularis alba als Stratum interolivare lemnisci.
Der Nucleus olivaris inferior erreicht hier seine stärkste Ausbildung.
Der Nucleus olivaris accessorius medialis ist nur noch schwach ausgebil-
det, der Nucleus olivaris accessorius dorsalis dagegen ist nicht schwächer
geworden.
Die Pyramide springt stark ventral hervor, die sie umgebenden Nuclei
arcuati sind viel stärker als vorher und liegen wesentlich auf der medialen Ober-
fläche der Pyramide. Fibrae arcuatae extt. antt. sind reichlich vorhanden.
Über Nucleus ambiguus, Nuclei laterales und die Bahnen des Seitenstranges
ist nichts Neues zu sagen.
9. Medulla oblongata, Querschnitt VIII.
Der Schnitt durch das rostrale Ende der Medulla oblongata trifft die oberen
Teile des Recessus lateralis ventriculi quarti. In der Fig. 217 ist der Recessus
lat. ventriculi IV links noch vorhanden; rechts ist die obere Wand desselben tan-
gential angeschnitten. Man erkennt, daß die laterale Wand des Recessus vom
Stiel des Flocculus, die mediale vom Corpus restiforme und den auf ihm befind-
lichen Akustikuskernen gebildet wird. Auch die obere Wand wird von den Akustikus-
kernen gebildet.
In dieser Ebene ist kein Hypoglossuskern mehr vorhanden. Die an seiner
Stelle befindlichen Kernmassen werden als Nucleus praepositus nervi
hypoglossi bezeichnet. Der Nucleus eminentiae medialis aber ist noch
vorhanden.
Das ganze übrige Gebiet der grauen Substanz der Rautengrube ist Nucleus
n. vestibularis medialis (Schwalbe). Der Nucleus n. cochlearis ventralis
liegt ventral vom Corpus restiforme und reicht bis zur Eintrittsstelle des Nervus
glossopharyngeus. Beide Kerne hängen miteinander zusammen durch den Nucleus
n. cochlearis dorsalis, welcher die äußere Oberfläche des Corpus restiforme
und die obere Wand des Recessus lat. ventriculi quarti bekleidet.
Der Tractus solitarius hört in dieser Gegend auf. Er besteht aus ab-
steigenden Fasern des Glossopharyngeus und des Vagus und kann deshalb nicht
weiter rostralwärts vorhanden sein, als Wurzelfasern dieser Nerven eintreten, und
in dieser Gegend treten die rostralen Bündel des N. glossopharyngeus ein. Da-
gegen ist die Radix descendens n. vestibularis noch mächtiger geworden.
Die beiden Nebenoliven sind nicht mehr vorhanden, der Nucleus olivaris
in f. aber ist noch kräftig, deshalb ziehen auch noch zahlreiche Fibrae cerebelloolivares
durch den Tractus spinalis nervi trigemini und dorsalwärts von ihm zum
Corpus restiforme.
Über die anderen Kerne und Bahnen ist nichts Besonderes zu sagen.
212 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
10. Pons. Querschnitt I.
Der Schnitt (Fig. 218), welcher die ventrale Fläche der Medulla oblongata
dicht unterhalb der Brücke durchschneidet, trifft seitlich schon die Brachia pontis
und die Umbiegungsstelle des Corpus restiforme in das Kleinhirn.
Man sieht die Fasern des Corpus restiforme umbiegen und dann längs ge-
schnitten schräg dorsalwärts und seitwärts verlaufen.
Ventral vom Corpus restiforme sind die Fasern des N. acusticus und der
Nucleus n. cochlearis ventralis dieses Nerven getroffen. Besonders gut kann
man den Ramus vestibularis verfolgen, dessen Fasern zwischen Corpus restiforme
und Tractus spinalis nervi trigemini dorsalwärts zu den dort gelegenen Kernen
ziehen. Es liegen hier der großzellige Deiterssche Kern, Nucleus n. vestibularis
lat. (Deiters), ferner mehr medianwärts der Nucleus n. vestibularis medialis
(Schwalbe) und dorsalwärts von ihm der. Bechterewsche Kern, Nucleus n.
vestibularis sup. (Bechterew).
Die graue Substanz am Boden des vierten Ventrikels ist sehr dünn geworden.
Sie enthält außer den schon genannten Kernen nur noch den Nucleus emi-
nentiae medialis. Medianwärts von dem Tractus spinalis nervi V tritt ein
kräftiger großzelliger Kern auf, der Nucleus nervi facialis. Die Neuriten
seiner Ganglienzellen ziehen schräg medianwärts und dorsalwärts in der Richtung
zum Sulcus medianus fossae rhomboideae. Dieser Abschnitt der Facialiswurzel
heißt Pars prima radicis nervi facialis.
Wir wollen hier gleich den weiteren Verlauf der Fasern anschließen und
dazu die beiden Figuren 219, 223 mit heranziehen, und durch die schematische
Figur 220 die Vorstellung unterstützen: In der Nähe des Sulcus medianus fossae
rhomboideae angelangt, biegen die Fasern des Facialis in rostrale Richtung um und
bilden ein Bündel von ovalem Querschnitt jederseits in einiger Entfernung von
dem genannten Sulcus (siehe Fig. 219). Nach Zurücklegung einer kurzen Strecke
biegt das Bündel unter Bildung eines scharfen Winkels, inneres Knie des
Facialis, Genu (internum) nervi VII, um, und verläuft im Bogen zunächst
seitwärts, dann ventralwärts und seitwärts (Fig. 220, 223), dann ventralwärts und kau-
dalwärts, so daß die Wurzelfasern am kaudalen Rande der Brücke heraustreten.
Wir kehren jetzt zur Betrachtung der Fig. 218 zurück:
Umschlossen vom Knie des Nervus facialis befindet sich der Nucleus nervi
abducentis.
Die Substantia reticularis alba enthält in der Mitte mehr graue Substanz
und zahlreiche Ganglienzellen. Letztere bilden den Nucleus reticularis teg-
menti. Dadurch werden Fasciculus longitudinalis medialis und Lem-
niscus medialis voneinander getrennt.
Der Nucleus olivaris in f. erreicht in dieser Gegend sein rostrales Ende.
Die Pyramiden springen stark ventralwärts vor, sind von Fibrae arcuatae extt. und
Nuclei arcuati umgeben.
11. Pons. Querschnitt II.
Der nächste Schnitt (Fig. 219) geht durch den kaudalen Teil der Brücke. Die
seitlichen Teile des Schnittes sind dichte Fasermassen, die Brachia pontis. Diese
ziehen ventralwärts und medianwärts. Sie teilen sich im Gebiet der Brücke in einzelne
Bündel. Diese ziehen teils als Fibrae pontis superficiales ventral über die
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Das Gehirn: Feinerer Bau. 215
Pyramiden, welche im Gebiet der Brücke, Fasciculi longitudinales (pyrami-
dales) heißen, verdecken diese und schieben sich auch als Fibrae pontis pro-
fundae zwischen die Pyramide und die dorsalwärts von ihr befindlichen Teile ein.
Diese queren Brücken faserbündel kreuzen sich in der Mittellinie. Zwischen
ihnen liegen große Massen grauer Substanz, welche Nuclei pontis genannt
werden. Die Fasciculi longitudinales, die Nuclei pontis und die Fibrae pontis
zusammen bilden die Pars basilaris pontis; die Pars dorsalis pontis ist die
Fortsetzung der Medulla oblongata abzüglich der Pyramiden.
Bei der genaueren Betrachtung der Pars dorsalis pontis gehen wir auch wieder
vorteilhaft von der Rautengrube, und zwar vom Sulcus medianus fossae rhomboi-
deae aus.
Von Kernen sind in dem Höhlengrau nur der Nucleus eminentiae medialis,
der Nucleus n. vestibularis lat. (Deiters) und der Nucleus n. vestibularis sup.
Genu (internum) radicis nervi VII
Nucleus nervi VI Pars seeunda radicis nervi VII
Pars prima radicis nervi VII \ /
Nucleus nervi VII -
— Nucleus olivaris sup.
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Fig. 220.
Schematische Darstellung des Verlaufes der Facialiswurzel in seitlicher (von rechts) Ansicht.
Die Brücke ist durchsichtig gedacht. VI N. abducens; VII Nervus facialis.
(Bechterew) vorhanden. Das ovale Bündel jederseits neben dem Sulcus medi-
anus ist der Querschnitt des inneren Knies des Facialis Genu (internum) n. fa-
cialis. Ventral von ihm befindet sich der Fasciculus longitudinalis medi-
alis, dessen Faserbündel dicht nebeneinander liegen und ein Feld von drei-
seitigem Querschnitt einnehmen. Seitlich von letzterem sind die Wurzelfaser-
bündel des Nervus abducens getroffen, welche auf der medialen Seite ihres Kerns
heraustreten und zunächst im Bogen medianwärts, dann schräg ventralwärts und
kaudalwärts durch die Substantia reticularis, den Lemniscus medialis und die
Fasciculi longitudinales (pyramidales) verlaufen. Der Austritt aus der Brücke kann
in diesem Schnitt nicht getroffen sein, weil er sich am kaudalen Rande der
Brücke befindet. Dorsalwärts und lateralwärts vom Abducenskern zieht die Pars
seeunda nervi facialis ventralwärts, indem sie dicht am medialen Rande des Tractus
spinalis n. V entlang zieht. Letzterer ist außerordentlich stark und enthält zahl-
reiche zerstreute graue Massen.
Medianwärts von der Pars seeunda nervi VII tritt eine u-förmig gebogene
Platte grauer Substanz auf, der Nucleus olivaris sup. Eine Ganglienzellengruppe
an dessen medialer Umgrenzung ist der Nucleus trapezoides, Trapezkern,
welcher ebenso wie die obere Olive zum Corpus trapezoideum gehört. Dies
sind quer verlaufende, durch das Gebiet des Lemniscus medialis ziehende Faser-
züge, welche sich in der Mittellinie kreuzen. Sie stellen die Neuriten der Zellen
216
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
der Nuclei n. cochlearis dar, sind also Neuronen II. Ordnung der Gehörleitung
und endigen vielleicht in der oberen Olive, von welcher dann das Neuron III. Ord-
nung der Gehörleitung entspringt und, wie wir weiter unten sehen werden, als
Lemniscus lateralis (acusticus) zu den Vierhügeln zieht. Fig. 221, 222.
Das Gebiet des Lemniscus medialis liegt noch dicht an der Raphe, dehnt
sich aber weiter lateralwärts aus, als im Bereich der Medulla oblongata und ist
dafür in dorso-ventraler Richtung platter.
Fig. 221. Die Endigung der Fasern des Cochlearis im Ventralganglion.
Neugeborene Katze.
a mit einem konischen Kolben endigende Faser; b Faser, welche eine Zelle
umgibt; c drei Endkolben, welche sich mit einer Zelle in Kontakt setzen.
(Cajal.)
dV.
ScM.IL
Fig. 221.
Fig. 222.
12. Pons. Querschnitt III.
Der nächste Schnitt (Fig. 223) zeigt nur geringe Abweichungen von dem
vorher betrachteten, denn er liegt nur wenig weiter rostral. An der Pars basilaris
beginnt die Zerklüftung der Fasciculi longitudinales in einzelne kleinere Bündel.
Die queren Brückenfasern und die Kerne sind etwas reichlicher als beim vorher
betrachteten Schnitt.
An der Pars dorsalis ist der Übergang des inneren Knies in die Pars secunda
nervi VII getroffen. Der Abducenskern ist nicht mehr vorhanden, von seinen
Wurzelfasern sind noch einige Stücke im Gebiet der Substantia reticularis und
des Lemniscus zu sehen. Corpus trapezoideum, Nucleus olivaris sup. und Lem-
niscus medialis verhalten sich ähnlich wie am vorher betrachteten Schnitt.
Auf der rechten Seite ist noch der Tractus spinalis nervi V zu sehen, links
sind an Stelle der quergeschnittenen Fasern des Tractus längsgeschnittene vor-
handen. Es sind die Wurzelfasern des Nervus trigeminus. Die lateral von ihnen
befindlichen grauen Massen stellen die Nuclei sensibiles V, die mediale
Gruppe größerer Zellen ist der Nucleus motorius V Ein dorsalwärts ziehendes
Bündel ist die Radix mesencephalica V.
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13. Pons. Querschnitt IV.
Im folgenden Schnitt (Fig. 224) ist die Pars basilaris pontis sehr viel größer
geworden, die Pars dorsalis dagegen nimmt an Masse ab. Innerhalb der ersteren
ist die Zerklüftung der Fibrae longitudinales weiter gediehen, und ihre Menge
größer geworden. Dies kommt daher, daß quere Brückenfasern aus der queren
Richtung in die aufsteigende umbiegen, und umgekehrt absteigende Längsfasern
der Brücke in quere umbiegen. Beides bewirkt im gleichen Sinne eine Zunahme
der quer geschnittenen Fasern, so daß wir um so mehr längsverlaufende Brücken-
fasern finden, je weiter wir in der Brücke rostralwärts vorschreiten.
In der Pars dorsalis pontis finden wir im grauen Belag des Ventrikelbodens
immer noch den Nucleus eminentiae medialis und seitlich den Nucleus
n. vestibuläres sup. (Bechterew). Ferner dicht unterhalb der grauen Substanz,
seitlich neben der Mittellinie das dreiseitige Feld des Fasciculus longitudi-
nalis medialis. Ventral von ihm den Nucleus reticularis tegmenti und
noch weiter ventral den Lemniscus medialis, welcher beginnt sich von der
Mittellinie zu entfernen und von Fasern des Corpus trapezoideum in querer Rich-
tung durchsetzt ist. Die rostralen Enden des Nucleus olivaris sup. und des
Nucleus trapezoides sind an entsprechender Stelle zu sehen und eben dort
die quer getroffenen Fasern der lateralen Schleife, Lemniscus lateralis,
welche als Neuronen III. Ordnung der Gehörleitung rostralwärts ziehen. Fig. 222.
Die Wurzelfasern des Nervus trigeminus sind rechts in großer Ausdehnung
getroffen, medial liegen die motorischen Fasern und der motorische Kern, lateral
die sensiblen Fasern und die sensiblen Kerne. Von hier aus ziehen schräg ge-
troffene Fasern zur Raphe, Fibrae cruciantes n. trigemini, welche zur sekun-
dären Bahn des Trigeminus gehören.
14. Pons. Querschnitt V.
Der nächste Schnitt (Fig. 225) geht durch den rostralen Teil der Brücke und
durch die Austrittsstelle des N. trochlearis dicht unterhalb der unteren Vierhügel,
durch die Brachia conjunctiva und durch das Velum medulläre ant.
Die Pars basilaris pontis überwiegt an Masse bedeutend. Ihre Längs-
faserzüge haben erheblich zugenommen; sie beginnen sich an der Peripherie zu
einer geschlossenen Lage zusammenzudrängen.
In der Pars dorsalis liegt der sehr klein gewordene vierte Ventrikel. Die
graue Substanz seines Bodens enthält neben der Mittellinie den Nucleus dor-
salis raphes und seitwärts eine Gruppe stark pigmentierter Ganglienzellen, welche
den Locus caeruleus bedingen. Lateralwärts von diesen Zellen befindet sich
ein schmales sichelförmiges Feld feiner quer geschnittener Nervenfasern, die Radix
mesencephalica nervi V. Ventral vom Nucleus dorsalis raphes sehen wir den
nunmehr sehr deutlich abgegrenzten Fasciculus longitudinalis medialis.
Die Decke des IV. Ventrikels, hier vom Velum medulläre ant. gebildet, enthält
die Decussatio nervorum trochlearium. Rechts ist ein austretendes Bündel
dieses Nerven getroffen. Auf derselben Seite ist ein länglichrundes Bündel schräg
geschnittener Fasern zu sehen. Dies sind die Fasern des Trochlearis der anderen
Seite, welche nach der Kreuzung seitwärts und ventralwärts ziehen als Pars de-
scendens nervi IV.
Die dichten Massen quergeschnittener Nervenfasern, lateral von der Radix
220 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
mesencephalica n. V, sind das Brachium conjunctivum. Einzelne seiner
Fasern ziehen ventralwärts und medianwärts zur Mittellinie, um sich hier zu kreuzen,
Decussatio brachii conjunctivi. In dem von ihnen umschlossenen hellen
Feld befindet sich seitlich der Tractus thalamoolivaris, sowie an der Mittel-
linie der Nucleus centralis superior. Lateralwärts von dem Brachium con-
junctivum finden wir den Lemniscus lateralis und in ihm den Nucleus lem-
nisci lateralis. Ventral von der lateralen Schleife liegt der Tractus tecto-
spinalis und etwas weiter medianwärts von diesem der Tractus rubrospinalis.
Der Lemniscus medialis ist weit von der Mittellinie weggerückt und liegt
mit seinem lateralen Teil dicht unter der Oberfläche. Er stellt hier ein flaches,
breites Band dar.
15., 16. Pons. Querschnitte VI, VII.
Die beiden folgenden Schnitte (Fig. 226, 227) gehen in geringer Entfernung
von dem eben besprochenen durch die unteren Vierhügel und schneiden den
Aquaeductus cerebri. Sie sollen in erster Linie den merkwürdigen Verlauf der
Pars descendens nervi IV zeigen. Dieselbe gelangt von der Stelle, an welcher wir
sie in Fig. 225 trafen, immer weiter ventralwärts, zieht also um den Aquaedukt
herum und trifft schließlich auf den Nucleus nervi IV (Fig. 227), welcher nicht
weit von der Mittellinie innerhalb der dorsalen Bündel des Fasciculus longitudinalis
medialis liegt.
Die Brachia conjunctiva verlaufen in ähnlicher Weise um den Aquaedukt wie
der Trochlearis und ziehen zu ihrer Kreuzung, welche rostralwärts immer mäch-
tiger wird. Lemniscus lateralis und Tractus tectospinalis ziehen in den
Colliculus inf. hinein. Tractus thalamoolivaris und Lemniscus medialis
behalten im wesentlichen ihre Lage. Dagegen rückt der Tractus rubrospinalis
medianwärts.
In der Pars basilaris pontis werden die Querfaserzüge immer geringer, die
Langsfaserzüge ordnen sich seitlich und ventral zu dichten Massen an.
17. Hirnschenkel. Querschnitt I.
Der nächste Schnitt (Fig. 229) führt uns in das Gebiet der oberen Vierhügel
und der Pedunculi cerebri. Hier im Gebiet des Mittelhirns unterscheiden wir Basis
und Tegmentum (siehe S. 93, 94). In letzterem liegen die Bindearme. Ihre Kreuzung ist
beendigt. Die gekreuzten Faserzüge liegen dicht neben der Mittellinie als rundliche
Stränge. Dorsal von ihnen befindet sich jederseits der Fasciculus longitudinalis
medialis, und weiter dorsal von diesen und zwischen deren Bündeln die Ganglien-
zellen des Nucleus lateralis nervi oculomotorii. Die Wurzelfasern dieses
Nerven ziehen zwischen den Bündeln des Fasciculus longitudinalis medialis und
durch das Brachium conjunctivum in lateral konvexem Bogen ventralwärts zum
Sulcus nervi oculomotorii. Der Tractus thalamoolivaris liegt an entsprechender
Stelle, der Lemniscus medialis ist noch weiter lateralwärts gerückt, der Tractus
tectospinalis liegt dorsalwärts.
Die Basis pedunculi wird gebildet von einer mächtigen Masse quer durch-
schnittener Nervenfasern. Sie wird durch die Substantia nigra vom Tegmentum
getrennt. Die zahlreichen Ganglienzellen der Substantia nigra enthalten ein reich-
liches dunkles Pigment.
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Tractus rubrospinalis __AfcT
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Pars descendens nervi trochlearis
I.ccus caeruleus
— l.enmiscus lateralis
:\~ I'asciculus longitudinalis medialis
Decussatio brachii conjunetivi
Lemniscus medialis
Fig. 226. Pons. Querschnitt VI (siehe Onentieriingsfigur 213).
Der Schnitt gellt durch die unteren Vierhiigel; Pars descendens nervi trochlearis; Bindearmkreuzung.
Markhaltige Nervenfasern schwarz, Ganglienzellen rot.
Commissura colliculorum inff.
Radix meseneephalica nervi trigemini-—'.
Tractus tectospinalis—
Locus caeruleus--
(Bechterew)
Lemniscus medialis
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(Monakow)
-Colliculus inferior
Aquaeductus cerebri
-Pars descendens nervi trochlearis
'-_- N'ucleus nervi trochlearis
Bö— Fasciculus longitudinalis medialis
Decussatio brachii conjunetivi
Fig. 227. Pons. Querschnitt VII (siehe Orientierungsfigur 213).
Kern des Nervus trochlearis; Bindeannkreuzung. - Markhaltige Nervenfasern schwarz, Ganglienzellen rot.
Das Gehirn: Ursprung der Hirnnerven.
223
18. Hirnschenkel. Querschnitt II.
Der letzte Schnitt (Fig. 230), welchen wir betrachten wollen, trifft schon das
Corpus geniculatum mediale. Hier sehen wir außer dem linken und rechten Nucleus
lat. n. oculomotorii noch einen mittleren Kern, Nucleus medialis n. oculo-
motorii, weiter unten sehen wir die Wurzelfasern des Oculomotorius austreten.
Am Pedunculus hat sich im Vergleich zu dem vorher betrachteten Schnitt nichts
geändert. In der Haube erscheint der Nucleus ruber, der rote Kern, im Gebiet
der Bindearme. In ihm endigen die Fasern der Bindearme, welche aus dem
Nucleus dentatus cerebelli kommen, und es beginnt ein neues Neuron, dessen
Fasern teils zum Thalamus, teils zur Capsula interna ziehen. Der Fasciculus
longitudinalis ist schwächer geworden.
11. Ursprung der Hirnnerven.
Über die Austrittsstellen der Hirnnerven an der Hirnoberfläche siehe
S. 148. Was aber den Ursprung der Hirnnerven betrifft, so liegt dieser teils in
Fig. 228.
Querschnitt des Thorakalmarkes eines Hühnerembryo vom neunten Brüttage.
A Radix anterior; B Radix posterior; C motorische Nervenzellen ; c Neurit einer motorischen Nervenzelle; D intramedul-
larer Teil der hinteren Wurzel; e Ursprung einer Kollateralen, die sich nach / verzweigt; g letzte Reiser der radikularen
Kollateralen; d Bifurkationsstellen ; E Ganglion spinale; h bipolare Ganglienzelle; i eine andere bipolare Ganglienzelle,
welche der Säugetierform ähnlich ist. (Cajal.)
der Tiefe des Gehirnes, in bestimmten Teilen seiner grauen Substanz, die darum
Kerne dieser Nerven heißen: so verhält es sich mit den motorischen Hirn-
nerven und motorischen Hirnnerventeilen. Teils liegt der Ursprung außerhalb
des Gehirnes, in den spinalartigen Hirnnervenganglien1): so verhält es sich
mit den sensiblen Hirnnerven und sensiblen Hirnnerventeilen. Beiderlei Kerne
"stellen Ursprungs- oder Wurzelkerne dar, Nuclei originis. Sie entsprechen
den Zellenanhäufungen peripherer Neuronen oder den Neuronen erster Ordnung.
') Möglicherweise rückt der Ursprung gewisser Hirnnervenfasern auch in sympathische
Ganglien hinaus, da diese mit jenen gemeinsamen Ursprung haben.
224 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Jene Kerne dagegen, welche Neuronen zweiter Ordnung angehören und in
den Leitungsbahnen das nächst höher gelegene Glied darstellen, sind Endkerne,
Nuclei terminales.
Für das leichtere Verständnis der Anordnung und des Bauplanes der Hirnnervenkerne ist zu-
nächst an die bereits bekannten Verhältnisse des Ursprungs der Nerven des Rückenmarkes zu
erinnern (Fig. 37) und dabei die schon im Allgemeinen Teile vorgeführte Fig. 228 zugrunde zu legen.
Wie im Rückenmark die vordere Wurzel in den motorischen Zellen der Vordersäule ihren
U rspru ngske rn besitzt, so verhält es sich im Gehirn mit den Ursprungskernen der motorischen
Hirnnerven und motorischen Hirnnerventeile. Die Neuriten der motorischen Zellen setzen sich
in die motorischen Wurzelfasern fort. Wie am Rückenmark die Ursprungskerne der hinteren Wurzeln
außerhalb des Rückenmarkes in den Spinalganglien gelegen sind, so verhält es sich auch
mit den sensiblen oder hinteren Wurzeln der Hirnnerven; ihr Ursprungskern liegt in entsprechenden,
außerhalb des Gehirnes gelegenen Ganglien, den spinalartigen Hi rnnervenganglien. Auch
die Zellen dieser Ganglien zeigen ganz übereinstimmende Verhältnisse; es sind pseudo-uni-
polare, ihrem Wesen nach bipolare Zellen, deren peripherer Ausläufer wohl einem Dendriten-
fortsatz entspricht, während der zentrale Ausläufer einen Neuriten darstellt und in die hintere
Wurzelfaser übergeht (S. 49). Die hinteren Wurzelfasern der Hirnnerven verhalten sich in ihrem weiteren
Verlauf wie die hinteren Wurzelfasern der Ruckenmarksnerven, d. h. sie teilen sich, zum Gehirn
gelangt, in einen aufsteigenden und absteigenden Ast, jeder derselben löst sich endlich in
Kollateralen und Endfasern auf, welche unter Ausbildung von Endbäumchen den Zellkörper
eines Neuron II. Ordnung umgeben. Diese Zellkörper in größere Gruppen geordnet, sind als-
dann der Endkern, Nucleus terminalis, der sensiblen oder hinteren Wurzel.
Während im Rückenmark die motorischen Ursprungskerne und die sensiblen Endkerne je
zusammenhängende Säulen bilden, ist dies bei den Gehirnnerven nicht durchgehends der Fall;
die einzelnen Kerngebiete können voneinander räumlich gesondert sein.
Wie die motorischen Ursprungskerne der Rückenmarksnerven mit Neuronen höherer Ordnung
in Verbindung gesetzt sind, so verhält es sich auch bei den Hirnnerven. Wie die Endkerne der
sensiblen Rückenmarksnerven ihre Neuriten zu höheren Zentren senden, so folgen auch die End-
kerne der sensiblen Hirnnerven dieser Regel.
Auf gewisse wesentliche und unwesentliche Unterschiede im einzelnen ist bei den einzelnen
Hirnnerven die Aufmerksamkeit zu richten.
I. N. olfactorius, Riechnerv. Fig. 96, 109, 190, 191.
Die Fasern der Nervi olfactorii entsprechen mit ihren Riechzellen Neuronen
1. Ordnung und nehmen von den Riechzellen ihren Ursprung. Ihr Endkern liegt
im Bulbus olfactorius; an dessen Glomeruli haben die blassen Fasern der Nervi
olfactorii unter Entwicklung starker Endbäumchen ihren Abschluß gefunden (siehe
S. 183, ferner Leitungsbahnen und Sinnesorgane).
Über den N. terminalis siehe S. 1-18.
II. N. opticus, Sehnerv. Fig. 109, 111, 112, 12-1.
Er nimmt wie der N. olfactorius, doch in anderer Weise, eine Sonderstellung
ein und hat die Bedeutung einer teilweise gekreuzten interzentralen Bahn.
Seine primären Zentren liegen im Thalamus; im Corpus geniculatum laterale
und im oberen Vierhügel. Das sekundäre Zentrum befindet sich im Cuneus des
Hinterhauptlappens des Endhirnes (siehe Leitungsbahnen und Sinnesorgane).
III. N. oculomotorius, gemeinschaftlicher Augenmuskelnerv. Fig. 229 — 231.
Der Ursprungskern des Nervus oculomotorius liegt im zentralen Höhlengrau,
unter den Vierhügeln, ventral vom Aquaeductus cerebri, nahe der Mittellinie. Er
gliedert sich in mehrere Teile, was mit der Versorgung mehrerer verschieden
wirkender Muskeln des Auges und des Augenlides (gestreifter und glatter) zu-
sammenhängt.
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Das Gehirn: Ursprung der Hirnnerven.
227
Aus den Kernen derselben und der gekreuzten Seite gehen die Wurzelfasern
hervor, verlaufen in ventraler Richtung bogenförmig (Fig. 229, 230) durch die
Haube des Mittelhirns und treten vor der Brücke, im Sulcus oculomotorii, zu
10 — 15 dicken Bündeln verbunden aus. Fig. 97.
Die Ursprungskerne des Oculomotorius sind der paarige Nucleus lateralis
und der unpaare Nucleus medialis. Der erstere liegt seitlich von der Mittel-
Nucleus cotnmissurae post. et
fasciculi longitudinalis medialis
Fasciculus longitudinalis
medialis
•qssura /ws(e.
Kleinzelliger Lateralkern
des Oculomotorius
M. levator palpebrae sup. -
M. obliquus inferior
M. rectus superior
M. rectus medialis
M. rectus inferior
Fig. 231.
Dorsal-Projektion der Augenmuskelkerne. (Aus Edinger.)
linie oberhalb und zwischen den Fasern des Fasciculus longitudinalis medialis. Dazu
kommt noch vor dem rostralen Ende des Nucleus lat. ein kleinzelliger, manchmal
aus zwei Gruppen bestehender Kern, kleinzelliger Lateralkern (Edinger,
Fig. 231), welcher vielleicht auch zum Ursprungsgebiet des III. Hirnnerven gehört.
Eine nach klinischen Erfahrungen, Sektionsbefunden und Vivisektionsversuchen verschiedener
Autoren entworfene Tabelle von Starr verteilt die Einzelkerne in folgender, von vorn nach hinten
gehender Weise:
Sphincter iridis
Levator palpebrae
Rectus superior
Obliquus inferior
(Siehe aber Fig. 231.)
M. ciliaris
Rectus medialis
Rectus inferior
228 Besonderer Teil: Spezielle Neurologie.
Hierbei ist zu beachten, wie die betreffenden Augenmuskeln sich bezüglich ihrer Entwick-
lung verhalten:
Das erste Muskelsegment läßt den M. rectus superior, rectus inferior und Obliquus inferior
hervorgehen. Das zweite Segment gibt dem Obliquus sup. den Ursprung (Marshall und van
Wijhe an Haien). Der Levator palpebrae superioris darf in seinem Ursprünge dem Rectus superior
mit Wahrscheinlichkeit gleichgestellt werden.
Vom Vierhügel bis zu dem Anfangsteil des Rückenmarkes erstreckt sich ein
wichtiges Längsbündel von dreiseitigem Querschnitt, welches verschiedene Kerne
miteinander in Verbindung setzt und mediales Längsbündel, Fasciculus
longitudinalis medialis, genannt wird. Auch der Kern des Oculomotorius
wird durch ansehnliche Fasermassen, welche dem medialen Längsbündel angehören
und parallel dem Aquaedukt kaudalwärts ziehen, mit anderen Kernen, zunächst
mit den Kernen der übrigen Augenmuskelnerven, d. i. mit dem Nucleus n.
trochlearis, Nucleus n. abducentis, aber auch mit dem Nucleus n. hypoglossi in
Verbindung gesetzt (vergl. auch S. 62).
Ob im Bereich der unteren Vierhügel zwischen beiden medialen Längs-
bündeln ein Faseraustausch stattfindet, durch welchen Oculomotorius und
Trochlearis der einen Seite mit dem Abducens der anderen Seite verbunden werden,
ist ungewiß.
Über die zentralen Verbindungen der Oculomotoriuskerne mit dem Endhirn geht aus patho-
logischen Beobachtungen unzweifelhaft hervor, daß ein gekreuzter Zusammenhang des Oculo-
motoriuskernes mit dem Endhirn vorhanden ist. Es sind Neuronen II. Ordnung anzunehmen, deren
periphere Enden in der Nähe des Oculomotoriuskernes die Medianlinie überschreiten, um mit End-
bäumchen an den Zellen des Oculomotoriuskernes der anderen Seite zu enden.
v. K ö 1 1 i k e r , Über den Ursprung des Oculomotorius beim Menschen. Sitz.-Ber. der Würzburger
phys.-med. Ges. 1892. — A. van Gehuchten, De l'origine du nerf oculomoteur commun. In La
Cellule 1892, T. VIII. — St. Bernheimer, Das Wurzelgebiet des Oculomotorius beim Menschen.
Wiesbaden 1894.
IV. N. trochlearis, oberer Augenmuskelnerv. Fig. 113, 114, 225 — 227, 231.
Verfolgt man die Wurzeln des Nerven zentralwärts, so ergibt sich, daß der
rechte Trochlearis mit dem linken in der Substanz des Velum medulläre anterius
sich kreuzt, unmittelbar vor der Austrittsstelle (Decussatio nervorum trochlearium),
Fig. 225. Die auf die Gegenseite gelangten intramedullaren Bündel ziehen nun
rostralwärts unter die Vierhügel, durchsetzen die graue, lateral vom Aquaedukt
gelegene Substanz und gelangen darauf zu ihrem Kerne, welcher mit dem des
Oculomotorius zusammenhängt (Fig. 231) und aus multipolaren Zellen von 45
bis 50 u Durchmesser besteht.
V. N. trigeminus, dreigeteilter Nerv. Fig. 96, 112, 113, 150, 224, 232.
Der N. trigeminus hat eine kleinere, motorische Wurzel, Portio minor, und
eine sehr starke, sensible Wurzel, Portio major. Der motorische Kern des
Trigeminus liegt medial von den Endkernen der sensiblen Wurzel, etwa 1 mm tief im
vorderen Teil des Bodens des vierten Ventrikels, im lateralen Winkel des letzteren
und in geringer Entfernung vom rostralen Ende des Facialiskernes. Er hat eine
Länge von 3, eine Dicke von 1 mm und besteht aus multipolaren, gelblich
pigmentierten Nervenzellen von 60 — 70 u Größe, die ihren Neuriten in die moto-
rische Wurzel senden. Außerdem kommen motorische Fasern aus den Zellen des
Locus caeruleus und den großen Ganglienzellen, welche die Radix meseneephalica
begleiten.
Das Gehirn: Ursprung der Hininervcn.
229
Der sensible Ursprungskern ist das später zu schildernde Ganglion
semilunare (Gasseri), welches außerhalb des Gehirnes, im extramedullären Teil
der sensiblen Wurzel seine Lage hat. Die Zellen dieses Ganglion entsenden den
N. trigeminus (abgesehen von der motorischen Wurzel) zur Peripherie, die
sensible Wurzel aber zum Zentrum. Intramedullar verhält sich die Wurzel wie
die hintere Wurzel eines Rückenmarksnerven, d. h. ein Teil der Faserbündel steigt
auf-, ein anderer abwärts, so daß im ganzen, entsprechend dem mächtigen Nerven,
eine sehr ausgedehnte fächerförmige Ausstrahlung der Wurzelfasern zustande
kommt, die ihren Fuß an der Austrittsstelle der sensiblen Wurzel in der Brücke
hat. Die Endgebiete der Ausstrahlung liegen rostral im Mittelhirn, kaudal in den
oberen Teilen des Rückenmarkes. Die sensiblen Fasern endigen in den Nuclei
sensibiles n. trigemini; die Fasern des Tractus spinalis
senden Kollateralen und Endäste in den Nucleus tractus
spinalis nervi trigemini. Die Zellen des letzteren ent-
senden ihren Neuriten teils auf-, teils absteigend in dem
Vorderseitenstrange weiter zentralwärts. (H. Held.)
Fig. 232.
Bickel, A. , Zur Anatomie des accessorischen Trigeminus-
kernes. Arch. mikr. Anat. Bd. 59, 1901.
VI. N. abducens, lateraler Augenmuskelnerv. Fig. 96, 113,
150, 218—220, 223.
Seine Länge entspricht der Ausdehnung des inneren
Kniees des Facialis, von dem er dorsal umgriffen wird;
seine Breite beträgt 1 — 2 mm, die Dicke etwas weniger.
Die Nervenzellen messen bis 45 /.t und senden ihren
Neuriten in die Abducenswurzel. Letztere zieht fast
senkrecht, parallel der Raphe, ventralwärts und gelangt
an der lateralen Seite der Pyramidenbahn vorüber zu
ihrer Austrittsstelle am kaudalen Rande der Brücke.
Der Abducenskern liegt nahe der Medianlinie, in der
hinteren Verlängerung des Oculomotorius- und Troch-
leariskernes im vorderen Gebiete der Rautengrube,
nahe der Oberfläche, unter dem Colliculus facialis.
Fig. 232.
Querschnitt des Tractus spinalis
nervi V Im Bereich der Medulla
oblongata. (Nach H. Held.)
1 lateraler Rand des Tractus spinalis;
2 Faserquerschnitte des Tractus spi-
nalis; 3 konkaver Rand des Tractus
spinalis; 4 Nucleus tractus spinalis
nervi trigemini; 5 vom konkaven
Rande sich ablösende Kollateralen und
Endfasern des Tractus spinalis mit
Endbäumchen um die Zellen des Nu-
cleus tractus spinalis endigend, deren
Neuriten (6) weiter zentralwärts ziehen.
VII. N. facialis, Antlitznerv. Fig. 96, 113, 150, 218—220, 223.
Der Kern des Facialis liegt ventral und lateral vom Abducenskern etwa 5 mm
vom Boden des vierten Ventrikels entfernt, im lateralen Gebiet der Formatio reti-
cularis, lateral von den Wurzelfasern des Abducens, dorsal von der oberen Olive.
Das kaudale Ende des Kernes ist nur durch einen kleinen Zwischenraum vom
Nucleus ambiguus getrennt (d. i. vom motorischen Kern des Vagus und Glosso-
pharyngeus), das rostrale dagegen liegt dem motorischen Kern des Trigeminus
nahe. Vielleicht entspringt ein Teil der Facialisfasern einer Seite aus dem Kern
der anderen Seite.
Die Breite des Kernes beträgt 1 mm, seine Länge 4 — 4,5 mm. Die aus dem
Kern sich entwickelnden Fasern ziehen schräg dorsalwärts und medianwärts durch
die Substantia reticularis grisea und kommen so in die Nähe des Sulcus medianus
fossae rhomboideae. Innerhalb des zentralen Höhlengraues biegen sie in rostrale
Rauber-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V.Abt. 12
230 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Richtung um und bilden ein länglichrundes Bündel, welches dicht unter der Ober-
fläche dorsal vom Fasciculus longitudinalis medialis liegend, bis zur Gegend des
Colliculus facialis zieht. Dort biegt das Bündel unter rechtem Winkel, Genu
(internum) n. facialis, seitwärts um, verläuft etwas nach vorn und dorsal kon-
vex über das rostrale Ende des Abducenskemes und zieht schräg ventralwärts
sowie kaudalwärts zwischen dem Nucleus tractus spinalis nervi trigemini und dem
Facialiskern bis zu seiner Austrittsstelle am kaudalen Rande der Brücke. Der vorn
Ursprungskern bis zum Knie reichende Abschnitt der Facialiswurzel heißt Pars
prima radicis n. facialis, der zwischen Knie und Austrittsstelle befindliche Teil
ist die Pars seeunda radicis n. facialis.
Der N. intermedius hat als Ursprungskern das Ganglion geni-
culi des Facialisstammes. Sein Endkern liegt in der rostralen Fortsetzung des
Endkernes des N. glossopharyngeus, d. i. des IX. Hirnnerven; vielleicht geht
sogar ein Teil des N. intermedius in den Tractus solitarius als absteigendes
Bündel über.
Außerdem enthält der N. intermedius sekretorische Fasern für die Speichel-
drüsen. Die großen Ursprungszellen dieser Fasern liegen - - zum größten Teil
gekreuzt, zum kleineren Teil ungekreuzt — zerstreut in der Substantia reticularis
grisea, dorsal vom Facialiskern; einzelne befinden sich noch innerhalb des Deiters-
schen Kernes (Kohnstamm, Anat. Anz. XVI, 1902).
VIII. N. acusticus, Hörnerv. Fig. 96, 113, 150, 215-219, 221—224.
Der Nervus acusticus besteht aus zwei starken Wurzelbündeln:
a) einem lateralen (hinteren, dorsalen), welches die Radix cochlearis des
Nervus acusticus bildet, und
b) einem medialen (vorderen, ventralen), Radix vestibularis.
Der Ursprungskern des N. acusticus verhält sich einfach genug und ist
gegeben durch die in den Ästen des Acusticus enthaltenen Ganglien, deren Ge-
samtheit Ganglion acusticum genannt wird, im Schläfenbein seine Lage hat
und aus dem Ganglion Spirale, sowie den Ganglia vestibularia besteht
(siehe periphere Nerven und Sinnesorgane). Das Ganglion acusticum ist das
Homologon eines Spinalganglion und enthält bipolare Nervenzellen.
Endkerne des Acusticus. Die Endkerne des Acusticus verhalten sich viel
verwickelter.
a) Endkerne der lateralen Wurzel, d. h. der Radix cochlearis, welche
selbst reichlich zellige Elemente enthält, sind der mächtige Nucleus n. coch-
learis ventralis und der Nucleus n. cochlearis dorsalis s. Nucleus tuber-
culi acustici.
Der Nucleus ventralis n. cochlearis liegt ventral vom Corpus restiforme.
Von der medialen Seite dieses Kernes geht eine starke quere Faserplatte aus,
welche sich zu dem gleichen Kern der Gegenseite hinüberspannt und Trapez-
körper, Corpus trapezoideum, genannt wird. Der Trapezkörper steht in
wichtigen inneren Beziehungen zu den oberen Oliven beider Seiten, enthält ferner
jederseits einen ihm selbst angehörigen Kern, den Trapezkern, Nucleus
trapezoides.
Das Tuberculum acusticum, der zweite Endkern des N. cochlearis liegt lateral
und dorsal vom Corpus restiforme und schließt sich an den Nucleus ventralis an.
Das Gehirn: Ursprung der Hirnnerven. 231
Sowohl int Nucleus ventralis als auch im Nucleus dorsalis endigt ein großer
Teil der Fasermassen des N. cochlearis unter Entwicklung von Endbäumchen um
die in beiden Kernen gelegenen zahlreichen Ganglienzellen. Ein anderer Teil
der Fasern aber tritt durch den Nucleus ventralis hindurch und findet sein Ende
unter Absendung von Kollateralen und Endfasern, sowie unter Ausbildung von
Endbäumchen in der oberen Olive und dem Trapezkern der gleichen und der
gegenüberliegenden Seite, in dem Kern der lateralen Schleife, in dem unteren Vier-
hügel, in dem oberen Vierhügel und wahrscheinlich auch, ohne unterbrochen
worden zu sein, in der Rinde des Schläfenlappens der Gegenseite.1)
Über die sich an die Endbäumchenlager der lateralen Wurzel anschließenden
Bahnen zweiter Ordnung, über die in jüngster Zeit genauer nachgewiesenen rück-
läufigen und reflektorischen Systeme siehe Leitungsbahnen.
Die Striae medulläres stellen eine Bahn zweiter Ordnung dar, welche
teilweise das Tuberculum acusticum mit dem unteren Vierhügel der Gegenseite
verbindet (Held).
b) Die Endkerne des Nervus vestibularis sind:
1. Der Nucleus nervi vestibularis lateralis (Deiters), 2. der Nucleus
nervi vestibularis medialis (Schwalbe), 3. der Nucleus nervi vestibu-
laris superior (Bechterew).
Der Nucleus medialis liegt in breiter Fläche medial vom Corpus resti-
forme, im Boden des vierten Ventrikels. Er ist ein langgestreckter Körper von
prismatischem Querschnitt und reicht kaudalwärts bis zur Ala cinerea und bis in
die Nähe der Nuclei fasciculi gracilis et cuneati (Fig. 113). Er nimmt vielleicht
auch einen kleinen Teil der Fasern des N. cochlearis auf und enthält viele kleine
Nervenzellen.
Der Nucleus lateralis (Deitersscher Kern) besteht aus großen multipo-
laren Ganglienzellen. Er liegt dorsal von derjenigen Stelle, an welcher das Corpus
restiforme umbiegt, um ins Kleinhirn zu gelangen. Aus einem Teil der Neuriten
der Zellen des Deitersschen Kerns entsteht der Tractus vestibulospinalis.
Der Nucleus sup. (Bechterewscher Kern) liegt an der lateralen Wand des
vierten Ventrikels medianwärts von der Umbiegungsstelle des Corpus restiforme.
Die von ihm ausgehenden zentralen Fasern gelangen zu den Kernen des Klein-
hirns. Die zentralen Bahnen des N. cochlearis und diejenigen des N. vestibularis
sind, wie sich schon aus dem Angegebenen entnehmen läßt, äußerst verschieden
voneinander.
IX. N. glossopharyngeus, Zungenschlundkopfnerv. Fig. 96, 150, 217, 233.
Der Ursprungskern des sensiblen Teiles des N. glossopharyngeus ist das
Ganglion superius, vielleicht auch das Ganglion petrosum. Der Endkern
dieses sensiblen Teiles des Glossopharyngeus liegt in der vorderen Fortsetzung
des größeren sensiblen Endkernes des Vagus, im Boden des IV. Ventrikels. Der
N. glossopharyngeus hat auch eine absteigende Wurzel; sie besteht aus einem
gewissen Faseranteil des Tractus solitarius, dessen rostrales Ende in den Glosso-
pharyngeus übergeht.
Der Ursprungskern des motorischen Teiles des N. glossopharyngeus ist ein
rostraler Abschnitt des Nucleus ambiguus, im Boden des IV. Ventrikels. Fig. 217, 233.
l) Held, H., Die zentrale Gehörleitung. Arch. f. Anatomie u. Phys. 1893.
12*
232
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
X. N. vagus, Lungenmagennerv. Fig. 96, 113, 150, 210—216, 234.
Der Ursprungskern des sensiblen Teiles des N. vagus ist dessen
oberes Stammganglion, das Ganglion jugulare, vielleicht auch das Ganglion
nodosum dieses Nerven.
Der Vagus entwickelt eine starke absteigende Wurzel; sie wird dar-
gestellt durch den Tractus solitarius, dessen größerer Faseranteil sich dem Vagus
zugesellt, während sein oberes Ende in den Glossopharyngeus und vielleicht auch
in den Intermedius übergeht. Der Tractus solitarius (Fig. 211—216) hat unterhalb
des Hauptendkernes des Vagus 1 mm Durchmesser, besteht aus starken maß-
haltigen Nervenfasern, die zu einem Längsstrange verbunden sind und sich bis
in das untere Halsmark (bis zum VIII. Halsnerven, W. Krause) verfolgen lassen.
Fig. 234.
Fig. 233. Glossopharyngeus-Ursprung bei einem 10 mm langen menschlichen Embryo. 26:1. (W. His.)
IX Stamm des N. glossopharyngeus ; i Ganglion (Ursprungskern des sensiblen Teiles des N. glossopharyngeus); m Ursprungs-
kern des motorischen Teiles des N. glossopharyngeus; rs Radix sensitiva; s absteigende Wurzel — Tractus solitarius;
b Bodenplatte (ventrale Kommissur); d Deckplatte; g Grundplatte; /Seiten- oder Flügelplatte der Längszonen der Oblon-
gata; vlV Ventriculus quartus ; o Gehörbläschen.
Fig. 234. Vagus und Hypoglossuskerne.
V. IV Ventriculus quartus; RRaphe; P Pyramide; V Radix spinalis nervi V; X Vagus; XI Accessorius; XII Hypoglossus;
O Xudeus olivaris sup. ; a Nucleus ambiguus; l Kern des Seitenstranges; c Nucleus fasciculi euneati ; g Nucleus fasciculi
gracilis; s Tractus solitarius; p Nucleus tractus spinalis nervi Y.
Er hat im oberen Gebiet seine Lage in der Formatio reticularis, an der Basis
der medialen dorsalen Nebensäule und des Hauptendkernes des Vagus, an der
lateralen Seite der durchtretenden Vagusbündel. Während seines ganzen Längs-
verlaufes entsendet er fortwährend Kollateralen und Endfasern und wird infolge-
dessen immer schwächer, bis er ganz aufhört. Die Kollateralen und Endfasern
enden sämtlich unter Entwicklung von Endbäumchen um die benachbarten Zellen
der Hintersäule.
Wie Held gezeigt hat, gehen die vom Ursprungsganglion zur Oblongata
gelangten und in sie eingetretenen Wurzelfasern des Glossopharyngeus-Vagus zum
Teil wiederholte, zahlreiche Teilungen ein; andere biegen unmittelbar in den Tractus
solitarius um.
Der Hauptendkern des Vagus, der Nucleus alae cinereae, entspricht in
seiner Lage im wesentlichen der Ala cinerea der Rautengrube (Fig. 113). Er liegt
demgemäß lateral vom Hypoglossuskern und erstreckt sich mit dem entsprechenden
Das Gehirn: Ursprung der Hirnnerven. 233
Endkern des Glossopharyngeus bis an die Striae medulläres hin. Das solitäre
Bündel berührt seine ventrale Fläche und teilt den breiten Kern unvollständig in
eine größere mediale und eine kleinere laterale Abteilung. Letztere enthält spär-
liche, erstere sehr zahlreiche Nervenzellen von 30 — 45 ,/i Durchmesser.
Der motorische Teil des Vagus entspringt im Nucleus ambiguus, dessen
rostraler Abschnitt auch die motorischen Wurzelfasern des N. glossopharyngeus
entsendet. Die motorischen Fasern gelangen in dorsal-konvexem Bogen zu den
übrigen Vagusfasern und legen sich ihnen an. Fig. 234.
XI. N. accessorius, Beinerv. Fig. 96, 112, 150, 209, 210, 211, 234.
Der Ursprungskern des Accessorius ist nach den Untersuchungen von Dark-
schewitsch, welche die vorhergehenden von Roller im wesentlichen bestätigt
haben, eine, entsprechend der langen Austrittslinie der Wurzelbündel, langgestreckte
ununterbrochene Zellensäule, welche dorso-lateral von der medialen Zellengruppe
der Vordersäule des Halsmarkes und ihrer Fortsetzung zum Hypoglossuskerne
sich befindet. Kaudalwärts läßt sich der Kern bis zum Ursprünge des V. Halsnerven,
rostralwärts bis zum kaudalen Drittel der unteren Oliven verfolgen. Die Beschaffen-
heit der multipolaren Zellen ist überall die gleiche. Die Accessoriuswurzeln begeben
sich, nachdem sie den Kern verlassen haben, nie geradlinig zur Peripherie, sondern
bilden immer einen scharfgeknickten Bogen, dessen konvexe Seite ventro-lateral
gerichtet ist. Je einem Spinalnervenpaare entsprechen nur einzelne oder wenige
Accessoriuswurzelbündel. In der Höhe der Kerne der Hinterstränge sollen sich
Fasern aus dem Burd achschen Strange den Wurzeln des Accessorius beigesellen
und sich mit ihnen zur Peripherie begeben.
XII. N. hypoglossus, Zungenfleischnerv. Fig. 96, 113, 150, 211—216.
Der Hypoglossuskern bildet einen langgestreckten Zellenstrang, welcher sich
als Fortsetzung der vorderen medialen Teile der Vordersäule des Rückenmarkes
geltend macht. Sein kaudaler Teil liegt an der ventralen Seite des Canalis cen-
tralis der Oblongata, der längere rostrale Teil durchzieht neben dem Sulcus medianus
die Rautengrube bis in die Gegend der Striae medulläres, um hinter ihnen ab-
gerundet zu endigen. Seine Länge beträgt 18, seine Breite 1 — 2, seine Dicke
1 mm. Durch Züge von Längsfasern steht er in Verbindung mit dem weiter oben
in derselben Zone gelegenen Nucleus n. abducentis. Die Zellen des Kernes haben
bis 60,» Durchmesser und entsenden ihren Neuriten in die Wurzelbündel des
Hypoglossus. Vielleicht tritt ein Teil der Neuriten unter Kreuzung über die Mittel-
linie hinaus und geht in die Wurzel der Gegenseite über. Die 10 — 15 Wurzel-
bündel sammeln sich an der ventralen Seite des Kernes, durchziehen in ventraler
und leicht lateraler Richtung die Oblongata und gelangen im Sulcus lateralis anterior
derselben zur Oberfläche.
Die graue Substanz des Kernes grenzt nicht unmittelbar an das Ventrikelependym; es schiebt
sich vielmehr noch eine graue Substanzlage zwischen beide ein, welche quere, zur Raphe ziehende
markhaltige Fasern enthält und dem Trigonum n. hypoglossi das weißliche Aussehen gibt. Medial-
dorsal vom Nucleus n. hypoglossi, unter der weißlichen Lage, befindet sich eine besondere Ansamm-
lung kleiner multipolarer Zellen, Nucleus eminentiae medialis (Fig. 215 — 224). Zwischen dem
Hypoglossuskern und dem Nucleus alae cinerae liegt der Nucleus intercalatus. Fig. 215, 216.
Dem Hypoglossus gesellen sich in früher Fetalzeit einige dorsale Wurzelfäden bei, die sogar
kleine Ganglien enthalten, später aber mit letzteren untergehen (Froriep); nach anderer Ansicht
sollen diese Ganglien eher dem Accessorius angehören (His).
234 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
12. Morphologische Stellung der Hirnnervenkerne.
Schon jetzt, bevor noch der periphere Verlauf der in ihren Kernen und
Wurzeln untersuchten Hirnnerven bekannt geworden ist, lassen sich gewisse all-
gemeine Erwägungen anstellen.
A) Die motorischen Kerne bilden zwei Systeme, ein mediales und ein
laterales.
1. Das mediale motorische System umfaßt die Nuclei n. hypoglossi, n.
abducentis, n. trochlearis und n. oculomotorii.
2. Das laterale motorische System enthält die Nuclei n. accessorii,
n. facialis, aber auch die Kerne der motorischen Teile des Vagus, Glosso-
pharyngeus undTrigeminus, also den Nucleus motorius n. trigemini und den Nucleus
ambiguus. Der letztere ist nichts weiter als der fortgesetzte Accessoriuskern. Alle
diese Kerne sind Ursprungskerne. Während das mediale und laterale System
der motorischen Ursprungskerne bei den Hirnnerven gesondert auftritt und ge-
sonderte Nervenwurzeln hervorgehen läßt, ist dies bei den Rückenmarksnerven
nicht der Fall. Doch entspricht am Rückenmarke die laterale Gruppe der
motorischen Vordersäulenzellen der lateralen Gruppe der motorischen Hirn-
nervenkerne. Gesonderte laterale Nerven sind im Rückenmarke nicht vorhanden;
ihre Vertreter ziehen mit den vorderen Wurzeln der Rückenmarksnerven zur
Peripherie.
B) Die Ursprungskerne aller sensiblen Hirnnerven und Hirnnerventeile,
mit Ausnahme der beiden ersten Hirnnerven, welche besondere Erscheinungen dar-
stellen, werden durch ein einziges System gebildet, durch das System der spinal-
artigen Hirnnervenganglien.
Auch die Endkerne der sensiblen und sensoriellen Hirnnerven (wobei wieder
der Olfactorius und Opticus ausscheiden) bilden zusammen ein ausgedehntes
System morphologisch gleichwertiger Glieder.
Über die Vergleichung der Hirn- und Rückenmarksnerven siehe auch unten
am Schluß des Abschnittes Rückenmarksnerven.
13. Skeletotopie des Gehirns.
Um die gegenseitigen Lageverhältnisse bestimmter Punkte oder Linien auf der äußeren Ober-
fläche des Schädels oder Kopfes zu den Hauptfurchen der Gehirnoberfläche zu ermitteln, trieb Broca
an geeigneter Stelle Stifte oder Nadeln von 2 — 3cm Länge durch die Nähte und die Dura in das
Gehirn und untersuchte darauf die Abstände der die Nahtlinien veranschaulichenden Stifte von den
wichtigsten Nachbarfurchen. Nach Broca und Ecker sind zu diesem Zwecke 6 Stifte ausreichend.
Eine zweite Methode, die graphische, wendete Turner an: Er teilte die Oberfläche jeder
Schädelhälfte in fünf Regionen (präcoronale, postcoronale, postparietale, postlambdoidale und squa-
mososphenoidale), entfernte den bedeckenden Knochen jeder Region für sich, zeichnete das Bild der
vorliegenden Furchen und Windungen und konnte so die ganze Hirnoberfläche richtig in den
Schädelumriß mit den Nähten eintragen. Hefftler erweiterte die Methode noch dahin, daß er an
Köpfen, die in verschiedener Stellung eingegipst waren, die Umrisse der Weichteile, der Knochen,
sowieFurchen und Windungen ineinander zeichnete. Neuerdings beschäftigten sich Adamkiewicz,
Altuchoff, Fere, Symington, Turner, Sernoff, Stieda, Froriep, Kraus, Schwalbe,
Fr. W. Müller, mit dem interessanten Gegenstande. Es liegt auf der Hand, daß diesen Bestim-
mungen ein großer chirurgischer Wert innewohnt.
Es ergab sich u. a., daß die Teilungsstelle der Fissura lateralis in den Ramus
posterior und superior fast immer der Vereinigung der hinteren oberen Spitze des
Das Gehirn: Skeletotopie. 235
großen Keilbeinflügels mit der Sutura squamosa entspricht. Der Ramus superior
steigt der Kranznaht entsprechend aufwärts, der Ramus posterior folgt ungefähr
der Sutura squamosa.
Der Sulcus centralis liegt mit seinem dorsalen Ende 48, mit seinem ventralen
Ende 28mm hinter der Kranznaht.
Die Fissura parieto-occipitalis liegt fast immer genau in der Höhe der Ver-
einigung der Pfeilnaht mit der Lambdanaht.
Sulcus centralis
Ramus posterior fissurae cerebri lateralis
(Sylvii)
Fissura parieto-occipitalis
Fig. 235.
Skeletotopie des Gehirns. (Aus Waldeyer, nach Thane.)
Die Insel wird durch die Schuppennaht in eine obere und untere Hälfte
geschieden. — Weiteres über diesen Gegenstand gehört der topographischen
Anatomie an.
Waldeyer, Topographie des Gehirns. Leipzig, G. Thieme, 1901. — Fr. W. Müller, Über
craniocerebrale Topographie. Merkel und Bonnets Ergebnisse. 1910.
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems.
Viae nerueae centrales. Hodologla.
Einleitung.
Die Lehre von den zentralen Leitungsbahnen hat zur Aufgabe die Darstellung des Ursprunges,
Verlaufes und der Endigung sämtlicher Nervenfasermassen, die in den Zentralorganen vorkommen,
sowie ihre Beziehungen zum peripheren Nervensystem, mit dem idealen Ziele, jedes einzelne Neuron,
deren es viele Hunderte von Millionen sind, nach allen ihren morphologischen Verhältnissen kennen
zu lernen. Die Lehre von den zentralen Leitungsbahnen hat es also in erster Linie mit der weißen
Substanz der Zentralorgane zu tun. Sie enthüllt uns aber nicht allein die Systematik der weißen
Substanz, sondern, indem sie diese Aufgabe erfüllt, zugleich auch die Systematik der grauen. Die
erstere ist gegen die letztere bekanntlich nichts weniger als abgeschlossen; sie ist vielmehr deren
Erzeugnis, steht mit ihr in innigster Verbindung und macht mit ihr ein Ganzes aus. Nur durch
diese Verbindung sind beide Teile zu Leistungen befähigt. Die weißen Markstraßen sind die Wege
236 " Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
der grauen Substanz, welche sie einschlägt, um ihre Tätigkeiten auszuüben. Indem man also den
Leitungsbahnen nachgeht, lernt man auch die graue Substanz genauer kennen.
Die Bahnendes Rückenmarkes sind schon Seite 58 — 64 im Zusammenhang geschildert worden:
auch die wesentlichen Methoden der Untersuchung des Nervensystems sind schon (S. 17—19) kurz
erwähnt worden. Eine Ergänzung dazu bilden die folgenden Ausführungen:
Untersuchungsmethoden.
Die Untersuchungsmethoden sind teils solche der anatomischen Technik, teils gehören sie
der Physiologie und Pathologie an.
1. Methode der Abfaserung.
Sie besteht darin, am gehärteten Rückenmark und Gehirn die weiße Substanz in natürliche
Bündel und Stränge zu zerlegen. Ihrer bedienten sich früher insbesondere Gall, Burdach, Reil,
Fr. Arnold, Foville neben vielen anderen. Noch jetzt liefert sie für eine gewisse begrenzte Anzahl
von Bahnen gute Demonstrationspräparate, arbeitet aber im Feineren unsicher, ist längst von anderen
Methoden überholt und hat als Untersüchungsmethode nur mehr historische Beachtung zu beanspruchen.
Ein Beispiel für die Abfaserungsmethode gibt Fig. 97, woselbst die Pars teeta columnae fornicis und
der Tractus thalamomamillaris auf diese Art dargestellt sind; siehe auch Fig. 1-16, 149.
2. Methode der Schnittreihen.
Schon Rolando hatte 1824 dünne Schnitte des Zentralnervensystemes hergestellt, um durch
deren mikroskopische Untersuchung Aufschlüsse über den Bau des Organes zu erhalten. Vorteilhafter
noch mußte es sein, einen Organteil, ja ein ganzes Rückenmark und Gehirn in eine ununterbrochene
Reihe von Schnitten zu zerlegen, die Eigentümlichkeiten eines jeden kennen zu lernen und durch
Zusammensetzung der Einzelerfahrungen ein Bild des Gesamtbaues zu konstruieren. Diesen Weg
schlug B. Stilling ein. Eine der vielen von ihm gelieferten Abbildungen gibt Fig. 105 wieder. Im
Januar 1842 ließ Stilling bei einer Kälte von 13° R ein Stück Rückenmark durchfrieren und
machte dann mit dem Skalpell einen mäßig feinen Querschnitt durch dasselbe. .Als ich diesen", so
schreibt er, .unter das Mikroskop brachte und bei löfacher Linearvergrößerung die prächtigen Quer-
faserstrahlungen sah, da hatte ich einen Schlüssel gefunden, der die Gemächer zu dem wunderbaren
Grau des Rückenmarkes eröffnete. Nicht froher hatte Archimedes sein n»i*:( gerufen, als ich bei
jenem Anblick ausrief."
Stilling vertauschte bald die Gefriermethode mit der von Hannover zuerst in Anwendung
gebrachten Härtung in verdünnten Chromsäurelösungen. Die Methode der Schnittreihen, in ihrer
Brauchbarkeit erhöht durch die unterdessen zu hoher Vollkommenheit gediehene Färbetechnik, ver-
bessert durch die Erfindung vorzüglicher Mikrotome, ist seitdem zur Erforschung von Körpern
verwickelten Baues in weitestem Umfange benützt worden. Ihr zur Hilfe kommt gegenwärtig in
steigendem Grade die graphische und plastische Methode der Rekonstruktion, welche ebenso
sicher wieder aufbaut, was die andere Methode aufs feinste zerlegte. Dennoch versagt die Methode,
ohne die Hilfe anderer, in allen jenen Fällen, in welchen Faserbündel verschiedener Art dicht bei-
sammen liegen und sich miteinander dicht verflechten, oder auch, wenn sie nach den verschiedensten
Richtungen auseinanderfahren und sich zerstreuen.
3. Methode der Färbung.
Die Chromsäurehärtung liefert außer der Härtung zugleich in mancher Hinsicht vortreffliche
Färbung. Bahnbrechend für den überaus hohen Aufschwung der Färbetechnik und der chemischen
Behandlung der Gewebe war die Einführung des Karmins durch Gerlach. Wichtig für die Unter-
suchung des Nervensystems war längere Zeit hindurch die Färbung mit Goldchloridlösung, indem
dieselbe eine spezifische Färbung, d. h. Färbung des einen Gewebes ohne Mitfärbung eines
Nachbargewebes bewirkte. Von weit größerer Bedeutung war in der Folge das Hämatoxylin-
verfahren nach Weigert nebst verschiedenen Modifikationen desselben. Es gestattete, soeben
markhaltig gewordene einzelne Nervenfasern und Bündel solcher inmitten einer noch so verwickelt
beschaffenen Nachbarschaft mit Sicherheit zu verfolgen. In noch höherem Range als dieses steht
das Silberverfahren nach Golgi mit seinen verschiedenen Modifikationen. Es leistet vor allem
bei der Untersuchung der embryonalen Nervenzentren, aber auch in späterer Zeit und im Gebiete
des peripheren Nervensystems Dienste von so hervorragendem Werte, daß man nicht mit Unrecht
von einer Golgischen und vor-Golgischen Zeit der Untersuchung des Nervensystems spricht.
Ein schönes Beispiel dieser Methode gibt Fig. 207. Von ebenso hohem Werte ist eine Parallel-
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems. 237
methode des Silberverfahrens, nämlich die vitale Methylenblau färbu ng nach Ehrlich, mit
den neuesten Verbesserungen (Bethe); siehe Fig. 248. Beide Verfahren unterstützten daher ein-
ander gegenseitig; sie beide sind spezifische Methoden im oben erwähnten Sinne.
4. Die vergleichend-anatomische Methode.
Sie zieht das Nervensystem der Tierwelt in ihre Betrachtung und enthüllt die sich in dem-
selben ausprägenden Leitungsbahnen. Noch in den Anfängen begriffen, hat sie schon jetzt große
Erfolge zu verzeichnen und wird in steigendem Grade die Erwartungen erfüllen, die man von ihr
zu hegen berechtigt ist. *
5. Die entwicklungsgeschichtliche Methode.
Es liegt auf der Hand, daß die Untersuchung der Entwicklung des Nervensystems eine
hervorragende Bedeutung haben muß. Sie zeigt das Nervensystem in seinem frühesten Werden,
in seinem allmählichen Wachstum, in seinen Wegen zur Vollendung, in der Ausbildung seiner
Elementarbestandteile, in dem Eindringen anderer Gewebe, in den räumlichen und zeitlichen Be-
ziehungen seiner einzelnen Glieder.
Zur entwicklungsgeschichtlichen Methode gehört auch die Untersuchung der sich entwickeln-
den Markscheidensysteme.
Sie hat mit Hilfe der Methoden 2 und 3 im wesentlichen geschaffen, was bis in die jüngste
Zeit an Kenntnis der Leitungsbahnen vorlag und hat noch viele fernere Erfolge zu erwarten. Sie
zeigt in vielen Fällen der folgenden (6.) Methode die von ihr einzuschlagenden Wege zur Ent-
hüllung feinerer Einzelheiten; denn sie ist in ihren Ergebnissen am menschlichen Gehirn und
Rückenmark allen übrigen Methoden weit vorausgeeilt. Man verdankt die Ausbildung und Ver-
wertung dieser Methode Paul Flechsig und seinen Schülern.
Sie beruht auf dem Umstände, daß die bereits angelegten Nervenfasern (Axenzylinder) zu sehr
verschiedenen Zeiten der individuellen Entwicklung ihre Markscheide erhalten, so daß Abstände von
mehreren Monaten die Markumhüllung verschiedener Bahnsysteme voneinander trennen können. Die
Markscheidenbildung, so hat sich gezeigt, erfolgt weder gleichzeitig oder diffus bei allen Bahnsystemen
noch in beliebiger Abwechslung, sondern örtlich und zeitlich geregelt, an gewisse Systeme und Ent-
wicklungsstufen gebunden. Jene Systeme umhüllen sich am frühesten mit Markscheiden, welche für
die Funktionen des jungen Organismus ihrer am frühesten bedürfen; so lassen sich hieraus auch
Schlüsse ziehen, auf die Entwicklungsstufen bestimmter Hirn- und Rückenmarkszentren.
Im allgemeinen können die verschiedenen Teile des Nervensystems nach der Zeit der Mark-
scheidenbildung in folgende Reihe gebracht werden:
Am frühesten erhalten ihre Markscheide die Fasern der peripheren Nervenstämme sowie der
Reflexbahnen des Rückenmarkes und des verlängerten Markes, im ganzen also die Fasern derAußen-
Neuronen; hierauf folgen die Fasern des Kleinhirns; sodann jene Fasern, welche die Rinde der End-
hirnhemisphären mit der grauen Substanz des Rückenmarkes und des Hirnstammes verbinden; endlich
die im Gebiete der Endhirnhemisphären zerstreuten Fasern. Von allen zentralen Fasern erhalten die
Assoziationsfasern ihr Mark am spätesten.
Zu bestimmter Zeit also wird man bei der Untersuchung eines jungen Nervensystems gewisse
Fasern bereits mit der Markscheide versehen, andere des Markes noch entbehrend antreffen. Hier-
durch ist der Untersucher in den Stand gesetzt, dieses oder jenes Fasersystem von allen übrigen scharf
zu trennen.
6. Die Methode der Untersuchung der Nerveneinheiten.
Die Nerveneinheiten, Neuronen, kennt man genauer erst seit kurzer Zeit. Das ganze
Nervensystem besteht seiner wesentlichen Zusammensetzung nach aus einer Vielheit von Nerven-
einheiten, die zueinander und zu dem übrigen Körper in bestimmte Beziehungen gesetzt sind. Es
genügt nicht, nur Bahnen im allgemeinen zu kennen, mit ihren Anfangs- und Endpunkten, sondern
es ist erforderlich, die Beziehungen aller Nerveneinheiten zu allen Bahnen kennen zu lernen.
Beim Menschen, wie bei den Tieren, bei Embryonen und bei Erwachsenen, mit diesem oder jenem
geeigneten technischen Verfahren sind also die Nerveneinheiten in allen ihren Verhältnissen
zu erforschen. Die Methode der Untersuchung der Nerveneinheiten steht gegenwärtig im Vorder-
grund der Forschung.
7. Die physiologische oder vivisektorische Methode.
Durch unmittelbare, namentlich elektrische Reizung können bestimmte Zentren und Faser-
gruppen in Erregung versetzt und kann der Erfolg wahrgenommen werden. Durch Zerstörung von
238 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Zentren oder Durchschneidung bestimmter Fasergruppen wird deren Tätigkeit aufgehoben ; hier kommt
es auf das Studium der vorhandenen Ausfallserscheinungen an. Außer der Erkennbarkeit der Ver-
laufsrichtung der Fasern wird durch die Methode auch die Funktion der betreffenden Zentren
und Fasergruppen der Untersuchung zugängig gemacht, sie ist folglich eine höchst wichtige Methode.
8. Die pathologisch-physiologische Methode.
So nennt v. Bechterew eine Methode, welche auf dem gleichen Prinzipe beruht wie die
7. Methode; auch hier handelt es sich um Zerstörung von Teilen des Nervensystems. Was aber
dort die Hand des Experimentators am Tiere, das tut hier die Natur selbst durch krankhafte Vor-
gänge am nervösen Zentralorgane des Menschen.
9. Die Methode der primären Degeneration.
Eine Anzahl von Rückenmark- oder Gehirnerkrankungen befällt nur gewisse Fasersysteme und
läßt, anfänglich oder dauernd, andere Systeme frei. Solche Erkrankungen, z. B. der Hinterstränge des
Ruckenmarkes, werden System-Erkrankungen genannt. Aus der Untersuchung des erkrankten
Systems lassen sich über die Grenzen dieses Systems öfters wichtige Anhaltspunkte gewinnen.
10. Die Methode der sekundären Degeneration.
Im Jahre 1850 hatte Türck gefunden, daß die Unterbrechung der Leitung im Rückenmark
zu Degenerationen führte, welche sich aufwärts in anderen Fasersträngen vollzogen als abwärts.
1852 zeigte Waller, daß durchschnittene Nerven in ganz bestimmten Richtungen degenerieren.
Das Studium der sekundären Degenerationen, wie man diese Folgeerscheinungen nennt, ist
seitdem für den Fortschritt der uns beschäftigenden Lehre von großer Bedeutung geworden. Es
ergab sich, daß im Rückenmark und Gehirn ganz bestimmte Fasergebiete degenerieren, je nach
dem Orte und der Ausdehnung des Eingriffes, welcher die Degeneration im Gefolge hat. Die degene-
rierten Fasern können in der ganzen Länge ihres Verlaufes verfolgt werden, indem sie sich durch
die sinnfälligen Erscheinungen der Degeneration von den angrenzenden gesunden Gebieten wohl
unterscheidbar abheben. Fasergebiete, in welchen eine Degeneration sich konstant fortzupflanzen
pflegt, nennt man auch Fasersysteme. Für die Gesamtheit der sekundären Degeneration gilt
der Satz, daß Fasern entarten, welche von ihren Ursprungsherden getrennt worden sind. Auf das
einzelne Neuron übertragen lautet dieser Satz: eine Nervenfaser degeneriert, die vor ihrer Ur-
sprungszelle getrennt worden ist. So unterscheidet man absteigende und aufsteigende
Degenerationen, je nachdem der Ursprungsherd eines Fasersystemes oberhalb oder unter-
halb der Eingriffsstelle gelegen ist. Die sekundäre Degeneration ist für die Aufhellung eines Faser-
systems von Wichtigkeit nur unter der Bedingung vorhandener positiver Ergebnisse. Die
Methode ist eine äußerst wichtige und verspricht auch in der Zukunft noch bedeutende Erfolge.
Beispiele für sekundäre Degeneration sind folgende:
Wird die Pyramidenbahn in der Capsula interna durch einen Krankheitsherd zerstört, so
verändern sich die Markscheide und der Axenzylinder der von ihren Ursprungszellen in der End-
hirnrinde abgetrennten Nervenfasern ; sie schwinden allmählich und werden durch Bindegewebe
ersetzt. Die Entartung setzt sich von der inneren Kapsel aus unaufhaltsam bis in das Rückenmark
fort und nimmt dort das bekannte Gebiet im gekreuzten Seitenstrange und im gleichseitigen Vorder-
strange ein. Die Degeneration schreitet fort mindestens bis zu den Kollateralen und Endfasern
der Pyramidenbündel in der grauen Substanz der Vordersäule; denn bis dahin erstrecken sich die
Neuronen der Pyramiden. Fig. 85.
Wird durch Druck oder eine andere Verletzung der Brustteil des Rückenmarkes unter-
brochen, so degeneriert die kaudal liegende Pyramidenbahn abwärts. Aber auch aufwärts folgt
eine Degeneration nach. Sie nimmt angrenzend das ganze Gebiet der Hinterstränge ein; einige
Wurzelhöhen weiter kranial beschränkt sie sich jedoch auf die Gol Ischen Bündel. Die degene-
rierten Fasern sind hier zum größten Teil Wurzelfasern, welche von ihrem Ursprungsherde, den
Spinalganglien, getrennt worden sind.
Nicht immer aber macht die Degeneration an den Grenzen eines Neurongebietes Halt; sie
kann sich auf ein Neuron der folgenden Ordnung fortsetzen. So degeneriert in dem angegebenen
Beispiele nicht nur ein Teil des Burdachschen und der Gollsche Strang aufwärts, sondern auch
das Kleinhirnseitenstrangbündel.
11. Die Methode der Entwicklungshemmung.
Kunstlich an jungen Tieren hervorgerufene oder durch krankhafte Vorgänge im fetalen Leben
bedingte Zerstörungen zentraler oder peripherer Organe erzeugen Entwicklungshemmungen oder
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems. 239
völlige Atrophie der ihnen entsprechenden peripheren oder zentralen Organe. Die Methode vermag
also, aber nur sofern sie positive Ergebnisse liefert, wichtige Aufschlüsse über den Zusammenhang
zentraler und peripherer Apparate zu gewähren.
12. Die Methode der angeborenen Defekte im nervösen Apparate.
Sie schließt sich an die Methode der künstlich erzeugten Entwicklungshemmung unmittelbar an.
Historische Entwicklung der Lehre von den Leitungsbahnen.
Beim Betreten dieses Gebietes ist passend an ein im Jahre 1819 gesprochenes Wort von
Burdach zu erinnern: .Das Sammeln einzelner Baustoffe ist doch nicht allein, was Not tut. In
jedem Zeitraum, wo eine neue Masse derselben gewonnen worden ist, mögen wir von neuem
daran gehen, sie zum Gebäude zu fügen. Durch solche Gcstaltgebung wird das Fortschreiten
des Forschungsgeistes zu neuen Entdeckungen keineswegs gehemmt; vielmehr erfahren wir gerade
erst, wenn wir das Ganze überblicken, die Lücken unserer Kenntnisse und lernen einsehen, welche
Richtungen die Forschung künftig nehmen muß. Möge der Versuch eines solchen Baues sich
immer wiederholen. Keiner geht vorüber, ohne dem Wissen förderlich gewesen zu sein."
Auch jetzt noch haben diese Worte ihre volle Geltung zu beanspruchen. Doch können sie
gegenwärtig schon von angenehmeren Empfindungen begleitet werden, als zu jener Zeit, obwohl
diese erst einer nahen Vergangenheit angehört. Damals machte der Hirn- und Rückenmarksbau
noch den Eindruck eines Chaos. Hirn und Rückenmark waren Gebilde von fast unnahbarer Größe.
Aber es ist seitdem ein weiter Weg zurückgelegt worden. Anstatt in dem zentralen Nervensystem
noch ein Chaos wahrzunehmen, sehen wir gegenwärtig die Grundzüge seines Baues klar vor uns;
wir wissen im wesentlichen, wie Rückenmark und Gehirn beschaffen sind, bei Tieren und bei
Menschen, bei Embryonen und bei Erwachsenen. Auch sehen wir genau die noch vorhandenen
Lücken und kennen mit Sicherheit die Mittel, sie nach und nach auszufüllen. An Stelle der
früheren Trostlosigkeit ist also eine hinreichend begründete Zuversicht getreten.
Diesen Eindruck tragen wir davon, wenn wir rasch einen Überblick zu gewinnen suchen
über die verschiedenen Versuche, die gemacht worden sind, Leitungsbahnen im Gehirn und
Rückenmark zu erkennen.
Schon Descartes gab in seinem Tractatus de homine (1662) schematische Darstellungen der
Hirnfaserung. Was aber seine Bemühungen zu bedeuten hatten, läßt sich unschwer erkennen, wenn
wir zusehen, welche Anschauungen noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts vertreten waren.
So sagt noch Arnold: „Die Nervensubstanz ist teils weiße, teils graue. Am Rückenmarke, am
verlängerten Marke und an den Stielen des Hirns liegt die weiße Substanz außen und die graue
innen: am kleinen und großen Hirn dagegen befindet sich die graue Substanz teils im Inneren
der Marksubstanz, teils im Umfange derselben. Die von Markmasse umschlossene graue Substanz
wollen wir als Kernsubstanz, Substantia nuclearis, bezeichnen; die an der Peripherie der
Marksubstanz befindliche graue Masse wird im Gegensatz zu jener Rindensubstanz, Sub-
stantia corticalis, genannt. Die Kernsubstanz kommt vor im Rückenmark, im verlängerten
Mark, im Inneren des kleinen und großen Hirns, in letzterem namentlich in den Hirnhügeln;
die Rindensubstanz dagegen befindet sich nur am kleinen und großen Hirn, die beide an ihrer
Peripherie mit einer Lage von Rinde versehen sind. Es gibt nur wenige Stellen im Umfange des
großen und kleinen Hirns, an denen die Markmasse bloß liegt oder noch über die Rinde sich
hinwegzieht; hierher gehören die Flocke am kleinen Hirn und die weiße netzförmige Substanz an
der inneren Partie des Unterlappen vom großen Hirn. — Die weiße oder markige Substanz,
Substantia alba s. medullaris, besteht 1. aus einer feinkörnigen Masse, 2. aus lichten, weißen,
körnigen Kugeln (Markkugeln) und 3. aus Primitivfasern. — Im Rückenmark ziehen die Fasern
longitudinal, d. h. parallel mit der Axe, vom unteren bis zum oberen Ende und setzen sich un-
unterbrochen durch das verlängerte Mark teils in gerader, teils in gekreuzter Richtung bis zu den
Stielen des kleinen und großen Hirns fort. — Die graue Substanz, Substantia cinerea
s. spongiosa (nach Rolando), enthält als wesentliche Bestandteile 1. eine feinkörnige Masse,
2. kleine körnige Kügelchen (graue Kugeln), 3. die mehr oder weniger ansehnlichen und verschieden
gestalteten Ganglienkugeln und 4. primitive Nervenfasern. Die graue Substanz ist weicher als die weiße,
erscheint bei durchfallendem Lichte heller und durchsichtiger und kommt in verschiedenen Abarten
der Färbung vom Gelblichgrauen bis zum Dunkelgrauen und vom Rötlichen bis zum Schwarzen vor."
So verhielt es sich mit der Kenntnis der Nervenelemente zur Blütezeit der Abfaserungsmethode
und zur Zeit, als die bereits erstarkende Zellenlehre ihren Siegeslauf anzutreten begann. Es läßt
240 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
sich also leicht denken, welche Vorstellungen über den feineren Bau des Rückenmarkes und Ge-
hirnes vorhanden waren in noch früheren Jahrzehnten und Jahrhunderten; ihnen hat Fan ton i
seinerzeit einen berühmt gewordenen Ausdruck verliehen, welcher bereits oben erwähnt worden
ist: Obscura textura, obscuriores morbi, obscurissimae funetiones.
Es ist nützlich, noch eine zweite Stimme zu hören. Es ist diejenige eines Heros der anato-
mischen, physiologischen und pathologischen Forschung. Gar oft hat sie den Klang der Trauer,
insofern Henle das Ziel mit voller Sicherheit vor Augen sah, aber an der hartnäckigen Schwierigkeit
des Gegenstandes unmutig verzweifelte.
So sagt Henle von dem Ziele: „Stände uns eine vollkommene Einsicht in den Bau des
Nervensystems zu Gebote, so hätte die anatomische Beschreibung die Aufgabe, jede Faser oder
doch jede physiologisch eigentumliche Gruppe von Fasern von den Nervenzellen, aus welchen sie
ihren Ursprung nehmen, bis zum Orte ihrer peripherischen Endigung, oder in umgekehrter Richtung,
zu verfolgen. Die peripherischen Enden werden hier nur so weit abgehandelt, als sie nicht ihrer
Gleichmäßigkeit wegen der Physiologie anheimfallen (Muskelnerven) oder wegen ihrer Ausstrahlung
in besondere Organe zweckmäßiger mit diesen Organen in der Eingeweidelehre dargestellt wurden
(Sinnesnerven). Was die zentralen Endigungen der Fasern betrifft, so gestattet der gegenwärtige
Zustand unserer Kenntnisse nicht, dieselben aus der kompakten Masse der sogenannten Zentral-
organe auszuscheiden. So weit also die Fasern der peripheren Nerven durch die Zentralorgane
verlaufen, werden sie als Bestandteil der letzteren geschildert. Dadurch erhalten die Ausdrücke
Wurzel und Ursprung einen Doppelsinn. Sie bedeuten sowohl die an der Oberfläche der Zentral-
organe austretenden Fäden und deren Austrittsstelle, als auch die Zellenfortsätze, in welche die
Nervenfasern in der Tiefe übergehen, und die Zellen, mit welchen sie zusammenhängen. Die
letzteren führen in Beziehung zu den aus ihnen hervorgehenden Nerven auch den Namen Kerne."
Eine andere Stelle bei Henle hat folgenden Wortlaut: „Ebenso unzulänglich, wie in der
Unterscheidung der Spezies der Nerven, erweist sich die anatomische Untersuchung in der Ver-
folgung ihrer Bahnen. Sie darf, als Resultat der mikroskopischen Zergliederung der Nerven, den
Satz aussprechen, daß jede Faser selbständig und ununterbrochen vom zentralen zum peripherischen
Ende verläuft; aber wie die Stämme durch gegenseitigen Austausch ihrer Bündel an vielen Stellen
Geflechte bilden, so gehen die sekundären Bündel auch innerhalb der Stämme Verflechtungen ein,
und diese sind in vielen Nerven so häufig, daß der einzelne Strang sich kaum auf eine Strecke
von einigen Millimetern isolieren läßt. Den einzelnen Primitivfasern, die man nur mikroskopisch
zu unterscheiden und demnach nur in sehr kleinen Teilen ihres Weges zu übersehen vermag, durch
diese Anastomosen nachzugehen, ist untunlich. Noch größer sind die Schwierigkeiten, wenn es
sich um den Lauf der Nerven in den Zentralorganen handelt, wo die Fasern der Nervenwurzeln
sich früher oder später nach dem Eintritt vereinzeln und zwischen anderen Elementen zerstreuen.
Die Substanz der frischen Zentralorgane gestattet ihrer Weichheit wegen keine Zerfaserung, die
Zerfaserung der gehärteten enthüllt nur die Richtung der groben Züge, und die Stillingsche
Methode, die Zerlegung des gehärteten Organs in feine Scheiben, läßt Zweifel die durch
die Meinungsverschiedenheiten der Beobachter auf diesem Gebiete nur zu anschaulich werden."
Aber die Zeit der Auffindung weiterführender Untersuchungsmethoden war damals erst im
Anbrechen begriffen. Ein Rückenmarkschema von wissenschaftlicher Bedeutung lieferte zuerst
Stilling auf Grund der von ihm erfundenen Methode.
Von späteren Darstellungen ist diejenige von Kölliker (1867) als lehrreich in Betrachtung
zu ziehen. Seine Hauptsätze sind die folgenden:
. 1 . Die Fasern der motorischen und sensiblen Wurzeln haben ihre Ursprünge (Endigungen) teils
im Marke, teils im Gehirne mit Inbegriff der Medulla oblongata. 2. Die im Marke entspringenden
Wurzelfasern stammen von den Nervenfortsätzen der Zellen und gibt es besonders motorische und
sensible Zellen. 3. In jeder Rückenmarkshälfte stehen alle Zellen einer Art durch ihre verästelten
Ausläufer, indem dieselben wahrscheinlich ein Netz bilden, untereinander in Verbindung, bilden jedoch
eine gewisse Zahl Abteilungen (Kerne), die auf jeden Fall der Menge der Wurzeln entsprechen, wahr-
scheinlich aber noch zahlreicher sind. 4. In derselben Weise hängen auch die sensiblen und motorischen
Zellen und die Zellen der rechten und linken Rückenmarkshälfte durch Anastomosen zusammen.
5. Die Richtigkeit der Annahme solcher Anastomosen vorausgesetzt, erscheint es ebenso leicht mög-
lich, daß dieselben durch die unveränderten verästelten Zellcnausläufer sich machen oder daß die-
selben zum Teil überall vorher die Natur dunkelrandiger Fasern annehmen. 6. Die Zellen, die als
Quellen und Enden der Wurzelfasern sich ergeben, stehen durch besondere Wurzelfasern mit dem
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems. 241
Gehirn in Verbindung, die wahrscheinlich alle in den weißen Strängen verlaufen. Da die Zahl dieser
Leitungsfasern geringer zu sein scheint als die der Wurzelfasern, so entspricht wahrscheinlich eine
Leitungsfaser immer einer Gruppe von Nervenzellen und Wurzelfascrn. 7. Die Leitungsfasern sind
allem Anscheine nach ebenfalls wie die Wurzclfasem Fortsetzungen von Nervenfaserfortsätzen der
Zellen. Ist dem so, so müssen, da keine Zelle zwei Nervenfaserfortsätze abgibt, besondere Zellen
für die Leitungsfasern angenommen werden, von welchen Leitungszcllen dann vor allem das gelten
würde, was unter 4 von den Anastomosen von vorn nach hinten und von rechts nach links bemerkt
wurde. Außerdem könnten auch noch manche Zellen vorkommen, die einfach als Bindeglieder
dienen und weder mit Wurzelfasern noch mit Leitungsfasern unmittelbar zusammenhängen."
Wenn man bedenkt, daß diese Angaben vor fünf Dezennien gemacht worden sind, so hat
der Satz 7 ein besonderes Interesse. Man erkennt, daß die Vorstellung von Nerveneinheiten
sich in demselben bereits glücklich auszuprägen beginnt.
In der Tat brauchte Kölliker in seiner neueren Darstellung des Rückenmarkbaues nur auf
diese früheren Vorstellungen zurückzugreifen, um mit gewissen Modifikationen den neuen Tat-
sachen ganz gerecht zu werden.
Was die Leitungsbahnen im Gehirn betrifft, so war eine Reihe von Forschern, vor allen
Deiters, mit Aufwendung von allen zu Gebote stehenden Hilfsmitteln bestrebt, ein Verständnis des
Hirnbaues besonders dadurch zu gewinnen, daß sie den Bau verschiedener Teile des Gehirnes, in erster
Linie denjenigen der Medulla oblongata, auf den Bau des Rückenmarkes zurückzuführen suchten.
Ein anderer berühmter Forscher, Meynert, nahm seinen Ausgangspunkt überwiegend von
physiologischen Überlegungen, ohne indessen der anatomischen Grundlage zu entraten. Er
brachte in seinem Hirnschema die innerhalb des ganzen Gehirns vorhandene graue Substanz,
welche ja in der Tat in verschiedener Weise untergebracht ist, in vier große Abteilungen, indem
er unterschied:
1. die flächenhaft ausgebreitete Substanz der Endhirnrinde;
2. die graue Substanz der von ihm unter dem Namen Hirnganglien zusammengefaßten
Gebilde, nämlich des Nucleus caudatus und lentiformis, des Sehhügels und der Vierhügel;
3. das zentrale Höhlengrau, d. i. diejenige graue Substanz, welche in der Verlängerung
der grauen Säulen des Rückenmarkes die Wandungen des vierten Ventrikels, der Syl vischen
Wasserleitung, des dritten Ventrikels auskleidet;
4. die grauen Lager des Kleinhirnes, mögen sie der Rinde des Organes angehören, oder
in seiner Tiefe versteckt liegen.
Die Leitungsbahnen berücksichtigend, sucht Meynert auf physiologischem Hintergrunde
die Hauptzüge der Hirnfaserung zu enthüllen. Er geht dabei von dem Grundgedanken aus, daß
jeder Teil des Körpers in unmittelbarer leitender Verbindung mit der Endhirnrinde steht, indem
dieselbe die Fähigkeit besitzt, einerseits von sämtlichen empfindenden Flächen Empfindungseindrücke
aufzunehmen, andererseits den Muskeln Bewegungsantriebe zuzuschicken.
Alle peripheren Teile sind dieser Vorstellung entsprechend in der Hirnrinde vertreten.
Letztere ist als eine Projektionsfläche anzusehen, auf welche die Außenwelt projiziert wird.
Die Leitungsbahnen zwischen der Endhirnrinde und der Peripherie sind daher Projektions-
systeme.
Das gesamte Projektionssystem ist aber kein ununterbrochenes; vielmehr findet nachMeynerts
Anschauung von der Hirnrinde bis zur Peripherie eine zweimalige Unterbrechung durch graue
Massen statt. So entsteht ein Projektionssystem erster, zweiter und dritter Ordnung.
Zunächst konvergieren die von der Hirnrinde sich entwickelnden Fasern zu den von Meynert
als Hirnganglien bezeichneten grauen Massen (Streifenhügel, Sehhügel, Vierhügel) und senken sich
in dieselben ein. Dies ist das Projektionssystem erster Ordnung.
Mit bedeutend verringerter Fasermenge tritt die Fortsetzung aus den genannten Hirnganglien
aus und verläuft nun als Projektionssystem zweiter Ordnung längs des ganzen Hirnstammes
und längs des Rückenmarkes abwärts, um in der ganzen Ausdehnung Fasern an die zweite graue
Unterbrechungsmasse abzugeben, an das zentrale Höhlengrau, aus welchem nach Meynert
auch die graue Substanz des Rückenmarkes besteht. Dieses Grau erstreckt sich, wie schon erwähnt,
vom dritten Ventrikel bis zum Conus medullaris des Markes. Demgemäß haben die Fasern des
zweiten Systemes eine sehr verschiedene Länge; die Dicke des Systemes nimmt hinten allmählich
ab, die Länge zu.
242
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Aus dem zentralen Höhlengrau entspringt endlich das Projektionssystem dritter Ord-
nung. Dieses besteht aus den peripheren Nerven und zeichnet sich gegenüber dem zweiten wieder
durch eine bedeutende Vermehrung der Faserzahl aus. Fig. 236.
Das Projektionssystem erster Ordnung oder das erste Glied des Projektionssystemes bildet
den Hauptbestandteil der R ei Ischen Stabkranzfaserung. Das zweite Glied des Projektionssystemes
stellt die Hauptfaserziige des Reilschen Hirnschenkelsystemes dar, schließt Fuß und Haube des
Hirnschcnkels ein und geht in die langen Bahnen des Rückenmarkes über; das dritte Glied des
Projektionssystemes wird, wie gesagt, von den peripheren Nerven gebildet.
Im Gebiet des zweiten Projektionssystemes findet eine Kreuzung der Fasermassen statt,
so daß die Endhirnhemisphären mit den entgegengesetzten Körperhälften verbunden sind. In das
zweite Projektionssystem ist ferner das Kleinhirn eingeflochten, welches vorn mit den Hirnganglien,
beziehungsweise mit der Endhirnrinde, hinten mit dem Rückenmark Verbindungen besitzt. Das
zweite Projektionssystem besteht ferner aus zwei verschiedenen Bahnen,
einer ventralen, dem Hirnschenkelfuße, und einer dorsalen, der
Hirnschenkelhaube. Der Fuß steht mit dem Nucleus caudatus und lenti-
formis, die Haube mit den Sehhügeln und den Vierhügeln in Verbindung.
Erstere werden daher als Ganglien des Fußes, letztere als Ganglien
der Haube betrachtet. Der Fuß des Hirnschenkels enthält die Willkür-
bahnen, die Haube Reflexbahnen. Ein in der Substantia nigra enthaltenes
Fasersystem bildet das Stratum intermedium.
Dem Projektionssysteme stehen gegenüber:
1. die Kommissurensysteme, welche zur Verbindung iden-
tischer Stellen beider Hälften dienen (Balken, vordere Kommissur);
2. die Assoziationssysteme, bestimmt zur Verbindung ver-
schiedener Stellen derselben Hemisphäre.
Dies sind die Grundzüge der Mey nertschen Lehre des Hirnbaues.
Wie überhaupt Schemata leicht etwas Wandelbares haben, so blieb auch
das bis ins einzelne ausgearbeitete System Meynerts von dem Schicksal
nicht verschont, von der zunehmenden Erfahrung überholt zu werden.
Viele der Säulen, welche zur Stütze des Gebäudes aufgerichtet worden
waren, sind unterdessen gesunken, und man möchte befürchten, auch die
letzten, schon geborsten, könnten über Nacht dahinstürzen. Gewisse Ge-
danken aber, wie jene, welche die Verknüpfung der Hirnrinde und der
Außenwelt durch ein großes Projektionssystem ausdrücken, werden
dennoch bestehen bleiben und fortwirken. Meynert kommt zweifellos
das Verdienst zu, zum ersten Male auf einem schwierigen Gebiete ein umfassendes, seinerzeit
wohlberechtigtes System des Hirnbaues aufgestellt zu haben.
Über den Begriff des Höhlengrau ist bereits oben (S. 193) auf Grundlage der neueren
Erfahrungen über die einheitliche Entstehung der gesamten grauen Substanz berichtet worden.
Kann man auch das Rinden-, Kern- und Höhlengrau in sekundärer Weise voneinander trennen, so
gehört doch die graue Substanz des Rückenmarkes nicht in die Abteilung des Hühlengrau, sondern
in ihr sind sämtliche graue Unterabteilungen voneinander ungeschieden vertreten. Mit anderen
Worten, die beiden Medullarplatten des Rückenmarkes setzen sich mit ihren verschiedenen Längs-
zonen unmittelbar in die Medullarplatten des Gehirnes fort und lassen aus sich die verschiedenen
Zonen der grauen Masse hervorgehen.
Schwerer fällt in das Gewicht, daß in dem Mey nertschen Hirnschema das morphologische
Element nicht genügend vertreten ist. Das Gehirn ist kein so einheitlicher Körper, wie man ihn
gern zu betrachten geneigt war, sondern es geht aus drei morphologisch gleichwertigen, aufein-
anderfolgenden Abteilungen hervor, den drei primären Hirnbläschen, die sich später in fünf
Abteilungen scheiden. Vom embryologischen Standpunkte ist keine andere Einteilung haltbar. Das
Vierhügelhirn ist morphologisch betrachtet nichts weniger als ein Ganglion des Großhirnes, sondern
übertrifft das Endhirn an morphologischer Bedeutung, insofern letzteres als ein Auswuchs des
Zwischenhirnes zu betrachten ist. Die in dem Meynertschen Schema vorkommenden Ganglien
(Zwischenhirn, Vierhügel) sind also sämtlich morphologische Hirnabteilungen mindestens des-
selben Ranges, wie das Endhirn. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß auch die Untersuchung
Fig. 236.
Allgemeines Schema des
Meynertschen Hirnplanes.
A Vorderhirn ; ß Corpus
striatum, Sehhügel und Vier-
hügel; C Höhlengrau und
Rückenmarkgrau. /, //, ///
die drei Glieder des gesamten
Projektionssystems.
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems.
243
der Leitungsbahnen mit dieser Unterlage zu rechnen hat und mehr und mehr auf embryologischem
Boden sich bewegen muß.
Fußend auf der Meynertschen Theorie der Projektionssysteme hat die Folgezeit eine
außerordentliche Menge von physiologischen und pathologischen Untersuchungen hervorgebracht,
auf Grund deren die psycho-motorischen und psycho-sensiblen Felder der Großhirnrinde bestimmt
wurden, wie sie in den Figuren 237—240 dargestellt sind. (Über die neueren Anschauungen ver-
gleiche die Figuren 250, 251.)
Das vor drei Jahrzehnten (1883 u. 1885) erschienene, von Chr. Aeby ausgearbeitete Hirn-
schema, durch einen Zeitraum von mehr als einem Jahrzehnt von seinem Vorgänger geschieden,
stellt die unterdessen, insbesondere mit der neuen Markscheidenmethode gewonnenen bedeutungs-
vollen Erfahrungen übersichtlich zusammen und fußt dabei insbesondere auf den Beobachtungen von
Flechsig und Wernicke, in streitigen Fragen des letzteren Anschauung bevorzugend.
P.fr.
P.fr.
P.fv.
Fig. 239.
Laterale Fläche der linken Hemisphäre.
P.fr.
1 J
Fig. 237. Fig. 238.
Dorsale Fläche der linken Ventrale Fläche der rechten
Hemisphäre. Hemisphäre.
Fig. 237—240. Sensible und motorische Rindenfelder
nach früherer Darstellung;
die jetzigen Anschauungen siehe in Fig. 250, 251. J
In allen Figuren bedeutet: P.fr. Polus frontalis.
1 Sehzentrum; 2 Geruchszentrum; 3 Geschmackszentrum ;
4 Gehörzentrum.
Es motorisches Zentrum der oberen Extremität; Ei motorisches Zentrum der unteren Extremität; L, P motorisches Zentrum
des Kehlkopfes und Gaumens; Lo Mi motorisches Zentrum der Sprache und der Mimik; Ma motorisches Zentrum der
Kaubewegungen; O motorisches Zentrum der Augenbewegungen; Tr motorisches Zentrum der Rumpfbewegungen.
Fig. 240.
Mediale Fläche der rechten Hemisphäre.
Aeby teilt, indem er sich sofort auf einen gefährlichen Weg begibt, nach den Lehren der ver-
gleichenden Anatomie das zentrale Nervensystem in ein segmentales und nichtsegmentales Gebiet
ein. Das Rückenmark ist segmental angelegt und richtet sich nach der allgemeinen Wirbelgliederung,
wie ersieh ausdrückt. Das Gehirn aber zerfällt in ein segmentales und nichtsegmentales Stamm-
gebiet und in ein Hemisphärengebiet (siehe auch S. 234).
a) Das segmentale Stammgebiet des Gehirnes enthält segmentale Bestandteile, bis zur
völligen Unkenntlichkeit verwischt, in den verschiedenen Nervenkernen, von welchen die meisten
dem verlängerten Marke und seinem zentralen Höhlengrau angehören, einige aber bis zum Höhlen-
grau des dritten Ventrikels vorrücken. Die unterste Gruppe der Nervenkerne gehört dem neunten
bis zwölften Hirnnerven an; die mittlere dem sechsten bis achten, die folgende dem fünften; die
vierte Gruppe ist ausschließlich motorisch und gehört dem dritten und vierten Hirnnerven an, während
die Reihe der sensiblen Kerne vorn mit dem Trigeminus abschließt. Im ganzen sind also vier
244
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Gruppen von Nervenkernen zu unterscheiden. Der Olfactorius ist als ein direktes Differenzierungs-
produkt des Vorderhirnes, der Optikus als ein solches des Zwischenhirnes zu betrachten.
b) Das nie htseg mentale Stammgebiet des Hirnes ist gegeben 1. durch den Haubenstrang,
2. durch den Schleifenstrang (siehe Fig. 241).
PS KS Fc
Fig. 241.
Hlrnschema bei seitlicher Ansicht. (Chr. Aeby.)
c Nucleus fasciculi euneati ; g Nucleus fasciculi gracilis; O untere (große) Olive; Cb Rinde des Kleinhirnes; Vs Vermis
superior des Kleinhirnes; d Nucleus dentatus cerebelli ; B Brücke; Np Nucleus pontis lateralis; Cq Corpus quadrigeminum ;
rk roter Kern der Haube; S Substantia nigra (Sömmerringi) ; P Putamen (Linsenkorn von Aeby); Gp Globus pallidus;
Nc Nucleus caudatus; o vordere Verbindung zwischen dem Putamen und dem Nucleus caudatus ; Th Thalamus; Ci Cap-
sula interna; Cc Corpus callosum ; PV, PS Vorder- und Seitenstrangpyramidcnbahn ; Py.Py Pyramidenbahn, dorsalwärts
in der lindhirnrinde endigend; Ks Kleinhirnseitenstrangbabn , zum Oberwurm ( Vs) ziehend; Fe Fasciculus euneatus;
Fr Funiculus (Corpus) restiformis; Pcq Crus cerebelli ad corpus quadrigeminum, zum roten Kerne und von ihm zum
Thalamus und Globus pallidus ziehend ; Fg Fasciculus gracilis; Seh Schleifenstrang; x Bündel der Schleife zum Kleinhirne;
Va Vierhflgelarme (Brachia quadrigemina) zum Sehhügel ; St K Stabkranz des Kleinhirnes; StG Stabkranz des Endhirnes =
Thalamusverbindung des Endhirnes, deren vier in der Figur gezeichnet sind; y Verbindung des Nucleus caudatus mit
dem Globus pallidus; z Verbindung des Globus pallidus mit dem Putamen ; BG, BG vorderes und hinteres Bündel des
Brückenschenkels des Endhirnes; Bl< Brückenschenkel des Kleinhirnes; ß5 Balkenstrahlungen zur Endhirnrinde
(es sind deren sieben Linien gezeichnet).
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems.
245
Der Haubenstrang enthält von grauer Substanz: den Kern des Keilstranges, die Olive, den
Nuclcus dentatus ccrebelli, den roten Kern, den Sehliügel und den Globus pallidus des Linsen-
kernes. Die weiße Substanz des Haubenstranges besteht aus dem Oliven- und Großhirnschenkcl
des Kleinhirnes.
Der Schleifcnstrang enthält von grauer Substanz: den Kern des Gollschen Stranges, die
Ganglien des Vierhügels und den Sehliügel. Die weiße Substanz des Schleifenstrangcs enthält die
Schleife, die Vierhügelarme und den Gollschen Strang.
Der Haubenstrang (Fe) geht aus den hinteren Grundbündeln oder dem Keilstrange des
Rückenmarkes hervor und tritt in den Nucleus fasciculi euneati (e) ein. Auch weiter cerebralwärts
ist seine Neigung groß, graue Massen in seine Bahn aufzunehmen, indem er durch die Olive (O),
weiterhin durch den Nucleus dentatus cerebelli (d), durch den roten Kern (rk) unterbrochen wird
und darauf teils zum Sehhügel (77*), teils zum Globus pallidus (Gp) zieht, welcher wesentlich zum
Sehhügel gehört. Die aus der Olive hervorgegangenen Fasern des Haubenstranges kreuzen sich
Fig. 242.
Fig. 242. Schema des Hirnschenkelfußes, (v. Bechterew.)
qs oberer Vierhügel; aS Sylvische Wasserleitung; nr roter
Kern; sn Substantia nigra; Im Lemniscus mediaüs; sein medialer
Abschnitt besteht hauptsächlich aus Fasern , welche aus den Fig. 243.
Kernen der Keilstränge, sein lateraler Abschnitt hauptsächlich aus
solchen, welche aus den Kernen der zarten Stränge hervorgehen; Ims Lemniscus lateralis; 6 Fasern des lateralen oder
hinteren Brückensystemes; 4 Fasern des Pyramidenstranges; 3 Fasern motorischer Hirnnerven ; 5 Fasern motorischer Hirn-
nerven, welche die in der Schleifenschicht zerstreuten (2) Fasern des vorderen oder medialen Brückensystemes bilden.
Fig. 243. Schematische Darstellung der Faserverteilung in der inneren Kapsel, (v. Bechterew.)
/, //, /// die drei Teile des Nucl. lentiformis; nc Nucleus caudatus; Fh Thalamus; gp Globus pallidus; pt Putamen nuclei
Ientiformis; 1 Fasern des Pedunculus anterior thalami; 2 Fasern des medialen Brückensystemes; 3 Fasern motorischer
Hirnnerven; 4 Pyramidenbündel; 5 Pyramidenbündel, gemischt mit den sensiblen Bahnen; 6 Fasern des lateralen
Brückensystemes.
mit denjenigen der anderen Seite und bilden den Olivenschenkel des Kleinhirnes, d. h. den Haupt-
teil des Corpus restiforme (Fr). Aus der konkaven Fläche des Nucleus dentatus cerebelli hervor-
tretend, bilden sie den Vierhügel- oder richtiger Großhirnschenkel des Kleinhirnes (Pcq), der auch
bekanntlich Bindearm genannt wird. Jenseits des roten Kernes erfolgt die erwähnte Gabelung in
zwei Endäste, deren einer zum Globus pallidus, der andere zum Sehhügel zieht. Eigentümliche
Zellenmassen (die Substantia nigra und der Luyssche Körper), die vielleicht zum System des
Globus pallidus gehören, sind teils an-, teils eingelagert.
Der Schleifenstrang (Seh) geht aus dem Fasciculus gracilis (Fg) hervor, der in den Nucleus
fasciculi gracilis (g) einmündet. Die aus diesem hervortretende Fasermasse gibt ein kleines Bündel (x)
an die gleichseitige Kleinhirnhälfte ab, biegt darauf in scharfem Bogen um die Kerne der Vagusgruppe
nach vorn, überschreitet die Mittellinie (was bei der Projektion des Faserverlaufes auf die Sagittal-
ebene nicht zu sehen ist) und gelangt so zur ventralen Seite des Crus cerebelli ad Corpus quadri-
geminum (Pcq) der anderen Seite. Der Schleifenstrang vervollständigt auf diese Weise die Haube
des Mittelhirnes als deren unterste, von der Substantia nigra begrenzte Abteilung. Die Fasermasse
des Haubenstranges ordnet sich schließlich zu drei Bündeln, welche seitlich über den Haubenstrang
Rauber-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 13
246 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
hervortreten und ihn dorsalwärts oberflächlich umgreifen. Der obere (vordere) von ihnen geht
geradeswegs zum gleichseitigen Sehhügel (Th); der mittlere und wahrscheinlich auch der untere
durch das Ganglion des vorderen und hinteren Vierhügels (Cq) zum entgegengesetzten Sehhügel.
Die Strecke zwischen Vierhügel und Sehhügel entspricht den Brachia quadrigemina.
Die Bildung des Schleifenstranges verhält sich im Ruckenmark anders als die des Hauben-
stranges. Jener entsteht so, daß von den Hintersäulen ausgehende aufsteigende Fasern allmählich
sich zur Schleifenbahn zusammenlegen, nachdem die Fasern beider Seiten sich vorher schon ge-
kreuzt haben.
Der Anschluß der von dem Kern des Keilstranges medullarwärts ziehenden Fasern an die ein-
zelnen Rückenmarksegmente ist dagegen großenteils nur ein mittelbarer, durch kurze Bahnen
von Segment zu Segment dargestellter. Auch die Fasern des Keilstranges erfahren jedoch eine
Kreuzung. Diese Kreuzung ist für die Gol Ischen Stränge vielleicht eine direkte, schon durch die
Nervenwurzeln geschehende, für die Keilstränge eine indirekte.
c) Das Hemisphärengebiet des Gehirnes. Es besteht aus der Rinde des End- und
Kleinhirnes, sowie aus dem Nucleus caudatus und lentiformis. Als Linsenkern ist nur das Putamen
zu betrachten, während der Globus pallidus dem Sehhügel zugehört. Die Verbindungen der Hemi-
sphärenrinde sind teils äußere (zum Anschluß an medullarwärts gelegene Teile), teils innere (zur
gegenseitigen Verbindung einzelner Rindengebiete). Zur ersteren Abteilung gehört die Pyramiden-
bahn (Py), welche sich aus einem Vorderstrang- und Seitenstrangteile zusammensetzt, und die
Kleinhirnseitenstrangbahn (KS), erstere zur Rinde des Endhirnes, letztere zur Rinde des
Kleinhirnes ziehend. Pyramiden- und Kleinhirnseitenstrangbahn verbinden das Rindengebiet mit
dem segmentalen Gebiete. Zur Verbindung der Rinde mit dem n ichtsegmentalen Stamm-
gebiet ist der Stabkranz des End- und des Kleinhirnes bestimmt. Als solchen bezeichnet Aeby
die radiär gestellten Fasern zwischen der Rinde und den nächstgelegenen Ganglien, welche am
Großhirn durch den Sehhügel und Globus pallidus, am Kleinhirn durch den Nucleus dentatus ge-
geben sind. Als Stabkranz des Endhirnes sind also in Fig. 241 die von der Endhirnrinde zum
Sehhügel (Th) ziehenden Faserbündel (StG) zu betrachten. Die Verbindung des Nucleus caudatus
(Nc) und lentiformis (P) mit dem Globus pallidus (Gp) wird durch die Bündel y und z dargestellt.
Am Kleinhirn haben wir den Stabkranz in den Bündeln StK. vor uns.
Die inneren Rindenverbindungen sind teils solche, die zwischen der End- und Kleinhirn-
rinde bestehen, teils eigene Rindenverbindungen des End- und Kleinhirnes. Letztere sind gegeben
durch die Windungskommissuren des End- und Kleinhirnes (Fibrae arcuatae, Gewölbe, Balken,
vordere Kommissur). In Fig. 241 ist von solchen nur der Balken (Cc) mit seiner Strahlung (BS)
gezeichnet.
Die Rindenverbindungen zwischen End- und Kleinhirn sind gegeben durch die Brücken-
schenkel des End- und Kleinhirnes. Die Brückenschenkel des Kleinhirnes gehen von der Klein-
hirnrinde aus und gelangen zu den seitlichen Brückenganglien (Np). Von letzteren aus nehmen
die Brückenschenkel des Endhirnes (BG) ihren Anfang, gelangen zur Mittellinie, kreuzen sich hier
mit denjenigen der anderen Seite und ziehen, der Pyramidenbahn mit einem medialen und late-
ralen (vorderen und hinteren) Bündel anliegend, mit letzterer durch die innere Kapsel (CT) zur
Rinde. Das vordere Bündel gelangt dabei zu Gebieten, welche vor, das hintere zu solchen,
welche hinter dem Rindengebiete der Pyramidenbahn liegen. Jenes verteilt sich im Stirn-
lappen und gilt als motorisch, das hintere dagegen im Hinterhaupt- und Schläfcnlappen und gilt
als sensibel. —
Hiermit ist uns der Inhalt dieses Hirnschema bekannt geworden. Erleichtert wird die
Orientierung in den Lageverhältnissen und besonders in den Kreuzungen noch durch eine von
Aeby gegebene Projektion des Faserverlaufes auf die Frontalebene, auf welche nebst dem aus-
fuhrlicheren Texte hier hinzuweisen ist. Mehr noch erleichtert wird das Studium durch das unter
Aebys Leitung hergestellte große Drahtmodell der Leitungsbahnen, welches mit anderen,
neueren Modellen ähnlicher Art, wie dem von L. Edinger, von J. Kollmann, wohl in allen
anatomischen Instituten Aufstellung gefunden hat, um den Zwecken des Studiums zu dienen.
Hier würde sich nun der Hirnplan von P. Flechsig unmittelbar anzureihen haben. Er
unterscheidet sich von dem Aebyschen Schema in sehr wesentlichen Punkten.
Flechsig geht aus von der größeren oder geringeren Versorgung der einzelnen Teile der
Großhirnrinde mit Nervenfasern und dem Zeitpunkt der Entwicklung der Markscheiden (siehe S. 237
unter 5). Er äußert sich (1901) über die myelogen ctische Flächengliederung der Rinde des
Die Lcitungsbahiien des Zentralnervensystems.
2-17
menschlichen Endhirnes folgendermaßen. Auf gewissen Altersstufen differenzieren sich die Win-
dungen in markreiche, markarme und marklosc Gebiete. Die Zahl der myelogenetischen Rinden-
245). Es lassen sich drei chronologische Gruppen
Intcrmediärgebiete, 3. Terminalgebiete. Jedes Feld nimmt
Fig. 244.
Myelogenetlsche Rindenfelder des menschlichen Endhirns,
äußere Fläche. (P. Flechsig, 1901.)
leider beträgt 36 (siehe Fig. 244 und
unterscheiden: 1. Primordialgebiete, 2.
eine besondere anatomische und dem-
gemäß auch funktionelle Stellung ein.
Die durchschnittliche Größe eines
Rindenfeldes beträgt 20qcm.
Anatomisch sind die Rindcn-
felder vor allem durch ihren großen
Reichtum an Projektionsfasern (Lei-
tungen von und nach subkortikalen
Zentren) ausgezeichnet. Die Primor-
dialgebiete umfassen die Eintritts-
stellen aller Sinnesleitungen in die
Rinde. Jedem sensiblen Endorgane der
Peripherie entspricht in der Rinde ein
besonderes Primordialgebiet: kortikale
Sinneszentren oder kortikale Sinnes-
flächen.
Dem Olfactorius entspricht N. 2,
dem Opticus 4, dem Acusticus (coch-
learis) 5 usw. N. 1 ist als Endorgan
besonders der Hinterstränge, also hinterer Wurzeln anzusehen; Haut- und Muskelnerven scheinen hier
nebeneinander vertreten zu sein. Für manche Primordialgebiete, z. B. den Gyrus subangularis N. 10
ist vorläufig kein peripheres Endorgan bekannt. Die einzelnen kortikalen Sinnesflächen sind durch
weite Rindenstrecken (Intermediär- und Terminalgebiete) getrennt, in welche Sinnesleitungen nicht
eintreten.
Auch die bekannten moto-
rischen Leitungen entspringen in
bez. unmittelbar neben Primordial-
gebieten, so die Pyramidenbahn in
N. 1, der motorische Teil des Fornix
inferior in N. 2 und 3, die medialen
Bündel des Hirnschenkelfußes in N. 1 b ,
6, 12, 14 und 15. Betreffs der Ge-
biete 5 und 36 besteht noch Unsicher-
heit. Aus 4 geht ein Faserzug bis ins
mittlere Mark des oberen Vierhügels,
welcher in der „sekundären" Sehstrah-
lung von Flechsig verläuft. Jeder
kortikopetalen Bahn entspricht hiernach
eine kortikofugale Bahn, so daß man
hier von konjugierten Leitungen spre-
chen kann. Was ihre Lage im Stab-
kranze betrifft, so folgen sie im all-
gemeinen der Regel, daß die kortikopetalen Leitungen lateral von den kortikofugalen liegen.
Innerhalb der Primordialgebiete mischen sich beiderlei Leitungen nicht gleichmäßig. So tritt
in N. 1 die Taststrahlung meist in die hintere Zentralwindung, nur mit wenigen Fasern in die vordere,
während die (motorische) Pyramidenbahn großenteils aus den vorderen, kleinenteils aus der hinteren
Zentralwindung entspringt. Nirgends läßt sich jedoch ein rein sensibles oder ein rein motorisches
Feld abgrenzen. Die Hörsphäre (N. 5), zu welcher aus dem inneren Kniehöcker und Thalamus
Leitungen treten (Hörstrahlung, Cochlearisstrahlung), entsendet Fasern zur Brücke, welche kortiko-
fugal zu leiten scheinen. Der Ursprung erstreckt sich wohl noch etwas über 5 hinaus auf den in
der ersten Temporalfurche verborgenen Teil der zweiten Schläfenwindung. Ganz fraglich ist dagegen
die Beteiligung des oberflächlichen Gebietes der zweiten und der dritten Schläfenwindung.
13*
Fig. 245.
Myelogenetlsche Rindenfelder des menschlichen Endhirns,
mediale Fläche. (P. Flechsig, 1901.)
248 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
In den Terminal- und den meisten Intermediärgebieten läßt sich ein Stabkranz nicht nach-
weisen; die Projektionsfasern treten an Menge also zurück; sie verschwinden fast neben andersartigen
Leitungen. Am erwachsenen Gehirn sind die Verhältnisse zu verwickelt für sichere Entscheidung: so
konnte es kommen, daß zwei mächtige Projektionssysteme (Fasciculus longitudinalis inferior
und Cingulum) fälschlich für Assoziationssysteme erklärt worden sind. Bei 3l/j monatigen
Kindern dagegen ist die Unterscheidung sicher zu machen. Fl. hält es demgemäß für irrtümlich,
annehmen zu wollen, daß die Windungen des Endhirncs in gleicher Weise mit Stabkranzfasern
ausgestattet seien.
Die klinische Beobachtung steht nach Fl. mit den myelogenetischen Erfahrungen in
befriedigendem Einklänge: Störungen der Motilität und Sensibilität werden nur bei Verletzungen
der Primordialgebiete beobachtet. Bei Verletzungen von Intermediär- und Terminalgebieten sind
hingegen nur gewisse Formen von Sprachstörung (Alexie, optische Aphasie, sensorisch amnestische
Aphasie usw.) und partieller, z. B. optischer Amnesie bekannt.
Was die üblichen Vorstellungen über den Assoziationsmechanismus betrifft, so hebt Fl. hervor,
daß die Fibrae arcuatae gyrorum zwischen allen benachbarten Feldern vorhanden sind. Weiter aus-
einanderliegende Felder werden durch lange Fasern verknüpft, sind aber noch sehr unvollkommen
bekannt. Keineswegs treten alle Felder mit langen Bahnen in ausgiebige Verbindung. Wie hin-
sichtlich der Stabkranzfasern, so sind auch hinsichtlich der langen Assoziationssysteme die Rindenfelder
in höchst auffälliger Weise voneinander unterschieden. Die Termi nalgebiete sind am reichsten
an langen Assoziationsbahnen; es sind die Knotenpunkte der letzteren. Kein langes Assoziations-
bündel verknüpft zwei als Sinneszentren aufzufassende Primordialgebiete. Der Fasciculus longitudinalis
inferior, welcher als Gegenbeweis angeführt zu werden pflegt, ist gerade ein Beweismittel: denn er
ist, wie oben erwähnt, ein Projektionssystem, nämlich die wirkliche Sehstrahlung, die Leitung
der optischen Erregungen vom äußeren Kniehöcker zur Sehrinde. Sollen ein Gesichts- und ein Ge-
höreindruck sich in der Endhirnrinde begegnen, so kann dies nur durch Vermittlung von Inter-
mediär- und Terminalgebieten geschehen. „Ist die Interferenz der Reize Vorbedingung für die Asso-
ziation ihrer Gedächtnisspuren, so kann auch hierzu die Rinde der Intermediär- und Terminalgebiete
nicht entbehrt werden. Insofern sind dieselben Assoziationszentren; und hierfür spricht in der Tat
die klinische Beobachtung, wonach bei Verletzung der zwischen Seh-, Hör- und Tastsphäre ge-
legenen Gebiete eben Assoziationsstörungen, deren bekannteste die sensorische Alexie ist, auftreten."
Fl. schließt seine Darlegung mit dem Hinweise auf den wichtigen Umstand, daß die Untersuchung
des menschlichen Gehirnes auf diesem Gebiet weitaus die besten Ergebnisse liefert. »Die zugrunde
liegenden Entwicklungsgesetze treten aber beim Menschen in dem Maße klarer hervor, als sein
Intellekt den der Tiere überragt." —
Wir wenden uns nunmehr zu Cajals Untersuchungen. In ihnen hat, so wird dereinst wohl
die Geschichte der Wissenschaft es darstellen, die gegenwärtige elementare Epoche der anato-
mischen Erforschung des Nervensystemes ihren Höhepunkt erreicht. Dies rührt daher, daß von hier
an die Nerveneinheiten und zugleich die Hauptzüge ihrer gesamten Unterbringung im Körper
aufgedeckt und sofort auch in den Vordergrund der Forschung gerückt erscheinen. Damit ist die
Grundlage für alle Zeiten gewonnen. Erreicht wurden diese Ergebnisse durch die glücklichste Be-
nutzung einer ausgezeichneten Methode, der Golgi sehen Silbermethode nebst ihren Modifikationen.
Man muß die früheren großen Beobachter auf dem Gebiete des Nervensystemes, Reil, Burdach,
Arnold, Henle und viele andere, bedauern, daß ihre Sehnsucht ungestillt geblieben ist und daß
sie die gegenwärtige Zeit nicht gesehen haben. Was noch zu erledigen übrig bleibt, ist Weiter-
führung der Beobachtung, bis mit Hilfe der neueren Methoden die Topographie sämtlicher Nerven-
einheiten ermittelt ist. — Cajal faßte die Resultate seiner Untersuchungen über den Bau des
Nervensystemes folgendermaßen zusammen. .Meine Arbeiten zeigten:
1. daß die Ganglienzellen Zellindividualitäten sind und niemals untereinander, weder durch
die protoplasmatische Verzweigung, noch durch die Ausbreitungsweise der nervösen Fortsätze zu-
sammenhängen; 2. daß jeder Axenzylinder unter Bildung von varikösen und geschlängelten Ver-
zweigungen nach Art der Nervenausbreitung in der motorischen Muskelplatte endigt; 3. daß diese
Verzweigungen teils dem Körper einer Nervenzelle, teils den Protoplasmafortsätzen anliegen und
so für die Fortleitung von Reizen äußerst günstige Kontaktverhältnisse herstellen; 4. daß der Zell-
körper sowohl, wie die Protoplasmafortsätzc nicht nur nutritive, sondern auch leitende Funk-
tionen haben."
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems.
249
Das gegebene Rückenmarksschema liegt in Fig. 246 vor und kann auf Grund der früheren
Darstellung ohne weitere Auseinandersetzung unschwer verstanden werden. Die Unterschiede von
der älteren Theorie des Rückenmarkbaues ergeben sich am deutlichsten bei einer Vergleichung
der Fig. 246 u. 247.
Kollateralen aus Fasern des Fasciculus gracilis
Kollateralen zur Hintersäule ;
Kollatcralen zur Vordersäule \ ;
Hintere Wurzelfasern
mit Kollateralen
Zelle des Nucleus dorsalis
: Kleine Zelle der Substantia gelatinosa posterior
i / Marginalzeile
Teilung der hinteren
Wurzelfaser in einen
aufsteigenden und einen
absteigenden Ast
Querschnitt einer
Nervenfaser
Neurit einer
Marginalzeile
Neurit einer Zelle des
Nucleus dorsalis
Kollateralen von Fasern
d. Vorderseitenstranges
Strangzelle mit Neurit
und Kollaterale
Kommissurenzelle
Strangzelle
der Vordersäule
Motorische
Vordersäulenzelle
* Vordere Wurzelfaser
Kollateralen aus Fasern des Vorderstranges zur Neurit einer Kommissurenzelle
Vordersäule derselben und der anderen Seite
Fig. 246.
Rückenmarkschema, welches die Beziehungen zwischen den einzelnen Elementen nach den Entdeckungen
von Cajal zeigt.
Hintere Wurzelfaser, in einer Zelle des
Nucleus dorsalis entspringend |
I
Hintere Wurzelfasern, /N*-
im allgemeinen Netz endigend i m
Kleinhirn-Seitenstrang-Bahn .•■/-
Zellen der Hintersäule, welche
sich mit ihren Dendriten am
allgemeinen Netz beteiligen
Wurzelzelle der Vordersäule,
deren Protoplasmafortsätze ein
Netz bilden, in welches die
hinteren Wurzeln einmünden
Motorische Vordersäulenzelle
Pyramiden-Vorderstrang-Bahn
Unipolare Zellen des .Spinalganglion
Endigung einer hinteren Wurzel-
faser im Netz der Hintersäule
Hintere Wurzelfaser
zum Seitenstrang
Faser aus dem Nucleus dorsalis
zum Seitenstrang
Seitenstrang
Motorische Vordersäulenzelle
Motorische Wurzelfasern
von derselben Seite
Motorische Wurzelfaser aus
• der Gegenseite kommend
Zelle des Nucleus dorsalis
Nucleus dorsalis
Fissura mediana ant.
Fig. 247.
Darstellung der früheren Theorie über den Zusammenhang der vorderen und hinteren Rückenmarkswurzeln. (Cajal.)
(Diese Theorie findet durch die neueren Untersuchungen wieder bedeutende Unterstützung.)
250
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Gegenüber den Anschauungen von Cajal hat durch die Untersuchungen v. Bethe und zahl-
reichen anderen Autoren auf Grund der Darstellung der Neurofibrillen wieder die alte Anschauung
vom Vorhandensein eines Nervennetzes neue Unterstützung erhalten, und es kann wohl kaum
bezweifelt werden, daß ein nervöses Netz bereits an vielen Stellen sicher nachgewiesen ist (siehe
darüber, S. 5, 6).
äßmL
Fig. 248.
Linke Hälfte des Gehirnganglion von NereTs dlverslcolor
(eines Polychäten) nebst den mit ihm zusammenhängenden Nervenzweigen von der Dorsalseite gesehen. Methylenblau-
färbung, Bethesche Fixation. (G. Retzius, 1896.) 2/3 des Originals, welches beide Seilen darstellt.
gl vordere Gruppe von Ganglienzellen; ga, gs seitliche Gruppe von Ganglienzellen ; g8 hintere Gruppe von Ganglienzellen;
sn bipolare Nervenzellen von sensiblem Typus, deren periphere Fortsätze nach einer Hautstelle ziehen, um dort zu endigen;
pr vordere Haufen grober Körner; an Antennennerven; a Antenne; m baumartig verästelte Nervenfasern (Muskelnerven);
k Nervenäste mit kolbenartig gestalteter Verzweigung der grobkörnigen Fasern ; pn Palpennerven ; p Palpen ; c kommissurale
Zweige des Bauchstranges (zum Unterschlundganglion ziehend); au pigmentierte Augen.
Von den Ergebnissen der Untersuchungen Cajals über den feineren Bau des Gehirnes
ist bereits an zahlreichen Stellen dieser Abteilung die Rede gewesen (S. 174 — 196) und an dieser
Stelle hierauf zu verweisen.
In der vergleichenden Anatomie der Leitungsbahnen sind in überraschend kurzer Zeit
bedeutende Leistungen zutage gefördert worden, vor allem auf dem ausgedehnten und viel um-
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems.
251
fassenden Gebiet der Wirbellosen. Der größte Teil dieser Leistungen knüpft sich an die be-
wunderungswürdigen Untersuchungen von G. Retzius über diesen schwierigen Gegenstand.
Ein Beispiel seiner in mehreren Foliobänden niedergelegten Beobachtungen gibt nebenstehende
Figur, welche die linke Hälfte des oberen Schlundganglions jenes durch seinen Farbenreiz und die
Eleganz seiner Bewegungen
einnehmenden Polychäten dar-
stellt, der als Nerei's diver-
sicolor bekannt ist; siehe
Fig. 248.
Das Feld der niederen
und höheren Wirbeltiere be-
züglich der nervösen Leitungs-
bahnen vergleichend zu bear-
beiten, ist von L. Edinger
mit schönem Erfolge begonnen
worden. Man darf nicht ver-
gessen, jede Tiergruppe, selbst
nur ein Tier, ist in der Regel
die Forderung einer Lebens-
arbeit, wenn das Ergebnis jene
Stufe erreichen soll, welche von
der Höhe der Alethode gebiete-
risch verlangt wird.
Ein kleines Beispiel der
Beobachtungen Edingers
liegt vor in Fig. 249, welche
einen Horizontalschnitt durch
das Gehirn von Scyllium cani-
cula wiedergibt.
Endlich sind hier zu
erwähnen die schon früher
(S. 178) besprochenen Ergeb-
nisse der Untersuchungen des
Schichtenbaues der Großhirn-
rinde. Schon früher waren
gröbere Unterschiede einzelner
Teile der Großhirnrinde fest-
gestellt worden. Die plan-
mäßigen Untersuchungen von
Brodmann haben eine über-
raschende Mannigfaltigkeit des
Baues verschiedener Teile er-
geben und was an dieser Stelle besonders betont werden muß, sie haben gezeigt, daß eine ganze
Anzahl der anatomisch verschiedenen Rindenfelder mit physiologisch bestimmten Zonen,
den psychischen Zentren, mehr oder weniger übereinstimmen (siehe Seite 178, 179 und vergl.
die Fig. 152, 153 und 192, 193 mit den Fig. 250, 251).
Nach dieser historischen Betrachtung ist noch die Aufgabe zu erfüllen, eine
Zusammenfassung der Hauptergebnisse vorzulegen, welche dem gegen-
wärtigen Standpunkt der Lehre von den Leitungsbahnen entspricht und für
die Zwecke des Studierenden sich eignet.1)
Tela chorioidea
Tractus striothalamicus
Tractus opticus
— Decussatio tr. tegmento-cerebellaris
Ji ^ - Decussatio hypothalamica sup.
ÜX-" Corpus geniculatum lat.
N. oculomotorius
Tractus tectobulbaris et spinalis
Commissura ansularis
Fig. 249.
Horizontalschnitt durch das ganze Gehirn eines Haies, Scyllium canicula,
zur Demonstration der Kreuzung aus dem Nuciei praetectales und anderer
Kreuzungen am Boden des Gehirnes. (L. Edinger.)
') Dieses Kapitel hat für die VII. Auflage Professor Dr. W. von Bechterew bearbeitet;
es ist um ein geringes von mir umgearbeitet worden.
252 Besonderer Teil.' Spezielle Neurologie.
Gesamtübersicht über die Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmark.
A. Die psychischen Zentren der Großhirnrinde.
Wie wir gesehen haben (S. 178 und folgende) ist der anatomische Bau der
einzelnen Bezirke der Großhirnrinde weder nach der Zellen-Schichtung noch nach
der Versorgung mit Nervenfasern gleichartig, sondern es sind größere oder ge-
ringere Unterschiede vorhanden. Ferner zeigt die Untersuchung des Verlaufes der
einzelnen Leitungsbahnen, daß bestimmten Bezirken der Großhirnrinde bestimmte
zuleitende (zentripetale) und ableitende (zentrifugale) Bahnen zukommen. S. 247.
Die physiologische Untersuchung und die Beobachtung krankhafter Zustände
zeigen, daß den einzelnen Sinnesorganen und bestimmten Muskelgruppen bestimmte
räumlich abgegrenzte Bezirke der Großhirnrinde entsprechen. Sie heißen Sphären,
Rindenfelder, (psychische) Zentren.
Der Funktion nach kann man motorische und sensorische Zentren
unterscheiden. In den Figuren 250, 251 sind die motorischen durch rote Farbe,
die sensorischen durch blaue Farbe kenntlich gemacht.
Der Lage nach kann man eine zentrale, occipitale, temporale und Hippo-
campus-Zone unterscheiden, welche durch große, weißgelassene Abschnitte von-
einander getrennt werden. Letztere sind Bezirke, deren Funktion zurzeit noch nicht
bekannt ist. Flechsig hat sie als kortikale Assoziationszentren bezeichnet
(siehe weiter unten S. 255), doch ist nach den reichen Ergebnissen des Schichten-
baues der Großhirnrinde anzunehmen, daß hier noch zahlreiche verschiedene
Zentren liegen und daß weitere Untersuchungen diese hellen Felder immer mehr
einschränken werden.
Betrachten wir nunmehr die Zonen und die in ihnen befindlichen Zentren
nebst den zu- und ableitenden Bahnen.
1. Die zentrale Zone.
Sie umfaßt beide Zentralwindungen mit dem Parazentralläppchen, sowie den
hinteren Abschnitt aller drei Stirnwindungen und den Lobulus parietalis sup.
Davon enthält der Gyrus centralis anterior nebst den angrenzenden Teilen
der drei Stirnwindungen sowie dem Operculum die myomotorischen Zentren.
Diese verteilen sich im einzelnen folgendermaßen. Im vorderen Teil des Lobulus
paracentralis (Fig. 251) und im oberen Teil des Gyrus centralis anterior (Fig. 250)
befindet sich das Zentrum für die Muskulatur des Beins; es folgen dann in der
Reihenfolge von oben nach unten die Zentren für die Muskeln des Oberarms,
Vorderarms, Hand, Finger, des Mundes, der Zunge. Im Operculum liegen die
Zentren für die Kehlkopf-, Kau-, Schlundmuskulatur.
Die Zentren für die Rumpfmuskulatur finden sich auf der Oberfläche der
vorderen Zentralwindung oberhalb der Zentren für die obere Extremität, auf der
lateralen Oberfläche der Hemisphären.
Im hinteren Teil der mittleren Stirnwindung befindet sich das Zentrum für die
feineren beim Schreiben nötigen Bewegungen der Arm- und Handmuskeln. Weiter
vorn in derselben Windung ein Zentrum für Kopf- und Augenbewegungen.
Das motorische Sprachzentrum (die Brocasche Stelle) befindet sich in
der Umgebung des Ramus anterior ascendens der Sylvischen Furche, und zwar
auf der linken Hemisphäre. Es ist dies das Zentrum für die feineren Bewegungen
der Lippen-, Gaumen-, Zungen-, Kehlkopfmuskeln, welche zum Sprechen nötig sind,
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Die Lcitungsbahnen des Zentralnervensystems. 255
während die Zentren für gröbere Bewegungen dieser Muskeln sich im Gyrus
centralis anterior und im Operculum befinden.
Der Gyrus centralis posterior und der Lobulus parietalis superior
sind sensible Zentren des Muskelsinnes, der Körperfühlsphäre.
Die zentripetalen Bahnen der zentralen Zone sind: Fortsetzungen zentripetaler Hintcr-
wurzelfasern und zentripetaler Vagusfasern, sowie solcher des N. glossopharyngeus, trlgeminus
und vestibularis, die nach Unterbrechung in entsprechenden Kernen des Rückenmarkes, des ver-
längerten Markes, des Kleinhirnes und des Gehirnstammes zur Hirnrinde hinaufsteigen.
Die zentrifugalen Bahnen sind: Die Pyramidenbahn und Zentrifugalfasern, die schließlich
in die Vorderwurzeln und in motorische Gehirnnerven übergehen, unterwegs unterbrochen durch
Kerne des Gehirnstammes, des Kleinhirns, des verlängerten Markes und Rückenmarkes. Ein Teil
dieser Bahnen wird zu einem zentrifugalen Bestandteil der Hinterwurzeln.
2. Die occipitale Zone.
Sie entspricht den beiden Abhängen der Fissura calcarina, dem Cuneus und
der Außenfläche des Hinterhauptlappens.
Die Abhänge der Fissura calcarina und ihre nähere Umgebung, welche
(siehe Seite 180, 181) durch das Vorhandensein des Vicq d'Azyrschen Streifens und
durch besondere Vielschichtigkeit der Zellen ausgezeichnet ist, sind das Sehzentrum.
Ihre Zentripetalleitung wird gebildet von Faserzügen aus den Sehhügeln, die im lateralen
Kniehöcker unterbrochen werden.
Ihre Zentrifugalleitung besteht aus Fasern umgekehrter Richtung, die zum lateralen Knie-
höcker und weiter zur Netzhaut verlaufen, sowie aus Zentrifugalfasern der Gra tioletschen Seh-
strahlung, die nach Unterbrechung im oberen Vierhügel, im Pulvinar und in mehreren anderen distalen
Kernen zu den Kernen der drei Augenmuskelnerven und zu den vorderen Wurzeln gelangen.
Der Cuneus und die laterale sowie obere Fläche des Hinterhaupt-
lappens enthalten die optischen Erinnerungsbilder.
Der Gyrus angularis enthält das optische Sprachzentrum.
3. Die temporale Zone.
Das Hörzentrum befindet sich in den Gyri temporales transversa Das
akustische Sprachzentrum (die Wernickesche Stelle) liegt im Gyrus tempo-
ralis superior gegenüber dem Operculum. Fig. 250.
Ihre Zentripetalleitung besteht aus Fortsetzungen des N. cochlearis, denen unterwegs
verschiedene Kerne des Gehirnstammes (Nucleus n. cochlearis ventralis et dorsalis, obere Olive,
Kern der lateralen Schleife, medialer Kniehöcker) eingeschaltet sind.
Die entsprechende Zentrifugalleitung setzt sich zusammen aus Fasern umgekehrter
Richtung, welche die Bahn der Zentripetalleitung einschlagen, ferner aus Zentrifugalfasern, die durch
den medialen Kniehöcker und kaudalere Kerne in den Facialis übergehen, endlich Fasern, die zum
oberen Vierhügel ziehen und peripheriewärts in die Bahn der Augenmuskelnerven übergehen.
4. Die Zone des Gyrus hippocampi und des Ammonshorns.
Der Gyrus hippocampi und das Ammonshorn enthalten die Zentren für Geruch
und Geschmack. Auch die Area parolfactoria und der Gyrus subcallosus gehören
zum Geruchszentrum.
Ihre Zentrip etalleitung ist dargestellt durch die Fila olfactoria, welche nach Unterbrechung
im Bulbus olfactorius in dessen lateraler Wurzel verlaufen.
Ihre Zentrifugalbahnen sind: Fasern von umgekehrter Richtung, in den Bulbus olfactorius
übergehend ; ferner Fasern der Fimbria und des Fornix, Fasern des Fornix longus, endlich Fasern zum
Thalamus (Fasciculus ammonio-thalamicus). Letztere Bahnen gehen nach Unterbrechung in ent-
sprechenden Kernen peripher in motorische Hirn- (Facialis) und Rückenmarkwurzeln über.
5. Die sogenannten kortikalen Assoziationszentren.
Der übrige Teil der Vorderhirnrinde — die Regio praefrontalis -- mit den
256 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Orbitalwindungen, der Parietallappen, die 2. und 3. Schläfenwindung, die Basal-
fläche des Temporooccipitallappens, sowie die Insula stellen in ihrer Gesamtheit
etwa zwei Drittel der Rinde dar, während ein Drittel auf die vorhin betrachteten
Zonen entfällt. Topographisch können in diesem Gebiet drei Teile unter-
schieden werden: 1. ein frontales, 2. ein parietotemporales, 3. ein insu-
lares Feld.
P. Flechsig hat diese Zonen als kortikale Assoziationsgebiete unterschieden.
Die drei Assoziationszentren umfassen:
1. Das hintere Assoziationszentrum. Es umfaßt die parietalen Win-
dungen, den Praecuneus, einen Teil der Gyri lingualis und fusiformis, die vor-
deren oder äußeren Teile der occipitalen Gyri und die 2. und 3. Schläfenwindung.
2. Das vordere Assoziationszentrum, in der vorderen Gegend des Lobus
frontalis gelegen.
3. Das mittlere Assoziationszentrum, das kleinste von allen, umfaßt
die Inselwindungen.
Nach P. Flechsig unterscheiden sich diese drei Zentren von den vorher beschriebenen da-
durch, daß sie keine Stabkranzfasern empfangen und demzufolge mit den peripheren Organen, folg-
lich mit der Außenwelt nicht direkt verbunden sind, während sie durch Assoziationsfasern mit den
sensitiven und sensorisch-motorischen Zonen verbunden wären. Man hat hingegen Erfahrungen ge-
sammelt, nach welchen diese Zentren nicht so vollständig von den subkortikalen Gebilden isoliert
sind. Für mehrere Gebiete, die hierher gehören, ist der Nachweis subkortikaler Verbindungen streng
geliefert; so verhält es sich z. B. mit dem Gyrus angularis. Dieser Teil der Rinde entbehrt jeden-
falls nicht der Projektionsfasern.
Andererseits fehlen auch den übrigen Rindengebieten nicht Assoziationsbahnen. Nur haben sie
in den Flechsigschen Zonen eine überwiegende Ausbildung, daher verdienen die Flechsigschen
Zentren doch eine gesonderte Beschreibung; denn sie sind die Zeugen einer phylogenetisch und
ontogenetisch späten Entwicklung; man kann sie andererseits nach ihren Funktionen auch betrachten
als Gebiete, welche den eigentlichen psychischen Leistungen zur Grundlage dienen.
Ihre Aufgabe besteht in der funktionellen Verkettung der sensitiv-motorischen Rindenfelder
und in gewissen Umgestaltungen der diesen letzteren zufließenden Erregungen. So verhält sich
einerseits das hintere Assoziationsgebiet zu der Seh-, Hör- und Riechsphäre, andererseits das vor-
dere Assoziationsgebiet zu den sensitiv-motorischen Körperzentren der zentralen Zone.
Das erstere Gebiet verarbeitet Erregungen, die ihre Quelle in der Außenwelt haben; das
zweite beeinflußt die Eindrücke, welche sich von unserem eigenen Körper bilden und von der
Haut, den Muskeln, den Schleimhäuten und den inneren Organen stammen. So kommt es, daß
bei dem Menschen diejenigen pathologischen Vorgänge, welche im vorderen Gebiete Platz greifen,
die Grundlagen der Persönlichkeit erschüttern, während Störungen des hinteren Gebietes Ver-
wirrung, Unfähigkeit der räumlichen Orientierung, Verwechslung von Personen und Objekten, sowie
gewisse pathognomonische Störungen der Sprache, wie Wortblindheit und Worttaubheit herbeiführen.
Die beiden Gebiete stehen demnach in gegenseitigem unmittelbaren Verkehr, sei es durch die Ver-
mittlung der zwischen beiden eingeschalteten Körperfühlsphäre, sei es durch unmittelbare Assozia-
tionsbahnen, die im Zentrum semiovale enthalten sind. Die letzteren spielen wahrscheinlich eine
große Rolle bei der Auslösung willkürlicher Bewegungen.
Das dritte Zentrum bewirkt offenbar eine Assoziation der Verbalsymbole und funktioniert
demnach ausschließlich als Sprachzentrum. Erkrankungen desselben führen zu Störungen der
Sprachfunktion (Aphasie).
Mit diesen Betrachtungen soll die Beschreibung von Tatsachen schließen, welche sich auf die
Ergebnisse der verschiedensten Untersuchungsmethoden, insbesondere aber auf die durch Flechsig
eingeführte entwicklungsgeschichtliche Methode stützt. Von allen Fragen, die im vorliegenden Teile
behandelt worden sind, konnte eine ansehnliche Alenge nicht nach allen Richtungen hin zum Abschlüsse
gebracht werden; sie verdienen eine eingehendere Lösung, welche zukünftige Forschungen ihnen
bringen werden.
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems. 257
Was die am Schlüsse erörterte Theorie betrifft, so kann man ihr den Wert glänzender Hypo-
these nicht bestreiten, welche neue Gesichtspunkte auf dem so ausgedehnten Felde der modernen
Psycho-Physiologie eröffnet und schon jetzt reichliche Früchte getragen hat.
Wie man erkennt, ist der Einteilungsgrund für die beiden Hauptassoziationszentren ein rein
physiologischer. Vom morphologischen Gesichtspunkt aus lassen sich aber gewisse Bedenken gegen-
über dieser Einteilung nicht unterdrücken. Vielleicht wird man in der Folge dazu gelangen, die
Körperfühlsphäre und die ihr entsprechenden Sinnesorgane in einen geringeren Gegensatz zu dem
hinteren Assoziationsgebiet zu bringen, als es zurzeit geschieht; man wird die Assoziationszentren
vor allem morphologisch zu gliedern und einzuteilen haben. Zu den Sinnesorganen des äußeren
und inneren Integumentes nämlich gehören morphologisch auch der gesamte periphere Apparat
des Geruchsorganes, das Geschmacks- und das Gehörorgan. Dem äußeren Integument und
seinen sensiblen Nerven steht das häutige Gehörlabyrinth und der Hörnerv morphologisch gleich-
wertig gegenüber; das Geruchsorgan schließt sich unmittelbar an; das Geschmacksorgan steht ihnen
morphologisch nahe. Es ist daher zu erwarten, daß diese Verwandtschaften auch im Zentral-
organ des Nervensystems bis in das Endhirn hinauf sich ausprägen werden. So bliebe allein für
das Auge eine Ausnahmestellung zurück. Indessen ist zu beachten, daß die gesamte Retina vom
embryologischen Standpunkte aus ein Hirnteil ist.
Die weitere Untersuchung der Assoziationsfelder hat folgende Fragen zu lösen: Welches ist
das morphologische Gesetz der Verteilung der Rindenfelder des Endhirnes gegenüber der Ver-
teilung der sensorischen und sensiblen Felder der gesamten äußeren und inneren Körperperipherie?
Und ebenso bezüglich der Motilität: Welches ist das morphologische Gesetz der Verteilung der moto-
rischen Rindenfelder des Endhirnes gegenüber der morphologischen Topographie der gesamten
Körpermuskulatur?
B. Die Leitungsbahnen.
Wir haben bei der Betrachtung des Gesamtaufbaues des Rückenmarkes (S. 60)
gesehen, daß man die in ihm verlaufenden Bahnen in absteigende, auf-
steigende sowie ab- und aufsteigende einteilen kann. Diese Einteilung ist
auch bei der Betrachtung der Bahnen des Gehirnes sowie der Verbindungen zwischen
Gehirn und Rückenmark mit Vorteil anzuwenden, denn sie entspricht einerseits dem
anatomischen Aufbau der Leitungsbahnen, bietet aber andererseits den Vorteil,
daß dem physiologischen Prinzip der zentrifugalen und zentripetalen Lei-
tungsrichtung vollauf Rechnung getragen wird. In vielen Fällen allerdings ist
der Begriff der „aufsteigenden" Bahn mit einer gewissen Einschränkung aufzu-
fassen, dann nämlich, wenn unzweifelhaft sensorische Bahnen eine gewisse Anzahl
absteigender Fasern beherbergen, wenn es sich also nur um relativ oder vorwiegend
aufsteigende Systeme handelt.
Daneben gibt es aber zahlreiche Faserstränge, deren Aufgabe nicht in einer
Verbindung der Körperperipherie mit dem Zentralorgane besteht, welche vielmehr
zu einer Verknüpfung verschiedener Leitungsbahnen untereinander dienen. Die
Leitungsbahnen verlaufen nämlich nicht ununterbrochen von der Peripherie zur
Rinde oder umgekehrt; vielmehr werden von ihnen in gewissen Abständen nach
den Seiten hin Kollateralen an benachbarte graue Kerne abgegeben, oder es finden
unmittelbar Unterbrechungen durch Einlagerung von Kernen statt, die ihrerseits
vermittels besonderer Bahnen zu entfernteren grauen Massen in Beziehung stehen;
es sind dies die Systeme kollateraler Leitung, die Abzweigungen mancherlei
Art von den Hauptbahnen.
Eine gewisse Anzahl von Systemen endlich kann weder den aufsteigenden,
noch den absteigenden Bahnen zugeteilt werden; denn sie bestehen aus Fasern
von beiden Richtungen. Sie dienen der Verknüpfung funktionell zusammen-
gehöriger Zentren und verdienen daher die Bezeichnung Assoziationsbahnen.
258 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
/. Die aufsteigenden Leitungs-Systeme.
Alle aufsteigenden Bahnen des Rückenmarkes von peripherem Ursprung,
bezw. die Fortsetzungen von Hinterwurzeln und auch die Systeme, die als Fort-
setzungen der centripetalen (sensiblen) Hirnnerven dienen, endigen schließlich um
Zellen der Hirnrinde, nachdem sie in diesen oder jenen Kernen eine Unter-
brechung erfahren haben1).
Die hinteren Wurzeln können topographisch und auf Grund ihrer Entwicklung
unterschieden werden: in 1. mediale, stärkere, früh ummarkte, welche in die
Hinterstränge eintreten, und 2. laterale, feinere, später ummarkte Bündel, welche
in die Randzone, bezw. in die Spitze der Hintersäule gelangen.
Abgesehen von einigen Fasern, welche aus dem Grau des Rückenmarkes in
die hinteren Wurzeln eintreten und absteigende Leitungen darstellen, erscheinen
alle übrigen Hinterwurzelfasern als zentrale Äste T-förmig geteilter Nervenfortsätze
von Zellen der Spinalganglien, die ihre peripheren Äste zur Haut und zu den
Muskeln entsenden.
Die zentralen Äste der Spinalganglienzellen erfahren innerhalb des Hinter-
stranges eine weitere Teilung, und zwar in einen feineren, kürzeren, absteigenden
und einen gröberen, längeren aufsteigenden Ast. Beide geben in der Regel feine
Kollateralen an die graue Substanz ab, wo ihre baumförmigen Aufzweigungen mit
Zellen in Berührung gelangen. Auch die in das Grau umbiegenden Enden
der beiden Teilungsäste treten mit ihren Endbäumchen an Zellen heran, siehe
Fig. 79—81.
Es sind hauptsächlich vier Zellgruppen zu unterscheiden, die von den End-
bäumen der Hauptäste der Hinterwurzeln bezw. deren Kollateralen erreicht werden,
nämlich 1. Zellen der Clarkeschen Säulen, 2. Zellen der Hintersäule und zwischen
anderen die Gruppe der Zellen an der vorderen Grenze der Substantia gela-
tinosa Rolandi, 3. Zellen der zentralen Gruppe der grauen Substanz, 4. Vorder-
säulenzellen.
Die langen Äste der Hinterwurzelfasern, die in dem Burdachschen Strang
hinaufsteigen, endigen teils in verschiedenen Höhen des Rückenmark-Grau, teils
ziehen sie weiter zentralwärts und erreichen die Goll- Burdachschen Kerne des
verlängerten Markes. Zu dem Gollschen Kerne gelangen dabei Äste von Wurzel-
fasern, die dem Sakralmark, Lendenmark und unteren Brustmark angehören, d. h.
also von der unteren Rumpfhälfte. Die Wurzelfasern des oberen Brustmarkes,
der Halsanschwellung und des Cervicalmarkes, also von der oberen Rumpf-
hälfte, begeben sich zu dem Burdachschen Kerne.
Von den Zellen, um welche die terminalen und kollateralen Äste der Hinter-
wurzelfasern ihre Aufzweigung finden, gehen, mit Ausnahme der Vordersäulen-
zellen, die den sog. Vorderwurzeln zum Ursprung dienen, seitwärts Axenzylinder
ab, die teils in die Stränge der entsprechenden Rückenmarkshälfte hineintreten, teils
in die vordere Kommissur (Comm. ant. alba) gelangen und nach Kreuzung hier-
selbst die entgegengesetzte Strangseite erreichen und dann rostralwärts verlaufen.
Auch die Zellen der Goll-Burdachschen Kerne dienen aufsteigenden Axen-
') Ausgenommen davon sind nur die Fasern der Riechnerven, deren Zentralenden sich in den
Glomeruli mit den Mitralzellenfortsätzen des Bulbus bezw. Lobus olfactorius (bekanntlich ein Rinden-
gebilde) ineinanderflechten.
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems.
259
Zylindern zum Ursprung, die in die mediale Schleife (Lemniscus medialis) und in
den Strickkörper übergehen. Ein großer Teil dieser aufsteigenden Nerven fortsätze
gelangt, je nach ihrer Länge, zu Zellen der Oblongata, des Kleinhirnes, des Hirn-
stammes. Hier entstehen neue Systeme aufsteigender Fortsätze, die schließlich
bestimmte Gegenden der Hirnrinde erreichen, wo sie mittels ihrer Endbäumchen
sich perizellular ausbreiten.
Aus so zusammengesetzten Reihen von Neuronen mit aufwärts ziehenden
Axenzylinderfortsätzen bestehen die aufsteigenden Leitungssysteme.
Medio-peripheres Bündel
y O oll scher Strang
Intermediäres Bündel
Hintere
. Mittlere
Vordere I
Zone des
Bu rdachschen
Stranges
Zona terminalis
Substantia gelajjnc£a_p_osl,
(Kolaridrj u. Zona spongiosa
Fasciculus cerebrospina-
lis lat. (pyramidalis lat.)
Fasciculus
cerebejlp.spinalis
.Tractus rubrospinalis
(Monakow)
-•Tractus tectospinalis
Fasciculus anterolat.
superf. (Gowersi)
-.Fasciculus lat. proprius
(Flechsig)
Fasciculus ant. proprius (Flechsig)
Tra.clus spinoolivaris
(Bechterew)
Tractus vestibulo-spinalis
Fasciculus cerebrospinalis ant. (pyramidalis ant.)
Fasciculus longitudinalis medialis Mediales aufsteigendes Bündel
Fig. 252.
Rückenmarksquerschnitt mit den Bezirken der verschiedenen Bahnen.
Ursprung und Endigung von einem Teil der Bahnen ist ebenfalls angegeben. (Bechterew.)
Die Punkte im Fasciculus cerebrospinalis lat. bedeuten das intermediäre Kleinhirnbündel.
ca Vordersäulenzelle; es Zelle in der Substantia gelatinosa post. (Roland i); gc Mittelzelle; gs Hintersäulenzelle; N.d
Nucleus dorsalis (Clarkesche Säule); ra vordere Wurzelfasern; rpi innere hintere Wurzelfasern; rpe äußere hintere
Wurzelfasern.
Zu unterscheiden sind zunächst zwei Systeme, die als Fortsetzung von
Wurzelfasern der Hinterstränge erscheinen.
Das eine besteht aus den Fortsetzungen von Hinterwurzelfasern, welche die
Gollschen Kerne erreichen. Es entwickelt sich aus Nervenfortsätzen der Zellen
dieser Kerne, bildet dann den oberen, längeren Teil der Schleifenkreuzung
(Decussatio lemniscorum), nimmt im dorsalen Abschnitt der Olivenzwischenschicht
Platz und gestaltet sich weiterhin zum medialen Teil des medialen Lemniscus,
welcher schließlich den lateralen Kern des Thalamus erreicht. Die ankommenden
Fasern zweigen sich um die hier vorhandenen Nervenzellen auf, und diese ent-
senden ihrerseits in Gestalt ihrer Axenzylinderfortsätze sogen, thalamokortikale
260
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Fasern, die zerstreut durch den hinteren Teil des hinteren Schenkels der Capsula
interna mit dem Stabkranz zum Scheitellappen und zur hinteren Zentralwindung
Fig. 253.
Verlauf der sensiblen Bahn von den hinteren Wurzeln zur Großhirnrinde. (Nach Bechterew. )
ß Burdachscher Strang; g G ollscher Strang; Is Fasciculus anterolateraüs superficialis, als ein Teil des Gowerschen
Bündels, welcher zum Thalamus zieht; p hintere sensible Wurzelfasern; s subkortikale sensible Bahn vom Thalamus.
verlaufen und in der Umgebung der kleinen Rindenzellen daselbst ihre Auf-
zweigung finden. Fig. 253.
Das zweite, in der Entwicklung dem ersten vorauseilende Fasersystem wird
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems. 261
gebildet durch Fortsätze von Wurzelfasern, welche die Kerne der Burdachschen
Stränge aufsuchen und eine dem vorigen System ganz analoge Richtung ein-
schlagen. Es nimmt von Zellen der Burdachschen Kerne seinen Ausgangspunkt.
Die hier austretenden Fasern begeben sich zur Schleifenkreuzung (Decussatio
lemniscorum), deren unteren kürzeren Abschnitt sie bilden, lagern sich dann im
ventralen Teil der Olivenzwjschenschicht dicht über den Pyramiden und erzeugen
im weiteren Verlauf den äußeren Teil des medialen Lemniscus.
Auch die Fasern dieses Systemes erreichen, gleich denen des vorigen, den
lateralen Kern des Sehhügels, zu dessen Zellen sie in Beziehung treten. Ihre
weiteren Anschlüsse stellen sich dar als thalamo-kortikale Bahnen, die in Thalamus-
zellen entspringen und mit dem Stabkranz die Rinde der Scheitelgegend und der
hinteren Zentralwindung aufsuchen. Ihre Endaufzweigungen lagern sich ähnlich
den vorigen Fasern an die hier vorhandenen kleinen Rindenzellen an.
Zu den beiden geschilderten Faserarten gesellen sich in den Hintersträngen
weitere, die aus endogenen Hinterstrangfasern zusammengesetzt sind. Eines dieser
Fasersysteme entwickelt sich aus Axenzylindern zerstreuter Zellen der Hintersäule,
und steigt dann innerhalb der Gollschen Stränge zu dem Nucleus fasciculi gracilis
hinauf, wo sich Beziehungen zu den hier vorhandenen Nervenzellen herstellen.
Die weitere Bahn dieser Fasern liegt im medialen Abschnitt der entsprechenden
Hälfte des Lemniscus medialis. Den Abschluß bilden thalamo-kortikale Fasern, die
in der Rinde des Scheitellappens und der hinteren Zentralwindung ihr Ende finden.
Die soeben betrachteten Systeme, die als Tractus bulbo-thalamicus
medialis und lateralis bezeichnet werden können, haben eine Reihe seitlicher
Abzweigungen, von denen die zu den Kernen der Formatio reticularis, zum Grau
der Brücke, zur Substantia nigra, zur Vierhügelgegend, zu den Corpora mamillaria
(Pedunculus corporis mamillaris) bekannt sind1).
Die weiteren ansehnlichen Bahnen leiten sich aus Neuriten von Hintersäulen-
zellen ab, welche ventral von der Subst. gelatinosa Rolandi liegen, und an denen
hintere Wurzelfasern ihre Endausbreitung finden. Die meisten hierher gehörigen
Fasern verlaufen durch die Commissura ant. alba, wo in der Mittellinie eine Kreuzung
vor sich geht (Fig. 253). Nach Durchsetzung der vorderen Kommissur gelangen
diese Fasern in das Grundbündel des Seiten- und Vorderstranges und bilden dort
einen besonderen Strang (Fascic. antero- lateralis superf.)2), der nach und nach
lateralwärts hinausrückt und schließlich in peripherer Lagerung die Medulla ob-
longata erreicht. Hier ordnet sich die eine ventral und medial gelegene Bahn aus-
wärts von der unteren Olive; rückt aber in rostraler Richtung immer mehr median-
wärts und tritt in der Höhe des oberen Olivenabschnittes in den Bestand des
Lemniscus medialis hinein, wo sie laterale Lage einnimmt. Mit der Schleife
erreicht die Bahn den Sehhügel und schließt sich dann den erwähnten thalamo-
kortikalen Bündeln des Stabkranzes an.
Andere Fasern dieses Systems verlaufen mit den vorigen bis zur Gegend der
unteren Olive und lagern sich hier ebenfalls lateral. Im weiteren Verlauf jedoch
') Die Annahme des Vorkommens von Schleifenfasern, die von den Hinterstrangkernen unmittel-
bar zur Großhirnrinde verlaufen sollen (Hösel), wird durch experimentelle Ergebnisse widerlegt.
-) Dieser Strang bildet den Teil des Gowersschen Bündels, der das Kleinhirn nicht erreicht,
sondern direkt in den Hirnstamm und zum Thalamus emporzieht.
262 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
weichen sie lateralwärts ab und sammeln sich dicht medianwärts von der lateralen
Schleife. In der Vierhügelgegend begibt sich die Bahn zum Thalamus, medial
am Corpus geniculatum mediale vorbeiziehend, tritt dann in Gesellschaft anderer
Fasern des Lemniscus medialis in den Thalamus hinein und wird schließlich,
wie das vorerwähnte Fasersystem, durch thalamo-kortikale Fasern zur Rinde fort-
gesetzt.
Cerebellare Bahnen sind mehrere zu unterscheiden.
1. Eine davon entwickelt sich aus Nervenfortsätzen von Zellen der Clarkeschen
Säule (Nucleus dorsalis) und verläuft zur hinteren Hälfte des entsprechenden Seiten-
stranges, um in peripherer (randständiger) Lagerung zum verlängerten Mark hinauf-
zusteigen. Hier lagert es anfangs zwischen unterer Olive und spinaler Trigeminus-
wurzel, rückt aber nach und nach dorsalwärts hinaus und gesellt sich zum Corpus
restiforme, wo es zentrale Lage einnimmt. Mit dem Corpus restiforme steigt dieses
als (dorsale) Kleinhirnseitenstrangbahn bekannte Fasersystem zum Cerebellum hin-
auf; es zieht als geschlossenes Bündel im Kleinhirnmark vor dem Nucleus den-
tatus zum Vermis superior, mit dessen Zellen seine Endausbreitungen in Kontakt-
beziehungen treten. Fig. 254.
2. Ein zweites cerebellares Fasersystem geht aus den zentralen Gebieten des
Rückenmarkgrau hervor, zieht an den Rand der vorderen Hälfte des Seitenstranges
und lagert hier ventral von dem vorigen System. Es heißt ventrale Kleinhirn-
seitenstrangbahn und gehört zum Bestände des sogen. Gowersschen Bündels.
Aufwärts verläuft diese Bahn an der Peripherie des vorderen Seitenstrangabschnittes
in Nachbarschaft der dorsalen Kleinhirnbahn; in der Gegend des verlängerten
Markes aber, in Höhe der unteren Olive, schlägt sie einen besonderen Weg ein,
verläuft in der oberen Oblongatagegend zwischen spinaler Trigeminuswurzel und
medialer Schleife und lagert sich im Bereich der Brückenhaube dicht medianwärts von
der Facialiswurzel. Noch weiter rostralwärts findet sich die ventrale Kleinhirnbahn
medial von der Trigeminuswurzel. Sie weicht dann latero-dorsalwärts ab, krümmt
sich teilweise von außen um die laterale Schleife, umgeht von außen und oben
das Brachium conjunctivum und gelangt schließlich unter Durchsetzung des vor-
deren Marksegels zum Kleinhirn, bezw. zur Rinde der vorderen und unteren
Wurmabschnitte, wo sich Beziehungen zu den Nervenzellen herausstellen.
3.' Ein drittes cerebello-spinales System leitet sich von endogenen Fasern des
Hinterstranges her, die in Zellen des Rückenmarkgrau entspringend innerhalb der
Hinterstränge aufwärts ziehen und im Bereich der Medulla oblongata teils zum
lateralen Burdachschen bezw. zum sogen. Monakowschen Kern gelangen, teils
in lateralwärts abweichendem Verlauf am dorsalen Rande des verlängerten Markes
sich dem Corpus restiforme hinzugesellen, das auch Fasern aus dem Monakowschen
Kern in sich aufnimmt. Im weiteren Verlauf begibt sich die Bahn zum Kleinhirn,
wo sie als selbständiger Strang die lateralen Abschnitte des entsprechenden Ober-
wurmes aufsucht. Außerdem ziehen einige der Fasern aus den Hinterstrangkernen
als Fibrae arcuatae internae zur Raphe, die sie kreuzen und dann nach Unter-
brechung im sogen. Nucleus arciformis als Fibrae arcuatae externae antt. an der
Außenfläche des verlängerten Markes zum Corpus restiforme hinaufsteigen, wo sie
sich wahrscheinlich dem geschilderten Bündel der anderen Seite anschließen.
Zu den genannten tritt ferner die Rückenmark-Oliven-Kleinhirnbahn hinzu,
die unlängst durch Untersuchungen im Bechterewschen Institut aufgefunden
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems.
263
Fig. 254.
Die aufsteigenden Kleinhirnbündel
markes und ihre zentralen Bahnen.
(Nach Bechterew.)
B Burdachscher Strang; ca Fasciculus cerebellaris
ant. zum Wurm durch dasVelum medulläre ant. ziehend ;
co Fibrae cerebelloolivares; cp gemeinsamer Faserzug
der Hinterstrangkerne zum Wurm ; d Nucleus dentatus
cerebelli; fi Fibrae arcuatae intt. ; fp Fibrae arcuatae
extt. postt. ; // Fasern von der Rinde des Wurmes zu den
Dachkernen; G Gollscher Strang; g Guirlandenfasern;
gl Nucleus globosus; p Nucleus emboliformis; rp hin-
tere (sensible) Wurzelfasern; sc subkortikale Bahnen
des Brachium conjunetivum ; so Tractus spinoolivaris;
/ Nucleus legmenti ; tr Kleinhirnbündel des Seiten-
stranges (Fasciculus spinocerebellaris) ; Vi Vermis inf. ;
Vs Vermis sup.
Raübee-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt.
14
264 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
wurde. Ihre Fasern entstehen im Grau des Halsmarkes, verlaufen am Rande des
vordersten Seitenstrangabschnittes und dringen schließlich in die untere Olive
teilweise in dem Gebiet der vorderen Wurzeln ein, wo höchstwahrscheinlich zellu-
lare Beziehungen zustande kommen. Ihrerseits entsenden die Olivenzellen cere-
belloolivare, teilweise sich kreuzende Fasern, die mit dem Corpus restiforme zum
Vließ hinziehen und die Rinde der Kleinhirnhemisphä're aufsuchen1).
Sämtliche Kleinhirnbahnen, die bisher erwähnt wurden, laufen großhimwärts
im Brachium conjunctivum weiter, das — wie die Untersuchung der Markscheiden-
entwicklung lehrt — aus einer ganzen Reihe (wenigstens vier)-) einzelner Systeme
zusammengesetzt ist und die Kleinhirnrinde unter Vermittlung der zentralen Klein-
hirnkerne mit dem Nucleus ruber und dem lateralen Thalamuskem verbindet. Den
proximalen Anschluß bilden thalamo-kortikale Fasern, welche zur Rinde des Parietal-
lappens und der Zentralwindungen emporziehen.
Ein besonderes aufsteigendes Fasersystem hat am medialen Rande des Vorder-
stranges seine Lage. Es entwickelt sich aus Zellen der tiefen Abschnitte des
Rückenmarkgraues, deren genauere Lokalisation bisher nicht endgültig ermittelt
werden konnte. Beim Übergänge in das verlängerte Mark findet sich diese Bahn
ventral vom hinteren Längsbündel in der Nähe der Raphe. Sie läßt sich weit in
den Hirnstamm hinein verfolgen, doch bleibt es ungewiß, wo sie ihre Endstätte
findet. Rostralwärts erfährt sie jedenfalls eine allmähliche Verschmächtigung, be-
dingt durch Verlust von Fasern, die wahrscheinlich nach und nach zu den Kernen
der Formatio reticularis abgehen. In diesem zuerst von P. Marie beschriebenen
System, das man als Fasciculus spino-bulbaris bezeichnet, sind offenbar auch
Bündel vorhanden, die verschiedene Querschnitte des Rückenmarkes mit den
grauen Kernen der Formatio reticularis des Gehirnstammes verbinden.
Aufsteigenden Charakter haben im Rückenmark endlich eine Reihe kurzer
Bahnen, wie sie in den Hintersträngen, aber auch in den Vorderseitensträngen
und namentlich in der Nachbarschaft der Hintersäule, unter anderem in der Gegend
des von Bechterew sogenannten medialen Bündels (im hinteren Teil der sog.
Grenzschicht des Seitenstranges) verbreitet sind. Diese kurzen Bahnen haben
augenscheinlich mehr lokale Bedeutung, sofern sie verschiedene Rückenmarks-
querschnitte in aufsteigender Richtung miteinander in Verbindung setzen.
In ähnlicher Weise wie die Bahnen der hinteren Wurzelfasern des Rücken-
markes verhalten sich andere ebenfalls von aufsteigender Art, die sich als Fort-
setzung zentripetaler Hirnnervenfasern darstellen. Hierher gehören die Bahnen
des Trigeminus, Glossopharyngeus, Vagus, Acusticus, Opticus, Olfactorius.
Der Nervus trigeminus hat im Ganglion semilunare (Gasseri) sein Spinal-
ganglion (Fig. 255). Auch die Zellen dieses Ganglion entsenden je einen einheit-
lichen Fortsatz, der alsbald in zwei Äste zerfällt: einen peripheren zur Bildung des
sensiblen Stammes des Trigeminus, und einen zentralen, der die sensible oder
sog. absteigende Trigeminuswurzel, Tractus spinalis n. trigemini, bilden hilft.
Nach ihrem Eintritt in die Brücke teilen sich die Elemente der sensiblen Quintus-
wurzel ebenfalls in je zwei Äste, einen aufsteigenden und einen absteigenden;
doch erscheint jener kürzer als dieser und splittert sich frei in den sen-
*) Das Gowerssche Bündel gibt zur unteren Olive Kollateralen ab.
2) Siehe Bechterew: Leitungsbahnen im Gehirn und Rückenmark, S. 403.
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems.
265
Fig. 255.
Die zentralen Bahnen des Nervus trlgeminus. (Nach Bechterew.)
IN. ophthalmicus; // N. maxülaris ; IHN. mandibularis; Vs Nuclei sensibiles n. trigemini; N.ts Nucleus traclusspinalis nervi
trigemini ; ss subkortikale Fasern vom Thalamus zum unteren Abschnitt des Gyrus centralis post.
y Fibrae arcuatae intt.
14*
266 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
siblen Kernen des Trigeminus auf, wobei Kontaktbeziehungen zu den Zellen der-
selben sich herausstellen. Die längeren absteigenden Teilungsfäden senken sich
durch das gesamte verlängerte Mark in das Halsmark hinab, wobei sie fortwährend
lateral von dem Nucleus tractus spinalis n. trigemini, der rostralen Fortsetzung
der Substantia gelatinosa der Hintersäule, liegen. Die Ausdehnung dieser langen
Fasern, die unterwegs überall Kollateralen zu der Substantia gelatinosa abgeben,
ist keine gleichmäßige, einige von ihnen erreichen jedoch sicher das untere Hals-
mark. Nahe ihrem unteren Ende wenden sich die absteigenden Teilungsfäden
medianwärts und endigen nach Durchsetzung der Substantia gelatinosa an den
großen Ganglienzellen im Bereiche des medialen Abschnittes des Nucl. tractus
spinalis n. trigemini.
Die zentrale Bahn des Trigeminus (Fig. 255) wird gebildet durch Axen-
zylinderfortsätze dieser Zellen, die unter Aufnahme von Markscheiden zum größten
Teil als Fibrae arcuatae internae die Raphe durchkreuzen, zum geringeren Teil
ungekreuzt bleiben. Beide Faserarten gestalten sich dann zu einem besonderen
Zuge, der dorso-lateral von dem Lemniscus medialis Platz nimmt. Während ihres
ferneren Verlaufes nähern sich diese Fasern nach und nach der dorsalen Grenze
des Lemniscus medialis und treten schließlich in der Vierhügelgegend in den Be-
stand der Schleife hinein, in deren Gesellschaft sie einen kleinen Kern im Nucleus
lateralis thalami aufsuchen. Den weiteren Anschluß bilden thalamokortikale
Bahnen, die zum unteren Abschnitt der hinteren Zentralwindung ziehen.
In die aufsteigende Bahn des Nervus glossopharyngeus sind das
Ganglion jugulare superius und das Ganglion petrosum eingeschaltet, die gleich
Spinalganglien Zellen mit einheitlichem Fortsatz aufweisen, der alsbald in einen
peripheren und einen zentralen Ast zerfällt. Die zentralen Teilungsäste beider
Ganglien treten in den Seitenteil des verlängerten Markes ein, wo sie als gesonderte
Bündelchen in der Nähe der hier vorhandenen schmalen Säule der Substantia
gelatinosa verlaufen, und teilen sich nun wiederum in je zwei Äste, einen kürzeren
aufsteigenden und einen längeren absteigenden. Die aufsteigenden Äste verzweigen
sich um die Ganglienzellen in der Nachbarschaft der Substantia gelatinosa, die
absteigenden wenden sich abwärts in Gestalt des Tractus solitarius. Dieser medial
von der Substantia gelatinosa verlaufende Faserzug, der auch absteigende Äste
der Vaguswurzel führt, erschöpft sich nach und nach in kaudaler Richtung in dem
Maße, als seine Fäden streckenweise zur Substantia gelatinosa abzweigen und um
die hier vorhandenen Nervenzellen ihre Endaufsplitterung finden.
Was die weiteren Bahnen der Wurzelfasern des Glossopharyngeus betrifft,
so entwickeln sich aus den erwähnten Nervenzellen im Gebiete der Substantia
gelatinosa neue Faserzüge als Fibrae arcuatae internae, deren Mehrzahl in der
Raphe zur Kreuzung gelangt und darauf im ventralen Abschnitt der Substantia
reticularis alba Platz nimmt. Aufsteigende Richtung einschlagend nähern sich die
in Rede stehenden Fasern allmählich der dorsalen Seite des Lemniscus medialis
ähnlich wie die zentralen Bahnen des Trigeminus, in deren Gesellschaft sie darauf
rostralwärts verlaufen. Mit der Schleife gelangen sie schließlich zum kleinen
sensiblen Kern des Nucleus lateralis thalami, um dessen Zellen ihre Endauf-
zweigungen sich verbreiten. In diesen Zellen entspringen Neuriten, die als sub-
kortikale Fortsetzungen des Glossopharyngeus zum hinteren Abschnitt des Oper-
culum verlaufen. Fig. 256.
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems.
267
Fig. 256.
Verlauf der Geschmacksleitung. (Nach Bechterew.)
I N. Ophthalmien ; II N. maxillaris; /// N. mandibularis; cg kortikales Geschmackszentrum; fg zentrale aufsteigende
Geschmacksleitung im Lemniscus medialis; fg' subkortikale Leitung; Gg Ganglion geniculi ; G.sp Ganglion jugulare sup.
et petrosum nervi glossopharyngei; ta zentrale aufsteigende Fasern des Trigeminus im Lemniscus medialis; ta' sub-
kortikale Verbindung des Thalamus mit dem unteren Abschnitt des Gyrus centralis post.
268 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Zu dem in das Gehirn eintretenden Glossopharyngeus gesellt sich der sog.
N. intermedius Wrisbergi (Fig. 256). Er kommt anscheinend aus zentralen
Fortsätzen der Zellen des Ganglion geniculi, deren periphere Fortsätze vielleicht
zur Chorda tympani und zum N. lingualis gelangen und als Geschmacksfasern
für die vorderen -/., der Zunge dienen. Verlauf und Endigungen des Nervus inter-
medius sind analog denen des Glossopharyngeus; seine absteigenden Fasern ge-
langen ebenfalls zum Tractus solitarius, an dessen Zellen sie aufhören. Die zen-
trale Bahn des N. intermedius entspricht vollkommen dem Verlauf der sensiblen
Fasern des Glossopharyngeus.
Die Wurzelfasern des Nervus vagus (Fig. 257) haben gleich denen des
Glossopharyngeus auf ihrer Bahn zwei gangliöse Einschaltungen in Gestalt des
Ganglion jugulare sup. und des Ganglion nodosum, deren Zellen, entsprechend
dem Typus der Spinalganglienzellen, je einen einzigen Fortsatz abgeben, der sich
in einen peripheren und zentralen Faden spaltet. Sämtliche zentrale Fäden des
Vagus treten bündelweise in den Seitenteil des verlängerten Markes hinein, wo
sie kaudal von den Glossopharyngeusfasern eintreten. Gleich diesen spalten sie
sich unter dem Boden des vierten Ventrikels in kurze aufsteigende und lange
absteigende Äste. Jene gelangen in Kontaktbeziehungen mit den hier in der
Nachbarschaft der Substantia gelatinosa vorhandenen Nervenzellen, diese — die
absteigenden Fäden — schlagen kaudale Richtung ein, verlaufen im Gebiete des
Tractus solitarius in Gesellschaft der Glossopharyngeusfasern, durchsetzen dann
die Substantia gelatinosa und verzweigen sich schließlich mit ihren Endaufsplitte-
rungen an den dieser Substanz angehörenden Nervenzellen.
Weiterhin verlaufen die zentralen Fasern des Vagus, gleich denen des Glosso-
pharyngeus als größtenteils in der Raphe kreuzende und zum Teil ungekreuzt
bleibende Fibrae arcuatae internae, die in der ventralen Gegend der Substantia
reticularis über der Schleifenschicht aufsteigende Richtung annehmen und schließ-
lich ganz in die Bahn des Lemniscus medialis übergehen. Jenseits des lateralen
Thalamuskerns, den diese Fasern in Gesellschaft der Schleife erreichen, werden
sie durch thalamo-kortikale Bahnen fortgesetzt, die in der Umgebung der korti-
kalen Endigungen des Glossopharyngeus ihre Rindenausbreitung finden.
Der Nervus acusticus weist zwei Bestandteile auf, die besonders auch
hinsichtlich der zentralen Bahnen dieses Nerven wohl auseinanderzuhalten sind:
den Gehör- oder Schneckennerv: N. cochlearis, und den Vorhofsnerv: N. vesti-
bularis.
Der N. cochlearis (Fig. 258) erscheint als Fortsetzung der Axenzylinder von
bipolaren Zellen des Ganglion spirale, deren periphere Fortsätze auf ihrem Wege zum
Gehörapparat in das Cortische Organ eintreten und mittels freier Endigungen sich
an Zellen dieses Organes ausbreiten. Die zentralen Fäden der Bipolarzellen des
Ganglion spirale senken sich in das verlängerte Mark an der Grenze der Brücke
als äußere oder hintere Akustikuswurzel ein, Radix cochlearis, während die mediale
oder vordere Wurzel des Gehörnerven dem Ramus vestibularis desselben entspricht.
Fast unmittelbar nach ihrem Eintritt in das Gehirn gelangt die Schneckenwurzel
zu dem ventralen Akustikuskern, Nucleus ventralis n. cochlearis, um dessen Zellen
ein Teil ihrer Fasern seine Endausbreitung findet. Ein anderer Faseranteil dieser
Wurzel erreicht einen dorsolateral von dem Nucleus ventralis gelegenen grauen
Kern, Nucleus dorsalis n. cochlearis, der als Tuberculum acusticum bekannt, im
Die I.eitungsbalincn des Zentralnervensystems.
269
Tierhirn unverhältnismäßig stärker ausgebildet erscheint, als im Gehirn des Men-
schen. Entsprechend diesen beiden Endigungsstätten der Fasern des Gehörnerven
schlagen seine weiteren Bahnen zwei Hauptrichtungen ein.
Fig. 257.
Die zentrale Leitung des Glossopharyngeus und Vagus. (Nach Bechterew.)
ts subkortikale Fasern vom Thalamus zur Großhirnrinde.
Die Nervenfortsätze der Zellen des ventralen Kerns begeben sich, mit Mark-
scheiden bekleidet, direkt medianwärts und erzeugen in der unteren Hälfte der
Brücke das Corpus trapezoideum — querverlaufende, in der Raphe sich kreuzende
Fasern. Unter Abgabe von Kollateralen an den Facialiskern ziehen diese Akustikus-
fasern teils zur oberen Olive, Nucl. olivaris sup., ihrer eigenen, teils zu dem gleichen
270
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Kern der anderen Seite, teils verlaufen sie an den Brückenoliven vorbei im Außen-
felde der Haube als laterale Schleife, deren Kern, Nucleus lemnisci lateralis, einen
Teil der hierhergehörigen Fasern aufnimmt, wahrend der Rest den unteren Vier-
hügel aufsucht unter Entsendung von Kollateralen zu Zellen der oberflächlichen
Schicht des oberen Vierhügels. Aus allen genannten Kernen — mit Ausnahme der
durch Kollateralen versorgten, — entwickeln sich Axenzylinder von aufsteigendem
Charakter. Ihre Gesamtheit entspricht einer zentralen Gehörleitung, die nach
Kreuzung in der Raphe auf dem Niveau des Corpus trapezoideum im Gebiete
der lateralen Schleife verläuft, welche mit ihrem Kern zum unteren Vierhügel und
zum medialen Kniehöcker tritt, teils ziehen sie an dem Kniehöcker vorbei und
begeben sich rindenwärts.
Fig. 258.
Die zentralen Bahnen des Nervus cochlearis. (Nach Bechterew.)
VI Fila radicularia nervi abducentis; VIII. c Nervus cochlearis; cgm Corpus geniculatum mediale; \.\ I Xucleus nervi
abducentis; na Nucleus ventralis nervi cochlearis; nll Nucleus lemnisci lateralis; os Nucleus olivaris sup. ; st subkortikale
aufsteigende Bahn zur Rinde des Schläfenlappens.
Die vom Tuberculum acusticum abgehenden Axenzylinder bilden eine zweite
zentrale Gehörleitung, die um den dorsalen Teil des Corpus restiforme umbiegt,
darauf als Striae medulläres medio-ventralwärts verlaufend über der Schleife zur
Kreuzung gelangt und nun der erwähnten lateralen Schleife sich hinzugesellt.
Unterwegs begibt sich ein kleiner Anteil der hierher gehörigen Fasern zum Nucleus
olivaris sup. der gleichen Seite, ein anderer zu demselben Kern der entgegen-
gesetzten Seite, während der Rest in den Kern der lateralen Schleife und in den
unteren Vierhügelkern eintritt und teilweise direkt zum medialen Kniehöcker zieht,
wo, gleich den übrigen Endstätten, Kontaktbeziehungen zu den Zellen dieser Kerne
sich herausstellen. Die weitere Bahn dieser und jener Gehörnervenfasern, welche
auch ihre Kollateralen zum N. facialis und zu dem oberen Vierhügel schicken,
wird gebildet durch Axenzylinder aus dem unteren Vierhügel- und lateralen Schleifen-
kern, deren Gesamtheit den unteren Vierhügelarm ausmacht. Diese Fasern treten
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems.
271
auf ihrem Wege teils in den medialen Kniehöcker hinein, teils ziehen sie ähnlich
den vorigen Fasern an dem Kniehöcker vorbei und begeben sich rindenwärts.
Beide letztgenannte Fasern bilden zusammen mit den aus Axenzylindern des
Fig. 259.
Die zentralen Bahnen des Nervus vestibularis. (Nach Bechterew.)
VII Nervus facialis; VIII Nervus acusticus; a Nucleus n. vestibularis sup. (Bechterew); D Nucleus n. vestibularis lat.
(Deiters); d Nucleus dentatus; g Nucleus globosus; p Nucleus emboliformis ; ra Fila radicularia antt. ; sc, sc" sub-
kortikale Fasern vom Nucleus ruber und Thalamus zur Großhirnrinde ; t Nucleus tegmenti.
medialen Kniehöckers hervorgehenden die subkortikale Gehörleitung, die haupt-
sächlich zu der ersten Schläfenwindung hinaufzieht und ihre Endverzweigungen
an die dort vorhandenen Zellen abgibt1).
*) Im Tierhirn können Wurzelfasern des Nervus cochlearis unmittelbar bis zu den oberen Oliven
verfolgt werden; sie sollen sogar direkt bis zum unteren Vierhügel hinaufsteigen.
272 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Während seines Verlaufes gibt das betrachtete Fasersystem Seitenzweige ab,
die zu den oberen Oliven, zum Abducenskern und in das hintere Längsbündel
gelangen.
Den Wurzeln des Nervus vestibularis (Fig. 259, 260) ist auf ihrer Bahn das
Ganglion vestibuläre eingeschaltet, dessen peripherische Zellfortsätze zu den Maculae
acusticae sacculi et utriculi und zu den Cristae ampullares ziehen. Seine zentralen
Fortsätze bilden die mediale oder vordere, bezw. vestibuläre Wurzel; sie dringen
an der Grenze zwischen verlängertem Mark und Brücke dicht medial und rostral
von der vorigen Wurzel in die Substanz der Brücke hinein, und begeben sich
zum lateralen Winkel der Rautengrube; sie spalten sich alsbald in kurze auf-
steigende und längere absteigende Äste. Die aufsteigenden Äste gelangen zu dem
Nucleus n. vestibularis sup. (Bechterew) und gewinnen Beziehungen zu dessen
Ganglienzellen. Die absteigenden Äste treten in den Nucleus n. vestibularis lateralis
oder Deitersschen Kern hinein, und schlagen in demselben absteigende Richtung
ein, wobei ein allmählicher Faserverlust stattfindet, in dem Maße, als immer neue
Elemente der Wurzel sich nach und nach in die Umgebung von Zellen des
Deitersschen Kerns abzweigen.
Die Axenzylinder des Nucleus nervi vestibularis sup. begeben sich unter
Markscheidenaufnahme durch den medialen Abschnitt des unteren Kleinhirn-
schenkels zur Gegend der zentralen Kleinhirnkerne, vor allem zu dem Nucleus
globosus und zum Nucleus fastigii, in denen sie sich aufzweigen.
Die Weiterleitung zum Großhirn wird wohl durch Fasern des Brachium con-
junctivum vermittelt. Vom Deitersschen Kern wiederum begeben sich Axenzylinder
einerseits medianwärts unter dem Ventrikelboden zum hinteren Längsbündel teils
der gleichen, teils der entgegengesetzten Seite behufs Verbindung mit den Kernen
der Augenmuskel- und anderer motorischer Gehirnnerven; andererseits erzeugen
sie eine besondere absteigende cerebro-spinale Bahn, die als Tractus vestibulo-
spinalis von Loewenthal bekannt ist, und im weiteren noch näher zu betrachten
sein wird.
Die Fasern der Nervi optici (Fig. 261) sind die Axenzylinder der Ganglien-
zellen der Netzhaut, deren Dendriten, peripheriewärts ziehend und büschelförmig
aufgezweigt sich mit den Endbüscheln der zentralen Fortsätze der Bipolarzellen
der Retina durchflechten. Die peripheren Fortsätze der Bipolaren ebenfalls büschel-
förmig verästelt, gewinnen Kontaktbeziehungen zu den zentralen Fortsätzen der
Sehzellen, deren peripher gerichtete Fortsätze in Gestalt der Zapfen und Stäbchen
ihre Endigung finden. Die Fasern der Nervi optici erscheinen demnach bereits
als Axenzylinder von Neuronen 111. Ordnung.
Bei allen Tieren und beim Menschen bilden die Sehnerven auf ihrer zentral-
wärts gerichteten Bahn eine Kreuzung — Chiasma opticum — , die bei Reptilien,
Amphibien, Fischen, Vögeln, sowie bei niederen Säugetierformen (Maus, Meer-
schwein) vollständig, dagegen bei höheren Säugern (teilweise schon Kaninchen,
vor allem aber Hund, Katze und zumal Affe und Mensch) unvollständig ist. Die
Zahl der ungekreuzt bleibenden Sehnervenfasern ist bei höheren Säugetierformen
(Mensch, Affe) größer, als bei niederen (Hund, Katze) und am geringsten beim
Kaninchen.
Bekannt ist zugleich, daß ein Teil der Fasern, die dem sogenannten Macula-
bündel angehören, im Chiasma dichotomische Teilung erfährt. Zentralwärts wenden
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems.
273
sich die Fasern der Nervi optici, nachdem sie sich jenseits des Chiasma zum
Tractus opticus formiert haben, mehreren Kernen zu; sie erreichen den lateralen
Kniehöcker, das Pulvinar thalami und den oberen Vierhügel. Ein kleinerer Faser-
Fig. 260.
Die zentrale Leitung des Nervus oculomotorius und des Nervus abducens sowie die zentrale und periphere Bahn
des Nervus vestibularis. (Nach Bechterew.)
bc Fasern des Brachium conjunctivum ; ca subkortikale Verbindung des Nucleus nervi abducentis; co subkortikale Ver-
bindung des Nucleus nervi oculomotorii; er zentrale Bahn des Brachium conjunctivum; d Nucleus dentatus; fp Fasciculus
longitudinalis medialis; N. /// Nucleus nervi oculomotorii ; N. VI Nucleus nervi abducentis ; nD Nucleus n. vestibularis lat.
(Deiters); ng Nucleus globosus ; nt Nucleus tegmenti ; nv Nucleus n. vestibularis sup. (Bechterew); p Nucleus emboli-
formis ; ra Fiia radicularia antt. ; vs Tractus vestibulospinalis. Die Verbindung des N. VI mit dem N. III durch den Fasci-
culus longitudinalis medialis ist in diesem Schema nicht dargestellt.
teil wendet sich außerdem vor seinem Eintritt in den lateralen Kniehöcker um
die äußere und ventrale Oberfläche des Hirnschenkels und verliert sich in einem
kleinen konischen Gebilde: Nucleus tractus peduneularis transversi. (Fig. 261 np.)
274
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Ein letzter, ebenfalls geringer Faseranteil des Sehnerven begibt sich hinter dem
Chiasma zum zentralen Höhlengrau und zum sogenannten basalen Opticusganglion,
welches ein Teil des Tuber cinereum ist.1)
Corpus (\
jemtulalum lat.V
Fig. 261.
Verlauf der Sehbahnen. (Nach Bechterew.)
cv kortikales Sehzentrum; fa Fasern aus dem oberen Vierhügel in den Fasciculus praedorsalis übergehend; np konischer
Kern des Pedunculus cerebri; oc subkortikale Sehleitung (Gratioletsche Strahlung); s Fasern aus dem Chiasma zum
Boden des III. Ventrikels.
In allen genannten Formationen endigen Fasern der Tractus optici mittels
Telodendren um Zellen, mit denen sie Kontakt unterhalten. Aus diesen Zellen
*) Die im Tractus opticus enthaltene Gud den sehe Kommissur und die über dem Tractus
liegende Meynertsche Kommissur haben mit der Sehbahn nichts zu tun, sondern vermitteln Be-
ziehungen zwischen bestimmten grauen Formationen, die Guddensche Kommissur zum medialen
Kniehöcker (?), die Meynertsche zum Linsenkern.
Die LeiUingsbahncn des Zentralnervensystems.
275
entstehen ihrerseits Axenzylinder, von denen aber nur die des lateralen Kniehöckers
rindenwärts verlaufen und den Hinterhauptlappen im Bereich der Fissura calcarina
erreichen, wo ihre Endaufzweigungen zu den zerstreuten großen Ganglienzellen
der vierten und fünften Schicht in Beziehung treten1).
Bulbus oIFactonü^"
Fig. 262.
Die zentralen Riechbahnen. (Nach Bechterew.)
X Fila radicularia nervi vagi ; ca Commissura ant. ; cm Corpus mamillare; cp Fasern vom Nucleus habenulae zur hinteren
Kommissur; /G Faserzug vom Corpus mamillare zum Gud den sehen Kern; fi Fasciculus thalamo-mamillaris; // Fasciculus
longitudinalis medialis; fr Fornix; ful Fasern des Fornix longus ; gh Nucleus habenulae; gi Ganglion interpeduneulare;
gp Gyrus piriformis; / Lemniscus medialis; m Fasern vom Gudden sehen Kern zur Substantia reticularis grisea; na Nucleus
ant. thalami ; nG Guddenscher Kern; nt Nucleus tegmenti (v. Gudden); nX Nucleus sensibilis nervi vagi; pee Pedun-
culus corporis mamillaris aus der Schleifenschicht; qa Lamina quadrigemina; r Fasern vom Nucleus tegmenti (v. Gudden)
zu den Kernen der Hirnnerven; re Radix lat. tractus olfactorü; rf Fasern des Tractus olfactorius zum Gebiet des Tri-
gonum olfactorium; ro Radix medialis tractus olfactorü; s Fasern vom Ganglion interpeduneulare zum Nucleus tegmenti;
so Gebiet des Trigonum olfactorium; th Thalamus; tro Tractus olfactorius; tt Stria medullaris; x Fasciculus retroflexus.
Die Fasern des Olfactorius, als Nervi olfactorü bekannt, sind die zentralen
Fortsätze der im Riechepithel gelegenen Neuroepithelzellen, deren starke, kurze
Fortsätze frei an der Oberfläche endigen. Zentralwärts durchsetzen die Nervi
olfactorü die Lamina cribrosa, treten von der ventralen Seite her in den Bulbus
olfactorius hinein und verästeln sich hier innerhalb des Stratum glomerulosum mit
l) Wie in der Gehörbahn, so sind auch in der Sehbahn rückläufige Systeme vorhanden. Die-
selben verästeln sich frei in der inneren retikulären Schicht der Netzhaut in der Nähe der neuriten-
losen, reich mit Dendriten ausgestatteten Spongioblasten.
276 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
dichten Endbüscheln. Die Zweige der Büschel durchflechten sich mit den aus-
gedehnten Endbäumchen der langen Protoplasmafortsätze der Mitralzellen, die in
der Tiefe eine besondere Schicht bilden. Infolge dieser Durchflechtung der End-
verästelungen der Nervi olfactorii mit den Mitralzellendendriten kommt es zur
Bildung der Glomeruli olfactorii. In den Glomeruli gelangen die Nervi olfactorii
in Kontakt mit den Hauptdendriten der Mitralzellen, deren übrige Dendriten
kollaterale Richtung einschlagen (siehe auch Fig. 190, 191).
Die von den Mitralzellen abgehenden Axenzylinder wenden sich nach Auf-
nahme von Markscheiden zentralwärts zum Tractus olfactorius und weiterhin zur
Gegend der sogenannten lateralen Olfactoriuswurzel, die sich gegen den vorderen
Schläfenlappen zum Gyrus uncinatus, bezw. Gyrus piriformis wendet (Fig. 262).
In dieser Rindenregion gewinnen die Verästelungen der erwähnten Fortsätze
Kontaktbeziehungen zu dort vorhandenen großen Zellen, die das kortikale Riech-
feld bilden.
Unterwegs entsenden die zentralen Fortsetzungen der Nervi olfactorii Kolla-
teralen, welche mit den Pyramidenzellen der grauen Substanz des Tractus olfac-
torius in Berührung gelangen. Die Axenzylinder der Pyramidenzellen schlagen
ihrerseits zentralwärts gerichtete Bahnen ein. Mindestens ein Teil von ihnen
findet zur Herstellung einer Kommissur zwischen den Bulbi und Tractus olfactorii
Verwendung.
Die Axenzylinder der vorhin genannten Mitralzellen gelangen jedoch nicht
nur zur Rinde der Gyrus piriformis, sondern wenden sich teilweise auch zu der
dem Trigonum olfactorium zustrebenden mittleren Riechwurzel, wo ebenfalls ein
Kontakt ihrer Verzweigungen mit Zelldendriten zustande kommt. Die Neuriten
der Zellen des Trigonum olfactorium hinwiederum verlaufen gegen den Hirnstamm
und entsprechen einer reflektorischen Riechbahn. ')
//. Die absteigenden Leitungs-Systeme.
Aus Axenzylindern von Zellen der Hirnrinde hervorgegangen, wenden sich
sämtliche absteigenden Leitungsbahnen peripheriewärts, indem sie den Hirnstamm
und das Rückenmark mit den zentrifugal-motorischen Hirnnerven- bezw. den
vorderen Rückenmarkswurzeln verlassen. Eine Ausnahme bilden nur die absteigen-
den Fasern der hinteren Wurzeln und der sensiblen Hirnnerven.
Zu den gegenwärtig bestgekannten Systemen dieser Art gehört die Pyra-
midenbahn.
Die Pyramidenbahn (Fig. 263) beginnt beim Menschen und bei den Affen
im Bereich der vorderen Zentralwindung und im Wurzelgebiet der ersten und
zweiten Stirnwindung, in den Riesenpyramidenzellen, deren Neuriten nach Auf-
nahme von Markscheiden mit dem Stabkranz zur Gegend des mittleren Drittels
vom hinteren Schenkel der Capsula interna hinabsteigen. Sodann treten die
Pyramidenfasern in den Fuß des Hirnschenkels, dessen zweites bis viertes Fünftel
sie auf Querschnitten einnehmen, durchsetzen weiterhin den ventralen Teil der
l) Außer den vorhin aufgeführten Faserarten enthält der Bulbus olfactorius centrifugal ge-
richtete Fasern. Diese verästeln sich frei in der Körnerschicht, welche dicht hinter der Mitral-
zellenschicht gelegen, besondere neuritenlose Zellen enthält, aber auch sog. Golgische Zellen mit
kurzem reichverzweigten Neuriten aufweist.
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems.
277
Brücke, wo sie zum Teil von den queren Brückenfasern zerklüftet werden, und
wenden sich schließlich zur Pyramide der entsprechenden Seite, wo sie eine teil-
weise Durchkreuzung ihrer Elemente erfahren. Fig. 264.
Fig. 263.
Verlauf der Pyramidenbahn. (Nach Bechterew.)
bp Fasern aus den Nuclei pontis durch Vermittlung der Brachia pontis zum Kleinhirn verlaufend; Np Nuclei pontis;
pa Fasciculus cerebrospinalis ant. (pyramidalis ant.) ; pl Fasciculus cerebrospinalis lat. (pyramidalis lat.) ; ra Fila radicu-
laria antt. ; y Substantia nigra.
Der größere gekreuzte Teil der Pyramidenbahnfaserung steigt im hinteren
(dorsalen) Teil des Seitenstranges abwärts als Pyramidenseitenstrangbahn,
Fase, cerebrospinalis lat., die übrigens auch eine geringe Anzahl ungekreuzter
Elemente führt. Der kleinere, zunächst nicht kreuzende Teil der Pyramidenfaserung
zieht im medialen Abschnitt des Vorderstranges abwärts als Pyramidenvorder-
strangbahn, Fase, cerebrospinalis ant. Die laterale Pyramidenbahn kann bis in
278
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
die kaudalen Abschnitte des Rückenmarkes, bezw. in das Sakralmark hinein verfolgt
werden. Die ventrale Pyramidenbahn ist von geringerer Ausdehnung und verliert
Fig. 264.
Verlauf der Pyramidenbahnen und der zentralen Bahnen des motorischen Trigemlnusteils und des Facialis.
(Nach Bechterew.)
Vm motorischer Teil des Nervus trigeminus; VII Fila radicularia nervi facialis; /zentrale Facialisleitung; N. V'tNucleus
motorius nervi trigemini ; N.V1I Nucleus nervi facialis; p Fasern der I'yramidenbahn (Fase, cerebrospinalis lat. et am.);
ra Fila radicularia antt. ; t zentrale Bahn des motorischen Trigeminusteils.
sich bereits in der Gegend der oberen Rückenmarkshälfte; ihre Länge und Stärke
ist beim Menschen außerordentlichen Schwankungen unterworfen, bei den Tieren
tritt sie im allgemeinen wenig hervor und kann hier fehlen.
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems. 279
Die Endfasern beider Pyramidenbahnen gelangen zu Ganglienzellen der
Vordersäule, und zwar überwiegend zu solchen der Vordersäule der gleichen Seite,
und gewinnen Kontaktbeziehungen zu diesen Zellen.
Während ihres Verlaufes entwickeln die Pyramidenbahnen kollaterale Fasern
(Fig. 263). Ein stärkeres Bündel solcher Kollateralen wendet sich zu den Brücken-
kernen; ein weiteres solches Bündel geht zu der Substantia nigra; jedoch treten
auch im Rückenmark eine Anzahl Kollateralen von der Pyramidenbahn ab, die an
Vordersäulenzellen herantreten (Fig. 264). Die Ganglienzellen der Vordersäulen
entsenden ihrerseits Axenzylinder, die in vordere Wurzeln und späterhin in ge-
mischte Nervenstämme übergehen, um schließlich für die Muskulatur des Rumpfes
und der Extremitäten Verwendung zu finden.
Ein aus dem hinteren Abschnitt der mittleren Stirnwindung hervorgehender
Anteil der Pyramidenbahn wird zum System des Nervus phrenicus. Im Stab-
kranz abwärts ziehend, verlaufen die Fasern dieses Systems durch den vorderen
Schenkel der inneren Kapsel nahe dem Knie, durchsetzen dann den Hirnschenkel-
fuß und erreichen unter partieller Kreuzung das verlängerte Mark. — Der weitere
Verlauf dieses Systems ist unbekannt, er konnte nur physiologisch verfolgt werden
auf Grund des bei seiner Reizung auftretenden inspiratorischen Effektes. Wahr-
scheinlich gelangen seine Fasern im verlängerten Mark zu dem Respirationskern
(Fig. 265) und begeben sich dann- abwärts in das Halsmark, wo sie sich im ventralen
Abschnitt des Seitenstranges in der Nähe der Vordersäule liegen und schließlich
nach partieller Kreuzung in die Phrenicuskerne des 4. und 5. Cervikalsegmentes
hineintreten. Die Axenzylinder der Vordersäulenzellen, die diesen Kernen ent-
sprechen, verlaufen als Nervus phrenicus mit den vorderen Wurzeln peripheriewärts.
Ein anderer Teil der Pyramidenfasern, aus der Gegend des hinteren Abschnittes
der oberen Stirnwindung hervorgehend (Fig. 266c), begibt sich in Gesellschaft
der übrigen Pyramidenbündel abwärts, gelangt im kaudalen Teil des verlängerten
Markes und im Halsmark zu einer besonderen dorso-lateralen Gruppe von Vorder-
säulenzellen, die als Nucleus nervi accessorii bekannt sind. Fortgesetzt
werden diese Fasern, die als Accessoriussystem bezeichnet werden können, durch
die Wurzeln des Nervus accessorius, die vom Kern dorsalwärts verlaufen, sich
darauf durch den Seitenstrang lateralwärts wenden unter vorübergehender Annahme
einer vertikal aufsteigenden Richtung, und schließlich in den Nervus accessorius
zur Versorgung der Mm. trapezius und sternocleidomastoideus eintreten.
Im unteren Gebiet des Gyrus centralis anterior beginnt das Facialis-System
(Fig. 264, 266). Es zieht innerhalb des Stabkranzes abwärts, durchsetzt den hinteren
Schenkel der Capsula interna in dessen vorderem Teil und lagert sich innerhalb
des Hirnschenkelfußes in unmittelbarer Nähe der Pyramidenbahn. Mit der Pyra-
midenbahn verlaufen die Fasern des Facialis-Systems in den basalen Teilen der
Brücke, kreuzen sich sodann im unteren Brückengebiet und gelangen schließlich
zu den Facialiskernen. Die von letzteren abgegebenen Axenzylinder verlaufen nach
Aufnahme von Markscheiden in dorso-medialer Richtung, bilden rostral vom Ab-
ducenskern ein Knie und treten dann als Facialiswurzeln aus.
Abwärts von dem Facialis-System entspringt aus Zellen des unteren Teiles
der vorderen Zentralwindung das absteigende Trigeminus-System (Fig. 264,
266). Gleich dem vorigen System verläuft es mit dem Stabkranz durch die innere
Kapsel, den Hirnschenkel und die Brücke. Entsprechend dem kaudalen Abschnitt
Uauber-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 15
280
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
des unteren Vierhügels wenden sich diese Trigeminusfasern von der Pyramiden-
bahn allmählich dorsalwärts und gelangen unter teilweiser Kreuzung in der Raphe
zu den motorischen Trigeminuskernen im lateralen Teil der Brückenhaube.
Fig. 265.
Die Atmungsleitung. (Nach Bechterew.
X Fila radicularia nervi vagi ; XU Fila radicularia nervi hypoglossi ; fr spinale absteigende Atmungsbahn ; fs und hs Bahn
für psychoreflektorisches Atmen; N.X11 Nucleus nervi hypoglossi; Na Nucleus ambiguus ; nr Nucleus respiratorius;
ra Fila radicularia antt. ; rs Bahn für die willkürlichen Atmungsbewegungen; t Bahn für psychoreflektorisches Atmen;
ts Tractus solitarius.
Die aus Zellen dieser Kerne hervorgegangenen Axenzylinder erzeugen nach
Aufnahme von Markscheiden die motorische Trigeminuswurzel.
Ergänzt wird das absteigende Trigeminus-System durch Bahnen, die zu dem
sogen, accessorischen Trigeminuskern verlaufen, einer Anhäufung rundlicher
Nervenzellen, die am Außenrande der zentralen grauen Substanz im Bereiche des
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems. 281
Vierhügels und der oberen Brückengegend vorhanden ist, und den Elementen des
Locus caeruleus unmittelbar angrenzt. Der Verlauf des zentralen Neurons dieses
Fasersystemes ist nicht endgültig festgestellt; es gestaltet sich höchstwahrscheinlich
so, daß die hinzugehörigen Fasern aus der Hirnrinde im Stabkranz abwärts ziehen,
nach Durchsetzung der Capsula interna zur Haube verlaufen und dicht lateral von
der grauen Substanz als besonderes Bündel sich lagern, das auf Querschnitten die
Gestalt eines bis an die Zellen des erwähnten Kernes sich fortsetzenden Halb-
mondes zeigt. Das periphere Neuron dieses Fasersystems wird gebildet durch die
Radix meseneephalica n. trigemini (siehe S. 300).
Ein weiteres wichtiges Augen-Fasersystem entspringt aus Zellen des
hinteren Abschnittes der mittleren Stirnwindung in Gestalt von Axenzylindern, die
nach Annahme von Markscheiden im Stabkranz herabsteigen und die Capsula in-
terna in der Nähe ihres Knies durchsetzen. Aus den hierher gehörigen Fasern
entwickeln sich zwei Bündel (Fig. 266). Das eine verläuft mit der Pyramidenbahn
und geht im Bereiche der Brücke in die Haube über, kreuzt in der Raphe und
wendet sich zu dem Kern des Nervus abducens der anderen Seite, der durch
Fasern des hinteren Längsbündels mit dem für den Musculus rectus medialis
bestimmten Oculomotoriuskern in Verbindung steht. Der zweite Faserzug trennt
sich von dem vorigen, wie es scheint, schon in der Gegend zwischen oberem
Vierhügel und hinterem Teil des Thalamus; er gelangt zur Haube, geht teilweise
auf die andere Seite und begibt sich auf noch unbekannten Wegen zu den übrigen
Kernen des Oculomotorius der. entgegengesetzten und zu dem des Trochlearis der
gleichen Seite.
Die Zellen des Abducenskerns, sowie diejenigen des Oculomotorius- und
Trochleariskerns entsenden Axenzylinder. Die vom Abducenskern verlaufen unge-
kreuzt ventralwärts und verlassen als Abducenswurzeln (zur Innervation der Mm.
recti laterales) zwischen verlängertem Mark und Brücke das Gehirn.
Die Axenzylinder des Trochleariskerns ziehen dorsalwärts, kreuzen sich voll-
ständig im Gebiete des Velum medulläre ant. und treten unterhalb der Vierhügel-
platte aus.
Die Axenzylinder der Oculomotoriuskerne endlich ziehen größtenteils ventral-
wärts und ungekreuzt; andere, und zwar diejenigen des hinteren Teiles des Haupt-
kerns, kreuzen sich dorsal von den Kernen. Beide sammeln sich zu Bündeln, die
zum großen Teil in lateral-konvexen Bogen zum Sulcus nervi oculomotorii verlaufen
und dort austreten.
Das System des Nervus hypoglossus (Fig. 266) entsteht aus Axenzylindern
von Zellen des unteren Abschnittes der vorderen Zentralwindung (abwärts vom
Facialisgebiet). Seine Fasern gelangen zum Stabkranz, durchsetzen den vorderen,
dem Knie angrenzenden Teil des hinteren Schenkels der Capsula interna und
erreichen den Hirnschenkelfuß und die Brücke, wo sie dicht neben dem Facialis-
System liegen. In der Pyramide verlaufen sie bis zur Höhe der Hypoglossus-
kerne, treten dann aus der Pyramide dorsalwärts hinaus, kreuzen sich zum größten
Teil in der Raphe und begeben sich zu den Hypoglossuskernen, mit deren Zellen
ihre Endaufzweigungen in Kontakt treten.
"Aus diesen Zellen hervorgehende Axenzylinder bilden die Hypoglossus-
wurzeln.
Die Systeme des Glossopharyngeus und Vagus entwickeln sich aus
15*
282
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Axenzylindern der alleruntersten Felder des Gyrus centralis anterior (hinter der
Wurzel der unteren Stirnwindung). Sie steigen im Stabkranz abwärts, durchsetzen
die Capsula interna in der Nähe ihres Knies und verlaufen in der Basis pedunculi
cerebri in Gesellschaft der Pyramidenbahn. Im verlängerten Mark kreuzen sie
Fig. 266.
Zentrale Bahnen der motorischen Gehirnnerven. (Nach Bechterew.)
a, o Rindenzentren und Fasern für Oculomotorius und Abducens; c Rindenzentrum und Fasern für Accessorius; f,h,k,s
Rindenzentren und Fasern für Antlitz (Facialis), Zungenbewegungen (Hypoglossus). Kaubewegungen (Trigeminus), Schlucken
(Glossopharyngeus und Vagus); Mi//, N.IV usw. die Kerne der motorischen Hirnnerven; ///, IV usw. die Wurzeln der
motorischen Hirnnerven.
sich teilweise in der Raphe und begeben sich einerseits zu dem dorsalen klein-
zelligen Vago-glossopharyngeuskern, andererseits zu dem Nucleus ambiguus.
Die aus den oberen Teilen des erstgenannten Kernes hervorgehenden Axen-
.zylinder verlaufen unter dem Ventrikelboden lateralwärts und verlassen den Seiten-
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems. 283
teil des verlängerten Markes in Gestalt einzelner Bündel, die schließlich den Stamm
des Nervus glossopharyngeus ausmachen. Einige Fasern ziehen medianwärts und
gehen nach Überschreitung der Raphe in Wurzeln des Glossopharyngeus der an-
deren Seite über. Die aus den rostralen Teilen des Nucleus ambiguus hervor-
gehenden Axenzylinder verlaufen anfangs dorsalwärts und wenden sich nach Er-
reichung des Grau vom Boden des IV. Ventrikels lateralwärts zu den vorgenannten
Glossopharyngeuswurzeln (für den M. stylopharyngeus).
Die Wurzelfasern des Nervus vagus entwickeln sich als Axenzylinder der
kaudalen Teile beider Kerne und schlagen eine den vorigen Faserzügen sehr ähn-
liche Bahn ein. Sie liegen während ihres ganzen cerebralen Verlaufes kaudal
von den Glossopharyngeuswurzeln. Aus ihnen entwickelt sich der Stamm des
Nervus vagus.
Ein Teil der absteigenden Fasern der Hirnnerven begibt sich im unteren
Abschnitt des Hirnschenkels zur Schleife als mediale und zerstreute accessorische
Schleifenbündel und erreichen so ihre Endkerne. Welche cerebrale Verbindungen
der Gehirnnerven mit der Schleife zu den entsprechenden Nervenkernen ge-
langen, ist noch unbekannt; ein Teil der cerebralen Fasern des Vagus und
Glossopharyngeus dürfte wohl im Wege der Schleife zum verlängerten Mark
hinabziehen.
Zu den absteigenden Leitungsbahnen, welche die Hirnrinde unmittelbar mit
motorischen Hirnnervenkernen und mit dem Rückenmark verbinden, tritt eine
Reihe von Bahnen hinzu, die in subkortikalen GangHen und in bestimmten Kernen
des Hirnstammes unterbrochen werden. Fig. 267.
In erster Linie gehören hierher Leitungen, die aus der zentralen motorischen
Rindenzone hervorgehen und im Stabkranz zum medialen Kern des Thalamus
hinabsteigen. Fasern, die aus Zellen dieses Kerns entstehen, erreichen den roten
Haubenkern der gleichen Seite (zum Teil auch den der anderen Seite), und aus
diesem gehen neue absteigende Fasern hervor, die in der basalen For eischen
Kreuzung die Mittellinie überschreiten und weiterhin als Monakowsches Bündel,
Tractus rubrospinalis, längs der Seitenfläche des verlängerten Markes abwärts
ziehen. Auf dem Wege dahin gibt dieses System einen bestimmten Faseranteil
an den Facialis- und Trigeminuskern ab und geht in den Seitenstrang des Rücken-
markes über. Hier liegt es in ganzer Ausdehnung bis in das Sakralmark hinab
ventral von der Pyramidenbahn (Fig. 252). Seine Elemente wenden sich schließ-
lich gegen das Rückenmarksgrau und gewinnen Beziehungen zu Vordersäulen-
zellen, bezw. zu den Ursprungsstätten vorderer Rückenmarkswurzeln.
Eine weitere, durch den Thalamus hindurchtretende absteigende Bahn nimmt
ebenfalls in der zentralen motorischen Rindenregion ihren Anfang, begibt sich im
Stabkranze abwärts und erreicht den medialen Kern des Sehhügels. Aus Zellen
dieses Kerns geht dann ein von Bechterew aufgefundener Faserzug hervor, der,
medial neben den Fasern des Fasciculus retroflexus verlaufend, sich lateral dem
hinteren Längsbündel anlagert, im Vierhügelgebiet ventrolaterale Richtung ein-
schlägt, allmählich der Mittellinie näher rückt und den von Bechterew beschrie-
benen Nucleus reticularis der Brückenhaube erreicht. Seinerseits entsendet dieser
Kern absteigende Faserzüge zu den Vorder-Seitenstranggrundbündeln (Fase. ant. et
lat. proprius) und von hier zu Zellen der Vordersäule bezw. zu den Ursprungs-
gebieten der vorderen Rückenmarkswurzeln.
284
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Eine dritte Thalamusbahn, aus der zentralen motorischen Rindenzone hervor-
gehend und im Stabkranze abwärts verlaufend, erreicht gleichfalls den medialen
Fig. 267.
Absteigende Bahnen* welche durch den Thalamus treten. (Nach Skizzen von Bechterew.)
a Fasern, die vom Thalamus längs der Raphe abwärts verlaufen; b Fasern vom Thalamus zum Nucleus reticularis tegmenti ;
c Fasern vom Thalamus zum Nucleus lemnisci lat. ; cp Fasern der Commissura post. ; d, <V Fasern vom Thalamus zum
Nucleus ruber der gleichen und der entgegengesetzten Seile; e Fasern vom Thalamus zum Stratum superficiale des oberen
Vierhügels; fp absteigende Fasern des hinteren Längsbündels (Fase, longitudinalis medialis); m Nucleus medialis thalami ;
nci Substantia reticularis grisea; nll Nucleus lemnisci lateralis; nm Nucleus medianus; nrs Nucleus reticularis tegmenti;
q weiterer Verlauf der Bahn a ; ra Fila radicularia ant. ; / Fasern vom N. reticularis zum Rückenmark ; ti kortiko-thalamische
Fasern zum Nucleus medialis thalami; tg kortiko-thalamische Fasern aus dem kortikalen Stimmzentrum; tr Tractus rubro-
spinalis (Monakow).
Sehhügelkern. Ein hier entspringender, in Bechterews Institut (von Dr. Ernst)
näher verfolgter Faserzug verläuft anfangs (zwischen Thalamus und Vierhügeln)
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems. 285
ventromedial vom hinteren Längsbündel und nimmt dann dorsal vom Fasciculus
retroflexus Platz. In Höhe des Nucleus ruber findet er sich ventral von der
Fontänenkreuzung und medial von den Oculomotoriuswurzeln; in der Brücken-
gegend rückt er in die Nähe der Raphe, berührt mit seinen ventralen Bündeln den
dorsomedialen Rand des Lemniscus medialis, erreicht jedoch dorsal nicht das
hintere Längsbündel. Im weiteren Verlauf dauernd der- Raphe folgend, erschöpft
sich der Faserzug gegen das verlängerte Mark hin und hört im Bereiche des
unteren Zentralkerns vollends auf. Seine kaudale Bahn ist zwar nicht näher
ermittelt, aber es ist wohl nicht zu bezweifeln, daß seine Elemente zu Zellen der
Formatio reticularis medullae oblongatae in Beziehung treten. Neue Fasern, die
hier entstehen, ziehen wahrscheinlich im Grundbündel des Vorder-Seitenstranges
(Fasciculus ant. et lat. proprius) des Rückenmarkes abwärts und gelangen zu Zellen
der Vordersäule bezw. zu Ursprungszellen vorderer Rückenmarkswurzeln.
Ein weiteres absteigendes Fasersystem entwickelt sich aus der Großhirnrinde
dicht hinter der unteren Stirnwindung am Orte des Stimmzentrums (Fig. 267). Es
verläuft im Stabkranz zur Gegend des Thalamus bezw. zur Nachbarschaft des
Corpus geniculatum mediale, wo es wahrscheinlich zu den hier vorhandenen
Nervenzellen in Kontaktbeziehungen tritt. Hier entstehende neue Faserzüge ver-
laufen im Brachium quadrigeminum inf. zur Gegend des unteren Vierhügels, wo sie
den Kern der lateralen Schleife erreichen, wenden sich dann medianwärts und
gelangen unter partieller Kreuzung zum Nucleus centralis superior bezw. medialis.
Absteigende Fasern laufen von hier, wie man voraussetzen kann, in der Formatio
reticularis zu den laryngealen Kernen des Vagus und zum Respirations-Zentrum,
das seinerseits mit den Phrenicuskernen des Halsmarkes in Verbindung steht. Die
Wurzeln der genannten Nerven bilden demgemäß das peripherische Neuron dieses
Fasersystems.
Als ein kleines Fasersystem erscheinen die Bündel, die vom Thalamus zum
oberflächlichen Grau des oberen Vierhügels gehen.
Ein absteigender Zug geht vom Thalamus durch den Bindearm zum Klein-
hirn (s. unten).
Unter den Fasersystemen, die durch den oberen Vierhügel hindurch-
gehen, erwähnen wir zuerst die Züge aus den Zentralwindungen. Sie begeben
sich im Stabkranz zur Capsula interna, gehen dann zum äußeren Felde des Hirn-
schenkels und erreichen schließlich das vordere Vierhügelganglion, zu dessen Zellen
sie in Beziehung treten. Hier entspringende weitere Züge umgeben fächerförmig
das zentrale Grau des oberen Vierhügels, lagern sich nach Erzeugung der Meynert-
schen Kreuzung ventral vom hinteren Längsbündel, dem sie sich (Fasciculus prae-
dorsalis) teilweise hinzugesellen, und gelangen so zum verlängerten Mark, um darauf
zum größten Teil spinalwärts zu ziehen.
Fortgesetzt wird dieses Fasersystem, dessen Elemente wahrscheinlich mit
motorischen Zellen der Formatio reticularis Kontaktbeziehungen unterhalten, durch
absteigende Bahnen der medioventralen Vorderstrangfelder. Hier liegt dieses
System unmittelbar vor den Fasern des hinteren Längsbündels. Seine Fasern
erreichen schließlich die Vordersäule und ziehen mit den vorderen Wurzeln weiter.
Unterwegs werden überallhin Kollateralen zum hinteren Längsbündel und zu
einigen Hirnnervenkernen (Trigeminus) abgegeben.
Im Bereich der Augenzentren des Scheitellappens entstehende Faserzüge
286
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
begeben sich Im Stabkranz zur Capsula interna und erreichen den oberen Vier-
hügel. Ihre Fortsetzung bilden, wie aus physiologischen Untersuchungen sich
ergibt, Fasern, die aus Zellen des oberen Vierhügels hervorgehen und teils dorsal
Fig. 268.
Absteigende Rindenbahnen, welche durch den oberen Vierhügel durchtreten. (Nach Skizzen von Bechterew.)
II Opticus; /// Oculomotorius; IV Trochlearis ; \7Abducens; VII Facialis; rge Corpus geniculatum laterale ; cgi Corpus
geniculaturn mediale; co Sehbahn vom Corpus geniculatum lat. zur Rinde des Occipitallappens ; cp Commissura post. ;
Jl 1 Fasciculus praedorsalis; 1p Fasciculus longitudinalis medialis ; gl Fasern aus dem Corpus geniculatum mediale zum
Nucleus lemnisci lat.; ld deren weitere Bahn durch die Raphe zum Facialiskern (?); nr Nucleus ruber; nrs Nucleus reti-
cularis; oq Fasern aus der Occipitalregion zur Commissura post. ; qp Vierhügelbrückenbahn ; p Brückenbahn zum Rücken-
mark. Fortsetzung von qp; qr Tractus tecto-bulbaris ; ra Fila radicularia antt. ; rs Bahnen aus dem Nucleus reticularis zum
Rückenmark; s Fasern aus dem Corpus geniculatum laterale; sq Fasern aus der Parietalrinde zur Commissura posterior;
/r/ Pasern aus der Temporalrinde zur Commissura post.; tg Fasern aus der Temporalrinde zum Corpus geniculatum mediale.
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems. 287
vom Aquaeductus Sylvii sich kreuzen, teils direkt in das hintere Längsbündel
eingehen. Sie gelangen so zu den Augenmuskelkernen (Abducens, Oculomotorius,
Trochlearis). Die Wurzeln der Augenmuskelnerven stellen ihre weitere Bahn dar.
Ein ausgedehntes Fasersystem entsteht im Occipital läppen der Großhirn-
rinde, <am Orte der occipitalen Sehzentren. Mit der Gratioletschen Sehstrahlung
abwärtsziehend, gelangen sie zur Gegend des oberen Vierhügels, wo weitere Fort-
setzungen hervorgehen, die in der hinteren Kommissur über dem Aquaeductus
Sylvii sich partiell kreuzen; dann gehen sie in den Fasciculus longitudinalis medialis
über und erreichen so die Kerne der Augenmuskelnerven, die die weitere Leitung
der Bahn übernehmen.
Ein drittes ähnlich sich verhaltendes Fasersystem kommt aus den hinteren
Abschnitten des Schläfenlappens (Gebiet des temporalen Augenzentrums). Im
Stabkranze herabsteigend gehen seine Fasern ebenfalls in die Gegend des oberen
Vierhügels und in die Commissura posterior über, wo sie sich kreuzen und darauf
zum hinteren Längsbündel und zu den Kernen der Augenmuskelnerven gelangen,
denen die weitere Fortleitung des Fasersystems zufällt.
Als besonderer, durch den oberen Vierhügel durchtretender Faserzug ist der
Tractus tecto-bulbaris (Münzer) zu nennen. Aus Zellen des oberen Vierhügels
hervorgegangen, verläuft er an der entsprechenden Seite des Hirnschenkels bis zur
unteren Brückengegend und verliert sich hier, da seine Fasern wahrscheinlich
Zellen des Nucleus reticularis aufsuchen. Ein ganz ähnlicher Faserzug begibt sich
vom oberflächlichen Grau des oberen Vierhügels abwärts zur Brückengegend
(Pawlow). Es handelt sich wohl um lokale Verbindungswege im Bereich des
Hirnstammes.
Absteigende Fasern der oberen Schläfenlappengebiete (Gegend des Gehör-
zentrums) steigen im Stabkranz zur Gegend des medialen Kniehöckers herab
(Ohrensystem s. Fig. 268). Ein neues hier beginnendes Neuron läuft mit dem
Brachium quadrigeminum inf. zum Gebiet des unteren Vierhügels und erreicht
auf vorläufig nicht näher ermittelte Weise den zur Innervation der Ohrmuskulatur
in Beziehung stehenden Facialiskern. Physiologische Befunde deuten an, daß
dieses System zu dem für die Ohrbewegungen bestimmten Teil des Facialiskerns
gelangt.
Die Zentral windungen entsenden Fasern, welche im Stabkranz die Richtung
zum Globus pallidus des Linsenkerns (der auch einen Teil der Fasern vom Nucleus
caudatus und Putamen in sich aufnimmt) einschlagen. Im Globus pallidus nimmt
wiederum ein Teil der Fasern der von Bechterew aufgefundenen zentralen Hauben-
bahn ihren Ursprung, die in den zentralen Teilen der Haube verläuft, gegen die
Medulla oblongata hin nach und nach ventrolateralwärts hinausrückt und dann
lateral von der unteren Olive zu liegen kommt, wobei Beziehungen zu den Oliven-
zellen eingegangen werden. Fortgesetzt wird die Bahn durch den von Bechterew
genauer verfolgten Fasciculus paraolivarius, der -entsprechend dem Austrittsgebiete
der vorderen Wurzeln im gesamten Halsmark abwärts zieht.
Aus den Zentralwindungen und anderen Gebieten der Großhirnrinde gehen
Faserzüge durch den Fasciculus subcallosus (Fasciculus nuclei caudati) zur Gegend
des Schweifkerns, wo sie zellulare Beziehungen anknüpfen. Vom Nucleus cau-
datus begibt sich andererseits der Fasciculus basalis zum dorsalen Abschnitt der
Hirnschenkelbasis, bezw. zur Gegend des Corpus hypothalamicum und der Sub-
288
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Fig. 269
Absteigende Rindenbahnen, die durch Brücke und Kleinhirn durchtreten. (Nach Skizzen von Bechterew.)
Vm Portio rnotorica nervi trigemini; /Xm motorische Fasern des Glossopharyngeus; cc kortiko-striale Bahn; cl subkortikale
Bahn des Globus pallidus; cn kortikale Bahn zur Substantia nigra; co Fibrae cerebelloolivares; cp subkortikale Bahn des
Putamen ; ä Nucleus dentatus ; je zentrale Haubenbahn ; fi Fasern des intermediären Bündels ; fn Fasern aus der Substantia
nigra zu den motorischen Kernen des Trigeminus und Glossopharyngeus; fp frontopontine Bahn; g Guirlandenfasern ;
N.a Nucleus ahibiguus; N.Vm Nucleus motorius nervi trigemini ; ng Nucleus globosus; N.oi Nucleus olivaris inf. ; N.p lateraler
Brückenkern ; nrs Nucleus reticularis ; nt Nucleus tegmenti ; or Fasern aus dem Nucleus olivaris sup. zum Nucleus nervi ab-
ducentis; os Nucleus olivaris sup. ; p Nucleus emboliformis; pc Brückenganglien-Kleinhirnbahn; pr Verbindung des Klein-
hirns mit der Formatio reticularis; ps Verbindungen des Nucleus reticularis mit dem Rückenmark; ra Fila radicularia antt. ;
rpi medialer Brückenkern ; st Verbindung des Nucleus caudatus mit dem Globus pallidus ; te olivo-spinale Fasern (Fasciculus
paraolivarius nach Bechterew); tp occipitotemporale Brückenbahn; vt Bahn vom Vermis sup. zum Nucleus tegmenti.
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems. 289
stantia nigra. Die weiteren Bahnen dieses Fasersystemes, das zu der Formatio
reticularis Beziehungen hat, sind nicht ermittelt.
In dem alleruntersten Felde der Zentralwindungen entspringt ein System von
Fasern, die im Stabkranz und durch die Capsula interna zum lateralen Abschnitt
der Substantia nigra hinabsteigen (Fig. 269). Ihre weiteren Anschlüsse ver-
laufen unter teilweiser Kreuzung zu den motorischen Kernen des Trigeminus und
Glossopharyngeus, deren Wurzeln das periphere Neuron dieses Fasersystems
darstellen.
Die Züge des Fornix longus (Fig. 262) kommen aus der Gegend des Gyrus
fornicatus. Teils den Balken durchsetzend, teils ihn als Striae longitudinales um-
gehend, nähern sie sich dem Riechfelde, mit dessen Zellen sie Kontaktbeziehungen
anknüpfen. Die Zellen des Riechfeldes entsenden ihrerseits Fasern der Stria
medullaris, die mit Unterbrechung im Nucleus habenulae in den Habenulae weiter-
ziehen. Sie kreuzen an der Basis der Zirbel, verlaufen darauf im ventralen Ab-
schnitt der Commissura posterior und gelangen zu den Kernen des hinteren Längs-
bündels; mit den Fasern, die aus diesem Kern in den Fasciculus longitudinalis
medialis hineintreten, ziehen sie zum Vorderstrang des Rückenmarkes hinab.
Sie nehmen hier die dorsaleren Teile des medialen Vorderstrangrandes für sich in
Anspruch.
Ihre weitere Fortsetzung ist in Wurzelfasern der Vordersäulen zu suchen.
Ein Teil der hierher gehörigen Fasern gewinnt möglicherweise Beziehungen zu
den Kernen der Augenmuskelnerven. Ein anderer Teil des Systems begibt sich
von den Habenulakernen im Fasciculus retroflexus zu dem Ganglion interpedun-
culare (Gudden), vor welchem eine teilweise Kreuzung zustande kommt. Ein
im Ganglion interpeduneulare entspringender Faserzug läuft gegen den Boden
der vierten Hirnkammer zu einem besonderen Kern daselbst (Nucleus tegmenti
Gudden), und letzterer gewinnt hier wahrscheinlich Beziehungen zu motorischen
Hirnnervenkernen (Glossopharyngeus, Vagus usw.), deren Elemente das periphere
Neuron des Systemes sind.
Das Fasersystem der Stria terminalis ist nicht näher untersucht. Es handelt
sich wahrscheinlich um eine absteigende Bahn, die auch zu dem Riechfelde in
Beziehungen steht.
Im Gebiete des kortikalen Riechzentrums, bezw. in der Gegend des
Gyrus piriformis, nimmt als Fimbria ein mächtiger Faserzug seinen Ursprung,
der in das Gewölbe und seine Schenkel übergeht (Fig. 262). Auf dem Wege dahin
begibt sich ein Teil der Fasern zur Stria medullaris und schlägt die Richtung zum
Nucleus habenulae ein unter Anschluß an die vorhin geschilderten Fasersysteme.
Ein anderer größerer Anteil der hierher gehörigen Fasern geht in Gesellschaft
der Columnae fornicis zu dem basalen Corpus mamillare. Hier entstehen mit
gemeinsamer Wurzel: 1. das Haubenbündel von Gudden, das zur Hirnschenkel-
haube zieht und in den dorsalen Teilen der Formatio reticularis pontis den
Guddenschen Kern erreicht, und 2. das Vicq d'Azyrsche Bündel, das nahe der
Wand der dritten Gehirnkammer zum Nucleus anterior thalami hinaufsteigt. Die
weiteren Anschlüsse dieser Bahnen sind noch näher zu verfolgen.
Eine ausgedehnte absteigende Bahn kommt aus der hinteren Stirnlappen-
region, steigt im vorderen Schenkel der Capsula interna und im medialen Teil
des Hirnschenkels abwärts und erreicht die medialen Brückenkerne (Fig. 269).
290
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Eine zweite ähnlich angeordnete Bahn entspringt im Occipitotemporalgebiet
des Endhirns. Sie zieht im Stabkranz distalwärts und gelangt am hinteren
Fig. 270.
Die Verbindungen des Nucleus caudatus und die Schleifenbahn. (Nach Skizzen von Bechterew.)
Vm Nucleus motorius nervi trigemini ; IX Fila radicularia nervi glossopharyngei ; IXm Nucleus motorius n. gtüssopharyngei ;
cc kortiko-striale Bahnen; ch Corpus hypothalamicum ; jB Fasciculus cuneatus (Burdachi); fb Fasern von der Hirn-
rinde zur Substantia nigra; fG Fasciculus gracilis (Golli); // Fasern vom Nucleus caudatus zum Corpus hypothalamicum;
fl1 Fasern vom Nucleus caudatus zum Thalamus; fs Fasern von der Substantia nigra zu den motorischen Kernen des Trige-
minus und (ilossopharyngeus; Ic subkortikale Bahn des Lemniscus medialis; ns sensibler Thalamuskern ; p, p1 Bahnen
vom Lemniscus medialis zur Substantia nigra und zum Corpus hypothalamicum.
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems. 291
Schenkel der Capsula durch das laterale Feld des Hirnschenkels zu den lateralen
Brückenkernen.
Die weiteren Fortsetzungen dieser beiden Systeme, namentlich des vorderen,
steigen teilweise mit dem Fasciculus verticalis pontis zur Brückenhaube bezw. zur
Formatio reticularis, hauptsächlich zum Nucleus reticularis tegmenti hinauf. Ihr
weiterer Verlauf ist in absteigenden Fasern der Vorderseitenstranggrundbündel
(Fase. ant. und lat. proprius) bezw. in vorderen Rückenmarkwurzeln zu suchen.
Ein anderer Teil dieser Bahnen, vor allem die hinteren von ihnen, wird fort-
gesetzt durch Fasern des mittleren Kleinhirnschenkels, die aus den Brückenganglien
hervorgehend, im Pons sich kreuzen und die Richtung zu den Kleinhirnhemi-
sphären einschlagen. Ihre weitere Bahn bilden zentrifugale Kleinhirnfasern, die u. a.
im Corpus restiforme, z. T. auch im Brachium pontis verlaufen.
Das Kleinhirn entwickelt mehrere bedeutsame Systeme von absteigendem
Verlauf. Hierher gehören die Verbindungen der Rinde des Vermis superior mit
dem Dachkern. Ein im Nucleus fastigii entstehender Faserzug, der über und
zwischen beiden Kernen sich kreuzt, läuft im medialen Felde des hinteren Klein-
hirnschenkels zur gleichseitigen Oberolive, die ihrerseits einen Faserzug zum Abdu-
censkern entsendet.
Dem zentralen Kleinhirngebiet entstammt ferner ein Bündel von Fasern, die
am medialen Teil des Corpus restiforme herabsteigen und zum Deitersschen
Kern gelangen. Der hier entspringende Tractus vestibulospinalis begibt sich längs
der ventrolateralen Umrandung des Rückenmarkes abwärts und verschiebt sich in den
kaudalen Teilen des Rückenmarkes ventralwärts; seine Fasern gewinnen schließlich
Beziehungen zu Vordersäulenzellen und müssen dementsprechend weiterhin An-
schluß an vordere spinale Wurzeln finden. Ein als kollaterale Abzweigung dieses
Systems auftretender Faserzug läuft vom Deitersschen Kern zum hinteren Längs-
bündel, das Beziehungen zu den Kernen der Augenmuskelnerven vermittelt.
Ein zweites cerebellares System, das intermediäre Kleinhirnbündel wird
dargestellt durch Fasern, die das Kleinhirn durch das Corpus restiforme verlassen.
An der Seitenfläche des verlängerten Markes hinabsteigend, dringen sie zur Pyra-
mide (und zwar hauptsächlich zu derjenigen der gleichen Seite) vor (Fig. 269).
Sie verlaufen weiterhin mit der Pyramidenseitenstrangbahn, zum größeren Teil
zwischen den Pyramidenfasern eingelagert, zum geringen Teil außerhalb dieser
Bahn sich hinziehend. (Fig. 252.) Gleich anderen absteigenden Bahnen gelangt
auch diese zu Zellen der Vordersäule, gewinnt Beziehungen zu ihnen und findet
Anschluß an vordere Rückenmarkwurzeln. Zu den absteigenden Bahnen gehört
ferner ein großer Teil der Fibrae cerebelloolivares (Fig. 269), die in Olivenzellen
unterbrochen werden und als Fibrae olivo-spinales bis zur Vordersäule weiter ziehen;
ihre periphere Bahn liegt in den vorderen Rückenmarkwurzeln. — Weniger bekannt
sind absteigende Fasern, die das Kleinhirn mit den Seitenstrangkernen verbinden,
sowie Fasern, die von der Flocke zum verlängerten Mark hinabsteigen. Auch
der Fasciculus uncinatus, über dem Bindearm an dessen Eintrittsstelle im Cerebellum
gelegen, gehört zu den absteigenden Leitungen.
Das Brachium pontis enthält zum Teil absteigende Fasern zur Brücke und
zur Formatio reticularis.
Das absteigende Bündel des Bindearms (Mendel, Bechterew) kommt vom
Thalamus, erscheint also als Fortsetzung kortiko-thalamischer Bahnen. Anschluß
292
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
findet dieser Faserzug an absteigende Kleinhirnbahnen, welche zu den zentralen
Kernen des Cerebellum in Beziehung stehen. Von den aufsteigenden Fasern des
Fig. 271. V
Die absteigenden Brückenbahnen und die absteigenden Kleinhirnbahnen. (Nach Bechterew.)
VI Fila radicularia nervi abducentis ; cp Rindenbrückenbahn; erp Fasern, welche im Brachium ponlis zum Kleinhirn ziehen;
d Nucleus dentatus cerebelli; fed Faser vom Kleinhirn zum Deitersschen Kern (Nucleus vestibularis lat.) ; lo Fasern vom
Nucleus tegmenti zum Nucleus olivaris sup. ; ft Fasern von der Rinde des Wurms zum Nucleus tegmenti ; g Guirlanden-
fasern; N.VI Nucleus nervi abducentis; nd Deitersscher Kern; N.o.i Nucleus olivaris inf. ; nt Nucleus tegmenti;
os Nucleus olivaris sup. ; ra Fila radicularia an».
Bindearms gehen absteigende Kollateralen als besonderes Bündel zum ver-
längerten Mark.
Zu erwähnen sind schließlich absteigende Bahnen, die im Bereich sensibler
Nerven vorhanden sind. Aufgefunden sind solche Bahnen in den Bulbi olfactorii,
in den Sehnerven, in der Gehörleitung, in den hinteren spinalen Wurzeln.
Die Leitungsbahnen des Zentralnervensystems; Hirnnerven. 293
Außer den großen Leitungen zwischen Hirnrinde und Grau der Cerebro-
spinalaxe sind im Zentralnervensystem zahlreiche kurze Bahnen von lokaler Be-
deutung verbreitet. Mehrere solche sind schon erwähnt worden, andere können
nur bei näherem Eingehen auf detaillierte Verhältnisse Darstellung finden. Solche
Verbindungen sind z. B. die Koordinationsfasern des Rückenmarks, die von den
Strangzellen herrühren.
Zu erinnern ist auch an die ausgedehnten Systeme der Kommissuren- und
Assoziationsbahnen, die überall im Rückenmark und Gehirn zur Ausbildung
gelangen. Sie sind schon früher erwähnt worden. Über die Kommissurenfasern
siehe S. 142, über die Assoziationsbahnen siehe S. 139. Eine kurze Zusammen-
stellung sei im folgenden gegeben.
///. Assoziationssysteme und Kommissurensysteme.
Im Rückenmark: Die Fasern der hinteren Kommissur. Die vordere Kommissur hingegen
ist von Kreuzfasern eingenommen, so von den zentralen (kollateralen) Fortsetzungen der hinteren
Wurzeln.
Im Hirnstamm: Fasern, welche die homonymen Kerne der motorischen und sensitiven Hirn-
nerven beiderSeiten miteinander verbinden (kommissuraleFasern zwischen den beidenTractussolitarii,
zwischen den beiden vorderen Kernen des achten Nervenpaares, in der Trapezformation usw.); Fasern,
welche die Kerne heteronymer Hirnnerven miteinander verbinden: hinteres Längsbündel, dorsales
Längsbündel der grauen Substanz (Schütz), die Guddensche und die Meynert sehe Kommissur usw.
Hierher gehören auch die Kochschen Verbindungsfasern zwischen den einzelnen Abschnitten
des Hypoglossuskerns.
Im Kleinhirn: Fasern, welche die verschiedenen Gebiete seiner Rinde verbinden, große
obere Wurmkreuzung, die guirlandenförmigen Fasern, ein Teil der Fasern der Flockenstiele.
Im Endhirn: Vordere Kommissur, in ihr eingeschlossen die Fasern, welche die beiden
Tractus olfactorii miteinander vereinigen; der Balken, die Commissura hippocampi, endlich die
Assoziationsbündel, welche im Zentrum semiovale oder in der Rinde selbst gelegen sind.
III. Die Hirnnerven, Nervi cerebrales.
Der Ursprung der Hirnnerven und ihre Austrittsstellen an der Hirn-
oberfläche sind schon S. 148 — 150 und S. 224 — 233 geschildert worden. Im An-
schlüsse hieran sind nunmehr die Durchtrittsstellen an der mit der Dura be-
kleideten Schädelbasis zu betrachten.
Durchtrittsstellen der Hirnnerven an der Schädelbasis. Fig. 151, 273.
I. Die Nervi olfactorii treten vom Bulbus olfactorius aus durch die Löcher derLaminacribrosa
des Siebbeines mit Durascheiden versehen zu der medialen und lateralen Wand der Nasenhöhle.
II. Der N. opticus tritt, die A.ophthalmica deckend, durch das Foramen opticum zur Augenhöhle.
III. Der N. oculomotorius begibt sich zum Seitenrande des Processus clinoideus posterior und
betritt den Porus oculomotorii der Dura ; letzterer liegt in der medialen Wand der Plica petroclinoidea
lateralis der Dura und führt den Nerven durch die Fissura orbitalis superior zur Orbita.
IV. 1 cm hinter dem Porus oculomotorii liegt der enge, von der Plica petroclinoidea lateralis
etwas überdachte Porus trochlearis der Dura, welcher den N. trochlearis aufnimmt und zur Or-
bita geleitet.
V. 1 cm hinter dem Porus trochlearis folgt der weite Porus trigemini, welcher in das Cavum
semilunare führt; ersterer nimmt beide Wurzeln des Trigeminus, letzteres das Ganglion semi-
lunare auf. Der Porus trigemini hat seine Lage unter der Plica petroclinoidea medialis und dem
medialen Teil des Tentorium cerebelli s. Fig. 151.
294
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
VI. N. abducens. 5mm median wärts und rückwärts vom Porus trigemini liegt im Bereich
des Clivus der kleine Porus abducentis; er befindet sich medianwärts von der Spitze der Schläfen-
beinpyramide und näher der Medianebene als die drei vorhergehenden.
VII. und VIII. Der Facialis und Acusticus betreten den von "der Dura ausgekleideten
Porus et Meatus acusticus internus.
IX, X und XI. Der Glossophary ngeus, Vagus und Accessorius ziehen zur vorderen
oder Nerven-Abteilung des Foramen jugularc. Jener erhält dabei eine besondere, die beiden
letzteren eine gemeinsame Durascheide.
XII. Der Hypoglossus betritt gewöhnlich in zwei größere Bündel gesondert den Porus
hypoglossi, welcher demgemäß häufig doppelt ist. Er entspricht der inneren Mündung des Canalis
hypoglossi des Os occipitale.
I. Nervi olfactorii. Fig. 272, 285.
Die vom Bulbus olfactorius ausgehenden blassen Riechfäden, etwa 20 an der
Zahl, bilden keinen gemeinsamen Stamm, sondern treten je in eine mediale und
in eine laterale Reihe gesondert und von scheidenartigen Fortsätzen der Hirn-
häute umgeben, einzeln durch die Löcher der Lamina cribrosa zur Riechschleimhaut.
Fig. 272.
Verbreitung der Geruchsnerven an der Nasenscheidewand. (Von -H i rsch f eld und Leveille.) 2:3.
Die rechte Seite der Nasenscheidewand liegt vor. Canalis caroticus und Foramen jugulare sind eröffnet. / Bulbus olfactorius ;
1 Nervi olfactorii mediales; 2 Scheidewandzweig des N. ethmoidalis anterior; // N. opticus; /// N. oculomotorius ; /VN.
trochlearis; V N. trigeminus; 3 N. nasopalatinus (Scarpae); 4 Plexus caroticus internus des Sympathicus ; 5, 6, 7 Zweige
desselben; 8 N. caroticus int.; 9 N. caroticotympanicus ; 10 oberes Ende des Ganglion cervicale superius; VI N. abducens;
VII N. facialis; VIII N. acusticus; IX N. glossopharyngeus ; 11 sein Ganglion petrosum ; X N. vagus; 12 sein Ganglion
jugulare; 13 Verbindung der Nn. vagus und glossopharyngeus mit dem Ganglion cervicale superius n. sympathici ; XI N.
accessorius ; 14 sein Ramus internus ; XII N. hypoglossus ; 15 sein Verbindungsast z. Ganglion]cervicale superius n. sympathici.
a) Die Nn. olfactorii mediales breiten sich in den oberen Teilen der Schleimhaut der
Nasenscheidewand aus, indem sie zunächst in Furchen der perpendikulären Platte des Sieb-
beines verlaufen und untereinander in geflechtartige Verbindung treten. Fig. 272.
b) Die Nn. olfactorii laterales suchen die Schleimhaut der oberen und der mittleren
Muschel auf und bilden auf ihrem Wege ein reichlicheres Geflecht als die mediales. Fig. 285.
(Über ihre Endigung siehe Sinnesorgane.)
II. N. opticus.
Über den Tractus opticus, das Chiasma opticum siehe S. 102.
Der N. opticus dringt als zylindrischer Stamm von 4 mm Stärke, mit der
A. ophthalmica an seiner unteren Seite, durch das Foramen opticum in die Augen-
höhle, erhält beim Eintritte in jenes Loch zu seiner pialen und arachnoidalen Scheide
noch eine Durascheide und inseriert an der hinteren Peripherie des Augapfels,
205
■^1^2^*2^**^
Falx ceretiri
II. X. opticus.
N. ophthalmicus—
N. maxillaris
N. mandibularis
Ganglion semilunare j
(Qasseri) "T?
N. oculomotorius — f.]
IV. N. trochlearis — |
V. N. trigeminus
VI. N. abducens — t"<fc
■
VII. N. facialis — "
N. intermedius -""""
VIII. N. acusticus — '
IX. N. glosso— "
pharyngeus
X. N. vagus*''
XI. N. accessorius
(Willisii)
XII. N. hypoglossus
A. vertebralis ■-''
N. cervicalis I
Tentorium cerebelli (abgeschnitten)-
^ A,
T Ala parva ossis
A — sphenoidalis
41 A. carotis int.
I
lypophysis
l Infundibulnm
Dorsuni sellae
turcicae
Sinus caver-
' nosus
i _A. meningea
*T~ media
i Sinus
»r"~petrosus inf.
Sinus rectus Confhf ns sinuum
Protuberantia occipitalis int.
Fig. 273. Situs cavi cranii (%o).
296
M. frontalis.
M. corrugator supercilii
M. levator palpebrae sup
M. orbicularis oculi--
Olandula lacrimalis
M. rectus sup.
N. lacrimalis —
Ramiis inf. n. oculomotor
M. rectus lat.
Nn. temporales profund
N. massetericus
N. mandibularis ^^
Discus articularis der Art. mandibulae—
Foramen spinosum-T
Sinus frontalis
X. supratrochlearis
.1 Trochlea
K. frontalis
A' 5 u praoi bi tal is
Cellul.ie einnti
\. infratrochlearis
Crista galli
X. ethmoidalis ant.
N. nasociliaris
Lamina cribrosa
M. obliquus sup
N. trochlearis
\*. oph thal m ic u s
- N. opticus
X. maxillaris
— A. carotis int.
. N. oculomolorius
Ganglion semilunare
(G a s s e r i)
N. abducens
X. trigeminus
N. abducens
N. facialis
N. intermedius
X. acusticus
N. glossopharvngeus
N. vagus
N. accessorius (Vi'illisi)
Fig. 274. Nerven der Augenhöhle von oben dargestellt (' ,).
Hirnnerven. 297
4 mm medial vom hinteren Pol desselben (Fig. 277). 15 — 20 mm vom Augapfel
entfernt tritt ein wichtiger Ast der A. Ophthalmien, A. centralis retinae, in den
Sehnerven ein und verläuft mit der gleichnamigen Vene in der Axe des Sehnerven
zur Retina. Über den feineren Bau und die Ausbreitung des Opticus in der Retina
siehe Abt. VI, Sinnesorgane.
III. N. oculomotorius. Fig. 274—278.
Er entspringt aus den Nuclei oculomotorii des Mittelhirnes und verläßt
dieses im Sulcus oculomotorii mit 10 — 15 Wurzeln, verläuft dann zwischen den
Aa. cerebelli superior und cerebri posterior lateralwärts- und vorwärts zum Seiten-
rande des Processus clinoideus posterior, betritt den Porus oculomotorii und zieht
in der oberen Wand des Sinus cavernosus zur Fissura orbitalis superior und
zur Orbita.
Er führt gegen 15000 meist starke markhaltige Nervenfasern, welche zu einer Anzahl sekun-
därer Bündel vereinigt sind. Im Stamme des Nerven sind auch vereinzelte Nervenzellen, kugelige
und verästelte, zwischen den Fasern gefunden worden.
Schon intrakranial gibt der Nerv feine Fäden zu den pialen Arterien. In der oberen
Wand des Sinus cavernosus empfängt er feine Fäden aus dem die A. carotis interna umstrickenden
Plexus caroticus internus; in der Fissura orbitalis superior erhält er ferner feine sensible
Fäden vom nahen N. ophthalmicus.
In der Fissura orbitalis superior nimmt er die mediale Ecke ein, hat den N. trochlearis lateral
neben sich und tritt zwischen den beiden Ursprungsköpfen des M. rectus oculi lateralis durch. Gleich
nach dem Eintritt in die Orbita teilt er sich in zwei Äste, einen oberen und einen unteren.
Der Rarnus superior versorgt den M. rectus oculi superior und den M. levator
palpebrae superioris.
Der Ramus inferior teilt sich in drei Zweige für die Mm. rectus medialis,
rectus inferior und obliquus inferior.
Von letzterem Zweige geht auch ein kurzer Faden zum Ciliarganglion ab, die
Radix brevis ganglii ciliaris.
Ganglion ciliare. Fig. 275 — 278.
Das Ciliarganglion ist ein plattes, vierseitiges Gebilde von etwa 2 mm Länge,
welches im hinteren Abschnitt der Orbita, an der lateralen Seite des Opticus,
zwischen diesem und dem M. rectus oculi lateralis liegt.
An den hinteren unteren Rand des Ganglion treten dessen sogenannte
Wurzeln heran. Die Radix brevis s. motoria stammt aus dem Oculomotorius,
ist stärker als die übrigen und zuweilen in zwei Fäden geteilt. Die Radix longa
s. sensitiva kommt aus dem N. nasociliaris des Trigeminus und besteht oft aus
mehreren feinen Fäden. Die Radix media s. sympathica wird von mehreren
feinen Fäden gebildet, welche aus dem Plexus cavernosus des Sympathicus stammen,
sich zum Teil den anderen Wurzeln anlegen, zum Teil am Ganglion vorbeiziehen
und sich den Ciliarnerven beimischen.
Das Ganglion besteht aus multipolaren Nervenzellen mit vielen Dendriten
und einem Neuriten (Retzius). Vom vorderen Rande, besonders von den vor-
deren Ecken des Ganglion entspringen 3—6 Nervi ciliares breves, welche sich
durch Teilung bis auf etwa 20 vermehren und neben dem N. opticus zum Aug-
apfel gelangen. Gewöhnlich läßt sich eine obere und eine untere Gruppe dieser
Rauber-Kopsch, Anatomie. 10. Aun. V.Abt. 15
298
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
■."£>•
Fig. 276.
Fig. 276. Astfolge des N. oculomotorlus (linke Seite).
1 Stamm; 2 Verbindung mit dem Sympathicus; 3 Verbindung mit dem
Nervus ophthalmicus ; 4 Ramus superior; 5 Zweig für den Levator pal*
pebrae superioris ; 6 Zweig für den M. rectus superior; 7 Ramus inferior;
8 Zweig für den M. obliquus inferior; 9 Radix brevis ganglii ciliaris;
10 Radix sympathica; 11 Radix longa; 12 Ganglion ciliare; 13 Nn. ciliares
breves; 14 Zweig für den M. rectus inferior; 15 Zweig für den M. rectus
Fig. 275. medialis.
Fig. 275. Ansicht der Augenmuskelnerven von oben. Rechte Seite. (Von Hirschfeld und Leveille.) 1:1.
Der N. ophthalmicus trigemini ist kurz abgeschnitten; der Ring, an welchem die Augenmuskeln rings um die Eintrittsstelle
des Sehnerven in die Augenhöhle entspringen, ist eingeschnitten und auseinander gelegt, wobei zugleich die vorderen
Stücke der Muskeln entfernt sind. Ein Teil des Sehnerven ist weggeschnitten, um den M. rectus inferior sichtbar zu
machen. An dem Augapfel selbst ist ein Teil der Sklera und Cornea entfernt, wodurch der Verlauf der Ciliarnerven her-
vortritt, a oberer Teil der Carotis interna an der Stelle, wo sie aus dem Sinus cavernosus hervortritt und die A. ophthal-
mica abgibt; b M. obliquus superior; b' sein vorderer durch die Rolle gehender Teil; c M. levator palpebrae superioris;
d M. rectus superior; e M. rectus medialis; / M. rectus lateralis; /' seine zurückgebogene Ursprungssehne; g M. rectus
inferior; h Ansatzstelle des M. obliquus inferior. II Sehnervenkreuzung; //' Eintrittsstelle des Sehnerven in den Augapfel ;
III N. oculomotorius; 1 Ramus sup. desselben; 2 Ramus i n f. ; 3 langer Ast desselben zum M. obliquus inferior,
mit Abgabe der Radix brevis zum Ganglion ciliare; von diesem Ganglion gehen kurze Ciliarnerven aus, welche die Sklera
durchbohren; einige derselben gelangen bei 3' zu dem Ciliarmuskel ; IV N. trochlearis; 4 Verzweigung desselben am
M. obliquus superior; V große sensible, V' kleine motorische Wurzel des Trigeminus, nach vom das Ganglion semüunare
und die drei Aste des Nerven; V/N. abducens; 6 seine Verteilung am M. rectus lateralis.
N. supraorbitalis
Ramus sup. n. oculomotorii
Ganglion ciliare
Radix longa
Radix sympathica
N. opticus
N. abducens |
- Nn. ciliares
Nerven der
N. oculomotorius
Ganglion semilunare
Ast des N. oculomotorius zum M. obliquus inf.
Radix brevis ganglii ciliaris
N. ophthalmicus
Fig. 277.
rechten Augenhöhle, von der lateralen Seite betrachtet. (Von Hirschfeld und LeveilU.) 3:4.
Der Musculus rectus lateralis ist durchschnitten und mit seinem hinteren Ende abwärts gebogen.
Die laterale Wand der Orbita ist entfernt.
Hirnnervcn.
299
Nerven unterscheiden. Zur unteren Gruppe gesellen sich die beiden ebenso ver-
laufenden Nervi ciliares longi aus dem I. Aste des Trigeminus.
Sämtliche Nn. ciliares dringen in der Umgebung des Sehnerven schräg durch die Tunica
fibrosa oculi und ziehen zwischen ihr und der Tunica vasculosa oculi in Meridianrichtung nach
vorn, indem sie unterdessen Ästchen an die Chorioidea abgeben. Am Anfange des Corpus ciliare
teilen sie sich wiederholt und bilden im Inneren des Musculus ciliaris ein Ganglienzellen ent-
haltendes Geflecht, aus welchem die Nerven für den Musculus ciliaris, für die Iris und die
Hornhaut des Auges hervorgehen. Die sympathische Wurzel führt dem Augapfel Gefäß-
nerven zu, die sich besonders in der Chorioidea und Iris verbreiten. Diese Wurzel enthält ferner
Fasern, deren Reizung Pupillenerweiterung bedingt. Die kurze Wurzel bringt dem Ganglion
Fasern zu, welche den M. sphineter pupillae und den M. ciliaris versorgen. Die lange Wurzel
enthält sensible Fasern. Die sympathischen Bewe-
gungsfasern haben übrigens ihren letzten Ursprung
im cerebro-spinalen Systeme, und zwar im unte-
ren Hals- und oberen Brustmark. Von diesem
ausgeliende Ramicommunicantes übermitteln
sie dem Hals-Sympathicus, diese aber dem Plexus
caroticus und seinen bezüglichen Asten.
Das Ganglion ciliare nimmt seinen ent-
wicklungsgeschichtlichen Ursprung vom embryo-
nalen Ganglion semilunare commune, von
dem sich verschiedene Teile abgliedern, um sich
zu sympathischen (motorischen) Ganglien zu ge-
stalten. Ein vorderer abgegliederter Teil ist
das Ganglion ciliare, welches darauf zu dem
N. oculomotorius in nähere Beziehungen tritt.
Bei niederen Wirbeltieren (Amphibien) ist das
Ganglion durch Nervenzellen vertreten, welche
sich über größere Bahnstrecken des Oculomo-
torius verteilen. Bei Ungulaten, Nagern, Carni-
voren sitzt das Ganglion unmittelbar dem Oculo-
motorius an (Schwalbe). Dies Verhalten des
Ganglion weist auf die morphologische Zuge-
hörigkeit des N. oculomotorius zum Trigeminus-
gebiet hin.
Apolant (Über das Ganglion ciliare,
Arch. mikr. Anat. Bd. 47, 1896) durchschnitt an
Katzen den Stamm des Oculomotorius und fand
in der Folge die motorische Wurzel des Gan-
glion degeneriert; die Ciliarnervendagegenblieben
Fig. 278.
Ganglion ciliare der rechten Seite.
Verkehrte Prismazeichnung. (M. Reichert, 1875.)
1 Ramus inferior n. oculomotorii ; 2 N. nasociliaris; 3 Ra-
dices longae; 4 Radix motoria; 5 Radices sympathicae
vom Plexus caroticus; 6 Ganglion ciliare; 7 vier dickere
Bündel von Nn. ciliares ; 8 zwei Nn. ciliares longi ; 9 acces-
sorische Gahglienzellenhaufen ; 10 A. ciliaris posterior
longa; 11 Schlingenbildung um die Arterie.
intakt. Hierausfolgt: 1. Alle Oculomotoriusfasern
endigen im Ganglion. 2. Das G. ist ein sympathisches, das in der Bahn der zum Ciliarmuskel
und zum Sphineter pupillae ziehenden Oculomotoriusfasern eingeschaltet ist.
Bei Vögeln ist das G. nach den neuen Untersuchungen v. Lenhossek's (Arch. mikr. Anat.
Bd. 76, 1911) ein in die Bahn des Oculomotorius eingeschaltetes „motorisches Schaltganglion".
Seine Zellen haben keine Ähnlichkeit mit den Nervenzellen des Sympathicus der Vögel, allerdings
zeigen sie einen Anklang an die sympathischen Zellen der Amphibien. Bei der Beurteilung dieser
Befunde wird man daran denken müssen, daß die Vögel und Reptilien gestreifte Muskelfasern in
Iris und Corpus ciliare haben.
IV. N. trochlearis. Fig. 273—275.
Nachdem er in den Porus trochlearis der Dura mater gelangt ist, verläuft er
in einem kleinen Kanal der Dura längs des Ramus I. n. trigemini zur Fissura orbi-
talis superior. In der Augenhöhle angelangt, wendet er sich über den Ursprung des
M. levator palpebrae superioris zum M. obliquus oculi superior und tritt in denselben ein.
16*
300 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Er ist der dünnste der Hirnnerven mit gegen 1200 Fasern, nimmt einen sympathischen Faden
vom Plexus cavernosus und einen sensiblen vom Ramus 1. n. trigemini auf.
Fürbringer, M., Morphologische Streitfragen; 1. N.trochlearis. Morphol. Jahrbuch, XXX, 1902.
V. N. trigeminus. Fig. 274, 279—290.
Er verläßt die Brücke mit einer stärkeren, 50 Bündel umfassenden sen-
siblen Wurzel, Portio major, und einer schwächeren motorischen Wurzel,
Portio minor. Darauf betritt er den Porus trigemini und das Cavum semilunare
der Dura mater. In letzterem schwillt die sensible Wurzel zu dem mächtigen,
einem spinalen Ganglion entsprechenden Ganglion semilunare (Gasseri) an
und hat die motorische Wurzel an ihrer medialen Seite, ebenso wie es bei den
Spinalnerven der Fall ist. Fig. 275.
Das Ganglion liegt auf der dorsalen Fläche des Felsenbeines in der Impressio trigemini (siehe
Abt. II, S. 83). Der konkave Rand des Ganglion ist nach hinten, zur sensiblen Wurzel, der konvexe
Rand nach vorn gewendet. Vom konvexen Rande gehen drei große Äste ab, der Nervus ophthal-
micus,N. maxillaris, N. mandibularis. In letzteren Ast, der außerdem viele sensible Elemente
enthält und der stärkste der drei Äste ist, geht die ganze motorische Wurzel über. Das Ganglion
semilunare ist seinem morphologischen Wesen nach das spinalartige Ursprungsganglion der
sensiblen Wurzel des Trigeminus.
Die Zellen der Radix mesencephalica sollen nach älterer Anschauung ihren Neuriten zur
motorischen Portion senden, nach Willems (1911) aber sind diese Zellen einem Spinalganglion
homolog und dienen der Muskelsensibilität; dagegen sprechen die Befunde von Terni (Mon. zool.
ital. 1912) zugunsten der motorischen Natur dieser Zellen.
I. N. ophthalmicus. Fig. 274, 279.
Der Augenast des Trigeminus ist der schwächste der drei Äste, zieht lateral
vom Sinus cavernosus und N. abducens zur Fissura orbitalis superior und hat hier
den N. trochlearis über sich.
Während seines Verlaufes im Sinus cavernosus nimmt er einige Fädchen
vom Plexus caroticus auf, entsendet je einen Faden zum Oculomotorius,
Trochlearis, Abducens und versorgt dadurch letztere mit sensiblen Fasern.
Noch intrakranial entsendet er einen feinen Ramus meningeus, den N. tentorii,
welcher sich nach hinten wendet und sogleich an den Trochlearis anlegt, um mit
langgestreckten feinen Fäden im Zelte sich zu verbreiten und die Wandungen
des Sinus petrosus superior, Sinus transversus und Sinus rectus zu versorgen.
Vor dem Eintritt in die Fissur teilt sich der N. ophthalmicus in seine drei
Endäste, den medial gelegenen N. nasocilaris, den in der Mitte befindlichen
N. frontalis und den lateralen N. lacrimalis.
1. N. lacrimalis. Fig. 274, 281.
Der Tränennerv zieht längs des lateralen oberen Randes der Orbita über dem
M. rectus lateralis zur oberen Tränendrüse und teilt sich hinter dieser in einen
oberen und einen unteren Ast. Der obere Ast gibt feine Fäden an die Tränen-
drüse, Rami lacrimales, dringt durch sie hindurch und verästelt sich darauf in
der Konjunktiva und der Haut am lateralen Augenwinkel, sowie im oberen Augen-
lide, Ramus palpebralis.
Der untere Ast begibt sich an der lateralen Orbitawand abwärts und verbindet
sich mit dem N. zygomaticus des Ramus II trigemini: Ramus anastomoticus cum
nervo zygomatico (Fig. 281). Von der vorn konvexen Seite dieser Anastomose
Hirnnerven. 301
entspringen mehrere aus beiden Nerven stammende Fädchen, welche in die
Tränendrüse eintreten (E. Bischoff).
Die Fasern für die Tränensekretion kommen von dem Ganglion sphenopalatinum des
II. Trigeminusastes; der zu diesem Ganglion tretende N. petrosus superficialis major enthält die
aus der Medulla oblongata stammenden sekretorischen Fasern.
2. N. frontalis. Fig. 274, 277, 294, 295.
Der Stirnast, der stärkste der drei Endäste, läuft unmittelbar unter dem Dache
der Orbita und der Periorbita, als weißer Strang hindurchschimmernd, auf dem
M. levator palpebrae superioris vorwärts. Hinter der Augenhöhlenmitte teilt er
sich in den dünnen, medianwärts ziehenden N. supratrochlearis und den
starken N. supraorbitalis, welcher in der Richtung des Stammes zur Incisura
supraorbitalis zieht.
a) Der N. supratrochlearis folgt dem oberen Rande des M. obliquus
superior und teilt sich an der medialen Seite der Trochlea in einen oberen und
einen unteren Endzweig.
Der obere Zweig verläßt die Orbita über der Trochlea, durchbohrt den
M. orbicularis oculi sowie den M. frontalis und .endigt mit Zweigen zum oberen
Augenlide, zur Nasenwurzel und zur angrenzenden Stirnhaut.
Der untere Zweig zieht von der Trochlea abwärts und verbindet sich kon-
stant mit dem N. infratrochlearis aus dem N. nasociliaris. Von dem vorn konvexen
anastomotischen Bogen entspringen feine Fäden für die Haut und die Konjunktiva
des 'medialen Augenwinkels.
b) Der N. supraorbitalis setzt die Richtung des Stammes fort, gibt hinter
dem Margo supraorbitalis den Ramus frontalis, welcher in der Incisura frontalis
liegend zur Stirn zieht, ab und gelangt selber durch das Foramen supraorbitale
(oder die Incisura) zur Stirngegend. Beide Nerven durchbohren den M. orbicularis
oculi, M. corrugator supercilii und M. frontalis und breiten sich als Rami fron-
tales in der Stirnhaut bis zur Scheitelgegend aus. Mit je einem lateralwärts ab-
steigenden Ast versorgen sie auch die Haut und Konjunktiva des oberen Augen-
lides. An der Incisur sendet der Nerv dem Stirnbein und dem Periost Zweige zu.
3. N. nasociliaris. Fig. 274, 277, 285, 294, 295.
Der N. nasociliaris gelangt zusammen mit dem Oculomotorius und Abducens
zwischen den beiden Ursprungsbündeln des M. rectus lateralis in die Orbita und
begibt sich über dem Sehnerven und unter dem M. rectus superior zur medialen
Orbitawand. In der Gegend des Foramen ethmoidale anterius spaltet er sich in
seine beiden Endäste, den N. infratrochlearis und den N. ethmoidalis anterior.
Vor der Spaltung entsendet er die lange oder sensible Wurzel des Ganglion
ciliare, Radix longa ganglii ciliaris, sowie einen oder zwei Nn. ciliares
longi, die an der medialen Seite des N. opticus zum Augapfel ziehen, und den
N. ethmoidalis post., welcher zusammen mit einem R. orbitalis des Ggl. spheno-
palatinum zum Foramen ethmoidale post. zieht. Von den beiden Endästen des
N. nasociliaris verläuft:
a) Der N. infratrochlearis unter dem M. obliquus superior an der medialen
Orbitawand nach vorn zur Trochlea und teilt sich in einen oberen und einen
unteren Zweig. Der obere verbindet sich mit dem N. supratrochlearis und
zieht zum oberen Augenlid, Ramus palpebralis sup.; der untere, Ramus
palpebralis inf., versorgt den Tränensack (als ein ursprüngliches Hautstück),
302
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
die Caruncula lacrimalis und sendet auch feine Fäden zur Haut am medialen
Augenwinkel.
b) Der N. ethmoidalis anterior, die Fortsetzung des Nasociliaris gelangt
durch das Foramen ethmoidale anterius zur Schädelhöhle, zieht von der Dura be-
deckt auf der Lamina cribrosa nach vorn, um durch eine vordere Öffnung (Foramen
cribro - ethmoidale) in die Nasenhöhle einzutreten. Hier teilt er sich in drei
Zweige, Rami nasales anteriores: und zwar zwei für die Schleimhaut der
Nasenhöhle, Rami nasales interni, einen für die äußere Nasenhaut, Ramus
nasalis externus.
Fig. 279.
Fig. 280.
Fig. 280. Astfolge des N. maxillaris.
1 Stamm des N. maxillaris; 2 N. meningeus (medius); 3 Nn. sphenopalatini ; 4 Gan-
glion sphenopalatinum ; 5 N. canalis pterygoidei (Vidii); 6 Nn. palatini ; 7 N. zygo-
maticus; 8 Ramus anastomoticus cum n. zygomatico vom N. lacrimalis des N. ophihal-
micus ; 9 R. zygomaticotemporalis; 10 Ramus zygomaticofacialis; 11 N. infraorbitalis ;
12, 13 Rami alveolares supp. postt. ; 14 Ramus alveolaris superior medius; 15 R. alveo-
lares superior anterior ; 16, 16 Plexus dentalis superior; 17 Rami dentales et gingivales
superiores ; 18 Rr. palpebrales inferiores; 19 Rr. nasales externi ; 20 Rr. labiales supe-
riores des N. infraorbitalis.
Fig. 279. Astfolge des Nervus ophthalmicus.
/ N. ophthalmicus; 1 Verbindung mit dem Sympathicus; 2 sensible Zweige für die motorischen Augennerven ; 3 N. tentorii ;
4 Radix longa des Ganglion ciliare; 5 Nn. ciliares longi ; 6 N. ethmoidalis; 7 N. infratrochlearis; 8 N. supratrochlearis;
9 R. frontalis; 10 N. supraorbitalis; 11 R. anastomoticus cum n. zygomatico; 12 Rami lacrimales; 13 Ramus palpebralis;
a N. lacrimalis; b N. frontalis; c N. nasociliaris.
Die Rami nasales intt. sind:
u. Rami nasales mediales, für den vorderen Teil der Schleimhaut des
Nasenseptum. Fig. 272, 2.
ß. Rami nasales laterales; sie ziehen am vorderen Ende beider Sieb-
beinmuscheln vorbei und verbreiten sich in der Schleimhaut des vorderen Teiles
der Seitenwand der Nasenhöhle. Fig. 285.
■/. Ramus nasalis externus; er läuft in einer Rinne des Os nasale abwärts,
dringt darauf durch ein Loch des Nasenbeins, oder zwischen Os nasale und Cartilago
nasi lat. zur äußeren Haut der Nase und erstreckt sich bis zur Nasenspitze, um die
Haut dieser Gegend zu versorgen. Fig. 286, 295.
II. N. maxillaris. Fig. 280-283, 285, 286.
Der zweite Ast des Trigeminus tritt durch das Foramen rotundum in die
Fossa pterygopalatina, von hier aus durch die Fissura orbitalis inferior zum Boden
der Augenhöhle und in den Infraorbitalkanal des Oberkiefers.
Noch innerhalb der Schädel höhle sendet er einen oder zwei feine Fäden,
N. meningeus (medius), rückläufig zur Dura, die sich im Gebiet des vorderen
Hirnnerven.
303
Astes der A. meningea media verbreiten und mit dem N. spinosus des III. Astes
verbinden.
Die äußeren Äste des Ramus II sind folgende drei: N. zygomaticus,
N. infraorbitalis, Nu. sphenopalatini.
1. N. zygomaticus. Fig. 281, 286.
Er entspringt vom Stamme in der Fossa pterygopalatina und betritt durch
die Fissura orbitalis inferior die Orbita. Dort ist er durch den Ramus anastomoti-
cus cum nervo zygomatico verbunden mit dem N. ophthalmicus. An deren lateraler
Wand tritt er in den Canalis zygomaticus und spaltet sich innerhalb desselben in
zwei Äste, diese sind:
k. anastomoticus cum nervo— J:- 4
zygomatico / ig-
/. -.~
R. zygomaticofacialis
Vordere Endäste des
N. infraorbitalis
Ramus zygomaticotemporalis
N. zygomaticus
^: N. lacrimalis
N. maxillaris
Ganglion semilunare
N. facialis
N. petrosus superficialis major
N. petrosus profundus
1 X. canalis pterygoidei (Vidii)
Ganglion sphenopalalinum
Rami alveolares supp. postt.
Ein R. buccalis des N. facialis
Fig. 281.
Verzweigung des N. maxillaris. (Von Hirschfeld und Leveille.) 3:5.
Die äußere Wand der linken Augenhöhle ist entfernt und die Weichteile in der Umgebung des Oberkiefers sind größten-
teils wegpräpariert.
a) Der Ramus zygomaticotemporalis, welcher aus dem Foramen zygo-
maticotemporale in die Schläfengrube tritt, den M. temporalis und die Fascia tem-
poralis durchbohrt und die Haut der vorderen Schläfengegend versorgt. Fig. 286.
b) Der Ramus zygomaticofacialis gelangt durch das Foramen zygo-
maticofaciale mit einem oder zwei Zweigen zur Gesichtsfläche des Jochbeines,
durchbohrt den M. orbicularis oculi und versorgt die Haut in der Wangengegend,
wobei er mit peripheren Zweigen des N. facialis sich verbindet. Fig. 286.
Häufig tritt die Teilung des Nerven schon innerhalb der Orbita ein und jeder der beiden Äste
geht durch einen besonderen Kanal (siehe Abt. II, S. 106).
2. N. infraorbitalis. Fig. 281, 282, 286, 294, 295.
Er bildet die Fortsetzung des Stammes und gelangt durch die Fissura orbi-
talis inferior zum Boden der Augenhöhle und zum Sulcus, sowie zum Canalis infra-
orbitalis. Er tritt durch das Foramen infraorbitale zur Gesichtsfläche des Ober-
kiefers und löst sich in drei Astgruppen auf. Von der Fossa pterygopalatina bis
zum Foramen infraorbitala gehen aus ihm als ventralwärts ziehende Äste die Nn.
alveolares superiores hervor, welche 3 Abteilungen bilden.
a) Rami alveolares superiores posteriores. Fig. 281, 282.
Es sind gewöhnlich zwei. Sie entspringen schon vor dem Eintritt des N.
304
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
infraorbitalis in die Orbita und ziehen neben der gleichnamigen Arterie am Tuber
maxillare abwärts.
Ein hinterer Zweig bleibt mit einem Teil seiner Fasern an der Außenwand
des Oberkiefers und versorgt das Zahnfleisch in der Gegend der Molaren und den
benachbarten Teil der Wangenschleimhaut. Die übrigen Zweige treten durch die
Foramina alveolaria posteriora des Oberkiefers zur lateralen hinteren Wand
der Kieferhöhle. Hier ziehen sie in unvollständigen Kanälen des Knochens nach
vorn, verbinden sich geflechtartig mit dem R. alveolaris superior medius und ent-
senden feine Fäden zur Schleimhaut der Kieferhöhle, sowie die Nn. dentales für
die drei iMolaren.
Ramus alveolaris sup. medius
N. infraorbitalis Rami alveolares supp. poslt.
Ganglion sphenopaiatinum
N. petrosus superficialis major
N. petrosus superficialis minor
N. facialis
N. tympanicus (Jacobsoni)
R. :il\ eolaris sup. ant.
Plexus dentalis sup
us (Jacobsoni)
(Ast zur Fenestra vestibuli)
Z Ramus tubae
(Ast zur Fenestra Cochleae)
N. caroticotympanicus inf.
N. tympanicus
N. glossopharyngeus
Ganglion cervicale sup. des Sympathicus
N. canalis pterygoidei (Vidii) N. petrosus prof.
Fig. 282.
Nervus maxillaris trigemini und Ganglion sphenopalatlnum. (Von Hirschfeld und Leveille.) 2:3.
b) Ramus alveolaris superior medius. Fig. 282.
Er löst sich vom N. infraorbitalis im Sulcus infraorbitalis ab, zieht in einem
besonderen Kanälchen, teilweise in einer Rinne der lateralen Wand der Kieferhöhle
herab, sendet Verbindungen nach hinten zu den Rr. alveolares superiores poste-
riores, nach vorn zu dem R. alveolaris superior anterior und endet mit feinen
Zweigen in den beiden Praemolaren und in dem zugehörigen Zahnfleischgebiet.
c) Ramus alveolaris superior anterior. Fig. 282.
Er löst sich vom N. infraorbitalis in der Nähe des Foramen infraorbitale ab
und dringt durch ein besonderes Kanälchen in der vorderen Wand der Kieferhöhle
zum Alveolarrande vor. Hier trennt sich von ihm ein für die Nasenhöhle be-
stimmter Ramus nasalis ab; der Rest, Rr. dentales, ist für die Eck- und die
Schneidezähne des Oberkiefers bestimmt.
Die Rami dentales des letzteren verbinden sich mit dem mittleren und
den hinteren Alveolarnerven zum ausgedehnten Plexus dentalis superior,
dessen Konvexität alveolarwärts gerichtet ist. Zum Teil dicht unter der dünnen
Schleimhaut der Kieferhöhle, zum Teil im Knochen gelegen, gibt der Plexus die
Nerven für die Alveolen und die Zähne des Oberkiefers ab: Rami dentales
superiores und Rami gingivales superiores.
Der genannte Ramus nasalis zieht durch ein besonderes Kanälchen zur
Hirnnerven. 305
Schleimhaut des vorderen Teiles des Bodens der Nasenhöhle. Er geht eine Ver-
bindung mit dem N. nasopalatinus (Scarpae) ein. Siehe S. 306.
d) Die Endäste des N. infraorbitalis, in welche er sich nach dem Austritt aus
dem Canalis infraorbitalis teilt, gehen Verbindungen mit dem Nervus facialis ein.
Sie heißen:
k. Rr. palpebrales inferiores; meist sind ein medialer und ein lateraler
Zweig vorhanden; sie wenden sich um den unteren Rand des M. orbicularis oculi
zum unteren Augenlid.
»'. Rr. nasales externi et irlterni, 2 — 3; sie verteilen sich in der Haut
der Seitenwand der Nase, des Nasenflügels und Nasenloches.
;-. Rr. labiales superiores, 3 — 4; sie ziehen unter dem M. quadratus labii
superioris abwärts, verzweigen sich in der Haut und Schleimhaut der Oberlippe
bis zum Mundwinkel.
In der Medianebene des Gesichtes gehen die Nn. infraorbitales beider Seiten Anastomosen
ein und überkreuzen sich teilweise.
Funke, E., und Zander, R., Beiträge zur Anatomie des N. maxillaris n. trigemini. 1896.
Ein Schema der Innervation der Ober- und Unterlippe, an welchem u. a. die mediane Über-
kreuzung der beiden Nn. infraorbitales deutlich ist, gibt Fig. 14, Abt. IV.
3. Nn. sphenopalatini. Fig. 281—283.
Die Nn. sphenopalatini bestehen aus einem oder zwei kurzen Nerven, welche
zur Flügelgaumengrube ziehen und sich vom unteren Rande des N. maxillaris alsbald
in ein plattes dreiseitiges Ganglion, Ganglion sphenopalatinum, einsenken.
0
Ganglion sphenopalatinum. Fig. 280 — 283, 285, 296.
Das in der Fossa pterygopalatina gelegene sympathische Ganglion spheno-
palatinum ist 2 — 3 mal größer als das Ganglion ciliare und steht mit drei
Wurzeln in Verbindung, einer sensiblen (den Nn. sphenopalatini des II. Trige-
minusastes) einer motorischen (dem N. petrosus superficialis major) und einer
sympathischen (dem N. petrosus profundus); die beiden letzteren Wurzeln treten
als N. canalis pterygoidei (Vidii) miteinander vereint zum Ganglion. Das-
selbe besteht aus multipolaren Nervenzellen. Seine Äste sind 1. die Rr. nasales
posteriores superiores et inff., 2. die Nn. palatini und 3. die Rami
orbitales.
a) Wurzeln des Ganglion sphenopalatinum.
«. Die sensiblen Nn. sphenopalatini.
Ein Teil dieser Fasern zieht an dem Ganglion vorbei, ein anderer durchsetzt
dasselbe, beide nehmen Fasern aus dem Ganglion mit sich und ziehen in der
Bahn der Nn. palatini und der Rr. nasales posteriores superiores zum weichen und
harten Gaumen sowie zur Schleimhaut eines großen Teiles der Nasenhöhle.
ß. Der N. petrosus superficialis major. Fig. 281—283, 285, 296.
Er entspringt am Ganglion geniculi des N. facialis, tritt aus dem Hiatus
canalis facialis hervor, verläuft im Sulcus n. petrosi superf. majoris zur Synchon-
drosis sphenopetrosa und durchbohrt dieselbe lateral vom Porus caroticus internus,
um mit dem N. petrosus profundus zusammen durch den Canalis pterygoideus
(Vidii) zum Ganglion zu treten. Er enthält motorische Fasern aus dem Facialis,
wahrscheinlich aber auch sensible Fasern, die aus dem N. sphenopalatinus stammen
und in die periphere Bahn des Facialis übergehen (siehe N. facialis und Leitungsbahnen).
306
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
;■. Der N. petrosus profundus. Fig. 281—283, 285.
Er geht hervor aus dem lateralen Aste des N. caroticus internus des
Sympathicus, durchbricht die Synchondrosis sphenopetrosa, begibt sich in den
Canalis pterygoideus und vereinigt sich hier mit dem vorigen. Beide zusammen
bilden den N. canalis pterygoidei (Vidii), welcher den Canalis pterygoideus
durchläuft und in den hinteren Rand des Ganglion einmündet. Der Petrosus pro-
fundus ist eine Grenzstrangverbindung zwischen dem Ganglion cervicale superius
und dem Ganglion sphenopalatinum (siehe Sympathicus).
b) Äste des Ganglion sphenopalatinum.
a. Rr. nasales posteriores superiores.
Sie treten durch das Foramen sphenopalatinum aus der Flügelgaumengrube
in die Nasenhöhle und sind mediale, sowie laterale Zweige.
Fig. 284.
Fig. 284. Astfolge des R. III trlgemlnl.
1 N. mandibularis; 2 N. spinosus ; 3 N. temporalis profundus
anterior; 4 N. temporalis profundus posterior; 5 N. massetericus;
Fip" 9?n ^ ^' auriculotemporalis; 7 Rami articulares; 8 Rr. parotidei;
9 Ramus anastomoticus mit dem N. facialis; 10 N. meatus audi-
torii externi ; 11 Rami temporales superficiales; 12 Ramus auricularis anterior ; 13 N. alveolaris inferior; 14 Chorda tympani;
15 N. lingualis; 16 N. buccinatorius; 17 N. pterygoideus internus und externus; 18 N. tympanicus; 19 N. tensoris veli
palatini; 20 N. mylohyoideus.
Fig. 283. N. canalis pterygoidei und Chorda tympani.
1 N. facialis; 2 N. intermedius; 3 Ganglion geniculi ; 4 N. petrosus superficialis major; 5 N. canalis pterygoidei (Vidii);
6 Ganglion sphenopalatinum; 7 Knie des N. facialis; 8 Facialis am Foramen stylomastoideum ; 9 Ramus anastomoticus c.
plexu tympanico ; 10 N. stapedius; 11 Chorda tympani; 12 N. lingualis; 14 N. petrosus profundus.
Die Rami nasales postt. supp. mediales, 2 — 3 Fäden verzweigen sich
teilweise im oberen Abschnitt des Septum nasi; einer von ihnen aber, N. naso-
palatinus (Scarpae) (Fig. 272, 3) hat längeren Verlauf, zieht zwischen Periost
und Schleimhaut mit der Arteria nasalis post. septi im Septum vorwärts und abwärts
zum Canalis incisivus. In diesem Kanäle verbinden sich die Nerven beider
Seiten miteinander und schicken feine Zweige zum vorderen Teil der Gaumenschleim-
haut. Während seines Verlaufes am Septum versorgt der Nerv den unteren Teil
der Septum-Schleimhaut mit sensiblen Zweigen und geht vor dem Eintritt in den
Canalis incisivus die S. 305 erwähnte Verbindung mit dem Ramus nasalis des
R. aveolaris superior anterior ein. Die Gaumenäste des Nerven verbinden sich mit
dem N. palatinus anterior.
Die Rami nasales postt. supp. laterales (Fig. 285), 6 — 10 zarte Fäden,
verzweigen sich zum Teil, indem sie durch das Foramen sphenopalatinum, sowie
durch Öffnungen im vorderen Abschnitt des Canalis pterygopalatinus zur Nasen-
höhle dringen, in der Schleimhaut des hinteren Gebietes beider Siebbeinmuscheln,
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308
Nm. temporales profunda
N. temporalis superficialis
Aste des Ramus
zygomaticotemporalis
N. supraorbitalis
Ramus frontalis
N. supratrochlearis
N". infralrochleaiis
Rainus zygomatico-
facialis
A. maxillaris int.
R. nasalis ext.
Nu. auriculares antt.
N. auriculotemporalis
N. massetericus
Rr. anastomotici
cum n. faciall
[ unterer Ast
N. facialis {
I oberer Ast
N, alveolaris inf.
N. mylohyoideus
N. lingualis
Rr. nasales et labiales
supp. n. infraorbitalis
M. zygomaticus
M. triangularis
N. buccinatorius
Plexus dentalis inf
N. mentalis
Fig. 286. Verzweigung des Nervus mandibularis von außen dargestellt, nebst den Gesichts-
ästen des N. ophthalmicus und des N. maxillaris (8/o).
Hirnnerven. 309
des oberen Nasenganges und der hinteren Siebbeinzellen; zum Teil gelangen sie,
indem sie nach hinten verlaufen, zum Schlundgewölbe und verbreiten sich in der
Schleimhaut des oberen Umfanges der Choanen, des Ostium pharyngeum tubae
auditivae und der Keilbeinhöhle.
ß. Die Nn. palatini. Fig. 285.
Es sind 3 Zweige, welche den Canalis pterygopalatinus und seine beiden
Seitenkanäle durchziehen.
Der N. palatinus anterior (Fig. 285), der stärkste der drei Zweige, zieht
durch den Canalis pterygopalatinus und das Foramen palatinum majus zum harten
Gaumen, teilt sich in 3 — 4 Zweige, die in den Sulci palatini nach vom verlaufen,
und versorgt die Schleimhaut des harten Gaumens, ihre Drüsen und das Zahn-
fleisch. Er anastomosiert am Foramen incisivum mit dem N. nasopalatinus. Während
seiner Bahn im Canalis pterygopalatinus schickt er die Rr. nasales posteriores
inferiores (laterales) zur Schleimhaut der unteren Muschel, sowie des mittleren
und unteren Nasenganges. Fig. 285.
Der N. palatinus posterior (Fig. 285) durchzieht den Canalis palatinus
posterior, sowie das hintere der Foramina palatina minora und gelangt zum weichen
Gaumen; er versorgt dessen untere Schleimhautfläche mit sensiblen Zweigen.
Der motorische Nerv des M. levator veli palatini, welcher nach älterer Anschauung vom N. pala-
tinus post. stammen sollte, kommt aus dem Plexus pharyngeus, siehe S. 327.
Der N. palatinus medius (Fig. 285), der schwächste der drei Nn. palatini,
gelangt durch das laterale der Foramina palatina minora zur Gegend der Tonsillen
und zur benachbarten Schleimhaut.
;-. Rami orbitales.
2 — 3 feine Fäden. Sie gelangen durch die Fissura orbitalis inferior zur Orbita,
von da zum Foramen ethmoidale posterius und durch kleine Öffnungen in der
hinteren Naht der Lamina papyracea zur Schleimhaut der hinteren Siebbeinzellen
und der Keilbeinhöhle. Einige Fädchen gelangen auch zur Opticusscheide (Hirzel,
Arnold).
Bau des Ganglion sphenopalatinum.
Das Ganglion sphenopalatinum führt multipolare Nervenzellen, deren Neurit
nach bestimmten Angaben von M. v. Lenhossek (1895) in die Nasen- und
Gaumenschleimhaut eintritt, wo er sich im Epithel frei aufzweigt. Ein Teil der
Fasern der Nn. sphenopalatini aus dem Trigeminus durchsetzt einfach das Ganglion;
ein anderer bildet um die Zellen des Ganglion Endbäumchen und perizellulare
Faserkörbe.
III. Nervus mandibularis. Fig. 274, 284—289.
Der dritte Ast des Trigeminus, der stärkste der drei Äste, enthält außer dem
starken Rest an sensiblen Fasern auch die ganze Portio minor, d. h. die moto-
rische Wurzel des Trigeminus. Eine innige Mischung wie bei den Spinalnerven
findet nicht statt; vielmehr wendet sich der größere Teil der motorischen Fasern
nach dem Durchtritt des Ramus tertius durch das Foramen ovale des Keilbeines,
mit einem Anteil sensibler Fasern als N. masticatorius vor allem zur Versorgung
der Kaumuskeln und der Wangenschleimhaut von dem Stamme ab. Der
stärkere Rest enthält überwiegend sensible Fasern. Wie der I. und II. Ast des
Trigeminus je ein sympathisches Ganglion besitzen, so ist auch der III. mit
310 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
solchen ausgestattet, und zwar mit zwei, dem Ganglion oticum und dem
G. submaxillare.
Der erste Zweig des Ramus tertius ist der N. spinosus. Darauf entsendet
der Nerv den erwähnten N. masticatorius.
Der N. spinosus tritt durch das Foramen spinosum mit der A. meningea
media in die Schädelhöhle zurück und begleitet den vorderen und hinteren Zweig
der A. meningea media. Ein vorderer Zweig dringt alsbald in die Substanz des
großen Keilbeinflügels ein; ein hinterer Zweig gelangt durch die Sutura petrosqua-
mosa zur Schleimhaut der Cellulae mastoideae.
1. N. masticatorius.
Er gibt folgenden Nerven den Ursprung, die sich übrigens auch einzeln
vom Stamme ablösen können:
a) N. massetericus. Er geht über den M. pterygoideus externus hinweg
durch die Incisura semilunaris mandibulae zum M. masseter, sendet auch feine Fäden
zum Kiefergelenk. Fig. 274, 286.
b) N. temporalis profundus posterior (Fig. 274, 286). Er zieht über
dem M. pterygoideus externus zum hinteren Abschnitt des M. temporalis und sendet
ebenfalls Fäden zum Kiefergelenk (Rüdinger).
c) N. temporalis profundus anterior (Fig. 274, 286). Er wendet sich
über oder durch den M. pterygoideus externus hindurch zum vorderen Abschnitte
des M. temporalis.
d) N. pterygoideus externus (Fig. 286). Er läuft gewöhnlich in der Bahn
des N. buccinatorius und löst sich von diesem während seines Durchtrittes durch
den M. pterygoideus externus ab.
e) N. buccinatorius (Fig. 286) wendet sich vorwärts und lateralwärts,
durchbohrt den M. pterygoideus externus oder kommt unter ihm hervor, zieht an
der Außenfläche des M. buccinator bis zum Mundwinkel und teilt sich unterdessen
in seine Endzweige. Eine Anzahl von diesen durchbohrt den Muskel und begibt
sich zur Schleimhaut der Backe, andere Zweige treten zur Haut der Backe und
verbinden sich mit Ästen des N. facialis.
f) N. pterygoideus internus (Fig. 285, 287). Er entspringt von der medialen
Fläche des III. Astes, durchbohrt entweder das Ganglion oticum oder zieht an ihm
vorüber und senkt sich darauf in den M. pterygoideus internus ein. Aus dem
N. pterygoideus internus lösen sich in der Nähe des Ohrknotens der N. tensoris
veli palatini und der N. tensoris tympani ab.
Übrige Astfolge.
Sie ist vorzugsweise sensibel und enthält den N. lingualis und N. alveolaris
inferior, aber auch den N. auriculotemporalis. Das Ganglion oticum und sub-
maxillare treten mit seinen Zweigen in enge Verbindung.
2. N. auriculotemporalis. Fig. 286, 287, 294, 295.
Er entspringt am hinteren Rande des Stammes gewöhnlich mit zwei Wurzeln,
welche die A. meningea media zwischen sich fassen (Fig. 287). Darauf schlingt
er sich hinter dem Gelenkfortsatz des Unterkiefers bogenförmig lateralwärts und
aufwärts, tritt unter die Parotis und läßt schließlich, hinter der A. temporalis super-
ficialis gelegen, seine Endäste zum Ohr und zur Schläfenhaut ausstrahlen. Der
Nerv geht während seines Verlaufes zweierlei Verbindungen ein:
Hirnnerven. 31 1
a) er empfängt Zweige aus dem Ganglion oticum (Fig. 288,2); sie
führen ihm durch Vermittlung des N. petrosus superficialis minor aus dem N.
glossopharyngeus sekretorische Fasern für die Parotis zu (Rami communi-
cantes c. ganglio otico);
b) er verbindet sich mit dem N. facialis. Gewöhnlich sind es zwei Zweige,
Rami anastomotici cum n. faciali (Fig. 286, 287), welche an der Umbiegungs-
stelle des Auriculotemporalis nach oben sich mit dem oberen Aste des Facialis
vereinigen und demselben sensible Fasern zuführen. Fig. 295.
Die Äste des N. auriculotemporalis sind:
Rami articulares: 1 — 2 Fäden für das Kiefergelenk.
Rami parotidei, Fädchen wechselnder Zahl für die Substanz der Parotis.
Nn. meatus auditorii externi; gewöhnlich zwei, ein oberer und ein
unterer, welche an der Grenze des knöchernen und des knorpeligen äußeren Ge-
hörganges in die Wand des letzteren eindringen. Der untere geht zur unteren,
der obere zur oberen Wand des Gehörganges, dessen Haut sie versorgen helfen.
Ein feiner Zweig des oberen, R. membranae tympani, gelangt zum
Trommelfell.
Nn. auriculares anteriores (Fig. 286). Sie ziehen hinter der A. tempo-
ralis superficialis vorbei und versorgen die Haut der konkaven Fläche der Ohr-
muschel.
Rr. temporales superficiales (Fig. 286), die Endzweige des N. auriculo-
temporalis. Sie verbreiten sich nach Überschreitung des Jochbogens in der Haut
der Schläfe vor und über dem Ohr. Die letzten Ausstrahlungen anastomosieren
mit Ästen der Nn. frontalis, facialis und occipitalis.
3. N. alveolaris inferior. Fig. 286, 287, 295.
Er ist der stärkste Zweig des III. Astes, zieht zwischen dem M. pterygoideus
externus und internus abwärts, liegt dabei hinter und lateral vom N. lingualis und
gelangt zwischen dem Unterkiefer und dem Lig. sphenomandibulare zum Foramen
mandibulare (Fig. 286). Zusammen mit der A. alveolaris inferior verläuft der Nerv
im Unterkieferkanal nunmehr nach unten und vorn, versorgt auf diesem Wege die
Molar- und Prämolarzähne und tritt mit dem größeren Rest seiner Fasern durch
das Foramen mentale auf die Gesichtsfläche des Unterkiefers, um sich in der Haut
der Unterlippe und des Kinnes zu verästeln (Fig. 286, 295); der schwächere Rest
des Nerven verläuft im Unterkieferkanal weiter und versorgt den Eckzahn und die
Schneidezähne der zugehörigen Unterkieferhälfte.
Schon vor dem Eintritt in das Foramen mandibulare entläßt der Nerv die
ihm beigemischten motorischen Fasern in die Bahn des N. mylohyoideus.
Der N. mylohyoideus (Fig. 286, 287) trennt sich vom N. alveolaris inf. am
Foramen mandibulare und verläuft nun, anfangs vom M. pterygoideus internus
bedeckt, im Sulcus mylohyoideus, dann auf der Unterfläche des M. mylohyoideus
nach vorn, um den M. mylohyoideus und den Venter anterior des M. digastricus
mit motorischen Zweigen zu versorgen. Dicht hinter dem Kinn sendet der Nerv
gewöhnlich einige feine Äste zur Haut des Kinnes und der Unterkinngegend.
Über die Hautäste des N. mylohyoideus liegen neue Untersuchungen von Schumacher
(Sitzber. Akad. Wiss. Wien, Bd. 113, Abt. III, 1904) vor. In der Mehrzahl der Fälle gibt nur der
Nerv einer Seite einen Hautast ab. Die Größe des versorgten Hautgebietes schwankt, es ist un-
gefähr 4 — 5 cm breit, 3 cm hoch und entspricht dem Kinnvorsprung.
312
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Die Nn. alveolares bilden innerhalb des Canalis mandibulae den Plexus
dentalis inferior; dessen Zweige sind die Rami dentales inferiores und
die Rami gingivales inferiores.
Die Nn. alveolares inferiores posteriores treten vom Stamme im
größeren hinteren Abschnitte des Canalis mandibulae ab; versorgen die Molares
und Praemolares, die Alveolen und das Zahnfleisch.
Die Nn. alveolares inferiores anteriores gehen vom Reste des N. man-
dibularis in dem kleinen vorderen Abschnitte des Canalis mandibulae aus und
versorgen den Eckzahn und die Schneidezähne. Der in der vorderen Strecke des
Kanales enthaltene Nerv heißt darum auch Ramus incisivus.
Portio minor nervi V -.-
N. petrosus superf. minor _
N. tensoris tympani ~..
Ganglion oticum —
N. tensoris veli palatini —
Chorda tympani —
N. pterygoideus int.
N. lingualis
R. anastomoticus c. n. auriculo-
., , ,. temporali
N. auriculotemporalis
Sympathischer Zweig zum Ggl. oticum
N, mylohyoideus
N. alveolaris inf.
Fig. 287.
Das Ganglion oticum und seine Verbindungen (von der medialen Seite). (Von Fr. Arnold.) 3:5.
Die rechte Schädelabteilung ist so durchtrennt, daß das Keilbein in der Gegend des Foramen ovale, das Felsenbein durch
das Mittelohr hindurch durchsägt sind; das Unterkiefergelenk ist von innen her freigelegt, der Musculus pterygoideus int.
ist zum Teil entfernt.
Der N. mentalis, oft schon innerhalb des Kanales abgezweigt, teilt sich
beim Austritt aus den Foramen mentale, bedeckt vom M. triangularis, in die Rami
mentales und die Rami labiales inferiores; die ersten versorgen die Haut
der Kinngegend, die letzteren ziehen zur Haut und Schleimhaut der Unterlippe.
4. N. lingualis. Fig. 286—289.
Er zieht wie der N. alveolaris inf. zwischen dem M. pterygoideus externus und
internus an der medialen Seite der A. maxillaris interna herab und liegt dabei vor
und medial von ersterem Nerven (Fig. 286, 287). Vom vorderen Rande des M.
pterygoideus internus wendet er sich in sanftem, vorn-oben konkavem Bogen erst
über die Glandula submaxillaris, dann über dem M. mylohyoideus zum Seiten-
rande der Zunge, und zwar auf die Außenfläche des M. hyoglossus. Sodann
läßt er seine Zweige zwischen den Mm. hyoglossus und genioglossus in die Zunge
einstrahlen. Am Seitenrande der Zunge liegt er dicht unter der Schleimhaut und
kreuzt sich mit dem Ductus submaxillaris, der lateral über ihn hinwegzieht.
Verbindungen.
a) Während seines Verlaufes verbindet sich der N. lingualis mit dem N.
alveolaris inf. durch einen von letzterem zu ersterem schräg herabziehenden Faden.
Hirnnerven. 313
b) Bald unter seinem Ursprünge nimmt er ferner die Chorda tympani
(Fig. 287, 296) auf. Letztere tritt aus der Fissura petrotympanica (Glaseri) hervor
und vereinigt sich mit dem N. lingualis, schräg nach unten und vorn verlaufend,
in spitzem Winkel. Sie führt dem N. lingualis Fasern zu, welche mit letzterem
Nerven zu den vorderen Abschnitten der Zunge, sowie zu dem Ganglion sub-
maxillare und zur Glandula submaxillaris gelangen. In physiologischer Hinsicht
enthält die Chorda tympani teils zentripetale, dem Geschmackssinne dienende
Fasern, welche in den N. intermedius des Facialis gelangen, teils zentrifugale
Fasern: Sekretionsfasern für die Glandulae submaxillaris und subungualis.
c) Während der N. lingualis über die Glandula submaxillaris wegzieht, ver-
bindet er sich durch kurze Zweige mit dem Ganglion submaxillare (Fig. 289).
Das hintere Bündel geht vom Lingualis zum Ganglion, das vordere vom Ganglion
zum Lingualis.
d) Auf der Außenseite des M. hyoglossus verbindet sich der N. lingualis durch
einen einfachen oder doppelten Faden, Rami anastomotici cum nervo hypo-
glosso, bogenförmig mit einem der Endäste des N. hypoglossus (Fig. 301).
Der letztere empfängt hierdurch sensible Fasern für seine Endausbreitung in
der Zunge (nach E. Bischoff), oder die sensiblen Fasern laufen im Hypoglossus
zentralwärts weiter und bedingen die Sensibilität dieses Nerven bei seinem
Austritt aus der Schädelhöhle (Luschka).
Äste.
1. Noch bedeckt vom M. pterygoideus internus entläßt der N. lingualis einige
feine Zweige zum hinteren Teil der Schleimhaut des Bodens der Mundhöhle, Rr.
isthmi faucium (Arnold).
2. Am hinteren Rande der Glandula subungualis geht aus dem N. lingualis
der N. subungualis hervor. Er zieht an der lateralen Fläche der Drüse nach
vorn und versorgt teils letztere, teils die Schleimhaut des Bodens der Mundhöhle,
teils den vorderen Abschnitt des Zahnfleisches mit feinen Zweigen. Die in die
Drüse dringenden Fasern stammen aus dem Ganglion submaxillare, sowie aus
besonderen Gruppen von Ganglienzellen, welche in die Zweige eingestreut sind
und zur Bildung eines besonderen Ganglion, des Ganglion sublinguale Ver-
anlassung geben können. Fig. 289.
3. Rami linguales (Fig. 301). Dies sind die zahlreichen Endäste des N.
lingualis für die vordere Hälfte der Zunge. Sie erstrecken sich auf die Schleim-
haut des Rückens, der Seitenränder und der Spitze der Zunge und endigen be-
sonders in den Papulae fungiformes und filiformes. Die Rami linguales
führen teils einfache sensible Fasern aus dem Trigeminus, teils Geschmacksfasern
aus der Chorda tympani. In die feinere Verästelung der Rami linguales sind
viele mikroskopische Ganglien eingestreut (s. unten: R. lingualis n. glosso-
pharyngei). Siehe ferner Abt. IV, Fig. 94.
Die Ganglien des III. Astes des Trigeminus.
Abgesehen von den kleinen peripheren Ganglien in der Peripherie des N.
lingualis kommen im Gebiete des III. Astes des Trigeminus zwei größere sym-
pathische Ganglien vor, das Ganglion oticum und das Ganglion sub-
maxillare.
314
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
A. Ganglion oticum. Fig. 287, 288.
Der Ohrknoten ist ein abgeplatteter, länglichrunder Körper von 3 — 4 mm
größtem Durchmesser, welcher dicht unter dem Foramen ovale an der medialen
Seite des III. Astes des Trigeminus und an der lateralen Fläche des M. tensor
tympani gelegen ist. Seine Nervenzellen sind multipolar. Er steht mit mehreren
Nerven in Verbindung, die als seine Wurzeln bezeichnet werden; andererseits ent-
sendet er eine Reihe von Ästen.
Fig. 289.
289. Ganglion submaxlllare und sublinguale
eines Neugeborenen. 4:1.
/ N. lingualis, zentraler Teil; sm Ggl. submaxillare mil
Zweigen, die vom N. lingualis kommen, mit anderen,
die in ihn übergehen. Selbst innerhalb und auf dem
Lingualisstamme befinden sich kleine, langgestreckte
Ganglienzellenanhäufungen. Ein anderer Teil der Fasern
hängt mit dem keulenförmigen Ganglion sublinguale
{st) zusammen, welches besonders vorwärts starke
Zweige aussendet. Das Ganglion submaxillare sendet
viele Zweige (g) abwärts zur Glandula submaxillaris.
Fig. 288.
Fig. 288. Wurzeln und Äste des Ganglion oticum. 3 : 1.
G Ganglion oticum; 1 N. petrosus superficialis minor; 2 Verbindungszweig zum N. auriculotemporalis ; 3 Chorda tympani;
4 N. lingualis; 5 Verbindungszweig des Ganglion zu der Chorda tympani; 6 N. pterygoideus internus; 7 N. tensoris veli
palatini; 8, 8' Nn. sphenoidales; 9 N. tensoris tympani; 10 N. spinosus ; 11 N. canalis pterygoidei ; 12 N. petrosus super-
ficialis major; 13 N. caroticotympanicus superior.
Wurzeln des G. oticum.
1. Verbindungszweige mit dem III. Aste des Trigeminus, welche, wenn nicht alle, so doch
größtenteils in die Bahn des N. pterygoideus internus und seiner Aste übergehen. Sie stellen die
Radix motoria von Fr. Arnold dar.
2. Verbindungszweige mit dem die A. meningea media umspinnenden sympathischen Geflechte,
Ramus a nastomo ticus cum n. spinoso; sie bilden die Radix sympathica von Arnold.
3. Der N. petrosus superficialis minor (Fig. 287). Er ist ein Verbindungsstrang des
Ganglion oticum mit dem Ganglion petrosum n. glossopharyngei, zugleich des Ganglion geniculi
n. facialis, und tritt an das hintere Ende des Ganglion oticum heran. Seine Fasern stammen
größtenteils aus dem N. tympanicus des Glossopharyngeus. Das obere Endstück des N. tympanicus
nämlich, eines Astes des Ganglion petrosum, tritt aus der Paukenhöhle in die Schädelhöhle durch
die Apertura superior canaliculi tympanici, nimmt hier einen Faden vom Knie des N. facialis auf,
verläuft im Sulcus petrosus superficialis minor, tritt darauf durch die Fissura sphenopetrosa an die
untere Fläche der Schädelbasis und senkt sich in das Ganglion oticum ein. Arnold beschrieb
den N. petrosus superficialis minor als Radix sensitiva.
4. Eine vierte zentrale Verbindung besitzt das Ganglion oticum durch den Nervulus sphe-
noidalis internus mit dem Ganglion sphenopalatinum , indem der genannte feine Nerv vom
Ganglion ausgeht und zum N. canalis pterygoidei gelangt.
Hirnnerven. 315
5. Ein fünfter Verbindungszweig ist der Nervulus sphenoidalis cxternus, welcher sich
nach C. Krause zum Ganglion semilunare n. trigemini begibt.
Die in periphere Bahnen laufenden Äste des Ganglion oticum sind:
1. Starke blasse Zweige zum N. auriculotcmporalis, Ramus anastomoticus cum n. auri-
culotemporali;
2. Zweige zur Chorda tympani, Ramus anastomoticus cum chorda tympani;
3. Ein Faden zum N. tensoris tympani;
4. Ein Zweig zum N. pterygoideus internus;
5. Ein Zweig zum N. tensoris veli palatini;
6. Ein Zweig zum N. buccinatorius, sowie einige andere Zweige von unbekanntem Verlauf.
B. Ganglion submaxillare. Fig. 289 und Abt. IV, Fig. 72.
Der Zungen- oder Unterkieferknoten, im Jahre 1740 von J. Fr. Meckel zu-
erst beschrieben, ist von veränderlicher Gestalt, 3 — 3,5 mm größtem Durchmesser,
liegt über der Glandula submaxillaris und ist mit dem N. lingualis durch ein
hinteres und ein vorderes Bündel verbunden.
Ersteres führt dem Ganglion Lingualis- und Chorda-Fasern zu ; das vordere führt Ganglion-
fasern in den Lingualis. Das hintere Bündel enthält nach dem Schema von Arnold die Radix
motoria und sensitiva des Ganglion; als Radix sympathica werden mehrere feine Fäden
betrachtet, welche vom Plexus arteriae maxillaris externae ausgehen und zum Ganglion
gelangen.
Das Ganglion gibt 5 — 6 zarte Zweige zur Unterkieferdrüse, Rami submaxillares, ab, welche
von seinem unteren Rande ausgehen. Die meisten dringen mit dem Ductus submaxillaris in den Hilus
der Drüse ein und stellen deren Sekretionsnerven dar. Einige feine Fäden folgen dem Ausführungs-
gange bis zur Caruncula subungualis.
Vom vorderen Rande des Ganglion gehen jene Fäden, Rami communicantes cum n.
linguali, aus, welche sich zum N. lingualis und mit ihm zur Zunge begeben. Zuweilen gelangen
einige Fädchen aus dem Ganglion zum N. hy poglossus, um sich mit ihm peripherisch zu verbreiten.
Das Ganglion submaxillare und sublinguale enthalten multipolare Nervenzellen.
Verbreitungsgebiet des Trigeminus und seiner Ganglien. Fig. 290.
Das Gesamtgebiet, in welchem die beiden Wurzeln des Trigeminus und die
an diesen Nerven sich anschließenden Ganglien sich verbreiten, ist sehr ausge-
dehnt und gibt, wie der Ursprung des Nerven, zu einer Menge schwieriger Fragen
Veranlassung.
Der am höchsten gelegene erste Ast versorgt mit sensiblen Fasern den
Augapfel und die Augenmuskeln, die Tränendrüse, einen Teil der Nasenschleim-
haut, die Haut des Kopfes von der Augenlidspalte bis zum Scheitel.
Der zweite Ast, ebenfalls sensibel, nimmt seine Ausbreitung vorzugsweise
im Gesicht zwischen Lid- und Mundspalte, in den Zähnen des Oberkiefers, am
Gaumen, in der Nasenhöhle und der Kieferhöhle.
Der dritte Ast sendet in absteigender Richtung sensible Zweige zur Zunge,
zu den Zähnen und der Haut des Unterkiefers; in aufsteigender Richtung führt
er dem äußeren Ohr und der Haut der Schläfe Fasern zu. Mit motorischen Fasern
versorgt er die Kaumuskeln, den M. mylohyoideus und den Venter anterior des
M. digastricus.
Jeder der Äste entläßt ferner einen Ramus meningeus und versorgt das diesem
Nerven zukommende Gebiet der Wände der Schädelhöhle.
Raüber-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 17
316
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
VI. N. abducens. Fig. 273, 275, 291.
Im Nucleus n. abducentis der Brücke entsprungen, tritt der Abducens am
kaudalen Rande der Brücke, zwischen dieser und der Pyramide zur Oberfläche.
Er ist rein motorisch, enthält etwa 2600 Nervenfasern und ist gleich dem N. troch-
learis für einen Muskel bestimmt, den M. rectus oculi lateralis.
Gegen den Clivus verlaufend tritt er lateral hinter dem Dorsum sellae durch den Porus ab-
ducentis in den Sinus cavernosus ein. In letzterem hat er, von einer Durascheide umgeben, an der
lateralen Seite der Carotis interna seine Lage, verläßt den Sinus, gelangt zur Fissura orbitalis supe-
rior und betritt unterhalb des Oculomotorius die Orbita. Zwischen beiden Küpfen des M. rectus
lateralis durchtretend senkt er sich endlich in diesen Muske! an dessen innerer Fläche ein.
N. supraorbital
N. supratrochlear
N. infratrochlea
N. zygomat:
temporalis
N. auriculotemporalis
Verbindung von Facialis
und Auriculotemporalis
N. occipitalis major
N. occipitalis minor
N. infraorbitalis
N. mentalis
Verbindg. zwischen Facialis
und auricularis magnus
N. cervicalis III
N. auricularis magnus
N. subcutaneus colli
medius
h
Na.
upraclaviculares
Fig. 290. Fig. 291.
Fig. 290. Hautnervenfelder des Kopfes und Halses. (Aus Corning, topogr. Anat.)
Gelb: N. trigeminus (Ast I punktiert, Ast II glatt, Ast III schraffiert). Rot: Cervicalnerven.
L. N. lacrimalis; z.f. N. zygomaticofacialis; F. N. facialis.
Fig. 291. Schema des N. abducens und des M. rectus oculi lateralis.
1 M. rectus lateralis; 2 Stamm des N. abducens; 3 zwei Verbindungszweige mit dem N. sympathicus; 4 Verbindung mit
dem R. I n. trigemini.
Im Sinus cavernosus empfängt er einige Fäden vom Plexus caroticus internus, welche
in die periphere Bahn des Abducens übergehen.
An der Eintrittsstelle in die Orbita nimmt er einen Faden vom I. Aste des Trigeminus auf,
der ihn mit sensiblen Fasern ausstattet.
VII. N. facialis. Fig. 282, 283, 285, 287, 292—297.
Der N. facialis entspringt im Nucleus n. facialis und tritt am hinteren Rande
des Brückenarmes zur Oberfläche. Zwischen seiner Austrittsstelle und derjenigen
des N. acusticus kommt der N. intermedius zum Vorschein, welcher sich dem
Facialis zugesellt.
Hirnnerven.
317
Facialis, Intermedius und Acusticus wenden sich darauf vorwärts und lateral-
wärts und treten, von Fortsetzungen der Hirnhäute umgeben, in den Meatus
acusticus internus ein (Fig. 273, 297). Der Facialis liegt dabei mit dem Intermedius
in einer Rinne an der vorderen, medialen Seite des Acusticus. Im Grunde des
inneren Gehörganges tritt der Facialis in den Canalis facialis ein, durchläuft die
erste Strecke desselben bis zum Hiatus canalis facialis in der Richtung nach vorn
und lateral, biegt hier, indem er das Geniculum nervi facialis bildet, fast
rechtwinkelig um und zieht nach lateral und hinten, indem er zwischen der Pro-
minentia canalis semicircularis lat. und der Fenestra vestibuli liegt (Fig. 282); darauf
wendet er sich im Bogen abwärts, verläuft 1 — 2 mm hinter dem Paries mastoideus
N. facialis
N. glossopharyngeus
\ °*B>
Ramus auricularis n. vagi
Fig. 292. Fig. 293.
Fig. 292. Schema der Nervenbahnen im Knie des Facialis. (Rechts.) (R. Pen zo, 1893.)
Gv Ganglion vestibuläre; i innerer, h hinterer, v vorderer Winkel des Ganglion geniculi; in ausgezogenen schwarzen
Linien sind der N. intermedius und seine Fasern dargestellt; sind Fasern, welche aus dem II. Ast des N. trige-
minus stammen und vom Ganglion sphenopalatinum kommen.
Fig. 293. Ganglion geniculi einer neugeborenen Maus. (Lenhossek.)
Pseudounipolare Nervenzellen und die aus der Teilung ihres Fortsatzes hervorgehenden Intermediusfasern.
a Teilungsstellen; * isoliert imprägnierte Faser des N. petrosus superf. major.
des Mittelohres und tritt durch das Foramen stylomastoideum aus dem Schädel
heraus. Dann gelangt er sofort in die Parotis und verläuft unterhalb des äußeren
Gehörganges, lateral vom Venter posterior des Digastricus und von der A. carotis
externa. Innerhalb der Parotis teilt er sich in zwei Hauptäste. Diese beiden gehen
wieder Teilungen und Verbindungen ihrer Zweige ein, so daß hierdurch ein Ge-
flecht, Plexus parotideus, entsteht (Fig. 295). Vom vorderen Rande der Parotis
strahlen darauf die Endäste fächerförmig aus, um die Gesichtsmuskeln zu versorgen.
Da auch noch hintere absteigende und hintere aufsteigende Äste vorhanden sind,
so ist es fast ein kreisförmig gestaltetes Endgebiet, zu welchem der Facialis
jenseits des Foramen stylomastoideum radiale Zweige sendet.
Am Geniculum nervi facialis befindet sich ein Ganglion, das Ganglion
geniculi (Fig. 297), in welches sich, wie in ein Spinalganglion, der N. intermedius
gleich einer hinteren Wurzel einsenkt.
17*
318 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Abgesehen vom Intermedius, welcher Geschmacksfasern führt, ist der Facialis
ein motorischer Nerv und versorgt alle Muskeln des Schädeldaches, des äußeren
Ohres, des Gesichtes (nicht aber die Kaumuskeln), den M. buccinator, den M.
stapedius, M. stylohyoideus, Venter posterior des M. digastricus. Eine besondere
Art seiner motorischen Fasern bilden die in ihm enthaltenen sekretorischen Fasern
für die Speicheldrüsen (ohne Parotis), welche durch die Vermittlung des Trigeminus
(siehe diesen) zu ihrem Ziele gelangen. Schon im Canalis facialis werden dem
Facialis sensible Fasern zugeführt, und zwar aus dem Trigeminus durch den
N. petrosus superficialis major. Viel ausgedehnter ist die Beimischung sensibler
Fasern zu den Endästen im Gesicht.
a) Vom Porus acusticus internus bis zum Austritt aus dem Foramen
stylomastoideum sind am Facialis folgende Äste und Verbindungen vorhanden:
1. N. petrosus superficialis major (Fig. 282, 283, 296). Er zieht vom
Ganglion geniculi zum Ganglion sphenopalatinum, ist aber mehr als eine Verbin-
dung beider Ganglien; siehe S. 305 und unten.
2. Ramus anastomoticus cum plexu tympanico. Er geht vom Ganglion
geniculi oder dem Anfang des N. petrosus superficialis major zum Plexus tym-
panicus. Fig. 282.
3. N. stapedius. Er entspringt vom absteigenden Teil des Facialis und
dringt durch eine Öffnung am Grunde der Eminentia pyramidalis in den von dieser
beherbergten M. stapedius ein.
4. Chorda tympani (Fig. 296). Die Paukensaite tritt vom Facialisstamm
im unteren Teil des Canalis facialis unter einem dorsalwärts offenen spitzen
Winkel ab, dringt durch den Canaliculus chordae in die Paukenhöhle, zieht von
deren Schleimhaut bekleidet, zwischen dem Crus longum incudis und Manubrium
mallei zur Fissura petrotympanica (Glaseri), gelangt durch diese aus der Schädel-
basis und verbindet sich, vorwärts und abwärts laufend, spitzwinkelig mit dem
N. lingualis. Während sie in der Nähe des Ganglion oticum vorbeizieht, tritt sie
durch ein, auch Ganglienzellen enthaltendes Geflecht mit dem Ganglion oticum
in Verbindung (Fig. 288). Der größte Teil der Fasern der Paukensaite geht, zentral-
wärts verfolgt, in den zentralen Teil des Facialis über; in vielen Fällen läuft
jedoch ein kleiner Teil von Chordafasern peripher im Facialis weiter.
5. R. anastomoticus c. ramo auriculari n. vagi. Der im Canaliculus
mastoideus verlaufende R. auricularis n. vagi kreuzt sich mit dem Facialis und
tritt mit ihm durch ein bis zwei Fädchen in Verbindung, welche im Facialis teils
zentralwärts, teils peripher verlaufen.
b) Vom Austritt des N. facialis aus dem Foramen stylomastoideum
bis zum Eintritt in die Glandula parotis sind folgende Äste und Verbindungen vor-
handen:
1. N. auricularis posterior (Fig. 295). Er tritt dicht am Foramen stylo-
mastoideum vom Stamme ab und wendet sich nach hinten-oben, indem er auf der
vorderen Fläche des Processus mastoideus aufsteigt. Hier teilt er sich in einen
vorderen und einen hinteren Zweig. Der Ramus auricularis versorgt den
M. auricularis posterior, den hinteren Teil des M. auricularis superior, den M. trans-
versus und M. obliquus auriculae, sowie den M. antitragicus mit motorischen Fasern;
der Ramus occipitalis zieht zum M. occipitalis. Auf dem Wege zu den ge-
nannten Muskeln verbindet sich der N. auricularis posterior mit Fäden sensibler
319
Ramus frontalis
Ramus parietalis
N. supraorbital
N. supratrochlearis
N. auriculotemporalis ...
Rami temporales
Rami zygomatici _
N. infratrochlearis ..
Rami buccales
Rami labiales supp.
V. facialis ant
A. maxillaris ex
Ductus parotideus -Vrt. '
Rami buccales "tt.'qüääratUS \
labii ffif^-Tfi
''vi Jl .
J
Ramus marginalis mandibulae ^
Äste des R. colli
.Spieniui
JSv cf~"'' N. occipitalis minor
/
l^/J—— N. auricularis magnus
Itrapezius
V. jugularis ext.
Fig. 294. Oberflächliche Nerven des Kopfes I (7 .,„).
320
N. supraorbitalis
N. supratrochlearis
X. auriculotemporalis
Rami temporales-.
Rami zygomatici
R. nasalis ext. d
N. ethmoidalis ant.
Rr. nasales
extt.
Rami buccales —
Rr. labiales
supp.
Ductus
parotideus
Rami buccales
Rami labiales
inff.
M. mentalis
anastomoticus
N auriculo-
oralis
astricus
occipitalis major
M. digastricus
N. occipitalis minor
R. marginalis mandibulae
R. colli
M
trapezius
Rami mentales
Glandula submaxillaris
Fig. 295. Oberflächliche Nerven des Kopfes 11 ( ,,).
Das Präparat der Fig. 294 nach Wegnahme der Parotis, eines Teils des M. quadratus labii sup., des
M. quadratus labii inf. und des Platysma.
Hirnnerven.
321
Zweige der Halsnerven (nämlich des N. auricularis magnus und occipitalis minor),
sowie mit dem R. auricularis n. vagi.
2. Der R. digastricus (Fig. 295, 296) entspringt dicht unter dem vorher-
gehenden und zieht zum hinteren Bauch des M. digastricus. Er entsendet einen
Zweig zum M. stylohyoideus, Ramus stylohyoideus. Vom R. digastricus geht
der Ramus anastomoticus cum n. glossopharyngeo ab. Fig. 296, 13.
c) Innerhalb der Parotis teilt sich der Facialis in zwei Hauptäste, einen oberen
und einen unteren. Diese teilen sich wiederum in zahlreiche Äste, welche vielfach
miteinander in Verbindung stehen und so den Plexus parotideus innerhalb der
Parotis bilden. Am Rande der Drüse strahlen radiär die Gesichtsäste des Facialis
aus, während die Rami anastomotici cum n. faciali des N. auriculotemporalis von
der Tiefe her zum Plexus parotideus gelangen. Fig. 295.
Ganglion geniculi
Schräg nach hinten verlaufender Teil des Facialis N- petrosus superficialis minor
N. petrosus superficialis major
zf/V^A
Abwärts verlaufender Teil des Facialis —
N. auricularis post.
Extrakranieller Teil des Facialis
Ganglion sphenopalatinum
fAASJbS*!
^Ub^j^ik^
Ramus digastricus
Ramus stylohyoideus
KvWaaAj!? Aa&\s&C JM . *\S^C**~oJIlo ■
Fig. 296.
Der Facialis im Fallopischen Kanal samt seinen Verbindungen von außen her freigelegt.
(Nach Hirschfeld und Leveille.) 3:5.
Die äußeren Abteilungen des Warzen- und Felsenteiles des Schläfenbeines sind durch einen nahezu senkrechten Schnitt
entfernt; der Canalis facialis ist in seiner ganzen Länge eröffnet; der Anulus tympanicus samt Trommelfell sind zum Teil
erhalten, ebenso die mediale Wand des Canalis pterygoideus.
1 Facialis während seines anfänglich horizontalen Verlaufes; 9 Chorda tympani; 13. R. anastomoticus cum n. glosso-
pharyngeo ; 14 N. glossopharyngeus ; 15. R. stylopharyngeus.
Die Gesichtsäste des Facialis (Fig. 294, 295) sind:
1. Rami temporales, meist drei Zweige, die über den Jochbogen aufwärts
und nach vorn ziehen. Der hintere Zweig versorgt den vorderen Teil des M.
auricularis superior, den M. auricularis anterior, M. helicis minor und M. tragicus;
der mittlere den M. frontalis; der vordere den oberen Teil des M. orbicularis
oculi und den M. corrugator supercilii.
2. Rami zygomatici (3 — 4). Sie ziehen gegen das Jochbein, versorgen den
lateralen unteren Teil des M. orbicularis oculi, sowie den M. zygomaticus.
3. Rami buccales (3 — 4). Sie ziehen über die Mitte des Masseter und
versorgen den M. quadratus labii superioris und Caninus, ferner alle Muskeln der
Nase, den M. buccinator und den M. orbicularis oris.
4. Ramus marginalis mandibulae. Er zieht einfach oder gespalten längs
des Unterkieferrandes zum Kinn und versorgt die Mm. risorius, triangularis, quadratus
322
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
labii inferioris, mentalis. Er geht mit dem vorigen und den (olgenden Nerven
Verbindungen ein.
5. Ramus colli. Er verläuft, vom Platysma bedeckt, hinter dem Unter-
kieferwinkel abwärts und vorwärts, verbindet sich mit dem aus dem III. Halsnerven
stammenden sensiblen N. cutaneus colli und versorgt für sich allein das Pla-
tysma (v. Bardeleben).
Von Verbindungen der Gesichtszweige des Facialis mit sensiblen Nerven ist hervor-
zuheben, daß folgende makroskopisch dargestellt werden können:
Die Verbindungen mit dem N. auriculotemporalis.
Verbindungen der Rami zygomatici mit dem R. zygomaticofacialis des N. zygomaticus.
Radix cochlearis
Crista transversa fundus meatus
acustici int.
*r- N. utricularis
Chorda tympani
Ganglion geniculi
N. facialis
. N. ampullaris
sup. et lat.
Ganglion vestibuläre
Radix vestibularis
Fig. 298.
Fig. 298. Rechter N. acusticus im inneren Gehör-
gange, nach Entfernung des N. facialis und inter-
medius von oben her gesehen. 2 : 1.
5 N. saccularis; 6 N. ampullaris inf.
Fig. 297
Fig. 297. Verlauf und Verbindungen des Facialis
und Acusticus Innerhalb des Felsenbeines.
(Hirschfeld und Leveille.) 3:5.
Verbindungen der Rami buccales mit dem N.infraorbitalis und dem N. buccinatorius;
das mit dem ersteren Nerven gebildete Geflecht führt den Namen Plexus inf raorbitalis.
Verbindungen des N. margin aus mandibulae mit dem N. mentalis.
Frohse, Fr., Die oberflächlichen Nerven des Kopfes. Berlin-Prag, Fischer, 1895. — Penzo,
Über das Ganglion geniculi und die mit ihm zusammenhängenden Nerven. Anat. Anz. VIII, 1893. —
Popowsky, J., Zur Entwicklungsgeschichte des N. facialis beim Menschen. Morphol. Jahrb. XXIII.
Ganglion geniculi. Fig. 292, 293.
Der Verlauf der Fasern im Gebiete des mit pseudounipolaren Zellen ausgestatteten, spinalartigen
Ganglion geniculi ist verwickelt, wie Fig. 292 andeutet.
Daß das Ganglion geniculi zu dem N. intermedius gehört und daß der periphere Fortsatz
seiner pseudounipolaren Zellen zumeist in die Peripherie des N. facialis gelangt, ist durch M. v. Len-
hossek festgestellt worden (1895). Doch liegen bezüglich der verschiedenen Bahnen der hier
zusammenkommenden Nerven noch weitere Verwicklungen vor.
VIII. N. acusticus. Fig. 273, 297, 298.
Die Wurzelbündel des N. acusticus nehmen beide Portionen des N. facialis
in einer medialen Rinne auf, sind mit ihnen durch feine Fäden, Fila anasto-
Hirnnerven. 323
motica verbunden, und betreten zusammen mit diesem Nerven den Meatus
.acusticus internus. Am Grunde des letzteren trennt sich der N. facialis vom
N. acusticus. Dieser aber, der gar keinen Stamm besitzt, sondern nur Wurzeln
und Zweige, besteht aus einer Radix vestibularis und einer Radix cochlearis.
Beiden Wurzeln kommt je ein spinalartiges Ganglion zu, das Ganglion vesti-
buläre und das Ganglion spirale. Letzteres hat in der Schnecke, ersteres der
Hauptmasse nach im Grunde des Meatus acusticus internus seine Lage. Die
Ganglien stellen die Ursprungsganglien des N. acusticus, das Ganglion
acusticum dar. Erst vom Ganglion an kann man vom Nervus vestibuli und
vom N. Cochleae sprechen.
Der N. vestibuli teilt sich (Streeter) in eine Pars sup. und eine Pars inf.
Erstere gibt ab den N. ampullaris sup., N. ampullaris lat., N. utricularis,
letztere den N. saecularis und den N. ampullaris post.
Der N. Cochleae versorgt mit seinen Ramuli spirales ausschließlich die
Schnecke.
Die Namen bezeichnen das Endgebiet (siehe Sinnesorgane).
Der N. vestibuli besitzt ein Ganglion, welches infolge seiner Größe und
leicht gelblichen Farbe schon mit freiem Auge erkennbar ist, das im Grunde des
inneren Gehörganges gelegene Ganglion vestibuläre (Scarpae). Es enthält
bipolare oppositopole Ganglienzellen gleich den Spinalganglien der Fische und
unterbricht die einzelnen Fasern. Das entsprechende Ganglion des Schnecken-
nerven hat seine Lage in der Schnecke selbst und ist gemäß der spiraligen Auf-
blätterung des Schneckennerven ein langer spiraliger Streifen, Ganglion spirale
(siehe Sinnesorgane). v
Streeter, G. L, On the development of the membranous labyrinth and the acustic and
facial nerves in the human embryo. Amer. Journ. Anat. Bd. VI, 1906/07.
IX. N. glossopharyngeus. Fig. 282, 296, 299—301.
Über die Ursprungskerne dieses Nerven siehe S. 231. Darnach ist der
Nerv von Anfang an gemischt, d. h. aus einem sensiblen und einem motorischen
Teil zusammengesetzt. Seine Wurzelbündel verlassen das Gehirn im rostralen Teil
des Sulcus lateralis posterior medullae oblongatae. Sie senden (nach Bochdalek)
feine Fäden zur Pia und sammeln sich alsbald zu einem vorderen kleineren und
hinteren größeren Strange, die sich dicht aneinanderlegen und vereinigt zur vor-
deren Abteilung des Foramen jugulare ziehen, wo der Nerv eine besondere Dura-
scheide erhält.
Hier lagert sich dem sensiblen Bündel ein an Größe wechselndes Ganglion
ein, das Ganglion superius (Fig. 299). Unmittelbar nach seinem Austritt aus
dem Foramen jugulare schwillt der Nerv zum größeren Ganglion petrosum an,
welches in der Fossula petrosa liegt. Die Zellenform ist in beiden Ganglien die
pseudounipolare, wie in den Spinalganglien.
Vom Ganglion petrosum an zieht der Nerv zuerst zwischen der V. jugularis
interna und der A. carotis interna, sodann zwischen der letzteren und dem M.
stylopharyngeus herab, wendet sich um den hinteren Rand dieses Leitmuskels
des Nerven auf dessen laterale Fläche (Fig. 296) und gelangt in einem nach unten
und hinten konvexen Bogen zwischen dem M. stylopharyngeus und dem M. stylo-
glossus zur Zungenwurzel.
324 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Außer motorischen und einfach sensiblen Fasern enthält der Nerv vor allem
Geschmacksfasern, die ihn zum Hauptgeschmacksnerven stempeln.
a) Vom Ganglion petrosum gehen folgende Äste aus:
1. Der N. tympanicus (Fig. 282). Er dringt durch die Apertura inferior
canaliculi tympanici in die Paukenhöhle, durchzieht letztere im Sulcus tympanicus,
gelangt durch die im Tegmen tympani enthaltene Apertura superior canaliculi
tympanici auf die obere Fläche der Schläfenbeinpyramide und heißt dann N. petrosus
superficialis minor, der sich wie oben (S. 314) gesagt wurde, in das Ganglion
oticum einsenkt. Dadurch entsteht die Jacobsonsche Anastomose, welche das
Ganglion petrosum mit dem Ganglion oticum verbindet. Durch Verbindungen der
Anastomose mit Ästen des N. facialis und N. sympathicus entsteht ein Plexus,
Plexus tympanicus (Jacobsoni), der (nach Vitali) auch (gefensterte) Nerven-
zellen (siehe S. 49) führt. Vitali, Intern. Monatschr. Anat. u. Phys. Bd. XXVI, 1909.
Der Verbindungszweig des Facialis, Ramus anastomoticus cum plexu
tympanico, geht in der Gegend des Knies des Facialis vom letzteren oder vom
N. petrosus superficialis major aus.
Die Verbindung des N. tympanicus mit dem Sympathicus ist meist einfach,
seltener doppelt. Der untere Verbindungsast, N. caroticotympanicus inferior,
entspringt aus dem Plexus caroticus in der Gegend der unteren Mündung des
Canalis caroticus und gelangt durch den Canaliculus caroticotympanicus inferior in
die Paukenhöhle und zum N. tympanicus. Der obere Verbindungsast, N. carotico-
tympanicus superior, geht vom N. tympanicus zum Plexus caroticus durch den
Canaliculus caroticotympanicus superior.
Als periphere Zweige des N. tympanicus sind zu nennen:
«. Ramuli tympanici, für die Schleimhaut der Paukenhöhle und der Zellen
des Processus mastoideus;
ß. Ramus tubae (Fig. 282); er zieht an der medialen Tubenwand vorwärts
bis zum Ostium pharyngeum tubae.
2. R. anastomoticus cum nervo vago: 1 — 2 Fäden, welche das Ganglion petrosum n.
glossopharyngei mit dem Vagus dicht unterhalb seines Jugularknoten verbinden; ferner ein Faden,
welcher vom Ganglion petrosum zum Ramus auricularis n. vagi zieht: Ramus anastomoticus
cum ramo auriculari n. vagi.
3. Ramus anastomoticus cum n. sympathico; er verbindet das Ganglion petrosum
mit dem Ganglion cervicale superius des Sympathicus.
4. Ramus anastomoticus cum n. faciali. Er geht dicht unter dem Ganglion petrosum
vom Stamme ab und verbindet sich mit einem Faden vom Ramus digastricus des N. facialis zu
einer unten konvexen Schlinge. Vielleicht gelangen so motorische Facialisfasern in den Glosso-
pharyngeus, die ihn später wieder verlassen.
b) Die peripheren Äste des N. glossopharyngeus sind die folgenden:
1. Rami pharyngei (2 — 3). Sie gehen in verschiedener Höhe vom Stamme
ab, verbinden sich mit den Schlundästen des Vagus und Sympathicus und bilden
mit diesen den an der Seitenwand des Schlundes gelegenen gemischten Plexus
pharyngeus. Fig. 301 (vgl. S. 327).
2. N. stylopharyngeus; für den gleichnamigen Muskel und benachbarte
Schleimhautteile.
3. Rami tonsillares; für die Schleimhaut der Mandel und der Gaumenbögen.
4. Rami linguales; sie sind die Endausbreitung des Nerven in der Zunge.
Fig. 301.
Hirnnerven. 325
Die submuküsen Verzweigungen der Rami linguales in der Zunge gehen zahlreiche Verbin-
dungen untereinander ein und sind durch die Einlagerung zahlreicher klein er Ganglien aus-
gezeichnet. Auch der Plexus pharyngeus besitzt zahlreiche kleine Ganglien. Über die Mikro-
ganglien des N. lingualis siehe S. 313.
X. N. vagus (pneumo-gastricus). Fig. 299—305, und Abt. IV, Fig. 110, 275.
Über die Ursprungskerne des von Anfang an gemischten Vagus siehe
oben S. 232. Er tritt im Sulcus lateralis posterior der Oblongata mit 10 — 15
Wurzelbündeln zur Oberfläche. Der durch sie gebildete platte Nervenstamm wendet
sich unter der Flocke zur vorderen oder Nervenabteilung des Foramen jugulare
und wird hier mit dem N. accessorius in einer gemeinsamen Durascheide aufge-
nommen, welche ihn von dem N. glossopharyngeus trennt.
Im Anfange des Foramen jugulare treten die Wurzelbündel in ein ansehn-
liches Ganglion, Ganglion jugulare (Fig. 299, 300), welches einem Spinal-
ganglion entspricht und einem großen Teil der sensiblen Fasern des Vagus als
Ursprungskern dient.
Nach dem Austritt aus dem Foramen jugulare nimmt der Vagus den R. int.
n. accessorii in seinen Stamm auf und schwillt darauf zu dem langgestreckten
Ganglion nodosum an, welches gleichfalls pseudounipolare Nervenzellen führt.
Am letzteren Ganglion streichen manche Vagusäste, wie der N. laryngeus superior,
die Rami pharyngei u. a., einfach vorbei.
Unterhalb des Foramen jugulare liegt der Vagus vor der Vena jugularis
interna und lateral vom N. hypoglossus. Der letztere zieht darauf an der hinteren
Fläche des Ganglion nodosum vorüber an die laterale Seite des Vagus. Dieser
liegt hier in der Furche zwischen der A. carotis interna (später der A. carotis
communis) und der V. jugularis interna und verläuft vor dem Grenzstrange des
Sympathicus, der rechte vor der A. subclavia dextra, der linke vor dem Arcus
aortae zur Brusthöhle. (Die Erklärung dieses anscheinend verschiedenen Verlaufes
beider Vagi gibt die Entwicklung der großen Gefäßstämme. Abt. III, S. 482.)
Hier tritt jeder Vagus an die hintere Wand des Bronchus seiner Seite,
darauf an den Oesophagus und begleitet diesen, durch starke Astabgabe verjüngt,
in die Bauchhöhle. Der linke Vagus liegt dabei auf der vorderen, der rechte auf
der hinteren Seite des Oesophagus. (Die Erklärung hierfür siehe Abt. IV, S. 407).
Der Vagus verbreitet sich, wie der Glossopharyngeus, vorwiegend an Ein-
geweiden und wurde daher von manchen Autoren nicht mit Unrecht als kleiner
Sympathicus bezeichnet. Er enthält im ganzen folgende physiologische Faserarten:
1. motorische Fasern für Larynx, Pharynx, Oesophagus und Magen;
2. sekretorische Fasern für Magendrüsen;
3. Hemmungsnervenfasern für das Herz;
4. Gefäßnerven;
5. sensible Fasern.
Seinem ausgedehnten Verbreitungsgebiet entsprechend teilt man den
Vagus und seine Astfolge in einen Kopf-, Hals-, Brust- und Bauchteil ein.
a) Kopf teil des Vagus: Vom Austritt aus der Oblongata bis zum Beginn des
Ganglion nodosum. In diesem Abschnitt finden sich vor:
1. Ramus meningeus; er läuft vom Ganglion jugulare zur Schädelhöhle
zurück und verbreitet sich am Sinus transversus und Sinus occipitalis.
326
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
2. Ramus auricularis. Er entspringt vom Ganglion jugulare oder dicht
unterhalb, nimmt meist einen Faden aus dem Ganglion petrosum n. glossopharyngei
auf und verläuft an der vorderen lateralen Wand des Bulbus sup. venae jugularis
zur medialen Mündung des Canaliculus mastoideus. Letzteren durchziehend kreuzt
er den N. facialis, verbindet sich mit ihm und gelangt in der Fissura tympano-
Fig. 299.
Fig. 299. Schematische Skizze der Wurzeln des neunten,
zehnten und elften Hirnnerven und ihrer Verbindungen.
(Nach Bendz.)
A Reste des Kleinhirnes; B Medulla oblongata; C Rückenmark;
1 Wurzeln des Glossopharyngeus; 2 Wurzeln des Vagus; 3 Wurzel-
faden des Accessorius vagi ; 3' Wurzeln des Accessorius spinalis;
4 Ganglion superius des Glossopharyngeus; 5 Ganglion petrosum
desselben; 6 N. tympanicus; 7 Ganglion jugulare n. vagi; 8 Ramus 6" "^U"-
auricularis n. vagi ; 9 Ganglion nodosum n. vagi ; 10 Verbindungszweig zwischen Ganglion petrosum und Vagus; 11 Ramus
internus des Accessorius = Accessorius n. vagi; 12 Ramus externus des Accessorius - Accessorius spinalis; 13 Ramus
pharyngeus n. vagi; 14 N. laryngeus superior ; 15 Verbindungszweige vom Ganglion nodosum zum Sympathicus.
Fig. 300. Schematische Darstellung der Wurzeln und Verbindungen des Glossopharyngeus, Vagus und Accessorius.
(Hirschfeld und Leveille.)
1 Facialis, während seines Verlaufes im Canalis facialis; 2 Glossopharyngeus mit Ganglion petrosum; 2' Verbindung des
Glossopharyngeus mit dem für den M. digastricus bestimmten Zweige des Facialis; 3 Vagus mit Ganglion jugulare
und Ganglion nodosum; 4 R. ext. n. accessorii; die oberen unter 3 befindlichen Fädchen gehören dem R. int. n. accessorii
an; 5 Hypoglossus; 6 oberes Halsganglion des Sympathicus; 7,7 Verbindungsschlinge der zwei ersten Haisnerven; 8 N.
caroticus internus; 9 N. tympanicus aus dem Ganglion petrosum ; 10 sein Nervus caroticotympanicus inferior; 11 N. lubae ;
12 Zweig zur Fenestra vestibuli; 13 Zweig zur Fenestra Cochleae; 14 Übergang des N. tympanicus in den nach links zum
Ganglion oticum (16) ziehenden N. petrosus superficialis minor, während der Faden rechts von 14 eine Verbindung mit
dem Facialis herstellt; 15 Verbindung des N. petrosus superficialis major mit dem aus dem N. tympanicus stammenden
N. caroticotympanicus superior; 16 Ganglion oticum; 17 R. auricularis n. vagi; 18 Trennung des R. int. n. accessorii, der
in die Vagusbahn einlenkt, vom R. ext. n. accessorii; 19 Verbindung des Hypoglossus mit dem ersten Halsnerven; 20 Ver-
bindung zwischen Accessorius und erstem Halsnerven; 21 Plexus pharyngeus; 22 N. laryngeus superior; 23 dessen Ramus
externus; 24 mittleres Halsganglion des Sympathicus.
mastoidea aus der Endmündung des Canaliculus mastoideus hervor, um sich als-
bald in zwei Ästchen zu teilen. Das eine verbindet sich mit dem N. auricularis
posterior des Facialis, das andere stärkere verbreitet sich an der hinteren Fläche
der Ohrmuschel und in der hinteren unteren Wand des äußeren Gehörganges.
3. Ramus anastomoticus cum n. glossopharyngeo; 1 — 2 Fädchen aus
dem Ganglion petrosum zum Vagus.
Hirnnerven. 327
■i. Ramus anastom oticus superior cumganglio cervicali superiore; ein Verbin-
dungsfaden des N. jugularis des oberen Halsganglion des Sympathicus zum Ganglion jugulare n. vagi.
5. Ramus anas tomoticus cum nervo accessorio. Der R. int. n. accessorii tritt dicht
unterhalb des Ganglion jugulare in die Bahn des Vagus über. Einige Fäden des Vagus gelangen
andererseits in die Bahn des Acccssorius spinalis (E. Bischoff).
b) Halsteil des Vagus: Vom Ganglion nodosum bis zur Abgabe des N. la-
ryngeus inferior.
Das Ganglion nodosum entsendet Fäden «. zum Ganglion ccrvicale superius n. sympathici,
R. anastomoticus inferior cum ganglio cervicali superiore genannt; ß. zum Hypo-
glossus, Rami anastomotici c. nervo hypoglosso.
Größere Äste sind:
1. Rami pharyngei. Fig. 301.
Meist sind ein oberer und ein unterer Schlundast des Vagus vorhanden.
Sie ziehen zur Seitenwand des Schlundes und verbinden sich mit den Schlund-
ästen des Glossopharyngeus und Sympathicus zum Plexus pharyngeus. Dieser
liegt mit seinen gröberen Netzen auf der Außenseite des M. constrictor pharyngis
medius und enthält meist ein oder mehrere Ganglien. Aus dem Geflecht treten
zahlreiche Ästchen hervor, welche teils zur Muskulatur, teils zur Schleimhaut ge-
langen. Innerhalb der Ringmuskulatur bilden die eingedrungenen Fäden ein feines
Geflecht, in dessen Knotenpunkten Ganglienzellen liegen. Ein gleiches Geflecht
befindet sich in der Submucosa und ist reichlich mit Ganglienzellen ausgestattet.
Beide Geflechte sind Analoga des Plexus myentericus und submueosus im
übrigen Darmkanal.
Zweige des N. pharyngeus superior gelangen zu dem M. levator veli pala-
tini und zum M. uvulae.
Aus einem Ramus pharyngeus n. vagi entstehtauch der Ramuslingualisn. vagi (Luschka).
Dieser nimmt einen Faden eines Ramus pharyngeus n. glossopharyngei auf, begibt sich zum Anfang
des Arcus hypoglossi und teilt sich in zwei Ästchen: eines geht mit dem Hypoglossus zur
Peripherie, das andere in das sympathische Geflecht der Carotis externa. Über die Ver-
breitung des Vagus in der Zungenschleimhaut siehe auch Abt. IV, Fig. 94.
2. Nervus laryngeus superior. Fig. 301, 302.
Er verläßt den Vagus im unteren Abschnitt des Ganglion nodosum, erhält
feine Fäden aus dem oberen Halsganglion des Sympathicus und aus dem
Plexus pharyngeus und teilt sich in zwei Zweige: Ramus externus und
Ramus internus. Vor dieser Teilung entsendet er den feinen R. caroticus
zum Plexus caroticus communis.
Aus dem oberen Kehlkopfnerven und dem Vagusstamme entspringt mit zwei
kurzen Wurzeln nahe dem Ursprünge des N. laryngeus der N. depressor, einer
der Herznerven; Reizung seines zentralen Teiles bewirkt beträchtliches Sinken
des Blutdruckes.
Der Ramus externus (Fig. 301) nimmt einen Faden vom oberen Halsganglion
des Sympathicus auf, versorgt den M. constrictor pharyngis inferior und den M. crico-
thyrepideus. Von ihm gelangen ferner feine Fäden zur Schilddrüse (Henle).
Der Ramus internus (Fig. 302), weit stärker als jener, durchbohrt die
Membrana hyothyreoidea und teilt sich in Rami epiglottici, welche zur Schleim-
haut der Epiglottis ziehen; Rami inferiores, welche die Schleimhaut des Kehl-
kopfes bis zur Stimmritze versorgen; Rami pharyngei, welche den die hintere
Wand des Kehlkopfes deckenden Teil der Schleimhaut versorgen. Ein Ramus
anastomoticus cum nervo laryngeo inf. läuft auf der hinteren Fläche des
328
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
M. cricoarytaenoideus posterior abwärts und verbindet sich mit dem N. laryngeus
inferior.
In die feineren Verzweigungen der Nerven in der Kehlkopfschleimhaut sind
kleine Ganglien eingestreut (Remak).
3. N. recurrens. Fig. 301, 302, 304 (siehe auch Abt. IV, Fig. 110, 275).
Er entspringt aus dem Vagus vor dem Anfangsteil der A. subclavia (rechts)
und vor dem Ende des Arcus aortae (links). Der rechte Recurrens schlingt sich
R. pharyngeus n. vagi ,
N.lingualisn.trigemini -^^^j
N. laryngeus sup
N. hypoglossus"-^
Ramus ext. n. laryngei sup.
Plexus pharyngeus
N. glossopharyngeus
r Ramus exi.i
„ . , \ n. accessorn
Ramus int.l
Verbindung vom Vagus zum
N. cervicalis II
Hypoglossus
t— Ggl. cervicale sup. n. sympathici
Ganglion nodosum n. vagi
N . vagus
N. cervicalis IV
N. phrenicus
N. cervicalis V
Ganglion cervicale medium
n. sympathici
Plexus brachialis
Ganglion cervicale inf. et
thoracale I n. sympathici
Ganglion thoracale II
— Ganglion thoracale III
N. laryngeus inf.
Ganglion thoracale IV
] Plexus pulmonalis
Ganglion thoracale V
Fig. 301.
Glossopharyngeus, Vagus und ihre Verbindungen. (Hirschfeld und Leveille.) 2:5.
um die A. subclavia, der linke um den Arcus aortae. Jeder steigt nun in der
Furche zwischen Luftröhre und Speiseröhre aufwärts zum Kehlkopf und heißt
dann N. laryngeus inf. Hinter dem Cornu inferius des Schildknorpels durch-
bohrt er den unteren Schlundschnürer oder tritt unter dessen unterem Rande ins
Innere des Kehlkopfes und teilt sich in seine Endzweige. Auf seinem langen Wege
gibt er zahlreiche Äste ab:
«. einige Rami cardiaci inferiores zum Plexus cardiacus;
). Verbindungszweige zum Ganglion cervicale inferius n. sympathici;
sie entspringen wie die vorigen aus dem Anfangsteil des Nerven.
Hirnnerven.
329
;•. Rami tracheales et oesophagei superiores; sie werden während des
Verlaufes des Nerven im Sulcus oesophago-trachealis abgegeben.
d. Ramus anterior. Er ist der eine Endast des Nerven, nachdem dieser
in den Kehlkopf gelangt ist, und versorgt den M. cricoarytaenoideus
lateralis, den M. thyreoarytaenoideus und den M. vocalis, die Mm. thyreo-
epiglotticus und aryepiglotticus.
e. Ramus posterior. Er nimmt den R. anastomoticus des oberen Kehl-
Lig. hyothyreoldeum lat.
Cornu sup. cart. thyreoideae
Membrana hyothyreoidea
Ast zum M.
arytaenoideus transversus
R. anastomoticus
M. cricoarytaenoideus post.~
Aste d. N. laryngeus inf. zum
M. cricoarytaenoideus post.
Oesophagus
IX x
m,XI
N. laryngeus sup.
(R. internus)
Cartilago thyreoidea
I.Ast zum M. thyreoarytaenoideus
M. thyreoarytaenoideus
M. cricoarytaenoideus lat.
Ast zum M. cricoarytaen. lat.
Trachea
N. recurrens
pe
Fig. 302.
Fig. 302. Verzweigung der Nervi laryngei. (Hirschfeld und Leveille.)
Fig. 303. Vagusschema zur Obersicht der gesamten Astfolge und der Ausdehnung des
Vagussystems.
IX Glossopharyngeus ; X Vagus; A7 Accessorius ; XI 1 Hypoglossus. Am Glossopharyngeus
und Vagus sind je zwei Ganglien sichtbar: das Ganglion superius und petrosum des Glosso-
pharyngeus, das Ganglion jugulare und Ganglion nodosum des Vagus. S oberes Ende des
Ganglion cervicale superius n. sympathici , in den N. caroticus internus auslaufend; vorher q ^np
gibt das Ganglion den (punktierten) N. "jugularis für das Ganglion petrosum glossopharyngei *
und jugulare Vagi ab; / N. tympanicus des Glossopharyngeus; m Ramus meningeus des p. qr»o
Vagus; a Ramus auricularis n. vagi; ph Rami pharyngei des Vagus; Is N. laryngeus superior °'
(R. externus und internus); g N. depressor; c Rami cardiaci des Vagus; Ir N. recurrens mit einem Ramus cardiacus (c);
oe Rami tracheales et oesophagei superiores ; ci ein Verbindungsast zum Ggl. cervicale inferius ; tr Rami tracheales ; br Zweige
zur Bildung des Plexus bronchialis anterior (die oberen) und Plexus bronchialis posterior (die stärkeren unteren); pe Rami
pericardiaci; oe Rami oesophagei inferiores; g Bündel zur Bildung des Plexus gastricus anterior; coe Bündel zum Plexus
gastricus posterior und zum Ganglion coeliacum.
kopfnerven auf und versorgt den M. cricoarytaenoideus posterior sowie
den M. arytaenoideus. Einige Fäden gelangen zu dem unterhalb der Stimm-
ritze gelegenen Teil der Kehlkopfschleimhaut. Der N. laryngeus inferior
versorgt hiernach den größten Teil der Kehlkopfmuskeln, der N. laryngeus
superior nur einen einzigen; der Ramus anastomoticus führt sensible
Fasern in den unteren Kehlkopfnerven über.
4. Rami cardiaci.
u. Rami cardiaci superiores (Fig. 301); 2 — 3, entspringen aus dem
zwischen beiden Kehlkopfnerven gelegenen Halsteil des Vagus und ziehen
330 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
längs der A. carotis communis abwärts. Rechts folgen sie der A. anonyma
zum tiefen Teil des Plexus cardiacus: links ziehen sie zu dem am
Aortenbogen gelegenen oberflächlichen Teil des Plexus cardiacus.
Der oberste dieser Rami cardiaci ist der erwähnte N. depressor.
ß. Rami cardiaci inferiores (Fig. 301). Sie entspringen zum Teil aus
dem N. recurrens, zum Teil aus dem Vagusstamme. Sie verbinden sich
untereinander und mit den oberen, aber auch mit den Herzästen des
Sympathicus und gehen in das tiefe Herznervengeflecht ein. Einige
Fäden gelangen auch zum Plexus trachealis und oesophageus. Siehe
Sympathicus.
c) Brustteil des Vagus: Vom Abgange des N. recurrens bis zum Hiatus
oesophageus des Zwerchfelles.
1. Rami tracheales inferiores.
Sie gehen unmittelbar unterhalb des N. recurrens vom Stamme ab und bilden
den mit den Nachbargeflechten sich verbindenden Plexus trachealis.
2. Rami bronchiales.
Man unterscheidet Rr. bronchiales anteriores und posteriores, von
welchen die letzteren die stärkeren sind. Sie bilden, mit dem Plexus trachealis
Verbindungen eingehend, den Plexus pulmonalis anterior und posterior
(Fig. 301). An der Bildung des letzteren sind Fäden aus den vier oberen Brust-
ganglien des Sympathicus beteiligt. Die Rr. bronchiales posteriores beider
Seiten gehen bei der Bildung des Plexus pulmonalis einen Faseraustausch ein;
ebenso sind das vordere und das hintere Geflecht miteinander verbunden und
gehen mit den Bronchien in die Lungen ein. Die Lungennerven sind mit mikro-
skopischen Ganglien, Mikroganglien, reich versehen.
3. Rami oesophagei.
Der rechte Vagus legt sich der hinteren, der linke der vorderen Fläche des
Oesophagus an. Sie bilden im Herabsteigen die Chordae oesophageae der
Alten. Durch vordere und hintere Fäden stehen beide miteinander in Verbindung
und lösen sich teilweise sogar netzförmig auf; so entstehen die Plexus oeso-
phagei ant. et post., welche die Muskulatur und die Schleimhaut der unteren
Oesophagushälfte versorgen.
4. Rami pericardiaci.
Zur vorderen Wand des Herzbeutels geben sowohl der rechte als der linke
Vagus einen Zweig ab; zur hinteren Wand desselben gelangen Zweige vom
Vagusstamme, vom Plexus oesophageus und Plexus pulmonalis posterior.
d) Bauchteil des Vagus: Die beiden Nn. vagi treten, der linke an der vor-
deren, der rechte an der hinteren Fläche der Speiseröhre liegend, in die
Bauchhöhle1).
1. Vagus sinister.
Er gelangt auf der vorderen Fläche des Oesophagus zur Cardia und zur
kleinen Kurvatur. Hier bildet er vor der Teilung in seine Endäste den an der
vorderen Fläche der kleinen Kurvatur liegenden Plexus gastricus anterior.
Aus diesem Geflecht ziehen die Endäste zum Massen und zur Leber.
') Über die Ursache dieser Lagevcrschiedenheit siehe Eingeweidelehre, Abt. IV, S. -407.
Hirnnerven.
331
X. pelrosus superficialis major
N. facialis
Radix sympathica ganglii clllarls
ii.iiiyln.il ciliare
N. tympanicus
N. accessorius
N. cervicalis I
N. hypoglossus
Äsle des N. cerv. I zum Ggl. cerv. sup.
sag
m:
i.irvnppns i l ■ >^/_ L>i -AL*fJ-f-J
Ganglion cervicale sup. !5 — 7j.7-j
1 I
N. larynge
Plexus pharyngeus —
N/ vagus _/ A/^i ''^MJ}Mr;i^T<
N. sympathicus /. // ^ >'^/ .//Jf ifL\^<
N. cervicalis IV .""X. /-J-^f,-1 7/ '/Ml.
Ramus cardiacus sup —
Ganglion cervicale medium
n. sympathici
R. cardiacus inf. „
Plexus brachialis
Ast zum
Ast zu
Plex
Ga
m Plexus subclavius yf~ " Zr'-^-^'tr^TViOi'll'r'v-
:m N. intercostalis 1 -"V' ~^ /P'^J-^^ AW f ■
xus arteriae axillaris7f."jfclV"-~^^VC-r""V//i ^ajl' "^ 1? '"^''//If
nglion cervicale M--L-~^Jhfl^^^^^ll l
i j#Ji
Glandula lacrimalis
Nn. ciliares
R. inf. n. oculomotorii
NL maxillaris n. trigemiui
"Ganglion sphenopalatinum
"Ganglion oücum
N. mandibulare n. trigcmini
N. glossopharyngeus
Glandula subungualis
Ganglion sublinguale
Ganglion submaxillare
Glandula submaxillaris
A. carotis externa
Ganglion thoracal
n. sympathii '
Plexus brachia
Vena intercostalis >-
N. intercostalis ' — l
A. intercostalis
Ast vom Sympathicus zum N. laryngeus inf.
A. thyreoidea inf.
N. laryngeus inf.
Glandula thyreoidea
-, A. anonyma
— Trachea
- Arcus aortae
.. Plexus cardiacus
£-- A. pulmonalis
V. cava sup.
Oesophagus
N. vagus dexter
Aorta thoracalis
A., N. intercostalis < -
Ggl, thor. XII des Sympathicus '~.
Diaphragma
Plexus hepaticus ".
N. splanchnicus major
Ganglion lumbale I
Ganglion coeliacum ~
N. splanchnicus minor"
N. lumbalis"
Plexus renalis -
Plexus coronarius cordis
post.
Plexus coronarius cordis
ant.
Cor
— N. vagus sinister
— i Ventriculus
'""' > Plexus gastrici
— Plexus diaphragmaticus
— i Colon transversum
— Plexus arteriae lienalis
-—«Plexus coeliacus
Plexus mesentericus sup.
Fig. 304.
Verzweigungen des Vagus und des Sympathicus der rechten Seite, am Halse, in der Brusthöhle und in [der
oberen Abteilung der Bauchhöhle. (Hirschfeld und Leveille.) 2:5.
332 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
a) Rami gastrici.
Sie strahlen über die vordere Fläche des Magens bis zum Pylorus aus und
verbinden sich dabei mit den die A. gastrica sinistra und dextra umspinnenden
sympathischen Zweigen zum Plexus gastricus ant. (J. Kollmann). Öfters
zieht auch ein Zweig des linken Ganglion coeliacum n. sympathici in der Cardia-
gegend zur vorderen Magenfläche.
b) Rami hepatici.
Sie gelangen durch Vermittlung des Omentum minus zur Leberpforte.
2. Vagus dexter.
Der stärkere Vagus dexter teilt sich, indem er auf der hinteren Wand der
Speiseröhre die Bauchhöhle erreicht, in zwei ungleiche Abschnitte:
a) Rami gastrici.
Sie bilden den kleineren Teil (etwa ein Drittel der Fasern umfassend) und
begeben sich zur hinteren Magenwand, wo sie an der hinteren Seite der kleinen
Kurvatur den Plexus gastricus posterior bilden. Auch hier fehlen Verbin-
dungen mit den sympathischen Geflechten der A. gastrica sinistra nicht.
b) Rami coeliaci.
Zwei Drittel der Fasermasse bildend, gelangen diese Zweige längs der A.
gastrica sinistra zum Plexus coeliacus und in Begleitung der betreffenden Gefäße
zu Leber, Milz, (Rr. lienales), Bauchspeicheldrüse, Dünndarm, Niere,
(Rr. renales) und Nebenniere. Ein Teil der Zweige senkt sich in die Ganglia
coeliaca ein, ein anderer läßt sich unmittelbar zu den genannten Organen verfolgen.
Die für die Bauchspeicheldrüse, die rechte Niere und Nebenniere bestimmten
Zweige treten zwar in das rechte Ganglion coeliacum ein, lassen sich aber als
durchtretende Nerven nachweisen.
XI. N. accessorius. Fig. 304, 305.
Der N. accessorius, aus den Accessoriuskernen entsprungen, läßt sich mit
Rücksicht auf seinen peripheren Verbreitungsbezirk in einen Accessorius vagi und
spinalis zerlegen.
Accessorius vagi und Accessorius spinalis treten zum Accessorius communis
zusammen. Dieser wird mit dem Vagus in eine gemeinsame Durascheide ein-
geschlossen, nachdem er zur Nervenabteilung des Foramen jugulare gelangt ist.
Zwischen dem Ganglion jugulare und nodosum n. vagi geht der Accessorius
vagi in die Vagusbahn über und wird Ramus internus genannt. Der Ramus
externus, der Accessorius spinalis, dagegen begibt sich in den M. sternocleido-
mastoideus und den M. trapezius, um diese beiden Muskeln, welche zugleich Äste
aus dem Plexus cervicalis erhalten, zu innervieren.
Der im Wirbelkanal aufsteigende N. accessorius geht sehr häufig Verbin-
dungen mit hinteren Wurzeln der Spinalnerven ein. Meist ist die hintere Wurzel
des I., selten die des II. oder III. Cervikalnerven an dieser Verbindung beteiligt,
die zurzeit noch verschieden beurteilt wird und wahrscheinlich ohne Faserüber-
gang vonstatten geht.
Bei seiner Trennung vom Ramus internus erhält der Ramus externus
einige Fäden vom Ganglion jugulare n. vagi oder vom Vagus selbst, die peripher
in ihm weiter ziehen. Sodann begibt sich der Ramus externus nach außen, unten
Hirnnerven.
333
und hinten, um zur inneren Fläche des M. sternocleidomastoideus zu gelangen,
diesen zu durchbohren oder auf seiner medialen Fläche weiterzudringen. Nach-
dem er am hinteren Rande des Muskels zum Vorschein gekommen ist, durchzieht
er die Regio lateralis colli und gelangt zum vorderen Rande des Trapezius, begibt
sich zu dessen Innenfläche und versieht ihn mit motorischen Zweigen.
Während der R. externus den Sternocleidomastoideus kreuzt oder an ihm
vorbeizieht, sendet er diesem Muskel motorische Zweige, deren einer zwischen den
N. accessorius ty
N. cervicalis I
N. lingualis
A. profunda linguae
| N. hypoglossus
VV N. vagus
N. laryngeus sup.
M. thyreohyoideus
thyreoidea sup.
R. descendens n. hypoglossi
Muskeläste des R. descendens
Ansa hypoglossi
M. sternothyreoideus
jj vaglis
Fig. 305.
Die Nerven des Halses. {Nach Sappey.) 1:2.
Der M. sternocleidomastoideus, das Platysma, ein Teil des Brustbeines und des rechten Schlüsselbeines sind entfernt.
Muskelbündeln sich konstant mit einem Aste des III. Cervikalnerven verbindet;
die Fasern dieses Astes gehen in die Peripherie des Accessorius über; andere
Fasern von unbekannter Bahn schließen sich an den Accessoriusstamm in zentraler
Richtung an (E. Bischoff).
In der Regio lateralis colli verbinden sich abermals Fäden aus dem III. und
IV. Cervikalnerven mit dem Accessorius.
Der Beinerv ist ein ursprünglich rein motorischer Nerv, dem sich an ver-
schiedenen Stellen, vielleicht schon von den hinteren Wurzeln der oberen Halsnerven,
vom Vagus in der Gegend des Ganglion jugulare, von den vorderen Ästen des
III. und IV. N. cervicalis sensible Fasern beimischen können.
Die Fasern des Accessorius vagi, des Ramus internus also, gehen in
die Bahn der Rami pharyngei und laryngei, sowie in die Rami cardiaci des
Vagus über.
Raubee-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. ]g
334 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Lubosch, W., Vergleichend-anatomische Untersuchungen über den Ursprung und die Phylo-
genese der N. accessorius Willisii. Arch. mikr. Anat. Bd. 54, 1899. Alle Amniotcn haben einen
im Rückenmark gelegenen Accessoriuskern. der entweder von der Oblongata herabgewachsen ist
oder durch Abspaltung von der Vordersäule des Rückenmarks entstand. Bei den Sauropsiden
treten 2—3, bei den Säugetieren 5 — 7 Marksegmente zu dem Kerne in Beziehung. Die Wurzeln
treten unter Leitung der sensiblen Wurzeln nach außen und stellen viscero-motorische Fasern der
dorsalen Wurzeln dar. Der Rückenmarkteil des Nerven geht aus verschiedenen Gründen Verände-
rungen ein. Doch ist die Scheidung in einen N. accessorius vagi und spinalis vom vergleichenden
Standpunkte aus nicht zu halten. — Derselbe schlägt auf Grund vergleichender Untersuchungen
vor, als Accessorius schlechtweg nur den aus dem Rückenmark stammenden Teil des Säugetier-
nerven zu bezeichnen. Den cerebralen Teil des Säugetiernerven hingegen rechnet er zum Vagus.
Bei den Sauropsiden ist an Stelle des Accessorius die Bezeichnung Pars spinalis n. vagi zu setzen.
Doch ist zu beachten, daß die Pars spinalis n. vagi der Sauropsiden den rostralen Segmenten des
Accessorius der Säuger homolog erscheint. (Anat. Anz. XIX, 1901). ■ — Weigner, K., Beziehungen
des N. accessorius zu den oberen Spinalnerven. Anat. Hefte Nr. 56/57, 1901.
XH. N. hypoglossus. Fig. 301, 304—307.
Er entspringt aus dem Hypoglossuskern und gelangt mit 10 — 15 Wurzelfäden
im Sulcus lateralis anterior der Oblongata an die Oberfläche. Die Wurzelfasern
treten gewöhnlich zu zwei größeren Bündeln zusammen, welche getrennt oder
vereinigt durch den Canalis hypoglossi ossis occipitalis den Durasack verlassen
und eine Durascheide erhalten.
Am Eingang in den Canalis hypoglossi ist der Nerv von einem mit den
Venen des Sinus occipitalis in Verbindung stehenden Venenkranze umgeben,
dem Rete canalis hypoglossi. Außerhalb der Schädelbasis liegt der Nerv
anfangs medial und hinter dem Vagus, schlägt sich aber in der Gegend des
Ganglion nodosum, an welches ihn Bindegewebe befestigt, auf die laterale Fläche
des Vagus hinüber, zieht abwärts an der medialen Fläche des M. stylohyoideus und
des Venter post. vom M. digastricus, wendet sich darauf in sanftem, unten konvexem
Bogen (Arcus hypoglossi) nach vorn und strahlt, bedeckt vom M. mylohyoideus
auf der Außenfläche des M. hyoglossus dahinziehend, in die Zunge ein.
Zur V. jugularis interna und Carotis interna verhält sich der Nerv im Herabsteigen so, daß
er entweder zwischen beiden durchdringt oder von hinten her auf die Außenseite beider Gefäße
gelangt. Er kreuzt hierauf die äußere Fläche der Carotis externa und die innere der V. facialis
communis, zwischen welchen er nach vorn hindurchtritt.
Der absteigende Teil des Nerven geht mit dem Vagus, den vorderen Ästen
der drei ersten Halsnerven und dem oberen Halsknoten des Sympathicus Ver-
bindungen ein, so daß der ursprünglich motorische Hypoglossus Fasern anderer
physiologischer Art erhält.
Interessant ist in bezug auf die Entwicklung des Hypoglossus die Tatsache, daß er nicht
allein mehreren Spinalnerven homolog ist, sondern daß er auch ursprünglich eine kleine dorsale,
mit einem kleinen Spinalganglion ausgestattete Wurzel besitzt, welche beide wieder untergehen
(Froriep); doch können Teile eines solchen Ganglion vielleicht dauernd erhalten bleiben (Hyrtl);
siehe oben S. 233 und unten: Vergleichung der Hirn- und Rückenmarksnerven.
a) Verbindungen des Hypoglossus mit anderen Nerven.
1. Ramus anastomoticus cum ganglio cervicali superiore.
Der Faden geht vom Hypoglossus gleich unterhalb des Canalis hypoglossi ab und gelangt
zum Ganglion.
2. Ramus anastomoticus cum ganglio nodoso n. vagi.
Bei dieser Verbindung gelangen auch Vagusfasern in den Hypoglossus.
3. Ramus anastomoticus cum ansa cervicali prima.
Hirnnerven.
335
Ein ansehnlicher Faden, welcher aus Fasern der vorderen Äste der beiden ersten Halsnerven
gebildet wird. Ein Teil dieser Fasern geht im Hypoglossus zentralwärts, um ihn größtenteils
wieder zu verlassen und dem M. rectus capitis anterior und dem M. longus capitis motorische
Zweige abzugeben; ein kleiner Teil bleibt bei dem Hypoglossus. Der größere Teil der Fasern
des Verbindungszweiges schließt sich dem Hypoglossus in peripherer Richtung an, beteiligt sich
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St-th.
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Fig. 307.
Fig.307. Der Faserverlauf im Plexus hypoglossus. (Louis Bolk.)
Die Pfeile bezeichnen den Verlauf der Nervenfasern.
/, //, ///, IV N. cervicales I— IV; Ge-h M. geniohyoideus ; O-h M.
omohyoideus; Phr. N. phrenicus; Sl-h M. sternothyreoideus; Th-hM.
thyreohyoideus.
Fig. 306. Verbindungen des N. hypoglossus mit den Cervikalnerven.
(M. Holl.)
XII N. hypoglossus; / vorderer Ast des ersten, // zweiten, ///dritten
Cervikalnerven; D N. cervicalis descendens superior; D1 N. cervicalis
descendens inferior; a Ast des ersten Cervikalnerven, der mit dem
Bündel c zentralwärts verläuft, die Fäden r.mi und r.ma für die Mm.
rectus capitis anterior und longus capitis entsendet, endlich d und ä1
in absteigender Richtung in den N. cervicalis descendens übertreten läßt; b Verbindung zwischen erstem und zweitem
Cervicalis; d- Ast vom zweiten Cervikalnerven; e Verbindung zwischen zweitem und drittem Halsnerven; /, / Ansa cervi-
calis profunda, gebildet vom N. cervicalis descendens superior (£>) und inferior (D1); x, x, x Zweige für die Unterzungen-
beinmuskeln; g in die periphere Bahn des Hypoglossus gelangendes Bündel des zweiten Cervikalnerven; /— f1 ebenso
des dritten; ih Nerv für den M. thyreohyoideus; ge Nerv für den M. geniohyoideus.
an der Bildung des Ramus descendens hypoglossi und entsendet über diesen hinaus seine
Fasern bis zum M. geniohyoideus (Holl).
4. Verbindung mit dem Ramus lingualis n. vagi (siehe S. 327).
5. Rami anastomotici cum ansa cervicali seeunda. Fig. 306.
Äste des II. und III. Halsnerven steigen von unten auf, erreichen den Arcus hypoglossi,
schließen sich zum Teil den unter 3. erwähnten Zweigen an und bilden dadurch den Ramus de-
scendens n. hypoglossi. Dieser Zweig enthält hiernach keine Hypoglossusfasern, verbindet sich
18*
336 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
mit dem N. cervicalis desccndens inferior zu einer auf der Außenfläche der großen Hals-
gefäße gelegenen Schlinge, Ansa hypoglossi, welche unten konvex ist und häufig geflechtartige
Anordnung zeigt. Aus der Konvexität der Ansa entspringen die motorischen Nerven für die Mm.
sternohyoideus, sternothyreoideus und den unteren Bauch des Omohyoideus; der obere Bauch des
letzteren erhält seine Nerven aus dem Ramus desccndens selbst. Der Ramus descendens enthält aber
auch aufsteigende Fasern, welche in peripherer Richtung in den Hypoglossus übertreten, um ihn als
Aste für die Mm. thyreohyoideus und geniohyoideus wieder zu verlassen und zum Teil sogar in
Zungenäste zu gelangen. Der Ramus descendens besteht hiernach aus einem aufsteigenden und
einem absteigenden Faserbündel (Ho 11). Vergl. hiermit die Darstellung von L. Bolk (Fig. 307).
Ein der Ansa hypoglossi entstammender N. cardiacus ist selten und wahrscheinlich als
ein in die Hvpoglossusbahn gelangter R. cardiacus vagi oder sympathici zu deuten.
6. Ramus communicans cum nervo linguali trigemini (siehe S. 313).
b) Äste des Hypoglossus.
1. Ramus meningeus.
Er entspringt vom Hypoglossus innerhalb des Canalis hypoglossi, dringt teils durch feine
Poren in den Knochen, teils zur Wand des Sinus occipitalis. Ob diese und die unter 2. erwähnten
Zweige aus der Lingualisverbindung oder aus einer anderen Quelle stammen, ist ungewiß.
2. Rami vasculares.
Ein oder einige Fäden, welche unterhalb des Canalis hypoglossi vom Stamme abgehen und
mit Fäden aus dem oberen Halsganglion des Sympathicus verbunden zur Vena jugularis interna
ziehen.
3. Ramus thyreohyoideus; stammt von aufsteigenden Halsnerven-
fasern ab.
4. Ramus geniohyoideus; hat nach Holl dieselbe Abstammung wie 3.
5. Rami linguales.
Sie bilden die Fortsetzung des Hypoglossusstammes und gelangen von der
Außenfläche des M. hyoglossus zu den Mm. styloglossus, genioglossus usw.
Durch die Verbindung mit dem N. lingualis werden den motorischen Zungenästen
des Hypoglossus wahrscheinlich sensible Fasern zugeführt.
IV. Die Rückenmarksnerven, Nervi spinales.
Allgemeines.
Aus dem Rückenmark nehmen jederseits 31 Nervenpaare, Nn. spinales,
ihren Austritt.
Sie verteilen sich auf die Rumpfgegenden in der Weise, daß mit Ausnahme des Hals- und
Schwanzteiles der Wirbelsäule ebenso viele Spinalnervenpaare gezählt werden, als Wirbel vorhanden
sind. Man zählt demnach jederseits 12 Brust-, 5 Lenden- und 5 Kreuznerven, dagegen 8 Hais-
und 1 (oder 2 — 3) Steißnerven. Das 1. Spinalnervenpaar verläßt den Wirbelkanal zwischen dem
Hinterhauptbein und dem Atlas, das 8. zwischen dem siebenten Hals- und ersten Brustwirbel.
Die Nervenpaare erhalten demnach am Halsteil ihre Benennung nach dem unteren Wirbel, mit
Ausnahme des achten, welcher nicht nach der Wirbelzahl benannt werden kann. Bei den übrigen
Spinalnerven wird das jedesmalige Paar bezeichnet nach dem oberen Wirbel.
Als l.Thorakalnerven bezeichnet man folglich denjenigen, welcher zwischen dem 1. und 2. Brust-
wirbel austritt; als 1. Lumbalnerven jenen, welcher zwischen dem 1. und 2. Lendenwirbel austritt.
Der dem Intervertebralraum zwischen dem 5. Kreuz- und 1. Steißwirbel entsprechende Spinalnerv
ist der 5. Sakralnerv. Sämtliche Nerven treten hiernach intervertebral aus dem Wirbelkanal.
Alle Spinalnerven gehen aus dem Rückenmark in zwei Wurzeln hervor,
einer dorsalen, reeeptorischen (sensiblen), Radix posterior, und einer
ventralen, effectorischen (motorischen), Radix anterior. Beide Wurzeln
streben schon innerhalb des Durasackes einander zu und verlassen ihn, von einer
Rückenmarksnerven.
337
xu
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a:
Sv
M
SC
Fig. 309.
Fig. 309. Unterer Teil des Rückenmarkes mit der Cauda equina und der
beide umgebenden Dura mater von hinten. 1:3.
Der Sack der Dura mater ist von hinten her aufgeschnitten und auseinander-
gezogen ; links sind alle Nervenwurzeln erhalten, rechts sind die unteren Nerven-
wurzeln bis zu ihrer Durchtrittstelle durch die Dura abgeschnitten. Das
Steißbein ist an seiner natürlichen Lagerungsstelle angebracht, um das Ver-
hältnis des Filum terminale und der Steißbeinnerven zu demselben zu zeigen.
a Sulcus medianus posterior; b, b Filum terminale, ein wenig nach der rechten
Seite herübergezogen; b' Filum terminale externum, außerhalb des Sackes der
Dura mater (c, c, c, c); dtd Öffnungen in derselben für den Durchtritt der Nerven-
wurzeln; e Lig. denticulatum ; DX,DXff zehnter und zwölfter Brustnerv;
LI u. LV erster und fünfter Lumbainerv; SIu. SV erster und fünfter Sakralnerv;
CI Nervus coccygeus.
Fig. 30S. Rückenmark mit Nn. spinales und Grenzstrang des N. sympathicus.
V fünfter, XU zwölfter Hirnnerv; Cl erster Halsnerv; C2 — 8 zweiter bis achter Halsnerv; Dl — 12 erster bis zwölfter Brust-
nerv ; L 1—5 erster bis fünfter Lumbainerv ; S 1 — 5 erster bis fünfter Sakralnerv ; 6 Steißbeinnerv ; x, x Filum terminale des
Rückenmarkes. Von den Wurzeln LI bis x Cauda equina ; Rr Plexus brachialis ; Cr Nervus femoralis ; Sc Nervus ischiadicus ;
O Nervus obturatorius. Die Anschwellungen, an denen die Zahlen Z.3, 4, 5 stehen, sind durch Spinalganglien bedingt. —
In der linken Seite der Figur ist der Grenzstrang des Sympathicus dargestellt, a bis ss seine Ganglien ; a oberes Halsganglion ;
b u.c mittleres und unteres Halsganglion; ä erstes, d' letztes Brustganglion ; e erstes Lumbaiganglion ; ss oberstes Sakralganglion.
.
338
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
einfachen oder doppelten Durascheide umgeben. Die sensible Wurzel schwillt
dann durch Aufnahme zahlreicher Nervenzellen zu einem Ganglion an, dem
Ganglion spinale, welches den Ursprungskern der sensiblen Wurzel, sowie
ihrer zentralen und peripheren Ausbreitung darstellt (siehe oben S. 4, 48, 54).
Die motorische Wurzel hat dagegen ihren Ursprungskern in der Vordersäulc des Rückenmarkes.
Sie bleibt am Aufbau des Ganglion ganz unbeteiligt und zieht, durch Bindegewebe an dasselbe
geheftet und einen Eindruck an ihm bewirkend, an seiner medialen Seite vorüber. Jenseits
des Ganglion tritt eine Mischung der Bestandteile beider Wurzeln ein. Sie wird dadurch bedingt,
daß Faserbündel der motorischen Wurzel dorsalwärts ziehen müssen, um die eigentliche Rücken-
muskulatur zu erreichen; ein Teil der receptorischen Fasern hat andererseits einen medialen
Weg einzuschlagen, um in den Ramus communicans und meningeus zu gelangen. Siehe S. 24.
P
|ij^~Ä *^ |V'f|'
Fig. 310.
Fig. 310. Schema des Spinalnerventypus.
5 Radix posterior und m Radix anterior; g Ganglion spinale ; p Ramus posterior
des N. spinalis ; / Ramus anterior desselben ; v Ramus communicans ; gs Ganglion
des Grenzstranges des Sympathicus; rs Ramus intergangliaris superior; ri Ra- p. ~. .
mus intergangliaris inferior; sv Ramus meningeus zum Wirbelkanal. ^'
Fig. 311. Bahnen der vorderen und hinteren Wurzeln zu den vier Ästen des gemeinsamen Spinalnervenstammes.
1 Radix posterior; 2 Radix anterior; 3 Ganglion spinale; 4 Ramus posterior; 5 Ramus anterior; 6 Ramus meningeus;
7 Ramus communicans; 8 Ganglion sympathicum. (Siehe auch Sympathicus.)
Jenseits des Ganglion bilden demgemäß die Wurzeln einen gemeinsamen,
gemischten Stamm, N. spinalis, welcher alsbald seine Verästelung beginnt
(siehe S. 3, Fig. 2).
Der gemeinsame Stamm teilt sich typisch in vier Zweige:
1. Ramus posterior, 2. Ramus anterior, 3. Ramus meningeus, 4. Ramus
communicans. Fig. 310, 311.
Die Stärke und Richtung der Wurzeln, die Stärke der Rami posteriores und anteriores, die
Länge des gemeinsamen Stammes, die Größe und Lage des Spinalganglion unterliegen in den ein-
zelnen Rumpfgebieten manchen Verschiedenheiten, von welchen das Folgende an dieser Stelle her-
vorzuheben ist.
Jede Wurzel hat, je tiefer sie entspringt, infolge des Descensus columnae vertebralis einen um
so längeren und steileren Weg im Wirbelkanal und zunächst im Durasack zurückzulegen. Der Aus-
trittsstelle des 1. Halsnerven aus dem Rückenmark liegt der zugehörige Porus durae und das zu-
gehörige Intervertebralloch gerade gegenüber; nach dieser Stelle konvergieren je die beiden Wurzeln.
Allmählich aber wird der Winkel, welchen die aus dem Rückenmark tretenden und absteigenden
Wurzeln mit dem Rückenmarke bilden, immer kleiner, bis zuletzt an der Cauda equina alle
Wurzeln gerade abwärts zu verlaufen scheinen (Fig. 309 von den Wurzeln L 1 an abwärts).
Nach Nuhns Bestimmungen tritt der 1. Halsnerv in gleicher Höhe mit dem Rande des Hintcr-
hauptloches aus dem Mark, der 8. Halsnerv gegenüber dem Dorn des sechsten Halswirbels,
der 6. Brustnerv zwischen dem Dorn des vierten und fünften Brustwirbels, der 12. Brustnerv
Riickenmarksncrven.
339
gegenüber dem Dorn des zehnten Brustwirbels, der 5. Lendennerv gegenüber der unteren Hälfte
des Domes des zwölften Brustwirbels, der 5. Kreuznerv in der Hohe der oberen Hälfte des
Domes des ersten Lendenwirbels.
Die dorsalen Wurzeln sind im allgemeinen stärker als die ventralen. Eine
Ausnahme macht der 1. Halsnerv, dessen hintere Wurzel nur etwa das halbe Kaliber
der vorderen hat.
Am stärksten sind im Gebiet der Halsanschwellung die Wurzeln des
6. Halsnerven, an der Lendenanschwellung die Wurzeln des 2. Kreuznerven.
Varietäten im Austritt von Wurzelbündeln aus dem Rückenmark undjn ihrem Verlauf sind
nicht allzu selten. So kommen Asymmetrien vor, welche entweder eine Ausgleichung durch
andere Wurzeln erfahren oder nicht. Ein Wurzelbündel kann zwischen zwei Wurzelbezirken aus-
treten und sich dem oberen oder unteren oder unter Teilung beiden ansehließen. Besonders eigen-
tümlich sind Wurzelfäden, welche aus einer oberen Wurzel sich ablösen, in eine untere eintreten
und in ihr zentralwärts ziehen (Ansa zentripetalis von
Hubert); oder Wurzelfädcn, welche von einer oberen
Wurzel in zentripetaler Richtung abtreten und in zentri-
fugaler Richtung in eine untere umbiegen (Ansa centrifugalis
von Hubert). Die Ansa centrifugalis, anscheinend die
sonderbarste Anomalie, ist indessen gegenwärtig leicht er-
klärlich, wie Fig. 312 erläutert. Anders mit der Ansa centri-
petalis, falls nicht dennoch, sei es in der oberen oder
unteren (motorischen) Wurzel eine schließliche Umkehr in
der Peripherie stattfindet; man würde sonst an ein weit
lateralwärts ausgebogenes Längsfaserbündel des Rücken-
markes denken müssen.
Die Größe der Spinalganglien ist im
allgemeinen proportional der Stärke der beteiligten
Wurzel, so daß den stärksten hinteren Wurzeln
die größten Ganglien, den schwächsten die
schwächsten Ganglien entsprechen (Fig. 30, 308,
309). Sind doch die Ganglien für die über-
wiegende Fasermenge der hinteren Wurzeln die
Ursprungskerne!
Das Ganglion des N. coecygeus I ist 0,5 — 2 mm lang
und hat seine Lage beständig innerhalb des Durasackes, bald näher dem oberen, bald näher
dem unteren Ende der Nervenwurzel, oder in deren Längsmitte. Auch der letzte Sakralnerv trägt
sein Ganglion zuweilen im Durasack, während alle höher gelegenen Nervenknoten außerhalb des
Durasackes liegen. Hier nehmen sie die Foramina intervertebralia, in den beiden obersten Räumen
die seitliche Ecke derFissura intervertebralis ein. Am Kreuzbein liegen die Ganglien natürlich lateral
vom Canalis sacralis, in dem Gange, welcher ventral zu den Foramina sacralia anteriora, dorsal zu
den Foramina sacralia posteriora führt. Fig. 32.
Wenn der gemischte Stamm der Spinalnerven aus den Intervertebrallöchern hervortritt,
ist er meist schon in den Ramus anterior und posterior gespalten. Am Kreuzbein findet die Teilung
noch innerhalb der Canales intersacrales, der Austritt durch die Foramina sacralia anteriora und
posteriora statt. Die zwei letzten Spinalnervenpaare verlassen den Wirbelkanal durch die von
lockerem Fettgewebe eingenommene Spalte, welche der seitliche Rand des Lig. sacrococcygeum
posterius mit den Steißwirbelkörpern einschließt. Fig. 309.
Während mit Ausnahme des ersten Nervenpaares die hinteren Wurzeln
stärker sind, als die vorderen, ist es umgekehrt mit der Stärke des Ramus
anterior und posterior. Dies ist leicht einzusehen, da der Ramus anterior ein
weit größeres Gebiet zu versorgen hat, als der Ramus posterior. Der Ramus
Fig. 312.
Bahn in der ungewöhnlichen Ansa centri-
fugalis der Spinalnervenwurzeln.
1 und 3 zwei sensible Wurzeln mit ihren Fila
radicularia ; 2 und 4 zwei spinale Ganglien;
5 eine Spinalganglienzelle mit ihren beiden
Ausläufern, dem zentripetalen und dem zentrifu-
galen ; /Ansa centrifugalis ; p Ansa centripetalis.
340 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
anterior ist also der stärkere; nur am 1. Halsnerven sind beide Äste etwa gleich;
der Ramus posterior des 2. Halsnerven ist aber stärker.
1. Die Rami posteriores sind wesentlich für die Rückenhaut und für die eigentlichen
Rückenmuskcln bestimmt.
2. Die Rami anteriores versorgen Haut und Muskeln des ventralen Teiles der Rumpf-
wand, zu welchem auch beide Extremitäten gehören.
3. Die Rami meningei versorgen den Wirbelkanal und die Rückenmarkshäute.
4. Die Rami communicantes gelangen zu den Eingeweiden und zu den Gefäßen, unter
Vermittlung und Beteiligung eines besonderen nervösen Apparates, des N. sympathicus; sie führen
aber auch sympathische Fasern spinalwärts. Fig. 311.
Bei der Beschreibung des gemeinsamen Stammes der Spinalnerven ist ferner einer Tat-
sache zu gedenken, welche mit der Astbildung dieses Stammes in Zusammenhang steht. Von
Magendie wurde beobachtet und von der Folgezeit bestätigt, daß der periphere Stumpf
einer durchschnittenen vorderen, motorischen Wurzel empfindlich ist. Durchschneidung der
gleichnamigen hinteren, sensiblen Wurzel hebt diese »rückläufige Empfindlichkeit" auf. Die sen-
siblen Fasern der motorischen Wurzel stammen hiernach aus der gegenüberliegenden hinteren Wurzel.
Von hier aus verlaufen die Fasern wahrscheinlich bis in den vorderen gemischten Ast des be-
treffenden Nerven, um hier, im Gebiet des Plexus desselben, in die motorische Wurzel umzubiegen
und in die Pia zu gelangen (Schiff).
Etwas Ähnliches findet in der Peripherie der Nerven statt. Der periphere Stumpf
besonders motorischer Nerven, wie des Facialis, zeigt sich empfindlich, und zwar um so
deutlicher, je mehr peripher die Durchschneidung vorgenommen wurde. Hieraus ist zu schließen,
daß im Gebiete der peripheren Verbreitung der motorischen Nerven sensible Fasern auch in
zentraler Richtung sich der Bahn des motorischen Nerven anschließen, um ihn später wieder
zu verlassen. Man nennt diese Form die „periphere rückläufige Empfindlichkeit".
Jeder gemeinsame Nervenstamm hält sich mit seinem ganzen Astgebiet in
der Regel in den Grenzen des ihm zukommenden Körpersegmentes und jeder
der vier primären Äste wiederum in dem ihm zukommenden Gebiet. Doch gibt
es Ausnahmen. Eine solche findet sich z. B. im oberen Halsteil. Der Hautast des
Ramus posterior des 2. Halsnerven, N. occipitalis major genannt, verbreitet sich
als sensibler Nerv über den Hinterkopf bis in die Scheitelgegend. Fig. 290, 315.
Der linke und rechte Stamm je eines Spinalnervenpaares versorgt das zugehörige Körpersegment
im allgemeinen in symmetrischer Weise. Die Medianebene bildet dabei im allgemeinen die
Grenzscheide der beiderseitigen Versorgung. So verhält es sich auch bei den Gehirnnerven. Dies
hindert jedoch nicht, daß in der ventralen und dorsalen Mittellinie auf kurze Strecken eine
von beiden Seiten ausgehende Gebietsüberschreitung von Seiten der Hautnerven stattfindet, an-
scheinend in alternierender Weise. Man kann sich das Verhältnis in Form einer sägeförmigen Linie
vorstellen. Dies erinnert unwillkürlich an die sagittalen Knochen nähte des Schädeldaches: hier
tritt der Knochen der einen Körperhälfte in Form einer verwickelten Sägelinie je in die andere Körper-
hälfte hinüber. Vermutlich ist es auch so mit den Gefäßen; deutlich ist es bei manchen Muskeln.
Die Überkreuzung der Hautnerven ist von Zander festgestellt worden.
Wenn auch die einzelnen spinalen Nervenpaare sich in ihrer kranialen und
kaudalen Verbreitung im allgemeinen an das zugehörige Körpersegment
halten, so schließen sich doch die Äste keineswegs streng gegeneinander ab; viel-
mehr bilden gegenseitige Verbindungen von Ästen benachbarter segmentaler
Nerven eine sehr häufige, in gewissen Gegenden durchaus typische Erscheinung.
So gehören Verbindungen der Rami posteriores im Hals- und Kreuzgebiete
zu den regelmäßigen Vorkommnissen.
Eine viel größere Rolle aber spielen die Verbindungen und Geflechtbildungen
bei den Rami anteriores. Im ganzen können beim Menschen jederseits zwei
große ventrale Plexus unterschieden werden, ein oberer und ein unterer
Rumpf plexus, welche durch den plexuslosen Brustteil voneinander getrennt sind.
Rückenmarksnerven. 341
Der obere Rumpfplexus, Plexus cervico-brachialis, besteht aus der Verbindung der
R.imi anteriores aller Hals- und des 1. Brustnerven, nebst einem häufigen Anteil des 2. Brustnerven.
Oben steht er mit Hirnnerven in Verbindung.
Der untere Rumpfplexus, Plexus lumbo-sacralis, schließt die Rami anteriores sämtlicher
Lumbal-, Sakralnerven und des N. coecygeus I ein; er steht oben mit dem 12. Brustnerven in Ver-
bindung.
Doch bilden nicht nur Rami posteriores und anteriores je dorsale und
ventrale Geflechte, sondern auch die Rami meningei und Rami communi-
cantes zeigen außerordentlich reich entwickelte Geflechte; der Plexus meningeus
gelit jederseits durch den ganzen Wirbelkanal hindurch; ebenso verhält es sich mit
dem Plexus intestinalis, mit welchem Namen die Gesamtheit aller Geflechte
des Eingeweidenervensystems gemeint ist; dieser ist dadurch noch besonders aus-
gezeichnet, daß in den Knotenpunkten Haufen von Nervenzellen sich sammeln;
so kommt der N. sympathicus zur Erscheinung.
Man kann bezüglich der Ausbildung der Plexus dorsales, ventrales, meningei und
intestinales annehmen, daß eine Verwandtschaft der Segmente sie bedinge, ebenso, wie
die Kommissuren, Dekussationen und medianen Überkreuzungen des Nervensystems auf einer Ver-
wandtschaft beider Körperhälften beruhen. Da aber Plexusbildungen innerhalb der Astfolge
eines und desselben segmentalen Nerven im peripheren Gebiet eine äußerst verbreitete Ein-
richtung darstellen, und Plexusbildung sogar in den Nervenzentren und im Innern aller peri-
pheren Stämme und Zweige überall vorkommt, so wird man daran denken müssen, in der Geflecht-
bildung eine Erscheinung zu erblicken, die das Nervensystem als Ganzes auszeichnet und welche
ihre Grundlage hat in jenen Nervensystemen der niederen Tierwelt, die aus einem nervenzellen-
haltigen Geflecht bestehen.
Siehe auch unten: Neurales Segment und Muskelsegment; Skierozonen. — Bolk, L., Die
Segmentaldifferenzierung des menschlichen Rumpfes und seiner Extremitäten. Morph. Jahrb. XXV,
1897. — Derselbe, Beiträge zur Affenanatomie: Der Plexus cervico-brachialis der Primaten; mit
39 Figuren im Text. In Petrus Camper, I, 1902. — Eisler, P., Die Ursache der Geflechtbildung
an den peripheren Nerven. Veihandl. anat. Ges. 1902. — Ottendorf, G, Die Plexusbildung der
Nerven in der Mittellinie der Rückenhaut einheimischer Frösche. Arch. mikr. Anat. Bd. 53, 1899.
Die fünf Abteilungen der Spinalnerven.
1. Die Halsnerven, Nn. cervicales, bestehen aus acht Paaren.
Das erste Halsnervenpaar verläßt den Wirbelkanal zwischen dem Hinterhauptbein und dem
Atlas, die folgenden zwischen je zwei Halswirbeln, das achte zwischen dem letzten Hals- und dem
ersten Brustwirbel. Die Halsnerven nehmen an Stärke bis zum sechsten einschließlich zu, welcher
der mächtigste ist; von hier an nehmen sie ab; die Abnahme setzt sich auf den größten Teil der
Brustnerven fort.
2. Die Brustnerven, Nn. thoracales, bilden zwölf Paare, welche mit Aus-
nahme des ersten Paares, gegenüber der unteren Hälfte der Halsnerven eine sehr
geringe Stärke besitzen. Die unteren Brustnerven nehmen indessen an Stärke
wieder etwas zu.
Die Schwäche der Brustnerven ist nicht unverständlich, wenn beachtet wird, welchen Bedin-
gungen die unteren Halsnerven ihre ausnehmende Stärke verdanken. Die Muskellager des Schulter-
gürtels und der freien Extremität, die sehr bedeutende Entfaltung der Haut, welche durch die Gegen-
wart der Extremität veranlaßt wird, diese beiden Ursachen sind es vorzugsweise, welche die Stärke der
unteren Halsnerven und des ersten Brustnerven notwendig machen und erklären. Werden jene Muskel-
lager und die Hauthülle der Extremität weggelassen, so liegen ähnliche Verhältnisse vor wie am
Rumpfe. Es kommt aber noch ein Umstand hinzu, welcher dazu beiträgt, den Unterschied zwischen
der Stärke der unteren Halsnerven und der Brustnerven zu vergrößern. Der Brustkorb wird zum
Teil von einer Muskulatur überlagert, welche ihre Nerven gar nicht von Brustnerven, sondern von
Hals- und Kopfnerven erhält. Die zur oberen Extremität gehörigen Brust- und breiten Rücken-
31_' Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
muskeln sind von einer Versorgung durch Brustnerven ausgeschlossen; um so schwächer werden
die Brust-, um so stärker die Halsnerven sein. Der erste Brustnerv tritt zwischen dem ersten und
zweiten Brustwirbel, der letzte zwischen dem letzten Brust- und ersten Lendenwirbel aus.
3. Die Lendennerven, Nn. lumbales, aus fünf Paaren bestehend, setzen
die Zunahme an Stärke, welche bereits an den unteren Brustnerven zutage trat,
in steigendem Grade fort.
Sie kommt jedoch ausschließlich dem Ramus anterior zugute, denn die Rami posteriores der
Lendennerven sind von geringer Stärke und nehmen nach unten zu sogar ab. Der erste Lenden-
nerv nimmt seinen Austritt zwischen dem ersten und zweiten Lendenwirbel, der letzte zwischen
dem letzten Lenden- und ersten Kreuzwirbel.
4. Die fünf Sakralnerven, Nn. sacrales, und die sich anschließenden
Steißnerven nehmen an Stärke allmählich ab; der erste Sakralnerv aber ist
der mächtigste aller segmentalen Nerven.
Die vier oberen Sakralnerven treten durch die Canales intersacrales aus dem Wirbelkanal
aus; ihre Rami posteriores gelangen durch die Foramina sacralia posteriora nach hinten, die Rami
anteriores durch die Foramina sacralia anteriora nach vorn. Der fünfte Sakralnerv nimmt zwischen
dem letzten Kreuz- und dem ersten Steißwirbel, der erste Steißnerv zwischen dem ersten und dem
zweiten Steißwirbel seinen Austritt aus dem Wirbelkanal (siehe Fig. 309).
5. Die Kaudalnerven, Nn. coecygei.
Von Kaudalnerven ist in der Regel nur einer makroskopisch darstellbar, der erste; die Ele-
mente eines zweiten und dritten sind in feinen, in der Regel mikroskopischen Bündeln enthalten,
welche im Filum terminale herabziehen und auch noch kleine Gruppen wohlausgebildeter Spinal-
ganglienzellen enthalten (Raub er). Zuweilen ist der zweite N. coecygeus stärker als gewöhnlich
entwickelt, löst sich vom Filum terminale ab und gleicht alsdann in allem einem gewöhnlichen
Spinalnerven. Die Zahl der im Filum terminale des Menschen enthaltenen Nervenfasern beträgt
durchschnittlich über 100.
Im folgenden sind nun zuerst die Rami posteriores, darauf die Rami meningei, sodann
die Rami anteriores der Spinalnerven zu untersuchen; endlich folgen die Rami communi-
cantes, welche schon in das Gebiet des N. sympathicus hinüberführen, indem sie das spinale
Nervensystem mit dem Sympathicus verbinden, in letzteren spinale Elemente, aber auch sym-
pathische Fasern in das spinale System gelangen lassen.
A. Rami posteriores der Spinalnerven. Fig. 314, 315.
Die Rami posteriores der Spinalnerven versorgen:
1. Die Rückenhaut, vom Scheitel bis zur Steißbeinspitze.
Die laterale Grenze dieses großen Hautnervenfeldes des Rückens ist jederseits durch eine
Linie bestimmt, welche vom Scheitel über die Mitte der Linea nuchae superior zum Seitenrande
des M. trapezius herabläuft und diesem bis zum Akromion folgt. Von hier neigt sich die Grenz-
linie zuerst medianwärts, indem sie den unteren Winkel der Skapula kreuzt, beginnt aber von der
Mitte des Rückens an lateralwärts vorzudringen, schneidet die Mitte der Crista iliaca und erreicht
die Haut über dem großen Trochanter. Von diesem Orte aus zieht die Grenzlinie in einem leicht
aufwärts konvexen Bogen zur Steißbeinspitze.
2. Die Rückenmuskulatur im engeren Sinne (siehe Abt. III, S. 28).
Wie sich bei einer Vergleichung dieser Grenzlinie mit der lateralen Grenze
der eigentlichen Rückenmuskulatur ergibt, greift das dorsale Hautnervenfeld
an zwei Stellen über das dorsale Muskelfeld ziemlich beträchtlich hinaus; in
der Akromial- und in der Trochantergegend.
Innerhalb dieses langen symmetrischen Haut- und Muskelnervenfeldes verteilen sich die
Nerven nicht überall genau entsprechend den Wirbelsegmenten; letztere sind nicht der genaue
Ausdruck für die verschiedenartigen übrigen Bestandteile eines Körpersegmentes, wie für das
Darmsegment, Hautsegment; doch ist es ungewiß, wie weit ein Hautsegment sich erstreckt, wenn
343
Fig. 313. Innervierung der Haut nach den Rückenmarksegmenten. Vorderseite.
C. VIII ist in dem mit Th. I bezeichneten Felde enthalten; L. V. ist in dem mit L. IV bezeichneten Felde enthalten.
344
Fig. 314. Innervierung der Haut nach den Rückenmarksegmenten. Rückseite.
C. VIII ist in dem mit Th. I bezeichneten Felde enthalten; L. V. ist in dem mit L IV bezeichneten Felde enthalten.
Rückenmarksnerven. 345
man nicht gerade die Nervenverteilung zur Abgrenzung benutzen kann. Daher ist sachlich nur
festzuhalten, daß die Hautzweige des dorsalen Astes des 2. Halsnerven bis zur Scheitelgegend
des Kopfes vordringen. Auch die Hautzweige der Rami posteriores der mittleren Halsnerven zeigen
noch eine etwas aufsteigende Hahn, wahrend die der unteren Halsnerven und Brustnerven eine
leicht absteigende Richtung verfolgen. Einen steil abfallenden Weg schlagen die zur Hüft- und
oberen Gesäßgegend ziehenden Hautnerven ein.
Was die von den Rami posteriores innervierten Muskeln betrifft, so halten die zugehörigen
motorischen Nerven sich ganz in den segmentalen Grenzen.
Da das dorsale Haut- und Muskelnervenfeld eine ansehnliche Breite
besitzt, ist zur Innervierung beider die typische Einrichtung getroffen, daß jeder
Ranius posterior sich je in einen Ramus medialis und lateralis teilt. Am
deutlichsten ist diese Eigentümlichkeit im Brustnervengebiet ausgeprägt. Medialer
und lateraler Ast können beide sowohl sensible als motorische Fasern ent-
halten. Siehe Fig. 315.
/. Rami posteriores der 8 Halsnerven.
Wie schon oben erwähnt, erfolgt die Teilung des Nervus spinalis in den
Ramus posterior und anterior meist schon innerhalb des Foramen intervertebrale.
Von der Teilungsstelle aus gelangen die Rami posteriores der Halsnerven, ab-
gesehen von dem besonders zu betrachtenden 1. und 2. Halsnerven, um die Außen-
fläche der Gelenkfortsätze herum nach hinten. An der lateralen Seite des M.
semispinalis cervicis teilt sich jeder Ramus posterior in die beiden typischen
Zweige, den Ramus medialis und den Ramus lateralis.
a. Die Rami laterales sind rein motorisch und dienen der Versorgung der
Mm. splenius, longissimus cervicis et capitis, iliocostalis cervicis.
ß. Die Rami mediales enthalten sowohl sensible als motorische Fasern.
Die Hautzweige gelangen unter Durchbohrung der deckenden Muskeln neben den Wirbel-
dornen unter die Haut. Der Hautnerv des Ramus posterior III entwickelt einen aufsteigenden
Zweig, welcher sich entweder noch in der Tiefe der Nackenmuskulatur mit dem Hautaste des
Ramus posterior II (N. occipitalis major) verbindet, oder dicht neben dem Nackenbande
selbständig die Trapeziussehne durchbohrt, um in der Haut oberhalb der Protuberantia occipitalis
externa sich auszubreiten und mit Zweigen des N. occipitalis major Verbindungen einzugehen. Der
selbständig aufsteigende Hautzweig des Ramus posterior III führt den Namen N. occipitalis tertius.
Die motorischen Zweige sind kurze Fäden, welche zu den Mm. multifidus, semispinalis
cervicis, semispinalis capitis, interspinales gelangen.
Die erwähnte Verbindung des Ramus posterior II und III stellt eine Ansa cervicalis posterior
dar. Ähnliche Verbindungen kommen auch zwischen den medialen Zweigen der Rami posteriores
der übrigen Halsnerven vor. Sie haben ihre Lage unter dem Semispinalis cervicis und stellen
den Plexus cervicalis posterior dar.
Die Rami posteriores des 1. und 2. Halsnerven verhalten sich folgender-
maßen, Fig. 315:
Der N. cervicalis primus s. suboccipitalis liegt nach dem Austritt aus
dem Wirbelkanal im Sulcus arteriae vertebralis des Atlas, unter der A. vertebralis.
In diesem Sulcus teilt er sich in zwei nahezu gleichstarke Äste, die fast recht-
winklig auseinanderweichen. Der Ramus posterior I verzweigt sich im Gegen-
satze zu den Rami posteriores der folgenden Spinalnerven ausschließlich in
Muskeln, und zwar im Rectus capitis posterior major und minor, im Obliquus
superior und inferior. Durch einen den Obliquus inferior durchsetzenden Ast
anastomosiert er zuweilen mit dem hinteren Aste des Cervicalis II.
346
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Der N. cervicalis seeundus teilt sich nach seinem Austritt aus dem
Wirbelkanal am unteren Rande des M. obliquus capitis inf. in den Ramus an-
terior und posterior. Der letztere, weitaus stärkere, schlingt sich um den
WfP
Fig. 315.
Übersicht über die Verbreitung der dorsalen Äste sämtlicher Rückenmarknerven. (Hirschfeld und Leveille.)
1 : 5. Links sind die Hautäste, rechls die Muskelaste dargestellt.
a N. occipitalis minor aus dem Plexus cervicalis; 1 hinterer Ast des ersten Halsnerven; 2 N. occipitalis major; 2' seine
Ausbreitung am Hinterhaupt; 3 lateraler Zweig des hinteren Astes vom dritten Cervikalnerven; 3' dessen medialer Zweig
(N. occipitalis tertius) ; 4', 5'. 6', 7', 8' mediale Zweige der dorsalen Äste der gleichzifferigen Halsnerven; auf der rechten
Seite ihre lateralen (Muskel ) Zweige; dl. d6, rfl2 laterale Zweige der dorsalen Aste der Brustnerven (rechts); dl', d6\
dT, dl2' Hautzweige (mediale) der dorsalen Aste der Brustnerven (links); /, /. /'. /' laterale Zweige der dorsalen Äste der
I.umbalnerven (der drei oberen) ; s, s dorsale Äste der Sakralnerven, durch Schlingen untereinander verbunden; s'. s' einige
Hautzweige derselben auf der linken Seite.
Rückenmarksncrvcn. 347
Rand des genannten Muskels nach hinten und gelangt zwischen die kurzen occi-
pito-vertebralen Muskeln und den Semispinalis capitis. Er teilt sich in drei Zweige,
einen aufsteigenden, einen absteigenden und einen in aufwärts konkavem
Bogen die Fortsetzung des Stammes bildenden Zweig. Der aufsteigende
versorgt den Longissimus capitis und sendet am medialen Rande des Splenius
einen nicht ganz beständigen Hautast zur Hinterhauptgegend. Der^absteigende
Zweig dringt in die Zacken des Semispinalis capitis und anastomosiert mit dem
Ramus posterior III. Der dritte Ast, N. occipitalis major, durchbohrt den
Semispinalis capitis und die Trapeziussehne, gelangt dadurch, 2 — 3 cm von der
Medianlinie entfernt, in der Gegend der Linea nuchae superior unter die Haut. Hier
plattet er sich ab, teilt sich wiederholt und verzweigt sich bis zum Scheitel, manchmal
sogar bis zur Sutura coronalis. Der Verlauf der Zweige folgt zum Teil den Ästen
der A. occipitalis. Seine Durchtrittsstelle durch die Trapeziussehne fällt bald mit
derjenigen der A. occipitalis zusammen, bald schlägt ein abgetrenntes Bündel einen
selbständigen Weg ein.
Die Abweichungen der Rami posteriores I und II von den übrigen finden ihre Erklärung in
der Berücksichtigung ihrer Lage. Die Nachbarschaft des Kopfes hat mit der Entfaltung der Hinter-
hauptgegend Modifikationen an beiden Nerven hervorgerufen.
Was die Stärke der Rami posteriores der Halsnerven betrifft, so ist der zweite der stärkste;
von III bis VIII nehmen sie allmählich an Stärke ab.
2. Rami posteriores der 12 Brustnerven. Fig. 315.
Sie gelangen zwischen je zwei Querfortsätzen zu ihrem Verbreitungsgebiete
und teilen sich in die beiden typischen Zweige, Ramus medialis und Ramus
lateralis.
Während bei den Rami posteriores der Halsnerven der laterale Zweig rein motorischer, der
mediale gemischter Art ist, unterscheiden sich die Rami posteriores der Brustnerven dadurch, daß
beide außer den stets vorhandenen Muskelnerven auch Hautnerven liefern können. Am häufigsten
kommt es vor, daß die Rami posteriores der acht oberen Thorakalnerven starke mediale, die
vier unteren starke laterale Hautzweige entsenden. Die medialen Hautzweige durchbohren
neben den Wirbeldornen den M. trapezius, weiter unten diesen und den Latissimus dorsi. Die
vier unteren lateralen haben ihre Austrittsstelle etwa an der Sehnen-Fleischlinie des Latissimus dorsi.
Die Rami cutanei laterales wenden sich gleich nach ihrer Entstehung unter dem M. lon-
gissimus dorsi Iateralwärts, treten in dem Zwischenräume zwischen diesem Muskel und dem M. ilio-
costalis hervor und versorgen die beiden genannten Muskeln in ihrer ganzen thorakalen Ausdehnung.
Die Rami cutanei mediales dringen zwischen dem M. multifidus und M. semispinalis
dorsi hervor, entsenden von hier aus die erwähnten, neben den Dornfortsätzen erscheinenden Haut-
äste und versorgen die Mm. rotatores, den M. multifidus, semispinalis und Spinalis dorsi.
Nur in sehr seltenen Fällen gibt der R. posterior des ersten Brustnerven einen Hautast ab
(Frohse 1895).
3. Rami posteriores der 5 Lendennerven. Fig. 314, 315.
Die Rami posteriores der Lendennerven teilen sich gleichfalls je in einen
medialen und einen lateralen Zweig.
Die schwachen medialen Zweige sind Muskelnerven für den M. multifidus und die Inter-
spinales lumbales; nur die unteren Lendcnnerven haben feine mediale Hautäste.
Die lateralen Zweige nehmen kaudal an Stärke ab, versorgen die Mm. intertransversarii lum-
bales und den Lendenteil des M. sacrospinalis. Die lateralen Zweige der zwei unteren Lendennerven
erschöpfen sich ganz in der Muskulatur; die der drei oberen entsenden durch den Iliocostalis hindurch
ansehnliche Hautnerven, welche über die Crista iliaca hinweg zur oberen Gesäßgegend absteigen und
lateral die Gegend des großen Trochantcr erreichen; sie werden Nn. clunium superiores genannt.
348
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
4. Rami posteriores der 5 Kreuz- und des einen Steißnerven. Fig. 314, 315.
Die Rami posteriores der vier oberen Sakralnerven treten durch die großen
Foramina sacralia posteriora, die des Sacralis V und Coccygeus I durch den Seiten-
teil des Lig. sacrococcygeum posterius superficiale nach hinten. Durch auf- und
absteigende Zweige miteinander in Verbindung tretend, bilden sie ein Geflecht,
den Plexus sacralis posterior, welcher auf der hinteren Fläche der Articulatio
sacroiliaca und dem Ursprünge des Lig. sacrotuberosum gelegen ist und folgende
Zweige entwickelt:
1. Mediale Zweige. Sie innervieren das untere Ende des M. multifidus und die Haut
über der hinteren Fläche des Kreuz- und Steißbeines.
/ Lig.
samer
Fig. 317.
Fig. 317. Schema über den Verlauf der Rr. meningei der Spinalnerven
in horizontaler Projektion. (Nach Rüdinger.)
a Rückenmark; b Dura mater spinalis. 1 Stamm des R. meningeus;
2 Ramus anterior; 3 vordere Anastomose; 4 Ramus posterior; 5 hintere
Anastomose; 6 Ramus medius ; 7 Fäden zur Dura; 8 Fäden zur Pia.
Fig. 316. Verlauf der vorderen Zweige der Rr. meningei der Spinal-
nerven. (Nach Rüdinger.)
Fig. 316. Hintere Fläche der Wirbelkörper der Pars lumbalis.
longitudinale posterius, oberflächliche Schicht; // tiefe Schicht. 1 Spinalganglion und vordere Wurzel; 2 gemein-
Spinalnervenstamm; 3 und 4 auf- und absteigende Aste der Nn. meningei spinales; 5 und 6 Anastomosen; a und b
auf- und absteigende Aste der Ramuli spinalis; c und d Anastomosen.
2. Laterale Zweige. Sie kommen nur den drei oberen Sakralnerven zu, durchbohren den
Ursprung des Glutaeus maximus und gelangen als Nn. clunium medii zur Haut der hinteren
oberen Gesäßgegend.
Gelenknerven für die Articulatio sacroiliaca werden nur von den drei oberen Sakral-
nerven abgegeben (Rüdinger).
B. Rami meningei der Spinalnerven. Fig. 316, 317.
Von jedem N. spinalis geht ein Ramus meningeus ab, welcher alsbald einen feinen Zuwachs
von Seiten eines aus dem Nervus sympathicus abgegebenen Fädchens erhält.
Er setzt sich demnach aus einer spinalen (50 Nervenfasern) und einer sympathischen Wurzel
(etwa 100 Nervenfasern) zusammen ; der spinale Anteil ist nach Rüdinger aus der sensiblen Wurzel
abzuleiten. Jeder Ramus meningeus läuft sogleich nach seiner Entstehung durch das Foramen oder
die Fissura intervertebralis zurück in den Wirbelkanal.
Dort teilt er sich alsbald in zwei ungleiche Zweige. Der stärkere Zweig zieht im Wirbelkanal,
und zwar an der vorderen Wand desselben, aufwärts, der schwächere abwärts. Jeder von ihnen
verbindet sich mit dem ihm entgegenkommenden Aste des benachbarten N. meningeus, so daß hier-
Rückenmarksnerven. 349
durch jederseits eine vordere Längskette von zierlichen, langgestreckten Ansäe meningeac ent-
steht, welche in ihrer Aufeinanderfolge die ganze Ausdehnung der Wirbelsäule einnehmen, kranial
in das Kopfgebiet sich fortsetzen und in ihrer Gesamtheit als Plexus meningeus anterior be-
zeichnet werden können.
Die konvexen Ränder der Schlingen der rechten und linken Seite sehen einander entgegen
und sind demnach medianwärts gerichtet. Sie liegen dabei in der Nachbarschaft des Lig. Iongitu-
dinale posterius. Von besonderem Interesse ist es ferner, daß die Schlingen beider Seiten auch in
gegenseitige Verbindung treten durch feine in querer Richtung ziehende Fäden (Ramuli
transversi), welche zwischen der oberflächlichen und tiefen Schicht des hinteren Längsbandes
durchtreten. Fig. 316.
Auch an der hinteren Wand des Wirbelkanals verbreiten sich feine Nerven, welche entweder
von den genannten Rami meningei sich abzweigen oder auch vom Ramus communicans entspringen,
in auf- und absteigende Zweige zerfallen, Verbindungen mit den Nerven der gegenüberliegenden
Seite eingehen können und so einen Plexus meningeus posterior darstellen. Über den R.
communicans siehe Fig. 310.
Von dem Eintritt der Nervenzweige in das Foramen intervertebrale bis zu ihrem Ende findet
eine nach allen Richtungen verlaufende reiche Verzweigung statt, welche die Knochen, den Band-
apparat, die Gefäße, aber auch die Rückenmarkshäute versorgt. Zu den letzteren gelangen die Fäden
in Begleitung der bezüglichen Gefäße, nämlich desRamulus mediusdes Ramus spinalis. S.Abt. III, S.343.
Am Brust-, Lenden-, Kreuzteil der Wirbelsäule sind die Verhältnisse der Nn. meningei in allen
wesentlichen Stücken übereinstimmend. Im Halsteil bewirkt der die A. vertebralis begleitende
Plexus vertebralis eine gewisse Abänderung. Es entsenden auch hier die Spinalnerven und
Rami communicantes die Nn. meningei, doch beteiligt sich der Plexus vertebralis selbst an der
Versorgung des Wirbelkanals.
An allen Orten sind die betreffenden Nerven mehr oder weniger eng von Arterien (Rami
spinales) und ihren Verzweigungen begleitet.
Es wurde schon erwähnt, daß die Nervenverbreitung an den Wänden der Schädelhöhle
wesentlich denselben Regeln folgt; die hierher gehörigen Nerven sind bereits bei den Gehirnnerven
als Rami meningei der drei Äste des Trigeminus, des Vagus und Hypoglossus beschrieben worden ;
auch diesen gesellen sich sympathische Fäden zu.
Vergleicht man das Verbreitungsgebiet der Rami meningei und ihren Ursprung mit den Ver-
hältnissen des Ramus anterior, posterior und communicans, so stellen jene eine so eigenartige Gruppe
dar, daß sie nicht als Anhang eines der drei anderen Astsysteme, sondern als ein besonderes, den
übrigen gleichwertiges Astsystem sich geltend machen.
C. Rami anteriores der Spinalnerven. Fig. 2, 310.
Allgemeines. Das Versorgungsgebiet der vorderen Äste der Spinalnerven umfaßt die Haut
und Muskulatur des vorderen Abschnittes der Leibeswand, daher auch die Haut und Muskulatur der
Extremitäten; denn letztere stellen besonders gestaltete Auswüchse der ventralen Leibes-
wand dar. Da ein Teil der ventralen Leibeshaut bei der Ausbildung der äußeren Genitalien Ver-
wendung findet, so gehören auch letztere zum ausgedehnten Versorgungsgebiet der ventralen
Äste der Rückenmarksnerven.
Die Rr. antt. benachbarter Spinalnerven treten häufig miteinander in Verbindung, indem ein
Nerv in den benachbarten ganz oder zum Teil übergeht. Dadurch entstehen spitzwinkelige, selten
bogenförmige Schlingen, welche Ansäe genannt werden. Sie sind unbeständig im Bereich der
Brustnerven, an allen anderen Spinalnerven aber stets vorhanden und bilden den Anfang der sechs
verschiedenen Plexus. Zu diesen treten die vorderen Äste von meist vier Spinalnerven zusammen;
wobei jedoch auch hier schon zu bemerken ist, daß die Verteilung nicht so genau erfolgt, wie in
der folgenden Übersicht, sondern daß größere oder geringere Teile einzelner vorderer Äste zu dem
angrenzenden Plexus ziehen. (Genaueres darüber wird bei den einzelnen Plexus gesagt werden).
Es enthält:
1. Der Plexus cervicalis die vorderen Äste der vier oberen Cervikalnerven.
2. Der Plexus brachialis die vorderen Äste der vier unteren Cervikal- und des ersten
Thorakalnerven.
3. Der Plexus lumbalis die vorderen Äste der vier oberen Lumbalnerven.
350 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
4. Der Plexus sacralis die vorderen Äste des fünften Lumbal- und der drei oberen
Sakralnerven.
5. Der Plexus pudendus den vorderen Ast des vierten Sakralnerven und einen Teil
des dritten.
6. Der Plexus coecygeus den vorderen Ast des fünften Sakralnerven, den N. coccy-
geus und einen Teil des dritten Sakralnerven.
/. Das Halsgeflecht, Plexus cervicalls. O— OV. Fig. 318—325.
Der Plexus cervicalis besteht aus den durch anastomotische Äste zu einem
Geflechte verbundenen Rami anteriores der vier oberen Halsnerven, in
kurzer Bezeichnung aus Ci— IV1). Die Schlingen selbst heißen Ansäe cervicales,
deren somit drei am Plexus cervicalis vorhanden sind: Ansa cervicalis prima,
seeunda und tertia. Die Ansa quarta, nicht beständig vorhanden, verbindet den
Plexus cervicalis mit dem Plexus brachialis; die erste Schlinge, zwischen Ci und
Cll gelegen, heißt auch Ansa atlantis; sie läuft über die vordere Fläche des
Querfortsatzes des Atlas.
Der Ramus anterior des ersten Halsnerven hat bei seiner Trennung vom Ramus posterior im
Sulcus arteriae vertebralis des Atlas seine Lage und wird von der A. vertebralis bedeckt; an der vor-
deren Seite der Halswirbelsäule kommt er zwischen dem Rectus capitis anterior und dem Rectus
capitis lateralis zum Vorschein. Gl tritt zwischen der A. vertebralis und dem M. intertransversarius
posterior I hervor; Cm— Cvin betreten das vordere Halsgebiet durch die Lücke zwischen dem
Intertransversarius posterior und anterior. Medial und vorn befinden sich die Insertionszacken
der Mm. longus capitis, longus colli, scalenus anterior; lateral und hinten liegen die Insertions-
zacken des Scalenus medius, Levator scapulae und Splenius colli.
Der Plexus cervicalis liegt zur Seite der betreffenden Halswirbel vor den
Muskeln, welche an den hinteren Höckern der Querfortsätze inserieren, und wird
vom oberen Teil des M. sternocleidomastoideus bedeckt.
a) Verbindungszweige des Plexus cervicalis.
1. Verbindungszweige von Cm mit dem Accessorius vor dessen Eintritt in den Sternoclei-
domastoideus.
2. Verbindungszweige von Ci— w mit dem Hypoglossus.
3. Rami communicantes mit dem Grenzstrange des Sympathicus.
4. Ein Verbindungsfaden von Ci zum Plexus vertebralis.
5. Ein Verbindungsfaden von Civ zu Cv.
b) Hautäste des Plexus cervicalis.
1. N. occipitalis minor. Fig. 295, 318.
Er stammt meist aus der Ansa seeunda und kommt am hinteren Rande des
M. sternocleidomastoideus, oberhalb der Mitte desselben zum Vorschein. Auf dem
M. splenius capitis steil aufwärts ziehend und die Insertionssehne des M. sternocleido-
mastoideus kreuzend, spaltet er sich meist in zwei Äste, welche die laterale Hinter-
hauptgegend versorgen und mit dem N. occipitalis major einerseits, andererseits
mit dem N. auricularis magnus in Verbindung treten. Bei früherer Teilung heißt
der vordere, meist feinere Zweig N. occipitalis minor seeundus.
2. N. auricularis magnus. Fig. 295, 318.
Er ist gewöhnlich der stärkste Plexusast. Er stammt aus Cm, kommt nahe
unterhalb des Occipitalis minor am hinteren Rande des M. sternocleidomastoideus
') Im Folgenden bezeichnet, um nicht den schleppenden Ausdruck Ramus anterior eines be-
stimmten Segmentalnerven wiederholen zu müssen, C, Th, L, S, Co immer nur den vorderen Ast,
nicht den ganzen segmentalen Nerven. In romischer Ziffer ist das Segment ausgedrückt.
Rückcnmarksnerven. 351
zum Vorschein, tritt sofort auf die Außenfläche des letzteren und zieht hinter der
V. jugularis externa, anfangs noch vom Platysma bedeckt, aufwärts in der Richtung
zum Ohrläppchen. In der Höhe des Angulus mandibulae teilt er sich in einen
hinteren und einen vorderen Endast. Der Ramus posterior verzweigt sich in
der hinter dem Ohr gelegenen Haut, sowie in der hinteren Haut der Ohrmuschel und
verbindet sich hier mit Fäden der Nn. occipitalis minor und auricularis posterior.
Der Ramus anterior gelangt zur Haut der Regio parotideo-masseterica, des
Ohrläppchens, der konkaven Fläche der Ohrmuschel.
3. N. cutaneus colli. Fig. 318.
Er geht meist aus Cm hervor, zieht dicht unterhalb des N. auricularis magnus,
vom Platysma bedeckt, fast horizontal über die äußere Fläche des M. sternocleido-
mastoideus nach vorn gegen das Zungenbein und teilt sich in einen oberen und
einen unteren Ast. Der obere Ast ist die Fortsetzung des Stammes, gibt auf-
steigende Zweige, Rami superiores, zur Haut der Regio suprahyoidea. Einer
dieser Zweige anastomosiert mit einem absteigenden Faden des Ramus colli n.
facialis. Dadurch kommen motorische Fäden des Facialis zum unteren Teil des
Platysma, welches allein vom Facialis innerviert wird (Sappey, v. Bardeleben).
Der untere Ast ist entweder ein einzelner Nerv oder besteht aus mehreren
Fäden, Rami inferiores, welche das Platysma durchbrechen und die Haut der
Regio infrahyoidea versorgen.
4. Nn. supraclaviculares. Fig. 318, 326, 327.
Das an Zahl der Äste variable, starke Bündel geht aus CIV hervor und kommt
am hinteren Rande des M. sternocleidomastoideus, dicht unterhalb des N. cutaneus
colli, in einer Reihe von Zweigen zum Vorschein. Von hier strahlen die Zweige
absteigend teils nach vorn, teils nach hinten, teils lateralwärts aus und werden vom
Platysma bedeckt, das sie nur als feine Zweige durchbohren. Den weiten Raum
einnehmend, welcher sich von der Incisura jugularis bis zum Akromion erstreckt,
verlassen sie die untere Halsgrenze und treten in drei Gruppen über das
Schlüsselbein zur Haut der Brust und der Schulter.
Die vordere Gruppe, Nn. supraclaviculares anteriores, wird meist
durch einen stärkeren Nerven dargestellt, welcher sich in 6 — 8 Fäden teilt. Diese
überschreiten das Sternalende des Schlüsselbeines und versorgen die Haut vor den
oberen medialen Teilen des M. pectoralis major. Einige Fäden treten zum Sterno-
claviculargelenk (Rüdinger).
Die mittlere Gruppe, Nn. supraclaviculares medii, besteht meist
aus drei Zweigen, welche die Mitte des Schlüsselbeines übersteigen und sich in
der Haut der lateralen oberen Brustgegend bis zur vierten Rippe verzweigen.
Fig. 326.
Die hintere Gruppe, Nn. supraclaviculares posteriores, besteht meist
aus einem Nerven, welcher den vorderen Rand des M. trapezius überschreitet,
sich teilt und die Haut versorgt, welche den vorderen Teil des Deltoideus bedeckt
und die Akromialgegend einnimmt (Fig. 318, 327). Aus dieser Gruppe zweigt sich
ein, öfters auch selbständig entspringender motorischer Faden ab, welcher sich
mit dem N. accessorius verbindet und mit ihm zum M. trapezius zieht. - - Über
die sensiblen Gebiete des Plexus cervicalis vergl. Fig. 290, 319, 320.
Raubek-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V.Abt. 19
352
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
c) Muskeläste des Plexus cervlcalis.
1. Segmental geordnete Zweige für die tiefen vorderen Halsmuskeln.
Longus colli, Longus capitis, Rectus capitis anterior, Rectus capitis lateralis, Intertransversarii,
Scalenus anterior und medius, Levator scapulae.
2. N. cervicalis descendens inferior.
Er ist bereits unter den Verbindungen mit dem Hypoglossus erwähnt worden; entsteht aus
Fäden von Oi-Civ, die sich unter spitzen Winkeln zu einem Stämmchen vereinigen. Dieses zieht
N. auricularis post. des Facialis
Äste vom N. auricularis magnus <
N. occipitalis major
"N. occipitalis minor
Ramus post. des N. auricularis magnus
N. facialis
N. occipitalis minor
N. auricularis magnus {Ramus ant
N. occipitalis minor
N. accessorius —
Hintere Äste des N. occipitalis minor II
N. c utaneus colli
Ast zum M. levator scapulae
Nn. supraclaviculares postt. <
R. trapezius
Nn. supraclaviculares ,
medii
Anastomose des
N. facialis mit dem
N. cutaneus colli
Fig. 318.
Hautnerven des Plexus cervlcalis. (Nach Hirschfeld und Leveille.) 1:3.
Auf der linken Seite sind die Hautäste des Plexus durch gesperrten Druck hervorgehoben.
vor der V. jugularis interna, bedeckt vom M. sternocleidomastoideus medianwärts und abwärts, um
sich oberhalb der Zwischensehne des M. omohyoideus mit dem N. cervicalis descendens superior
(Ramus descendens hypoglossi) zur Ansa hypoglossi (siehe S. 336) zu verbinden. Die zu inner-
vierenden Muskeln sind: Sternohyoideus, Sternothyreoideus, Thyreohyoideus, Geniohyoideus, Omo-
hyoideus.
3. R. sternocleidomastoideus.
Er stammt aus Cm und geht im Muskelfleische eine Verbindung mit dem Accessorius ein.
4. Ramus trapezius. Fig. 318.
Ein ansehnlicher Nerv, welcher besonders aus ClV, teilweise aus Cm entsteht
und häufig als Bestandteil der Nn. supraclaviculares erscheint. Er tritt dicht unter-
Riickenmarksiicrven.
353
halb des N. accessorius an die Oberfläche, zieht parallel neben diesem zum M.
trapezius und hilft ihn versorgen. Beide Nerven können plexusartige Verkettungen
miteinander bilden.
5. N. phrenicus. Fig. 301, 328, 329.
Geht aus Gv hervor; CHI oder Cv senden ihm eine feine Wurzel zu. Über-
wiegend motorisch, enthält er auch sensible Fasern, welche für Teile des Herz-
beutels, des Brust- und Bauchfelles bestimmt sind. In den für das Pericardium
und die Pleura bestimmten Zweigen kommen vereinzelt Vater-Pacinische Körper-
chen vor (Rauber).
Der N. phrenicus zieht auf der vorderen Fläche des M. scalenus anterior
abwärts, sowie medianwärts und gelangt so vor die A. subclavia. Zwischen ihr
Fig. 320.
Fig. 320. Rekonstruktion der Hautnerven des Halses in einem frühen
Stadium der Entwicklung.
//, 111 und IV zweites bis viertes Dermatom ; a erste Kiemenspalte; b Gehör-
bläschen. Der Verlauf des M. sternocleidomastoideus ist durch zwei ausgezogene
Linien angedeutet. Zur Erklärung der Bahnen der Hautnerven des Halses.
Fig. 319. (L. Bolk, 1898.)
Fig. 319. Die sensiblen Bezirke des 2., 3. und 4. Cervikalnerven. (L. Bolk.)
und der V. subclavia, hinter der Articulatio sternoclavicularis, betritt der Nerv die
Brusthöhle und befindet sich beim Eintritt in dieselbe meist an der medialen
Seite der A. mammaria interna. Hierauf zieht er mit den Vasa pericardiacophrenica
über die vordere Fläche der Pleurakuppel hinweg an deren mediale Seite und
begibt sich von hier aus vor der Lungenwurzel, zwischen dem Pericardium und
der Pleura pericardiaca, abwärts und rückwärts zur oberen Fläche des Zwerch-
felles. Daselbst teilt er sich in seine meist rechtwinkelig zum Stamme ausstrahlen-
den Endäste.
Die Bahn beider Phrenici ist keine ganz gleiche. Der linke zieht in einem
vom konkaven Bogen zum Zwerchfell, indem er sich hinter der Herzspitze herum-
biegt; der rechte verläuft an der lateralen Seite der V. anonyma dextra und so-
dann der V. cava superior; er erreicht das Zwerchfell etwas vor und lateral vom
Foramen venae cavae. Der linke hat einen größeren Weg zurückzulegen und ist
um V, länger. Der Zwerchfelleintritt liegt für den rechten Phrenicus weiter hinten
und medial, für den linken weiter vorn und lateral.
19*
354
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
In der Brusthöhle gibt der Phrenicus den feinen Ramus pericardiacus
zur Vorderfläche des Herzbeutels ab. Einzelne feine Fäden, Rami pleurales,
treten von Strecke zu Strecke zur Pleura. Die starken Endäste des Nerven,
Rami diaphragmatici, sind nicht in allen ihren Teilen motorischer Art. Der
Phrenicus dexter zerfällt in einen vorderen und hinteren, der Phrenicus sinister in
einen vorderen, hinteren und seitlichen Endast. — Aufschluß über die Bahn des
Phrenicus gibt Fig. 321.
Die von Luschka beschriebenen feinen Fäden des rechten Phrenicus, welche durch die sterno-
costale Ursprungslücke des Zwerchfelles zum Peritonaeum parietale der vorderen Bauchwand,
sowie zum Lig. falciforme der Leberziehen sollen, existieren nach mikro-
skopischen Untersuchungen von Ramström nicht (Anat. Hefte 1906).
Der Ramus posterior entsendet jederseits einen
Ramus phrenicoabdominalis (rechts durch das
Foramen venae cavae, links durch eine Zacke des Lenden-
teiles oder durch den Hiatus oesophageus) an die untere
Zwerchfellfläche. An beiden Seiten treten sie mit Zweigen
des Sympathicus zu einem gangliösen Geflecht,
Plexus phrenicus, zusammen. Siehe Sympathicus.
Außer der soeben erwähnten unteren Verbindung mit dem
Sympathicus kommt auch eine obere vor; denn schon im unteren
Halsteile schickt das Ganglion cervicale inferius oder thora-
cale primum, zuweilen auch das Ganglion cervicale medium des
Sympathicus ihm ein Fädchen zu.
Die oben genannte feine Wurzel des Phrenicus aus Cm kann
eine Strecke weit in der Ansa hypoglossi verlaufen und bei ihrem
Abgange als ein Ast des Hypoglossus erscheinen. Häufig gibt endlich
der N. subclavius einen Zweig an den N. phrenicus ab.
°t
Fig. 321.
Erklärung der Bahn des
N. phrenicus.
5. Halswirbel. D Diaphragma; St.
Sh M. sternothyreoideus und sterno-
hyoideus; Sa, Sm Scalenus anterior
und medius, welche einem M. inter-
costalis internus und externus ent-
sprechen ; Sv Mm. subvertebrales
(Longus-Gruppe); der gestrichelte
Nerv deutet an, wie der N. phrenicus
verlaufen müßte, wenn das Dia-
phragma von der Subvertebralis-
Gruppe abstammen würde.
(L. Bolk, 1894.)
2. Das Armgeflecht, Plexus brachialis.
CV-CVIII, Thl. Fig. 322—341.
In die Bildung des Plexus brachialis treten CV— CVIII
(ihre Rami anteriores) vollständig, ClV mit einem Faden,
Thl zum größten Teil ein. Öfters sendet auch Thll eine
feine Wurzel zum Geflecht. Dazu kommt in der Achsel-
höhle eine konstante Verbindung mit dem Ramus cutaneus
lateralis von Thll (als N. intercostobrachialis).
Der erste Brustnerv sendet ebenso wie die folgenden Brust-
nerven, seinen Ramus posterior durch den zugehörigen Intercostalraum zur Seite des Wirbcl-
körpers dorsalwärts. Sein Ramus anterior aber zerlegt sich sogleich in zwei sehr ungleiche
Aste, in den dünnen Ramus intercostalis und in den starken Ramus brachialis; der letztere
stellt eine kaudale Wurzel des Armgeflechtes dar und zieht sofort über die erste Rippe aufwärts.
Hiernach hat das Armgeflecht fünf bis sechs Wurzeln von verschiedener
Stärke. Von CV— CVII nimmt die Stärke der Wurzeln zu, darauf wieder ab.
Fig. 324, 325.
Die Wurzeln des Geflechtes treten zwischen den Mm. intertransversarii anteriores und poste-
riores durch und kommen in der Scalenusspalte zum Vorschein, indem sie bei ihrem Austritt die
Ursprünge des Scalenus medius hinter sich, diejenigen des Scalenus anterior vor sich haben
(Fig. 328, 329). Die drei oberen Wurzeln haben absteigende, die vierte horizontale, die fünfte
(und sechste) aufsteigende Richtung. Sie alle aber treten unter spitzen Winkeln in Verbindung
miteinander und bilden dadurch den Anfang des Armgeflechtes, welches durch mehrfache weitere
Umordnungen der Stränge vervollständigt wird. Die Geflechtbildung nämlich dehnt sich noch bis
Rückenmarksnerven.
355
unter das Schlüsselbein aus und gelangt erst in der Achselhöhle zum Abschluß. Im ganzen hat
also das Armgeflecht eine große Längsausdehnung, welche sich von der Scalenusspalte bis zur
Achselhöhle, und zwar bis zum Humeruskopf erstreckt (ca. 15— 20 cm). Die Richtung des Geflechtes
ist schräg absteigend; zugleich konvergieren die Bündel gegen die Achselhöhle. Da das Schlüssel-
bein das Geflecht kreuzt, unterscheidet man eine in der Fossa supraclavicularis gelegene Pars
supracla vicula ris, und eine in der Fossa axillaris gelegene Pars inf raclavicula ris.
Die Pars supraclavicularis liegt lateral und hinter dem unteren Teil des M. sternocleido-
mastoideus und wird vom unteren Bauch des Omohyoideus gekreuzt. Die drei oberen Wurzeln des
Plexus liegen oberhalb der A. subclavia, die beiden oder drei unteren aber dorsal von der Arterie.
Die A. transversa colli kommt entweder zwischen den Bündeln des Plexus zum Vorschein oder
zieht vor ihnen hinweg.
Die Pars inf racla vicula ris wird von den Mm. pectoralis minor und major bedeckt; ihr Ende
liegt zwischen dem M. subscapularis und dem M. serratus anterior eingebettet. Die A. axillaris tritt
von der vorderen Fläche des Plexus durch den von den beiden Wurzeln des N. medianus gebildeten
Schlitz hindurch, wird von der Medianusschlinge umfaßt und gelangt dadurch an die hintere Seite
dieses Nerven.
Art der Geflechtbildung. Fig. 322—325.
Sie ist eine typische, wenn auch in den Einzelheiten der Verbindungen und Teilungen der
Nervenstränge viele Variationen vorkommen. Aus dem Geflecht sondern sich drei mächtige Längs-
stämme für den freien Teil der Extremität: N. radialis, medianus, ulnaris- Um diese aus dem
Geflecht hervorgehen zu lassen, findet folgende typische Vereinigung und Spaltung der Plexus-
wurzeln statt.
Fig. 322.
C5, C", C\ C5 fünfter.
V
VI
VW
I
Fig. 323.
Schema des Plexus brachialis.
sechster, siebenter und achter Halsnerv (ven-
traler Ast); D1 ventraler Ast-des ersten Brustnerven; /, //, /// erster,
zweiter, dritter primärer Stamm des Plexus; ein jeder gibt einen vor-
deren Ast a1, a-, a:i und einen hinteren Ast pl, p2, pz ab; al und a? vereinigen sich zum oberen sekundären Stamme 1;
a3 bildet den unteren sekundären Stamm ; aus der Vereinigung der drei hinteren Aste entsteht 2, der hinlere sekundäre Stamm .
Fig. 323. Zweites Schema des Plexus brachialis.
V — / Ramus anterior cervicalis V — VIII und thoracalis I. Die zur Bildung des hinteren Stammes (/■) zusammentretenden
Faserteile sind punktiert; r N. radialis; mc N. musculocutaneus; m N. medianus; u N. ulnaris.
Wie das Schema Fig. 322 zeigt und auch aus den Verhältnissen der Fig. 324 und 325 heraus-
zufinden ist, vereinigen sich zuerst die Plexuswurzeln Thl und Cvm, meist noch innerhalb der Scale-
nusspalte. Etwas außerhalb der letzteren vereinigen sich die beiden oberen Wurzeln Cv und Cvi
miteinander. Die mittlere Wurzel Cvii bildet zunächst einen mittleren Stamm. Mit letzterem sind
nunmehr drei Stränge, Fasciculi primarii (Schwalbe) vorhanden. Aus ihnen gehen die
sekundären Stränge in folgender Weise hervor: Jeder der drei primären Stränge teilt sich in einen
vorderen und hinteren Ast. Die hinteren Äste treten zu einem einzigen Strange zusammen,
Fasciculus posterior (2). Der zweite sekundäre Strang, Fasciculus lateralis (superior) (1),
wird durch die Vereinigung der Reststränge a1 und a- gebildet. Der dritte sekundäre Strang,
Fasciculus medialis (inferior) (3), besteht aus dem Reststrange a3.
Der Fasciculus posterior liefert als Hauptnerven den N. radialis; die Fasciculi lateralis und
medialis gehen eine neue Teilung in je zwei Äste ein; von diesen vier Ästen vereinigen sich die
beiden mittleren spitzwinkelig zum N. medianus; die ihn zusammensetzenden beiden Aste stellen
den Medianusschlitz dar. Der übrig bleibende obere Randnerv ist der N. musculocutaneus; der
stärkere untere Randnerv läßt den N. ulnaris und die beiden reinen Hautnerven des Armes, den
N. cutaneus brachii medialis und den N. cutaneus antibrachii medialis hervorgehen.
Fast einfacher noch ist es, jede der fünf Wurzeln, wie in Fig. 323, sich in einen vorderen und
356
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
einen hinteren Ast spalten zu lassen ; die hinteren Aste treten zusammen zur Bildung des Nervus radialis
und mehrerer kleinerer Nerven. Von den vorderen Ästen treten zunächst I und VIII zu einem Stamme
zusammen, darauf VII, VI und V. Aus letzterem, dem oberen Stranggebiet, entwickeln sich der
Ol. I*MU^U*VNA*
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„>"**" ^fß^ Fig. 324. Fig. 325.
■ Lyo^r Fig. 324. Plexus cervicalis und brachialis. (P. Eisler.) Ventralansicht.
h X. hypoglossus; dft kam. descendens n. hypoglossi, mit de X, cervicalis desc. inf. die Ansa hypoglossi bildend; om N. occi-
pitalis min.; au N. auricular. magn. ; sec N. cutan. colli; a Verstärkung des N. accessorius ; spe Xn. supraclaviculares;
p N. phrenicus; ds X. dorsalis scapulae; sps X. suprascapularis; $s Xn. subscapulares; sc X. subclavius; ax N. axillaris;
co X. coracobrachialis; /? X. radialis; mc N. musculocutaneus; M X. medianus; ta Xn. thoracales anteriores; tl X. thora-
calis longus; U N. ulnaris ; cm X. cut. antibrachii medialis ; ci N. cut. brachii medialis; ih X. intercostobrachialis.
Fig. 325. Schematische Übersicht über die Anordnung der Plexus cervicalis und brachialis
und Ihrer Verästelungen. 1:3.
CI bis VIII Wurzeln der Halsnerven; DI bis III Wurzeln der drei ersten Brustnerven; p dorsale Äste, p2 des zweiten.
ps des dritten Halsnerven. Plexus cervicalis: 1 Ansa cervicalis prima und ihre Zweige; 2 N. occipitalis minor, aus-
nahmsweise aus dem zweiten Halsnerven; 3 X. auricularis magnus; 3' X. cutaneus colli; 3n Kommunikationszweig mit
dem X. accessorius; 35 X. cervicalis descendens inferior; 4 Xn. supraclaviculares ; 4' X. phrenicus ; V, V/\ VII', V11V, D'
die fünf Wurzeln des Plexus brachialis; 5 X. dorsalis scapulae; 5' X. suprascapularis; 5" X. thoracalis longus; 6 N. sub-
clavius; 7, 7' Xn. thoracales anteriores; 8, 8', 8" Xn. subscapulares; mc X. musculocutaneus; rN. radialis; m X. medianus;
ax X. axillaris; u X. ulnaris; cm X. cutaneus antibrachii medialis; ci X. cutaneus brachii medialis; ih X. intercosto-
brachialis; /, i, ;' Interkostalnerven; i' äußerer Ast des dritten Interkostalnerven.
N, musculocutaneus und die obere Wurzel des N. medianus; aus dem unteren Strange entsteht die
untere Wurzel des Medianus, der Ulnaris und der beiden reinen Hautnerven des Armes.
Eine noch weiter durchgreifende, auch auf die kleineren Plexusäste eingehende Sonderung
läßt, wie Fig. 324 lehrt, zwei große Gruppen von Nerven unterscheiden, die für die Beugeseite
und die für die Streckseite der Extremität bestimmten. So erhält man eine dorsale und eine
ventrale Abteilung von Plexuswurzeln und Plexusästen, welche, soweit sie motorischer Art sind,
357
N'n. supraclaviculares medii
Clavicula
M. pectoralis major
Trigonum dcltoideopectorale
N. cutaneus brachii lat. und i\l. deltoideus
M. latissimus dorsi
Offnungen in der Fascia axillaris
V. cephalica im Sulcus delloideopectoralis
N. cutaneus brachii medialis und N. intercostobrachialis
N. cutaneus antibrachii medialis und V. basilica
N. cutaneus antibrachii lat
M. serratus ant.
Sehne des M. palmaris longus und Ramus palmaris n. mediani
A. ulnaris und Ramus cutaneus palmaris n. ulnaris
Aponeurosis palmaris
Aa. et Nn. digitales volares communes
Zipfel der Aponeurosis palmaris
Fig. 326. Hautnerven der Beugeseite des Armes nebst den Hautvenen
(aus Corning, topogr. Anatomie).
358
Nn. supraclaviculares postl.
M. infraspinatus
M. lalissimus dorsi
V. cephalica
M. triceps brachii
N. cutaneus brachii post.
N. cutaneus antibrachii dors.
N. cutaneus antibrachii medialis
R. dorsalis manus n. ulnari
M. trapezius
Acromion
M. deltoideus
Laterale Extensoren
Mediale Extensoren
Ramus superficialis n. radialis
Venen des Dorsum manus
Sehnen des M. extensor digitorum communis
Fig. 327. Hautnerven der Streckseite des Armes nebst den Hautvenen
(aus Corning, topogr- Anatomie).
Rückenmarksnerven. 359
die dorsale und die ventrale Muskulatur des Schultcrgürtcls und der Extremität ZU innervieren Ilaben.
Daß es sich bei diesen .dorsalen Nerven" der Extremität nur in topographischer Hinsicht um
dorsale Gebilde handeln kann, nicht aber um dorsale Nerven im morphologischen Sinne, daran braucht
nur erinnert zu werden; denn wirkliche dorsale Nerven kommen an den Extremitäten gar nicht vor.
Der ventralen Plcxusschicht entstammen nach Eisler: die Nn. thoracales anteriores, die Nn.
musculocutaneus, medianus, ulnaris, cutaneus medius; der dorsalen Plcxusschicht gehören dagegen
an': die Nn. dorsalis scapulac, thoracalis longus, suprascapularis, axillaris und radialis.
Aus beiden Schichten bezieht der N. cutaneus antibrachii medialis seine Fasern. Nicht
miteinbegriffen in den Plexus sind die kurzen Nerven für den Stamm.
Geht man in den hiermit angeregten Betrachtungen weiter, so läßt sich leicht einsehen, worin
das Ideal der Untersuchungen über den Plexus brachialis gelegen ist. Von jedem einzelnen Muskel
ist dessen Ursprung aus den embryonalen Myotomen nachzuweisen; für jeden Muskel aber das
zugehörige neurale Segment. Der Erfüllung dieser Aufgaben ist die Forschung durch treffliche
Untersuchungen, z. T. aus jüngster Zeit, schon sehr nahe gerückt; doch genügt es für den Augen-
blick, auf diesen Punkt die Aufmerksamkeit gerichtet zu haben (s. unten Neuromeren, Myomeren usw.
und Skierozonen).
a) Verbindungen des Plexus brachialis.
1. Ein Verbindungsfaden aus ClV zu Cv;
2. ein Verbindungsfaden aus Thii zu Thi (die inkonstante, an Kaliber wechselnde unterste
Wurzel des Armgeflechtes bildend);
3. starke Verbindungen mit dem Sympathicus. Sie werden von den Plexuswurzeln abgegeben,
bevor sie zum Geflecht zusammentreten.
b) Äste des Plexus brachialis.
In der Einteilung der zahlreichen Äste kann man verschiedene Wege einschlagen. Die beste
Übersicht gewährt es, zu unterscheiden 1. zwischen Ästen des Plexus brachialis für den Stamm des
Körpers, 2. für den Schultergü rtel und 3. für den freien Teil der Extremität.
A. Nerven des Plexus brachialis für den Stamm.
Sie gehen sofort nach dem Austritt der Wurzeln des Plexus aus den Foramina
intervertebralia von ersteren hervor. Es sind Muskelnerven, welche die unteren
Segmente der Mm. scaleni anterior und medius, des Longus colli und den Scalenus
posterior versorgen.
B. Nerven des Plexus brachialis für den Schultergürtel.
1. Nn. thoracales posteriores.
Es sind zwei, der N. dorsalis scapulae für die Mm. rhomboidei und der
N. thoracalis longus für den M. serratus ant.
a) N. dorsalis scapulae. Fig. 331.
Gehört der dorsalen Schicht an, zweigt sich von Cv ab, durchbohrt sogleich
den M. scalenus medius und zieht zwischen M. scalenus posterior und M. levator
scapulae zu den Mm. rhomboideus minor und major, die er innerviert; auch dem
M. levator scapulae sendet er einen Zweig zu. Häufig erhält die obere Zacke des
M. serratus anterior von ihm einen Faden (Rieländer). Er wird in einem Teil
seiner Bahn von der A. dorsalis scapulae begleitet.
Gaupp, E., Über die Bewegungen des menschlichen Schultergürtels und die Aetiologie der
sog. Narkosenlähmungen. Zentralbl. f. Chir. 1894.
b) N. thoracalis longus. Fig. 328, 329.
Entsteht gewöhnlich zweiwurzelig aus CVund CVI; auch CVII kann sich durch
einen Faden beteiligen. Der Nerv folgt in seiner Bahn etwa der Richtung der
360
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Linea axillaris und erschöpft sich in der Versorgung der Zacken des M. serratus
anterior.
2. N. thoracales anteriores. Fig. 328, 329.
Meist zwei, ein primus (externus) und secundus (internus). Der erstere
geht aus dem oberen sekundären Stamme hervor, gelangt vor der A. und V.
subclavia zur Innenfläche des M. pectoralis major und verzweigt sich in ihm. Er
sendet einen Faden zum Secundus.
Der Secundus geht vom unteren sekundären Stamme hervor, nimmt den
Faden vom Primus auf und versorgt die Mm. pectoralis minor und major.
N. subclavius
N. suprascapularis
N. radialis
N. thoracalis ant. I
4
N. musculocutaneus
N. medianus
N. ulnaris
Nn. subscapularesf 1
N. thoracodorsalis —
Ansa n. hypoglossi
R. antt. nn. cerv. V— VIII
R. ant. n. thor. 1
M. phrenicus
N- subclavius
N. thoracalis ant. II
N.cutaneusantibrachiimed.
N. cutaneus braclui medialis
N. thoracalis longus
N.cutaneusbrachii medialis
||£t'"N. intercostobrachialis
!
Fig. 328.
Plexus brachlalis und seine Verbindungen. (Hirschfeld und Levellle.)
1 Anastomose zwischen dem N. thoracalis ant. I und dem N. thor. ant. II; I Anastomose zwischen dem zweiten und
dritten Interkostalnerven.
3. N. subclavius. Fig. 328.
Er entsteht aus dem primären oberen Stamme des Plexus, schickt häufig
dem N. phrenicus einen Faden zu und läuft lateral vom N. phrenicus über den
M. scalenus anterior, um hinter der Clavicula in den M. subclavius einzudringen.
4. N. suprascapularis. Fig. 328, 331.
Entspringt aus dem oberen primären Stamme des Plexus, gehört der dorsalen
Schicht an, zieht in der Fossa supraclavicularis längs des lateralen Randes des
Plexus abwärts, seitwärts, rückwärts und erreicht längs des M. omohyoideus die
Incisura scnpulae, um durch letztere die Fossa supraspinata zu erreichen. Be-
deckt vom M. supraspinatus wendet er sich zum Collum scapulae und unter dem
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Rtickenmarksncrven.
363
Lig. transversum scapulae inferius zur Fossa infraspinata. Die Mm. supra- und
infraspinatus sowie die Schultergelenkkapsel werden von seinen Zweigen versorgt.
5. Nn. subscapulares. Fig. 328, 329.
Sie bestehen aus 2 — 3 von verschiedenen Teilen des Plexus ausgehenden
Nerven, welche den M. subscapularis und den M. latissimus dorsi versorgen. Der
längste und chirurgisch wichtigste ist der N. thoracodorsalis, der am Margo
axillaris der Scapula verläuft und den M. latissimus dorsi versorgt.
Der N. subscapularis superior geht aus Cv und Cvi hervor und dringt in den M. sub-
scapularis ein.
Der N. subscapularis medius entsteht aus dem hinteren sekundären Stamme und ver-
sorgt den lateralen unteren Teil des M. subscapularis und den M. teres major. Der Zweig für
letzteren kann auch selbständig oder
aus dem folgendenNcrven entspringen.
Der N. subscapularis in-
ferior s. thoracodorsalis ist der
stärkste der Gruppe, entsteht aus dem
hinteren sekundären Stamme, oder
aus dem N. axillaris, seltener aus dem
N. radialis und zieht längs des late-
ralen Skapularandes zum M.
latissimus dorsi.
M. levator scapulae
\
M. scalenus medius et post.
brachialis
suprascapularis
Mm. rhomboidei
6. N. axillaris. Fig. 329-331.
Geht aus dem hinteren
sekundären Strang hervor, zieht
mit der A. circumflexa humeri
posterior, indem er den Ober-
armknochen umschlingt, durch
die laterale Achsellücke zur
Innenfläche des M. deltoideus,
breitet sich in letzterem aus
und gibt auf seinem Wege den
Ramus muscularis für den M. teres minor, sowie einige besondere Äste ab:
Rami articulares für das Schultergelenk, darunter ein Ramus inter-
tubercularis (Rauber).
N. cutaneus brachii lateralis. Er dringt zwischen dem Deltoideus und
Caput longum tricipitis zur Haut und strahlt mit aufsteigenden, horizontalen und
absteigenden Zweigen in die über der hinteren Deltoideushälfte gelegene Haut,
sowie in die Haut der hinteren Hälfte der oberen Oberarmhälfte aus. Fig. 327, 341.
Fig. 331.
Nerven der Schulterblattgegend. (Hirschfeld und Leveille.) 1:5.
/M. teres major; g M. latissimus dorsi; 3 Zweig für den M. supraspinatus ;
4 Zweig für den M. infraspinatus ; 5_I\L_axillariS4 6 sein Ast zum M. teres
minor; 7,7 seine Zweige zum M. deltoideus; 8 Hautast des N. axillaris.
C. Die Nerven des Armes.
Die Armnerven oder langen Nerven des Plexus brachialis werden in vordere
und hintere, oder in Beuge- und Strecknerven eingeteilt. Die vorderen, fünf an
der Zahl, entspringen vom oberen und unteren sekundären Strange des Plexus;
der eine hintere ist der N. radialis.
Von den fünf vorderen sind zwei, der N. cutaneus brachii medialis und der N. cutaneus anti-
brachii medialis, reine Hautnerven; die übrigen, N. musculocutaneus, Medianus und Ulnaris, sind
gemischter Art. Musculocutaneus und Medianus gehen wesentlich aus dem lateralen sekundären
Strange hervor; Ulnaris, Cutaneus brachii medialis und Cutaneus antibrachii medialis aus dem
364 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
medialen. Jene beiden bilden die kraniale, dem Kopfe nähere Gruppe der vorderen Armnerven;
die drei letzteren bilden die kaudale, vom Kopfe entferntere Gruppe der vorderen Armnerven.
1. IM. musculocutaneus. Fig. 326, 329, 330, 332, 338—341.
Aus der Art seines Ursprunges ergibt sich, daß er auch als ein Ast des
Medianus betrachtet werden konnte (Arnold). Anfangs an der lateralen Seite
des Medianus befindlich, entfernt er sich allmählich von ihm, durchbricht den M.
coracobrachialis, zieht nun zwischen Brachialis und Biceps brachii zur lateralen
Seite der Bicepssehne und durchbohrt oberhalb der Fossa cubiti die Fascia brachii.
Subkutan geworden, nimmt er den Namen A7. cutaneus antibrachii lateralis an
und teilt sich in zwei Endzweige, einen dorsalen und einen volaren, welche von
der radialen Seite des Vorderarmes bis zur Gegend des Handgelenkes und
Daumenballens verlaufen. Fig. 326, 332, 340, 341.
Seine Oberarmzweige sind folgende:
a) der Nerv für den M. coracobrachialis;
b) der Nerv für die beiden Köpfe des Biceps brachii;
c) der Nerv für den Brachialis, der auch Fäden für das Ellenbogengelenk führt;
d) ein nicht konstanter, in manchen Fällen aber mehrfach vorhandener variabler Ve rbindungs-
:i s t mit dem N. medianus im unteren Drittel des Oberarmes. Der Musculocutaneus kann von
Hause aus zu schwach oder zu stark sein; die genannte Anastomose führt die Ausgleichung
herbei. Ist er zu schwach, so erscheint der Verbindungsfaden gleich einer späten Wurzel des
Nerven aus dem Medianus;
e) ein hoch oben entspringender, die A. brachialis bis unterhalb des Ansatzes des M. coraco-
brachialis begleitender feiner Nervenfaden, welcher der Arterie feine Zweige gibt, durch den Canalis
nutricius humeri zum Knochen und Knochenmark zieht und kurz Knochennerv des Humerus
genannt wird.
Vom N. cutaneus antibrachii lateralis gelangt der vordere Endast gewöhnlich
vor der V. cephalica antibrachii zu seinem Verbreitungsgebiet, verästelt sich bis zum Handgelenk
und Daumenballen und geht eine fast beständige Anastomose ein mit dem R. superficialis
n. radialis Fig. 338.
Der hintere Endast zieht nach hinten von der V cephalica antibrachii zum radialen Rande
des Vorderarms und versorgt die Haut der Dorsalseite dieses Randes bis an die Nähe des Handgelenkes.
2. N. medianus. Fig. 326, 328—330, 332—334, 336, 338, 340.
Er kommt aus dem oberen (lateralen) und aus dem unteren (medialen)
Strange des Plexus. Seine beiden Wurzeln umgreifen als Medianusschlinge
die A. axillaris und vereinigen sich vor ihr unter spitzem Winkel. Von der
vorderen Fläche der Arterie wendet sich der Nerv im oberen Teil des Ober-
armes bald an die laterale Seite derselben und zieht mit ihr im Sulcus bicipitalis
medialis herab. Im unteren Drittel begibt sich der Nerv über die vordere (selten
über die hintere) Fläche der Arterie allmählich hinweg an ihre mediale Seite,
so daß er also eine langgezogene Spirale um die A. brachialis beschreibt. In der
Ellenbeuge verschwindet er an der medialen Seite der Arterie unter dem Pronator
teres. Zwischen beiden Köpfen des letzteren hindurchtretend, wendet er sich zur
Mittellinie des Vorderarmes, um zwischen dem M. flexor digitorum sublimis und
profundus zum Handgelenk herabzuziehen. Proximal von diesem liegt er sub-
fascial, und zwar meist (53 von 88 Fällen, Tan dl er) zwischen den Sehnen der
Mm. flexor carpi radialis und palmaris longus, weniger häufig (35 von 88 Fällen)
zwischen den Sehnen der Mm. palmaris longus und flexor digitorum sublimis.
Sodann zieht er, auf den Sehnen der Fingerbeuger liegend, durch den Canalis
carpi zur Hohlhand und teilt sich unter der Aponeurosis palmaris in seine Endäste.
Riickeninarksnervcn.
365
Der N. mcdianus gibt am Oberarm keinen anderen Zweig ab, als den oben bereits erwähnten
unbeständigen Ramus anastomoticus cum n. musculocu t aneo.
Seine Unterarmzweige sind die folgenden:
a) Rami articulares für das Ellenbogengelenk;
b) Rami musculares, Fig. 333, 334;
für alle Muskeln der Beugeseite des Vorderarmes, mit Ausnahme des
Flexor carpi ulnaris und der beiden ulnaren Köpfe des Flexor digitorum
profundus.
Eine obere Gruppe dieser Nerven versorgt den Pronator teres, Palmaris longus, Flexor carpi
radialis, die Epicondylusursprünge des Flexor digitorum sublimis.
Ast zum M. brachialis
Verbindungsast zum N. medianus
N. cutaneus antibrachii lat.
N. radialis
N. cutaneus antibrachii dors.
N. musc u locutaneus
Zweig zum M. coracobrachialis
N. cutaneus antibrachii medialis
— Zweig zum M. bieeps brachii
N. medianus
R. volaris des N. cutaneus antibrachii
medialis
Fig. 332.
Vordere Ansicht der tiefen Nerven des Oberarmes. (Nach Hirschfeld und Leveille.) 1:5.
Eine mittlere Gruppe, zu welcher auch der besonders zu besprechende N. interosseus
antibrachii volaris gehört, versorgt den unbeständigen Epicondylusursprung des langen Beugers
des Daumens, den Radialursprung des oberflächlichen Fingerbeugers.
Eine dritte, untere Gruppe versorgt nur den Zeigefingerkopf des Flexor digitorum sublimis.
c) der N. interosseus (antibrachii) volaris (Fig. 333, 334) verläuft mit der
A. interossea volaris auf der Membrana interossea zwischen dem M. flexor
pollicis longus und M. flexor digitorum profundus bis zum M. pronator
quadratus herab, in welchen er von der dorsalen Seite her eindringt. Er
entsendet:
«. die Rami musculares für den Flexor pollicis longus und den radialen Teil des
Flexor digitorum profundus;
ß. den N. membranae interosseae antibrachii (Rauber). Er teilt sich in einen
radialen und einen ulnaren Zweig, die zum Teil zwischen zwei Lamellen der Membran
366
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
längs der Cristae beider Knochen bis zum Pronator quadratus herabziehen, den Vasa
interossea, dem Periost und den Knochen Zweige abgeben und mit zahlreichen kleineren
Yater-Pacinischen Körperchen besetzt sind;
/. den Ramus muscularis für den Pronator quadratus;
8. das letzte Ende setzt sich bis zur dorsalen Fläche des Handgelenkes fort.
d) Ramus palmaris n. mediani (Fig. 333, 334, 338). Als feiner Faden,
welcher in verschiedener Höhe oberhalb des Handgelenkes aus dem Medianus
hervorgeht, durchbohrt er zwischen den Sehnen des Flexor carpi radialis
Ast des Radialis zum M. extensor carpi radialis
longus
R. profundus n. radialis
Zwei^; zum M. extensor carpi radialis brevis
Zweig zum M. flexor pollicis longus
R. superficialis n. radialis
N. interosseus (antibrachih volaris
R. palmaris n. median:
Verzweigung des radialen Astes
des N. medianus
N. digitaüs volaris proprius
N. digitalis volaris communis
_ N medianus
R. muscularis n. mediani
N. ulna ris
Ast des N. medianus
Ast des N. ulnaris \ 7um M f,exor digilorum
Ast des N. medianus | profundus
cutaneus palmaris n. ulnaris
dorsalis manus n. ulnaris
R. profundus |
R. superficialis J
n. ulnaris
Äste des R. volaris manus n. ulnaris
N. digitalis volaris communis
N. digitalis volaris proprius
Fig. 333.
Vordere Ansicht der tiefen Nerven des Unterarmes und der Hand. (Nach Hirschfcld und Leveille.) 1:5.
;: Ast des R. volaris profundus n. ulnaris zum M. interosseus dorsalis 1.
und Palmaris longus die Fascia antibrachii, begibt sich subkutan zur Vola
manus und teilt sich in zwei Zweige, welche in der Haut des Daumen-
ballens und der Hohlhand endigen.
Innerhalb des Canalis carpi teilt sich der N. medianus in einen radialen und
in einen ulnaren Ast (Fig. 336). Von letzterem geht der R. anastomoticus cum n.
ulnari aus, welcher parallel dem Arcus volaris sublimis verläuft. Beide Äste geben
Muskelzweige ab für die Lumbricales I, II und sämtliche Muskeln des Daumen-
ballens mit Ausnahme des Adductor pollicis, und spalten sich dann in drei
Nn. digitales volares communes, welche sich wieder teilen in die Nn. digitales
volares proprii, zur Versorgung der Ränder von 31 ., Finger. Fig. 336.
N. radialis
Ramus profundus .
Rami musculares--
Raums superficialis
A. radialis
J^u-l-naris
. A. ulnaris
Rasmus superficialis n. radialis
Sehne des M. brachioradialis —
Sehne des M. abductor pollicis longus
M. extensor pollicis brevis 1
Sehne d, M. flexor carpi radialis
Sehne des M. palmaris longus
367
A. brachialis
N. median us
Septum intermusculare mediale
.. N. ulnaris
Rami musculares
M. pronator teies
- A. ulnaris
N. interosseus (aniibrachii) volaris
- A. interossea communis
A. interossea dorsalis
A. interossea volaris
M. flexor digitorum sublimis Htt- I
(caput radiale)
N. interosseus antibiachii volaris
A. interossea volaris
N. med i an us
- Rr. cutanei palmares n. mediani
„ N. ulnaris
.. A. ulnaris
- Sehnen des M. flexor digitorum sublimis
R. muscularis
M. palmaris brevis
Fig. 334. Nerven der Beugeseite des rechten Vorderarms (73).
368
N. rail ia 1 j s
A^st^L
Rami musculares
-./ Rain us profundus n. radialis
H-7 - Rani us superficialis n. radialis
Rami musculares
\ N. interosseus (anlibrachii) dorsalis
--Sehne des M. brach ioradialis
Sehne des M. extensor carpi radialis longus
N. interosseus (anlibrachii) dorsalis
"i-n-ff*-
Fig. 335. Verästelung des N. radialis auf der Streckseite des (rechten) Vorderarms CA).
Die oberflächlichen Streckmuskeln des Vorderarms sind durchschnitten und zur Seite gelegt.
Rückenmarksnerven. 369
Im einzelnen gestaltet sich die Endverzweigung des N. medianus wie folgt:
1. Ramus terminalis radialis; er teilt sieh alsbald in vier Zweige.
'<. Der erste versorgt den Abductor pollicis brevis, den Opponens pollicis und den (radialen
Kopf des) Flexor pollicis brevis.
,.i. N. digitalis volaris pollicis radialis; versorgt den volaren Radialrand des Daumens
und verbindet sich durch feine Fäden mit dem an der Dorsalseite des Daumens verlaufenden Zweige
des N. radialis.
;•. N. digitalis volaris pollicis u Ina ris; er versorgt die volare Ulnarseite des Daumens.
<?. N. digitalis volaris indicis radialis; er verbreitet sich an der volaren Radialseite
des Zeigefingers und gibt den N. lumbricalis I ab.
Wenn die beiden letztgenannten Nerven mit einem gemeinsamen Stämmchen entspringen,
so wird dasselbe N. digitalis volaris communis I genannt.
2. Ramus terminalis ulnaris; er teilt sich alsbald in den N. digitalis volaris com-
munis II und III.
it. N. digitalis volaris communis II; er verläuft vor dem II. Spatium interosseum bis
zum distalen Ende des Metacarpale, gibt den N. lumbricalis II ab und spaltet sich in den Ramus
volaris indicis ulnaris und in den Ramus volaris digiti medii radialis.
ß. N. digitalis volaris communis III; verhält sich im Spatium interosseum III wie der
vorhergehende und gibt ab den Ramus volaris digiti medii ulnaris und den Ramus volaris
digiti quarti radialis. Zuweilen entsendet er vor seiner Teilung auch den N. lumbricalis III,
der häufig aus dem tiefen Volarast des N. ulnaris stammt.
Derselbe N. digitalis volaris communis III nimmt einen Ramus anastomoticus
cum nervo ulnari auf.
i^N^jilnaris. Fig. 326—330, 333, 334, 336—338, 340, 341.
Er kommt aus dem medialen (unteren) Strange des Plexus, gibt während
seiner Bahn am Oberarm keine Zweige ab, entsendet am Vorderarm einige Gelenk-,
Muskel- und Hautäste und zerfällt in der Hand in seine beiden Endäste, Ramus
superficialis und profundus.
In der Fossa axillaris und im oberen Teil des Oberarmes zieht der N. ulnaris
an der medialen hinteren Seite der A. axillaris und brachialis herab, gelangt
sodann hinter das Septum intermusculare mediale und zieht diesem entlang
auf der vorderen Fläche des Caput mediale m. trieipitis zum Sulcus ulnaris humeri.
Von hier aus begibt er sich zwischen den beiden Köpfen des Flexor carpi ulnaris
zur volaren Fläche des Vorderarmes und. läuft auf dem M. flexor digitorum pro-
fundus, angelehnt an den M. flexor carpi ulnaris, der den Leitmuskel des
Nervus und der A. ulnaris am Vorderarm darstellt, zum Handgelenk. In der
Mitte des Vorderarmes tritt die A. ulnaris an die radiale Seite des Nerven und
begleitet ihn (Fig. 334). Dort gibt er auch den R. dorsalis manus ab, welcher
die Sehne des M. flexor carpi ulnaris unterkreuzt, zum Handrücken gelangt, dort
die Ränder von 21/2 Fingern versorgt und Anastomosen eingeht mit dem R. super-
ficialis n. radialis (Fig. 337). Zur Hohlhand gelangt der Nerv durch den außer-
halb des Lig. carpi transversum gelegenen Canalis carpeus ulnaris, dicht an
der radialen Seite des Os pisiforme (siehe Abt. III, S. 149, 324). Dort teilt er sich
in seine Endäste, welche die volaren Ränder von l1/,, Finger versorgen und Muskel-
äste abgeben für die Muskeln des Kleinfingerballens, sämtliche Mm. interossei,
die Lumbricales III, IV und den M. adduetor pollicis.
Die Zweige des N. ulnaris werden eingeteilt in Vorderarm- und End-
zweige.
a) Vorderarmzweige; diese sind: Ramiarticulares, musculares und cutanei.
370 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
«. Rami articulares: im Sulcus ulnaris humeri treten mehrere Zweige zur
Kapsel des Ellenbogengelenkes (Rüdinger).
ß. Rami musculares (Fig. 333, 334): sie entspringen während des Durch-
ganges des Nerven zwischen den beiden Köpfen des Flexor carpi ulnaris und
sind für diesen Muskel bestimmt, sowie für die beiden ulnaren Köpfe des Flexor
digitorum profundus.
;. Ramus cutaneus palmaris (Fig. 336, 338): ein feiner Faden, welcher
vom N. ulnaris oberhalb der Mitte des Vorderarmes entspringt, die A. ulnaris bis
zum Arcus volaris superficialis begleitet, ihr währenddessen zahlreiche feine Reiser
zusendet und an verschiedener Stelle Fädchen durch die Haut zum unteren
Drittel des Vorderarmes und zum Kleinfingerballen abgibt. Eines derselben kann
sich mit einem Faden des N. cutaneus antibrachii medialis verbinden.
(). Ramus dorsalis manus (Fig. 327, 337): der stärkste der kollateralen
Äste des N. ulnaris. An der Grenze zwischen mittlerem und distalem Drittel des
Vorderarmes wendet er sich zur dorsalen Fläche des Vorderarmes und nimmt dabei
seinen Weg zwischen der Ulna und dem M. flexor carpi ulnaris. Etwas proximal
vom Handgelenk tritt er aus der Fascie hervor und zerfällt über dem Capitulum
ulnae in seine drei Endzweige, Nn. digitales dorsales n. ulnaris. Diese sind:
1. ein Zweig für die dorsale Ulnarseite des kleinen Fingers;
2. ein auf der Dorsalseite des Spatium interosseum IV in zwei Teile zerfallender Zweig, von
welchen der eine die radiale Seife des fünften, der andere die ulnare Seite des vierten
Fingers im Gebiete der Grundphalanx versorgt:
3. ein radialer Zweig, welcher sich mit einem Faden aus dem R. superficialis n. radialis
verbindet, im Spatium interosseum III distalwärts zieht und in zwei Teile zerfällt, welche
für die einander zugewendeten Seiten des dritten und vierten Fingers bestimmt sind.
Im ganzen also entwickelt der dorsale Ast des Ulnarnerven 5 dorsale Fingernerven, d. h.
die Hälfte der erforderlichen Anzahl; die zweite, radiale Hälfte wird vom Ramus superficialis des
N. radialis geliefert. Die Anzahl der vom Ulnarnerven gelieferten Dorsalnerven der Finger kann, was
bei manchen Tieren konstant der Fall ist, kleiner sein, sogar bis auf 1 oder 0 herabsinken; dafür
tritt der Ramus superficialis n. radialis ergänzend ein. In seltenen Fällen erhöht sich aber die Anzahl.
b) Die beiden Endäste des N. ulnaris.
Auf dem Lig. carpi transversum teilt sich der N. ulnaris, als Ramus volaris
manus, in den Ramus superficialis und profundus. Fig. 336.
«. Der Ramus superficialis gibt dem M. palmaris brevis und der Haut
des Kleinfingerballens je einen Faden ab, zuweilen auch dem Lumbricalis IV, und
teilt sich in zwei Nn. digitales volares communes.
Der eine ist für die ulnare Seite des kleinen Fingers bestimmt, N. volaris digiti V ulnaris,
der andere, N. digita lis volaris communis IV, zieht längs des Spatium interosseum IV und teilt
sich in zwei Zweige für die einander zugewendeten Seiten des fünften und vierten Fingers, N.
volaris digiti V radialis und N. volaris digiti IV ulnaris. Während ihres Verlaufes senden
sie Zweige zum Rücken der zweiten und der Endphalanx empor.
In der Hohlhand liegen die Fingernerven unter der Aponeurosis palmaris und dem Arcus
volaris, vor den Beugesehnen. Der im Spatium interosseum IV liegende Nerv entsendet vor seiner
Teilung einen Verbindungszweig zudem benachbarten Fingernerven des N. medianus,
Ramus anastomoticus cum nervo mediano; aus ihm gehen einige feine Haut- und Gefäß-
nerven hervor.
ß. Ramus profundus.
Durch einen Faden, welcher das Erbsenbein umschlingt, verbindet er sich
mit dem Ramus dorsalis manus, entläßt einen Zweig für die subfascialen
371
Sehne des M. ex
Sehne des M. abdu
Ramus p a 1 m a r i
N . u I n a r i s
Sehne des M. flcxor carpi
ulnaris
Ramus profundus
n. ulnaris
Ramus superficialis
n. ulnaris
R. muscularis
Nn. digitales
volares
c o m m u n e s
I I
N. digitalis volaris /
pollicis radialis ,'
N. digitalis volaris pollicis
ulnaris
N. digitalis volaris indicis radialis
N. digitalis volaris indicis ulnaris
N. digitalis volaris digiti III radialis
N. digitalis volaris digiti III ulnaris
N. digitalis volaris digiti IV radialis
Fig. 336. Nerven der (rechten) Hohlhand (Vi).
Nach Wegnahme der Aponeurosis palmaris und eines Stückes des Lig. carpi transversum.
372
Sehne des M. extensor carpi ulnaris
Sehne des M. extensor digiti V 4- •
M. abductor pollicis longus
"*M. extensor pollicis brevis
Rani us dorsal is manus n. ulnar is
Sehnen des M. extensor digitorum
Nn. digitales
dorsales
Fte. 337. Nerven des (rechten) Handrückens CA.)
Rückenmarksnerven. 373
Kleinfingerballenmuskeln und dringt mit dem tiefen Aste der A. ulnaris
zwischen den Mm. ilexor und abduetor digiti quinti in die Tiefe. Hier liegt er am
proximalen Rande des Arcus volaris profundus, zwischen den Beugesehnen und
den Mm. interossei. Von diesem Bogenstück des Nerven gehen viele Äste aus:
1. feine Zweige für den benachbarten carpalen Bandapparat (Rami a rtieul ares);
2. je ein Ramus interosseus für sämtliche Mm. interossei volares und dorsales;
3. Äste für die Mm. lumbricales III und IV;
4. Zweige für den M. adduetor pollicis; (die Zweige 2 — 4 stellen die Rami musculares
des Bogenstückes des tiefen Astes des Ulnarnerven dar).
5. Rami perforantes zur dorsalen Oberfläche der Spatia interossea, welche mit Endzweigen
des N. interosseus antibrachii dorsalis in Verbindung treten können und bis zu den Köpf-
chen der Metacarpalia verlaufen.
4. N. cutaneus antibrachii medialis. Fig. 326, 327, 329, 330, 332, 338, 340, 341.
Er kommtTaus dem medialen (unteren) Strange des Plexus, begleitet die V.
axillaris, brachialis und den N. medianus, gelangt in der Mitte des Oberarmes zum
Hiatus basilicus der Fascia brachii und durch den Hiatus zur Haut. Hier oder
kurz vorher zerfällt er in seine beiden Endäste. Der eine, Ramus volaris, zieht
auf der volaren, der andere, Ramus ulnaris, auf der ulnaren Fläche des Vorder-
armes bis zur Gegend des Handgelenkes.
1. Hoch oben entsendet er einen oder mehrere Zweige, Rami cutanei brachii, zu der
den Biceps deckenden Haut des Oberarmes.
2. Der eine Endast, Ramus volaris, liegt anfangs an der lateralen Seite der V. basilica,
kreuzt dann, meist von ihr bedeckt, die V. mediana basilica oder V mediana cubiti und breitet sich
an der volaren Vorderarmfläche bis zum Handgelenk aus. Einer dieser Ausläufer verbindet sich zu-
weilen mit einem Ramus perforans des Ramus cutaneus palmaris nervi ulnaris.
3. Der andere Endast, Ramus ulnaris, ist schwächer, zieht an der medialen Seite der
V. basilica herab und sendet seine Endzweige um den Ulnarrand des Vorderarmes zum ulnaren
Teil der dorsalen Fläche derselben. Der oberste dieser Zweige wird schon proximal vom Epi-
condylus medialis abgegeben und verbindet sich zuweilen mit einem Endfaden des N. cutaneus
brachii medialis. Nicht selten verbindet sich ein Ästchen mit dem Ramus dorsalis manus des N.
ulnaris, ein anderes mit dem Ramus volaris des N. cutaneus antibrachii medialis selbst.
5. N. cutaneus brachii medialis. Fig. 326, 329, 341.
Er kommt aus dem medialen (unteren) Strange des Plexus, liegt in der Fossa
axillaris anfangs hinter der V. axillaris, darauf an ihrer medialen Seite, und
verbindet sich in variabler Weise mit dem Ramus cutaneus lateralis aus Thll,
welcher den besonderen Namen N. intercostobrachialis führt. Beide Nerven
treten entweder zu einem Stämmchen zusammen, oder setzen gesondert ihren
Weg fort, oder der Intercostobrachialis tritt als Hauptnerv auf, während der
Cutaneus medialis nur durch einen dünnen, gesonderten oder Verbindungszweig
vertreten ist.
Der Verbindungszweig oder der N. intercostobrachialis sendet von der Fossa axillaris aus:
1. Zweige zur Haut der letzteren,
2. zur angrenzenden Haut des Oberarmes.
Die Fortsetzung des Cutaneus medialis durchbricht die Fascia brachii an der medialen Fläche
der Oberarmmitte und zieht zur Gegend des Epicondylus medialis, sowie des Olekranon herab.
6. N. radialis. Fig. 326—330, 332—335, 337-341.
Der N. radialis ist die Fortsetzung des hinteren Stranges des Plexus und
hat fast gleiche Stärke mit dem N. medianus, welcher den stärksten Ast des
374 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Armgeflechtes darstellt. Er trennt sich bald von den im Sulcus bicipitalis medialis
verlaufenden Nerven und Gefäßen und zieht hinter der A. brachialis, vor den
Sehnen des M. teres major und M. latissimus dorsi zusammen mit der A. profunda
brachii zur hinteren Seite des Oberarmes und verläuft, bedeckt vom Caput longum
und laterale tricipitis, im Sulcus nervi radialis (in dem von diesem Sulcus und den
Tricepsköpfen gebildeten Canalis spiralis) zur lateralen Seite des Oberarmes.
Er durchbohrt im Beginn des distalen Drittels des Oberarmes den Ursprung des
M. brachioradialis und gelangt in die Tiefe des Spaltes zwischen diesem Muskel
und dem M. brachialis. In dieser Rinne bis zum Epicondylus lateralis herabziehend,
teilt er sich hier in seine beiden Endäste, in den überwiegend motorischen Ramus
profundus und in den überwiegend sensiblen Ramus superficialis (Fig. 335).
Er entsendet schon am Oberarme Zweige; seine beiden Endäste aber sind für den
Vorderarm und die Hand bestimmt.
Er gibt an die ganze Streckseite von Oberarm und Vorderarm motorische
und sensible Nerven, abgesehen von der ulnaren Hälfte des Handrückens, welche
vom R. dorsalis manus n. ulnaris versorgt wird.
a) Oberarmzweige des N. radialis.
Vor dem Eintritt in den Spiralkanal gibt der N. radialis rasch nacheinander
folgende Zweige ab:
1. N. cutaneus brachii posterior: entspringt mit dem folgenden oft ge-
meinsam und verbreitet sich nach Durchbohrung der Fascie in der Haut der dor-
salen Fläche des Oberarmes über dem Caput mediale m. tricipitis bis in die Nähe
des Ellenbogens. Fig. 327, 340, 341.
2. Rami musculares für sämtliche Extensoren des Oberarmes und zwar:
a) die Nerven des Caput longum tricipitis;
b) den Nerven des Caput mediale tricipitis; er teilt sich meist in einen oberen und einen unteren
Zweig. Der lange untere Zweig, R. collateralis ulnaris nervi radialis, zieht, mit dem N.
ulnaris streckenweise in eine Bindegewebsscheide eingeschlossen, hinter dem Septum intermusculare
mediale herab und dringt darauf in den Muskel ein. Einige Fädchen gelangen zur Kapsel des
Ellenbogengelenkes ;
c) den Nerven des Caput laterale tricipitis und des M. anconaeus; er teilt sich in zwei Zweige,
deren einer das Caput laterale versorgt; der andere gibt dem Caput mediale tricipitis Zweige und
gelangt innerhalb desselben zum M. anconaeus.
3. N. cutaneus antibrachii dorsalis. Fig. 327, 341.
Wird als einziger Nerv innerhalb des Spiralkanals abgegeben. Ist stärker
als 1., durchbohrt die Fascia brachii zwischen dem Caput laterale und mediale
tricipitis oder zwischen diesem und dem M. brachioradialis und gelangt zwischen
Olekranon und Epicondylus lateralis zur dorsalen Fläche des Vorderarmes.
Er versorgt die Haut der Rückseite des distalen Teiles des Oberarmes, sowie die
dorsale Fläche des Vorderarmes zwischen dem Gebiete des N. cutaneus antibrachii
lateralis (Endast des Musculocutaneus) und des dorsalen Astes des N. cutaneus
antibrachii medialis, ohne das Handgelenk zu erreichen.
In der Spalte zwischen dem M. brachialis und dem M. brachioradialis verlassen den N. radialis:
a) der Nerv des M. brachioradialis; er pflegt einen Ast zum Ellenbogengelenke abzugeben
(Rüdinger);
b) der Nerv für den M. extensor carpi radialis Iongus; er kann auch aus dem R. profundus
n. radialis entspringen;
c) ein unbeständiger Faden zum M. brachialis.
Rückenmarksnerven.
375
b) Die beiden Endäste des N. radialis:
1. /?. profundus n. radialis. Fig. 333—335, 339.
Er ist der stärkere der beiden Endäste, durchbohrt den M. supinator (Canalis
supinatorius) und tritt auf der dorsalen Seite des Vorderarmes aus diesem Muskel
heraus; dort zerfällt er in eine größere Anzahl von Ästen, welche zwischen der
oberflächlichen und der tiefen Schicht der Extensoren liegen und sämtliche Streck-
N. cutaneus anti
brachii dorsalis
Verästelung des
N- cutaneus
antibrachii lat.
R. superficialis /
n. radialis \
R. volaris d. N. cutaneus
antibrachii medialis
M. brachioradialis
Endäste des R. volaris
| Jvom N. cutaneus anti-
brachii medialis
M. extensor digi-
torum communis
R. cutaneus palmaris
n. ulnaris
R. palmaris n. mediani
Zweige des Ramus J
dorsalis manus n. ulnaris
R. superficialis
n. radialis
Fig. 338. Fig. 339.
Fig. 338. Vordere Hautnerven des Unterarmes und der Hand. (Hirschfeld und Leveille.) 1:4.
19 — 23 Fingeräste des Medianus, 24, 25 Fingerzweige des N. ulnaris.
Fig. 339. Endäste des N. radialis. (H irsch feld und Leveille.)
1 N. musculocutaneus; 1' seine Verbindung mit dem R. superficialis n. radialis; 2 Stamm des N. radialis; 2' seine Zweige
zum J\l. brachioradialis und M. extensor carpi radialis longus; 2" R. profundus n. radialis bei seinem Durchtritt durch den
M. supinator; 3 R. superficialis n. radialis; 8 obere, 9 untere Muskelzweige des R. profundus n. radialis.
muskeln des Vorderarmes versorgen. Der längste dieser Äste ist der N. inter-
osseus (antibrachii) dorsalis; er zieht zwischen der tiefen und der oberfläch-
lichen Schicht der Streckmuskeln, gelangt im distalen Drittel des Vorderarmes auf
die dorsale Fläche der Membrana interossea, liegt anfangs zwischen dem Extensor
pollicis brevis und longus, wird dann von letzterem, endlich vom M. extensor in-
dicis proprius, sowie den Sehnen des M. extensor digitorum communis bedeckt,
betritt den Rücken der Handwurzel und findet hier seine Endausbreitung. Fig. 335.
Seine Zweige sind einzeln aufgeführt folgende (Fig. 335):
«. Die Nerven für den M. extensor carpi radialis brevis und den M. supinator; sie entstehen
noch vor dem Eintritt in den Canalis supinatorius.
Raübee-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 20
376 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
i Nach dem Austritt aus dem Kanal werden abgegeben:
•'. der Nerv für den M. extensor carpi ulnaris, M. extensor digitorum communis und M.
extensor digiti minimi; ein zweiter Faden für den Fingerstrecker folgt weiter unten;
■/. ein Zweig für den M. abduetor pollicis longus und M. extensor pollicis brevis:
S. der Zweig für den M. extensor pollicis longus;
i. der Zweig für den M. extensor indicis proprius;
-". Fäden für die Membrana interossea, von welchen häufig einer sich mit einem Fädchcn
des N. interosseus volaris durch die Membran hindurch verbindet; feine Zweige für
das Periost des Radius und der Ulna;
/,. Fäden zur dorsalen Seite des Handgelenkes (Rüdinger);
''*■. Fäden zur dorsalen Seite der Karpal- und Karpo-Metakarpalgclenkc, deren distale Enden mit
den Rami perforantes des Ramus profundus n. ulnaris in Verbindung treten können.
2. R. superficialis n. radialis. Fig. 333, 334, 337, 339—341.
Er ist schwächer als der tiefe Endast, bleibt anfangs auf der volaren Fläche
des Vorderarmes und verläuft längs des M. brachioradialis an der radialen Seite
der A. radialis abwärts. Er unterkreuzt im distalen Drittel des Vorderarmes die
Sehne des M. brachioradialis und gelangt auf die Dorsalseite des Vorderarmes,
welche er etwas proximal vom Handgelenk erreicht. Nach der Verbindung mit
einem Zweige des N. musculocutaneus zerfällt der Nerv in mehrere Äste, welche
die radiale Hälfte des Handrückens und die dorsalen Ränder von 21 ., Finger mit
sensiblen Nerven versorgen, Nn. digitales dorsales. Auf dem Handrücken geht
er mehrere Verbindungen, R. anastomoticus ulnaris, mit Ästen des R. dorsalis
manus n. ulnaris ein. Fig. 337.
Das Verbreitungsgebiet des R. dorsalis manus n. ulnaris und des R. superf. n. radialis am Hand-
rücken zeigt gewisse Variationen. In der Regel versorgt jeder der beiden Nerven die Hälfte des
Handrückens und der Finger, doch kann gelegentlich der R. superficialis n. radialis ein größeres
Gebiet versorgen (siehe S. 370).
Beurteilung der dorsalen Fingernerven.
Die untereinander sehr abweichenden Angaben verschiedener Autoren über die Ausdehnung, in
welcher die einzelnen Finger von den dorsalen Hautnerven versorgt werden, gaben R.Zander Ver-
anlassung, durch sorgfältige Präparation der Fingernerven zunächst den tatsächlichen Bestand festzu-
stellen. Es zeigte sich, daß am Daumen und kleinen Finger, sowie an sämtlichen Zehen, die dorsalen
Nerven bis zum Finger- und Zehenende vordringen, während die drei mittleren Finger an ihren End-
gliedern und teilweise auch am Mittelgliede von den volaren Fingernerven versorgt werden. Die
Erklärung für die Versorgung der Dorsalhaut der distalen Teile der mittleren Finger mit volaren
Nerven suchte er durch die Annahme zu geben, daß der Nagel ein terminales Gebilde sei, welches
erst sekundär auf die Dorsalfläche gedrängt werde durch übergroße Entwicklung der Volarhaut.
Hiergegen hat Gegenbaur begründete Einwendungen erhoben, indem er zeigte, daß der Nagel als
ein schon ursprünglich dorsales Gebilde der Finger aufgefaßt werden müsse; nur der schmale
Nagelsaum, welcher zwischen dem vorderen Ende des Nagels und der Fingerbeere sichtbar ist,
das reduzierte Sohlenhorn der Tiere, hat ventrale Abkunft (Boas).
Die Erklärung partieller Versorgung der dorsalen Fingerhaut durch volare Nervenzweige stand
hiernach noch aus. Die Tatsache erschien als etwas Befremdliches, als ein Verstoß gegen die mor-
phologische Gesetzmäßigkeit; mit der Sicherstellung des Nagels als eines schon ursprünglich
dorsalen Gebildes schien das Dunkel nur vermehrt, statt gemindert, und man ließ das Rätsel zu-
nächst auf sich beruhen.
Endlich ergab sich die Lösung, und es zeigte sich, daß keinerlei morphologische Regel durch-
brochen sei. Es stellte sich nämlich heraus, daß man, verleitet durch den Namen .dorsale Finger-
nerven", für dorsale Nerven gehalten hatte, was gar nicht dorsale Nerven im morphologischen Sinne
sind. Die ganze Extremität wird, worauf bereits oben hingewiesen wurde, nur von ventralen Nerven
versorgt, also auch die dorsalen Flächen der Finger; der Ramus dorsalis manus des Nervus
ulnaris ist, wie der ganze Ulnaris, ein ventraler und kein dorsaler Nerv; der ganze N. radialis ist
ein ventraler Nerv im morphologischen Sinne, der allein hier maßgebend ist. Die ganze Extremität
377
Nn. supraclaviculares
N. cutaneus brachii lat. --
Nn. cutanei lalt.
nn. intercostalium "
N. cutaneus brachii medialis
et N. intercostobrachialis
N. cutaneus brachii post
N. cutaneus antibrachii medialis .
N. cutaneus antibrachii lateralis
R. cutaneus palmaris n. ulnaris
R. cutaneus palmaris n. mediani
R. superficialis n. radialis .
N. medianus --
N. ulnaris
Fig. 340.
N. cutaneus brachii post.
Nn. supraclaviculares
N. cutaneus brachii lat
Nn. cutanei latt.
nn. intercostalium
N. cutaneus brachii medialis
et N. intercostobrachialis
N. cutaneus antibrachii
medialis
N. cutaneus antibrachii dorsalis
N. cutaneus antibrachii lateralis
R. dorsalis manus n.
ulnaris
R. superficialis n.
radialis
-' N. medianus
N. ulnaris pjg. 34].
Fig. 340, 341. Hautnervengebiete der rechten oberen Extremität.
Fig. 340 volare Fläche; Fig. 341 dorsale Fläche.
378
Nn. clunium supp.
N. clunium medii •
Nn. clunium inff.
.:
N. cutaneus femoris lat.
N. iliohypogastricus
N. lumboinguinalis
-N. spermaticus ext.
N. cutaneus femoris post.
-N cutaneus femoris lat.
Nn. cutanei femoris antt.--
N. obturatorius.
-Nu. cutanei femoris anit.
--N. obturatorius
N. cutaneus surae medialis-
N. cutaneus surae lat.
N. suralis -
N. plantaris lat. -
N. plantaris medialis -
Fig. 342.
. N. cutaneus surae lat.
N. saphenus
- N. peronaeus superficialis
- N. suralis
-■ N. peronaeus profundus
Fig. 343.
Fig. 342, 343. Hautnervengebiete der rechten unteren Extremität.
Fig. 342 hintere Fläche; Fig. 343 vordere Räche.
Rückenmarksnerven. 379
hat mit den echten dorsalen Nerven also nichts zu tun. Warum sollten nun nicht auch die dorsalen
Flächen der Nagel- und Mittelglieder der Finger von volaren Nerven versorgt werden, da doch
schon die dorsale Haut der Grundglieder der Finger, sowie des ganzen Unter- und Oberarmes von
lauter ventralen Nerven versorgt wird? Die sogenannten dorsalen Nerven der Hand und der Finger
sind also nur quasidorsale, keine echten dorsalen Nerven. Hiermit scheint die sonderbare Ange-
legenheit erledigt. Von Interesse aber ist es, hierbei wahrzunehmen, daß auch eine falsche Frage-
stellung Untersuchungen zu fördern vermag; die dorsalen Fingernerven wurden zu diesem Zwecke
sehr gründlich am Menschen und an vielen Tieren untersucht; die Morphologie des Nagels hat
ferner die reichste Förderung von jener Fragestellung davongetragen1).
Tonkoff, W., Anomale Anordnung der Hautnerven auf dem Handrücken des Menschen, ver-
glichen mit dem normalen Verhalten bei den Affen. Internationale Monatsschrift XV, 1898. -
Waite, F. C, Variations in the Brachial and Lumbo-Sacral Plexi of Necturus maculosus. Bull,
of the Museum of Comp. Zool. at Harvard University.
Die Rami anteriores der Brustnerven.
Die vorderen Äste der Nn. thoracales heißen auch Nn. intercostales. Nur
die 11 oberen sind (in bezug auf thorakale Rippen) wirklich interkostal; der 12.
liegt unterhalb der 12. Rippe und wird daher auch N. subcostalis genannt.
Nur die 6 oberen Interkostalnerven verlaufen vollständig in Interkostalräumen bis zum Sternal-
rande; die 6 unteren Interkostalnerven hören natürlich mit den Interkostalräumen nicht aussondern
dringen über sie hinaus in die Bauchwandungen, bis in die Gegend der Linea alba, die eine
Art Abdominalsternum darstellt. Um auf die Bauchwand überzutreten, müssen die Interkostalnerven
7 bis 9 die hintere Fläche der aufsteigenden Rippenknorpel kreuzen. Die oberen Interkostalnerven
haben mehr horizontale, die unteren zunehmend abschüssige Bahnen, wie dies der fächerförmigen
Ausstrahlung der Rippen entspricht.
Alle Interkostalnerven, der 12. ausgenommen, verlaufen nach ihrer Trennung vom dorsalen Aste
in den zugehörigen Interkostalraum vor dem Lig. costotransversarium anterius und auf der inneren
Fläche der Mm. intercostales externi. Von der Wirbelsäule bis zu den Rippenwinkeln fehlen die
Mm. intercostales interni; innerhalb dieser Strecke werden daher die Interkostalnerven nur von der
Fascia endothoracica und von der Pleura costalis bedeckt. Mit dem Beginn der Mm. intercostales
interni liegen die Nerven zwischen diesen und den externi. Anfangs folgen sie dem oberen Rande
und nähern sich allmählich mehr der Mitte des Interkostalraumes. Sie werden begleitet von den Vasa
intercostalia, doch liegen letztere im Sulcus costalis, die Nerven unterhalb (kaudalwärts) der
Gefäße2). Die beiden ersten Interkostalnerven haben teilweise ihre Lager sogar auf der inneren
Fläche der zugehörigen Rippe. Der letzte Interkostalnerv zieht vor dem M. quadratus lumborum
hin. Der siebente bis elfte dringen zwischen den Kostalzacken des Zwerchfelles hindurch in die
Muskulatur der Bauchwand ein und verlaufen nunmehr, wie der zwölfte, zwischen dem M. trans-
versus und dem M. obliquus internus abdominis.
Die zu versorgenden Muskeln sind: Intercostales externi und interni,
Subcostales, Transversus thoracis, Levatores costarum, Serratus posterior superior
und inferior, die drei breiten Bauchmuskeln, Rectus abdominis, Pyramidalis.
Das zu versorgende große Hautfeld ist hinten abgegrenzt durch den
Brustteil der dorso-ventralen Grenzlinie (siehe oben S. 342), vorn durch die Median-
linie (siehe S. 340). Die Haut der oberen Brustgegend wird vom Plexus cer-
vicalis (den Nn. supraclaviculares) versorgt; ein Hautstreifen oberhalb des Ligamen-
tum inguinale und das Gebiet des Mons pubis gehören den Lendennerven an.
Zur Versorgung jenes Hautgebietes dienen zwei Reihen von Hautästen; 1. eine laterale Reihe
stärkerer Äste, Rami cutanei laterales (pectorales et abdominales), und 2. eine der vorderen
') Vergl. A. Rauber, Die Fingernägel. Dorpat 1888, Schnakenburg.
-) Die Lagerung ist typisch und greift als Lagerungsregel der Rami anteriores der Spinal-
nerven auch auf die Extremitätennerven über, wo nicht Ablenkungsursachen vorliegen. So erklärt
sich die langgesuchte kaudale (ulnare) Lage des N. ulnaris in bezug auf die A. ulnaris; ebenso erklärt
sich die kaudale (fibulare) Lage des N. tibialis in bezug auf die Vasa tibialia postt. u. a. m. (Raub er).
20*
380
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Mittellinie nahe vordere Reihe schwächerer Aste, Rami cutanei anteriores (pectorales et ab-
dominales). Jeder Intcrkostalnerv entsendet hiernach einen seitlichen und einen vorderen Hautast.
Nur dem Intercostalis I fehlt in der Regel der seitliche Hautast, wenn er nicht in der fünften Wurzel
Fig. 3-14.
Verzweigung der ventralen Äste der Nn. thoracales. (Hirschfeld und Leveille.) 1 : 4.
M. pectoralis major und minor sind beiderseits entfernt; rechts sind der M. obliquus internus und der M. rectus abdominis
freigelegt; links ist der M. serratus anterior, sowie ein Teil des M. rectus abdominis entfernt und der M. transversus ab-
dominis dargestellt. — 1 Plexus brachialis; 2 N. cutaneus brachii medialis; 3 N. intercostobrachialis; 4, 4 Nn. intercostales;
4', 4' deren Rami cutanei anteriores; 5, 5, 5 Rami cut3nei laterales; 6 der entsprechende zur Hüfte gelangende Zweig des
zwölften Interkostalnerven; 7 R. cutaneus lat. des N. iliohypogastricus; 8 R. cutaneus ant. desselben Nerven; 9 N. ilio-
inguinalis; 10 R. cutaneus ant. n. femoralis.
des Plexus brachialis zu suchen ist, welche die erste Rippe überschreitet. Ein Teil des N. cutaneus
lateralis des Intercostalis II ist der Seite 373 erwähnte N. intercostobrachialis. Sogar der Inter-
costalis III kann noch eine Verbindung mit dem N. cutaneus brachii medialis eingehen. Die Rami
cutanei anteriores sind bei sämtlichen Interkostalnerven vorhanden, nur dem ersten fehlt er bis-
Rückcnmarksnerven.
381
weilen. Die vorderen perforierenden Aste der Bauchwand sind nicht selten mehrfach und in
ihren Austrittsstellen häufig unregelmäßiger. Siehe auch Fig. 344.
Über die Hautzweige der Interkostalnerven berichtet E. Mertcns folgendes: Der 4. Inter-
kostalnerv versorgte ein Gebiet, das sich über drei Intcrkostalräume und ebensovielc Rippen erstreckt,
und zwar begann es mit dem 3. Intcrkostalraum und endet auf der 6. Rippe. Der 5. Interkostalnerv
verhielt sich ähnlich; sein Gebiet beginnt auf der 4. Rippe und endigt an der 7. Rippe. Hiernach
wird die Haut über und zwischen der 4. und 6. Rippe vom 4. und 5. Interkostalnerven gemeinsam
versorgt. Das Gesetz von der mehr als einfachen Innervation der Haut gilt also auch für die
Haut der Brust in vollem Umfange. Fig. 345.
a) Verbindungen der Interkostalnerven.
1. Verbindungen mit den ventralen Asten der benachbarten Körpersegmente; so mit Cvm durch
den Verbindungsast von Thi; mit Li durch Thxu.
2. Abgesehen von der Verbindung zwischen Thi und Thii gehen die Interkostalnerven nur
selten unter sich selbst Verbindungen ein. Unter den übrigen werden dennoch, was in systema-
Fig. 345.
Ineinandergreifen der Hautnervengebiete. (E. Mertens und R. Zander.)
III — VII Hautgegend der 3. bis 7. Rippe; 3 — 6 Interkostalräume.
tischer Hinsicht bemerkenswert erscheint, hier und da Verbindungen hergestellt durch feine Fäden,
welche von einem oberen Nerven ausgehen und zu einem unteren gelangen (siehe S. 340 über
Plexusbildungen).
b) Zweige der Interkostalnerven.
1. Rami musculares.
Es empfiehlt sich, die 7 oberen von den 5 unteren zu trennen, da letztere größtenteils zu
den Bauchmuskeln ziehen.
Die sieben oberen Interkostalnerven entsenden folgende Muskelzweige:
a. für die äußeren und inneren Interkostalmuskeln mit den Subcostales; sie sind in jedem
Zwischenrippenraum mehrfach vorhanden, der hintere ist meist der stärkste;
ß. für die Mm. levatores costarum; vom Anfangsteile der Nerven;
;•. für den M. serratus posterior superior. Sie stammen von Thi— IV, dringen durch die Mm.
intercostales externi hindurch zu den 4 Zacken (Rieländer); die oberste Zacke erhält
oft einen Faden vom Armgeflecht;
S. für den M. transversus thoracis; vom Thm — Vi.
£. für den obersten Teil des M. rectus abdominis; von Thv— vn.
Die fünf unteren Interkostalnerven entsenden folgende Muskelzweige:
a. für die äußeren und inneren Interkostalmuskeln mit den Subcostales;
ß. für die unteren Mm. levatores costarum;
382 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
;. für den M. serratus posterior inferior; von Tliix— xi (Rieländer);
S. für die Mm. obliquus externus, internus und transversus abdominis. Sie werden versorgt,
indem die 5 unteren Intcrkostalncrven zwischen dem M. obliquus internus und dem M.
transversus hinziehen;
e. für den M. rectus abdominis unterhalb der Inscriptio prima. Die vorderen Enden der 5
unteren Interkostalnerven gelangen nämlich aus dem Zwischenraum zwischen dem M.
transversus und dem M. obliquus internus abdominis in die Rectusscheide und dringen
von innen in das Fleisch vor;
.'. für den M. pyramidalis.
2. Rami cutanei. Fig. 344.
Sie sind stärker als die Muskelzweige und sind Rami cutanei laterales (pectorales
et abdominales) und anteriores (pectorales et abdominales).
a) Rami cutanei laterales. Fig. 329, 344.
Sie treten von den Interkostalnerven etwa in der Mitte des Interkostalraumes ab und treten
in der Mitte zwischen der vertikalen Linea axillaris und der vorderen Medianlinie durch die Mm.
intercostales cxterni, die untersten durch den M. obliquus externus abdominis unter die Haut. Die
7 oberen kommen dabei zwischen den Zacken des M. serratus anterior zum Vorschein, die unteren
vor den Rippenzacken des M. latissimus dorsi. Der R. cutaneus lateralis von Thxn durchbricht
den M. obliquus externus abdominis.
Alle diese Rami cutanei laterales teilen sich im Bereich der genannten Muskelzacken in zwei
Zweige, die unter der Haut nach entgegengesetzten Richtungen auseinanderfahren; die stärkeren vor-
deren, Rami anteriores, nach vorn, die hinteren, Rami posteriores, nach hinten. Der hintere
Ast des R. cutaneus lat. von Thil ist der mehrfach erwähnte N. intercostobrachialis. Fig. 329.
Die Rami cutanei anteriores von Thil — Vi begeben sich um den Rand des M. pectoralis major
medianwärts und versorgen die Haut bis zur Brustwarze. Vom vierten bis sechsten gelangen auch
Zweige in die Milchdrüse, Rami mammarii laterales (Eckhardt) Diejenigen von Thvn— XI
versorgen die Bauchhaut bis etwa zum lateralen Rande des M. rectus abdominis. Der Ramus cutaneus
anterior von Thxii schickt außerdem einen Zweig über die Crista iliaca zu der über dem M. glutaeus
medius gelegenen Haut; er läßt sich bisweilen bis zur Gegend des Trochanter major verfolgen.
Die Rami cutanei laterales von Thil— vi werden auch Nn. cutanei pectoris laterales
genannt, während diejenigen von Thvn— XI oder XII Nn. cutanei abdominales laterales heißen.
b) Rami cutanei anteriores. Fig. 344.
Die vorderen perforierenden Äste der sechs oberen Interkostalnerven werden Nn. cutanei
pectoris anteriores genannt. Sie gelangen, den M. pectoralis major durchbrechend, am Seiten-
rande des Sternum zur Haut, um sich in ihr medianwärts und lateralwärts auszubreiten. Zweige
des zweiten bis vierten vorderen Hautnerven gelangen zur Haut der Milchdrüse, Rami mammarii
mediales.
Die vorderen perforierenden Aste der sechs unteren Interkostalnerven werden Nn. cutanei
abdominis anteriores genannt. Sie sind die sensiblen Endzweige der in der Rektusscheide ein-
getretenen, den Rectus versorgenden Nerven. Sie durchbrechen den Muskel oder gelangen um seinen
medialen Rand zum vorderen Blatte der Rektusscheide und treten durch Lücken desselben zur
Haut. Der betreffende Ast des letzten Interkostalnerven liegt etwas unterhalb der Mitte des Abstandes
zwischen Nabel und Schambeinfuge.
3. Rami pleurales et peritonaeales.
Sie versorgen die Pleura der Brustwand und das Peritonaeum der lateralen und der vorderen
Bauchwand, sowie die Pleura- und Peritonäalüberzüge des Ursprungsteiles des Zwerchfelles.
Ramström: Anat. Hefte, Bd. 29, 1905. — Derselbe, Mitteil, aus d. Grenzgebieten d. Med.
u. Chir. 1906. — Derselbe, Anat. Hefte, Bd. 30, 1906.
Rückblick.
Dem Geschilderten zufolge ist das große, von den Rami posteriores und Rami anteriores der
Nn. thoracales versorgte Hautgebiet auf jeder Körperseite in sechs verschieden breite Längs felder
zerlegbar, welche von entsprechenden segmentalen Hautnervenzweigen versorgt werden.
Riickenmarksncrvcn. .'ifvi
Das Beingeflecht, Plexus lumbosacralis.
Das Beingeflecht besteht aus einem kranialen, zugleich vorderen, und einem
kaudalen, zugleich hinteren Teil; jener stellt den Plexus lumbalis, dieser den
Plexus sacralis dar. Fig. 346, 347.
Das Beingeflcclit läßt besonders in seinem kaudalen Abschnitt, dem Plexus sacralis, eine schicht-
weise Anordnung der Nerven für die Streck- und Beugeseite der unteren Extremität erkennen und
schließt sich in dieser Hinsicht an das Armgcflecht an. Was aber von den Schichten des Arm-
geflechtes oben erwähnt worden ist, hat auch hier Beachtung zu finden; man darf sich nicht zu der
Meinung verleiten lassen, daß die mehr ventral oder dorsal gelegenen Schichten des Plexus mit einer
Scheidung in ventrale und dorsale Nerven in morphologischem Sinne zusammenfallen; das ventrale
und dorsale Nervcnlager der unteren Extremität stammt ausschließlich von ventralen Ästen (=Rami
anteriores) der Spinalnerven ab.
Zum ventralen Lager sind nach Eisler zu zählen (in Fig. 346 durch verschiedene Helligkeit
angedeutet): der ventrale Teil des lliohypogastricus, N. ilioinguinalis, N. spermaticus externus, R.
medialis des N. lumboinguinalis, Nn. cutanei femoris mediales mit pectineus, saphenus, tibialis. Zum
dorsalen Lager gehören: die Nerven für den Quadratus lumborum und Iliopsoas; der dorsale Teil
des lliohypogastricus, der R. lateralis des N. lumboinguinalis, der N. cutaneus femoris lateralis,
die Rami cutanei femoris antt. ; Sartoriuszweige, die Nerven des Quadriceps, der N. peronaeus, die
Nn. cutanei clunium; beiden Schichten entstammt der N. cutaneus femoris posterior.
Im Beingeflecht kommen in bedeutendem Grade Schwankungen seiner Zusammensetzung vor.
Der ganze Plexus kann um einen Wirbel kaudal, seltener kranial verschoben sein. Im ersten Falle
befestigt sich das Hüftbein am 26., im zweiten am 24. Wirbel, statt, wie normal, am 25. Wirbel.
Rüge, G., Verschiebungen in den Endgebieten der Nerven des Plexus lumbalis der Primaten.
Morph. Jahrb. XX, 1893. — Uzschneider, A., Die Lendennerven der Affen und des Menschen.
München, J. F. Lehmann 1892.
3. Das Lendengeflecht, Plexus lumbalis. Fig. 346 — 349.
Die Stärke der Rami anteriores der Lendennerven nimmt vom ersten bis
fünften bedeutend zu; LI hat etwa 2,5mm Durchmesser, LH bereits gegen 4, LIII
und LlV gegen 6, LV sogar gegen 7 mm Durchmesser.
Die Rami anteriores der Lendennerven werden durch Ansäe miteinander
verbunden. Li— III (d. i. ihre Rami anteriores) und die obere Hälfte von LlV treten
auf diese Weise zu einem bedeutenden Geflecht zusammen, dem Lendengeflecht,
Plexus lumbalis.
Die untere kleinere Hälfte von LlV verbindet sich mit LV zu einem dicken Stamm, Truncus
lumbosacralis, welcher über die Linea arcuata ins kleine Becken gelangt und sich vor dem M.
piriformis mit den nächstfolgenden Rami anteriores zum Plexus sacralis vereinigt.
Die drei Ansäe lumbales verhalten sich folgendermaßen: Li teilt sich in zwei Zweige, von
welchen der obere sich in periphere Äste auflöst, der untere sich mit LH verbindet. Dieser verbindet
sich am vierten Lendenwirbel mit dem größeren Teile von Lm, gleich darauf mit der größeren
Hälfte von LlV. Durch spitzwinkelige Vereinigung dieser drei Wurzeln entsteht der Hauptnerv des
Plexus, der N. femoralis.
Der Plexus lumbalis tritt nicht frei auf der hinteren Bauchwand zutage,
sondern ist im Fleische des M. psoas verborgen (Fig. 349) und liegt vor den
Processus costotransversarii der Lendenwirbel. Fig. 348.
a) Verbindungen des Plexus lumbalis.
1. mit ThXII;
2. mit dem Plexus sacralis durch die untere Hälfte von LlV;
3. mit dem Lendenteil des Sympathicus durch 2 — 3 lange Rami communi-
cantes.
384
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
b) Aste des Plexus lumbalis.
Der Übersichtlichkeit wegen kann man die Äste des Plexus in kurze und
lange einteilen.
Thxu.
Fig. 346.
Fig. 346. Plexus lumbosacralis. Ventralansicht.
rl R. cutaneus lat. des N. subcostalis; ih N. iliohypogastricus ;
ri dessen R. cutaneus lat.; ii N. ilioinguinalis; ql N. für Qua
dratus lumbomm; se N. spermaticus extrj~7i N. lumboingui-
nalis; p N. für Psoas; cl N. cutaneus femoris lat.; i N. für
M. iliacus; ip N. für Iliopsoas; Cr N. femoralis ; oa N. obtu-
ratorius accessorius; o N. obturatorius ; gs N. glutaeus sup.; 8'
pi Nn. für Piriformis; Pe N. peronaeus; gi N. glutaeus inf. ; 77 N. tibialis; // Nn. für Flexores cruris; q N. für Quadratus
femoris und Gemellus inf. ; oi N. für Obturator int. und Gemellus sup. ; cp N. cutaneus femoris post. ; cm N. cutaneus clunium
inf. medialis (N. perforans lig. sacrotuberosum) ; pu N. pudendus; h N. haemorrhoidalis inf.; / N. für Levator ani ;
c N. für Coccygeus; a, b Nn. anococcygei. (P. Eisler.)
Fig. 347. Plexus lumbalis.
/, //, ///, IV vorderer Ast des ersten bis vierten Lumbalnerven; ih N. iliohypogastricus; ii N. ilioinguinalis; gcr N. genito-
femoralis; p, p Zweige für den Psoas; qu Zweig für den M. quadratus lumborum ; o N. obturatorius mit drei Wurzeln;
er N. femoralis mit drei Wurzeln; il Zweig zu dem M. iliacus; cl N. cutaneus femoris lateralis; is Verbindungszweig des
Plexus lumbalis mit dem Plexus sacralis.
Kurze Äste:
Rami musculares.
1. Der Nerv für den Quadratus lumborum; aus dem Anfange von Li;
2. die Nerven für den Psoas major und minor; von der Ansa lumbalis II und III;
Rückenmarksnerven. 385
Lange Äste:
1. N. iliohypogastricus. Fig. 343, 348, 349.
Er gelangt zur vorderen Fläche des M. quadratus lumborum, zieht parallel
dem letzten Interkostalnerven herab und tritt über der Crista iliaca zwischen die
Mm. transversus und obliquus internus abdominis. Über der Mitte der Crista
iliaca gibt er seinen Ramus cutaneus lateralis ab. Dieser durchbricht ober-
halb der Mitte der Crista iliaca die Mm. obliquus internus und externus abdominis,
steigt über der Crista iliaca abwärts zur Haut über dem Glutaeus medius, wo er
mit dem R. cutaneus lateralis des Intercostalis XII Verbindungen einzugehen pflegt.
Die Fortsetzung des Stammes, Ramus cutaneus ant. (Bauchast) genannt,
setzt zwischen den genannten beiden Muskeln ihren Weg fort, gibt beiden Muskeln
und dem Obliquus externus Zweige, Rr. musculares, durchbricht oberhalb des
inneren Leistenringes den Obliquus internus und die Sehne des Externus und
gelangt an der oberen medialen Seite des äußeren Leistenringes unter die Haut.
Über der Spina iliaca anterior superior verbindet er sich mit dem folgenden Nerven
und kann ihn ganz in seine Bahn herüberziehen.
2. N. ilioinguinalis. Fig. 343, 348, 349.
Er ist dünner als der vorige, verläuft dem vorhergehenden ähnlich und etwas
unterhalb desselben über den M. quadratus lumborum, zieht dicht über der Crista
iliaca zum Transversus abdominis, durchbricht ihn etwas weiter vorn als jener,
nimmt zwischen ihm und dem M. obliquus internus abdominis seinen Weg nach
vorn, geht die genannte Verbindung mit dem vorigen ein und gelangt durch den
Leistenkanal oder unter Durchbrechung des unteren Schenkels des äußeren Leisten-
ringes zum Samenstrang, wo er in seine Endzweige zerfällt.
Die drei breiten Bauchmuskeln erhalten feine Fäden von ihm, Rami mus-
culares. Die sensiblen Endfäden sind laterale und mediale.
Die lateralen Endfäden verbreiten sich in der Haut der medialen Leisten-
gegend und (unbeständig) in der Haut des obersten medialen Teiles des Ober-
schenkels.
Die medialen Endfäden dagegen ziehen zur Haut des Mons pubis und
zum Scrotum (Labia majora), Nn. scrotales (labiales) antt.
3. N. genitofemoralis. Fig. 343, 348—350.
Stammt (mit zwei Wurzeln) aus der Ansa lumbalis I und aus LH. Im Psoas
oder außerhalb teilt er sich in seine beiden Endäste, N. spermaticus externus und
N. lumboinguinalis, die auch gesondert entspringen können.
a) N. spermaticus externus;
enthält die aus Li stammenden Fasern des N. genitofemoralis, läuft in
der Nähe des medialen Randes des M. psoas herab, gibt der A. iliaca
externa einen Zweig, kreuzt die Vasa iliaca externa und biegt medial
vom inneren Leistenringe zur hinteren Wand des Leistenkanales empor.
So gelangt er zur anderen Seite des Samenstranges (oder des Lig. teres
uteri) und begleitet ihn durch den Leistenkanal hindurch in den Hoden-
sack. Er ist besonders für den M. cremaster und die Tunica dartos
bestimmt, geht auch Verbindungen mit dem sympathischen Plexus sper-
maticus internus ein, der die A. spermatica interna umstrickt.
386
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Nach seinem Austritt aus dem Leistenkanal verbindet er sich mit
Fäden des N. ilioinguinalis; hieraus wird die vollständige oder teilweise
Vertretung beider Nerven verständlich.
b) N. lumboinguinalis;
aus LH stammend, zieht lateral vom vorigen auf dem M. psoas herab
und begibt sich lateral von den Schenkelgefäßen unter dem Lig. ingui-
nale zur Haut der vorderen Fläche des Oberschenkels. Einige seiner
Ramus ant. n. thoracal
N. lumbalis I
N. iüohypogastricus
N. ilioinguinalis
N. lumbalis II
N. genitofemoralis
N. cutaneus femoris lat.
N. lumbalis III
N. lumbalis IV
N. lumbalis V
N. cutaneus femoris lat.
Truncus lumbosacralis
N. femoralis
N. obturatorius
N. spermaticus ext.
N. ilioinguinalis
N. lumboinguinalis
Aste des N. cutaneus
femoris lat.
j^*. R. ant. n. thoracaüs XII
hü
N. iüohypogastricus
N- ilioinguinalis
N. genitofemoralis
N. cutaneus femoris
lat.
N. cutaneus femoris lat.
N. spermaticus ext.
— N. femoralis
N. lumboinguinalis
N. obturatorius
Fig. 348.
Äste des Lendengeflechtes von vorn. (Hirschfeld und Leveille.) 1:4.
Auf der rechten Seite ist der M. psoas wegpräpariert, links ist die vordere Bauchwand samt den Lig. inguinale entfernt.
1 Grenzstrang des Sympathicus; 13 R. cutaneus ant.; 14 R. cutaneus lat. des N. iüohypogastricus; 19 Hautäste des N. ilio-
inguinalis; 22 N. ischiadicus; 23 Plexus aorticus abdominalis des Sympathicus.
Zweige treten durch die Fossa ovalis aus, andere lateral von ihr. Die
letzten Zweige können zuweilen bis zur Mitte des Oberschenkels ver-
folgt werden. Der Lumboinguinalis übernimmt nicht selten Fasern aus
der Bahn des Ilioinguinalis und kann vollständig dessen Hautäste
abgeben.
4. N. cutaneus femoris lateralis. Fig. 342, 343, 348—352.
Er entsteht aus der Ansa lumbalis II, gelangt an die laterale Seite des M.
psoas, sodann auf den M. iliacus und zieht, von der Fascia iliaca bedeckt, herab
zur Gegend der Spina iliaca anterior superior. Unter dem Lig. inguinale und vor
387
JK
Fig. 349. Die Äste des Plexus lumbalis
sowie die Bauchaorta und ihre Äste (7I1B).
38S
Spina iliaca ant. stip.
Lig. inguinale (Pouparti)
Ramus uiuscularis
N. cutaneus femoris lat.
Ratni cutanei antt. n. feraoralis
—-Ramus ant. n. obturator
Lig. iliopectineum
A. femoralis
"" V femoralis
N. spermaticus ext.
Lig. Suspensorium
penis
N. obturatorius
M. adduetor brevis
— M. adduetor niagnus
Obere Öffnung des Canalis adduetorius
Ramus cutaneus (obturatorius)
Lamina vastoadduetoria
Anastomose zwischen dem N. femoralis
und dem R. cutaneus obturalorius
M. semimembranosus
JfW j - R a m us i n f rapa tel la r
Fig. 350. N. femoralis und N. obturatorius (I) des (rechten). Oberschenkels (6 1S).
Aus dem M. sartorius ist ein mittleres Stück herausgeschnitten.
Rückenmnrksncrvcn. 389
der A. circumflexa ilium profunda hinwegziehend, betritt er das Oberschenkel-
gebiet, liegt hier unter dem oberflächlichen Blatte der Fascie und teilt sich in einen
stärkeren absteigenden und schwächeren hinteren Ast, welche getrennt die Fascie
durchsetzen. Der letztere wendet sich über dem Tensor fasciae nach hinten und
gelangt bis zur Gesäßgegend. Der vordere Zweig gelangt 3 — 5 cm unterhalb des
Lig. inguinale unter die Haut, zieht längs der Vorderfläche des Vastus lateralis bis
zur lateralen Kniegegend herab und sendet besonders laterale Zweige aus. Hier
und da verläuft der Nerv streckenweise in der Bahn des N. femoralis.
5. N. femoralis. Fig. 348—352.
Er geht mit drei Wurzeln aus LH, III, IV, mit einer vierten wahrscheinlich aus
Li hervor und stellt einen starken, abgeplatteten, 5 — 6mm breiten Stamm dar,
welcher sich zwischen den M. psoas und M. iliacus legt und unter dem Lig.
inguinale, in der Lacuna musculorum, lateral von den großen Schenkelgefäßen
zum Oberschenkel zieht. Beim Übergange zum Oberschenkel gelangt der Nerv
allmählich auf die mediale Fläche des M. iliopsoas und zerfällt hier 4 — 5 cm unter-
halb des Lig. inguinale in eine Menge von Zweigen, die sich auf ein vorderes,
vorzugsweise sensibles, und ein hinteres, vorzugsweise motorisches Bündel
zurückführen lassen.
Die sensiblen Zweige versorgen die ganze vordere Fläche des Oberschenkels,
die motorischen gehen zur Streckmuskulatur des Oberschenkels, sowie zum M. psoas
und M. pectineus.
Bis zur Teilung in die beiden Endbündel werden von ihm abgegeben:
Rr. cutanea antt., 2 — 4 Zweige für den Beckenteil des Iliacus, einer für den Psoas, sowie der
N. arteriae femoralis proprius. Dieser entsteht schon in der Beckenhöhle, verläuft mit dem
N. femoralis und verläßt ihn unterhalb des Lig. inguinale, um an der Scheide der großen Gefäße
herabzuziehen. Von den die A. profunda begleitenden Fäden dringt einer durch das Foramen nutri-
cium in das Oberschenkelbein, andere in das Periost.
Der Nerv für den M. pectineus gelangt hinter den Schenkelgefäßen zur vorderen Muskelfläche.
Aus dem vorderen, vorzugsweise sensiblen Endbündel des N. femo-
ralis entstehen:
a) Ratni cutanei anteriores. Fig. 342, 343, 350, 351.
Zahlreiche Äste, welche an verschiedenen Stellen die Fascia lata durchbohren.
Einige von ihnen treten durch den M. sartorius hindurch.
Die verschiedenen Zweige verlaufen folgendermaßen:
u. Zwei Äste für den mittleren Teil der vorderen Fläche des Oberschenkels; der eine gibt
dem Sartorius einen Zweig, durchbohrt meist diesen Muskel im oberen Drittel, darauf die Fascia
lata und zieht vor dem M. rectus femoris bis zum Knie herab.
Der andere kann mit dem vorigen anfangs vereinigt sein, durchbohrt nur selten den M. sar-
torius, sondern gelangt meist an dessen medialer Seite zur Haut und dringt bis zum Knie vor. Beide
Nerven gehen mit dem N. lumboinguinalis häufig Verbindungen ein.
ß. Äste für den medialen Teil der vorderen Fläche des Oberschenkels, meist 2—3 Nerven.
Einer derselben durchbohrt die Fascie unmittelbar unter der Fossa ovalis, schließt sich der V. saphena
magna an und kann bis zum Knie verfolgt werden. Er verbindet sich gewöhnlich mit dem Hautast
des N. obturatorius.
Ein zweiter, stärkerer, manchmal doppelter Nerv läuft am medialen Rande des Sartorius
herab, durchbohrt oberhalb der Kniescheibe die Fascie, um in der Haut der medialen Seite des
Knies sich zu verbreiten.
Aus dem hinteren, vorzugsweise motorischen Endbündel des N. femo-
ralis gehen hervor:
390
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
b) Rr. musculares für die Streckmuskulatur des Oberschenkels und zwar:
«. Der Ast für den M. rectus femoris. Von ihm und einigen anderen Muskelzweigen werden
feine Fäden zur Hüftgelenkkapsel abgegeben (Rüdinger).
ß. Der Ast für den M. vastus lateralis.
■/. Einige Äste für den M. vastus intermedius. Die unteren Zweige von ihnen versorgen
auch den M. articularis genus, dringen aber mit ansehnlichen Zweigen (untere Epiphysen-
nerven über die Grenzen des Muskels hinaus zum Periost und zur Kniegelenkkapsel (Rauber).
■V Der Nerv für den M. vastus media lis. Dringt ebenfalls mit einem ansehnlichen End-
stück bis zur Kniegclenkkapsel vor (Rauber).
N. cutaneus femoris lat. __i
R r. c utanei antt.
R. muscularis zum M. sartorius — I
R. cutaneus ant.
Rr. cutanei antt.
R. cutaneus ant.
R. infrapatellaris n. sapheni
N. saphenus
Fig. 351.
Hautnerven an der vorderen und an der medialen Fläche des Oberschenkels.
(Hirschfeld und Leveille.) 1:5.
Der längste Ast des N. femoralis ist:
c) Der N. saphenus (Fig. 350, 351, 352). Er bildet die Fortsetzung des
hinteren Endbündels, liegt am Oberschenkel anfangs der lateralen, weiter unten
der vorderen Fläche der A. femoralis an, tritt mit den Vasa femoralia in den
Canalis adduetorius, durchbricht dessen vordere Wand und zieht, vom Sartorius
bedeckt, in der Rinne zwischen dem M. vastus medialis und M. adduetor magnus
zur medialen Seite des Knies herab. Hier gelangt er an der Sehne des M. sar-
torius unter die Haut und zur V. saphena magna, um längs derselben am Unter-
schenkel subkutan herabzuziehen und vor dem Malleolus medialis in die Haut
des medialen Fußrandes auszustrahlen. Einer seiner Zweige geht hier eine Ver-
N. cutaneu; femoris lal.
A. circumflexa ilium prof.
Spina Miaca ant. sup.
~Jrf~i~,""~'r ~l N. saphenus
•-adductorlongif
391
Ureter
A. iliaca communis
A. Iiypogastrica
A iliaca ext.
■ ■•■ A. glutaea sup.
A. glutaea inf.
A. epigastrica inf.
A. obturatoria
m^"T^mM — N- obluratorius
— -M. obturator ext.
R. superf. 1
I a. circumflexae
[ femoris medialis
j-*- R. prof.
R. cutaneus (obturatorius)
Rami articulares
Rete patellae
Rami musculares
Lamina vastoadduetoria
(durchgeschnitten)
-A. genus suprema
N. saphenus
Sehne des M. adduetor magnus
.# A. genus sup. medialis
Fig. 352. N. femoralis und N. obturatorius (II) des rechten Oberschenkels ('.:).
Ein Stück der A. femoralis ist wegenommen; die Mm. sartorius, rectus femoris, pectineus, adduetor longus
sind durchgeschnitten und zum Teil entfernt.
392
Foramen suprnpiriforme
N. glutaeus &u-p-er4or
N. pudendus
Lig. sacrotuberosum
Nn. clunium inferiores .
N. cutaneus femoris post.
Rr. musculares
R. articularis
Hiatus adductorius
A. poplitea
N. tibialis
N. peronaeus communis ...
Rr. musculares
Caput mediale m. gastrocnemii.„
N. glutaeus superior
R. muscularis für die
Mm. gemelli
N. ischiadicus
musculares für den
quadratus femoris
Rr. musculares
Caput laterale m. gastrocnenm
Fig. 353. Tiefe Nerven des Gesäßes und der Beugeseite des rechten Oberschenkels (: ,„).
Rtickenmarksnerven. 393
bindung mit dem N. peronaeus superficialis ein. Meist endigt der Nerv im Meta-
tarsalgebiet, ohne zur großen Zehe zu gelangen. In seltenen Fällen endigt er
schon am Knie und wird am Unterschenkel durch einen Zweig des N. tibialis
ersetzt (H. Meyer).
Außer einem Zweige zum Kniegelenk gibt er ab:
a. den Ramus infrapatellaris , zur Haut der medialen Seite des Knies
bis zur vorderen Fläche der Patella. Fig. 351.
;',. Nn. cutanei cruris mediales; es sind mediale vordere und mediale
hintere Zweige vorhanden, welche die Haut über der medialen Fläche
der Tibia und die mediale Wadenhaut versorgen.
6. N. obturatorius. Fig. 342, 343, 350, 352.
Wird meist aus drei Wurzeln gebildet, die aus der Ansa lumbalis II, sowie
aus LH und LIII stammen und noch innerhalb des M. psoas zusammentreten. Der
Stamm läuft am medialen Rande des M. psoas hinab, gelangt hinter den Vasa iliaca
communia ins kleine Becken und zum Canalis obturatorius. Innerhalb desselben
zerfällt er in seine beiden Endäste, den Ramus ant. und den Ramus post.
Er versorgt sämtliche Adduktoren mit motorischen Zweigen und gibt einen
Hautast zur medialen Fläche des Knies ab.
Vor dem Austritt aus dem Canalis obturatorius entläßt er nur einen Nerven, den Ramus
muscularis für den M. obturator externus; er durchläuft den Kanal und tritt in den Muskel ein.
a) Der vordere Endast, Ramus anterior, gelangt in den Zwischenraum
zwischen dem M. adductor brevis und M. adductor longus und zerfällt in eine
Reihe von Zweigen.
Diese sind:
«. der Ast für den M. adductor brevis;
S. der Ast für den M. adductor longus;
;•. der Ast für den M. gracilis. Mit ihm entspringt gemeinsam
ö, der Ramus cutaneus (obturatorius). Er begibt sich zwischen dem M.
adductor longus und Gracilis zur Haut der medialen Seite des Oberschenkels und
verbindet sich mit den Nn. cutanei antt. des N. femoralis.
b) Der hintere Endast, Ramus posterior, durchbohrt häufig den M. ob-
turator externus, gelangt zwischen ihm und dem M. adductor brevis zur vorderen
Fläche des M. adductor magnus und entsendet:
a. 1 — 2 Rami articulares für das Hüftgelenk;
ß. einen Zweig für den M. adductor niinimus;
■/. einen Zweig für den M. adductor magnus;
£>'. unbeständig ist ein Zweig für den M. pectineus;
f. unbeständig ist ferner ein Zweig für die hintere Wand der Kniegelenkkapsel.
Nicht selten kommt ein N. obturatorius accessorius (Fig. 354) vor, er entsteht aus Du
und Liv, tritt über dem Schambein zum Oberschenkel, verbindet sich mit dem N. obturatorius,
gibt Zweige zum M. pectineus und zum Hüftgelenk (J. A. Schmidt).
Bardeen, Ch. R., A.Statistical Study of the Abdominal and Border-Nerves in Man. Americ.
Journ. of Anatomy, Bd. I, 1902.
4. Kreuzbeingeflecht, Plexus sacralls.
Der Plexus sacralis stellt die größere untere Hälfte des Beingeflechtes (Plexus
cruralis) dar. Er geht aus LlV/2, Lv, welche zusammen den S. 383 erwähnten
Truncus lumbosacralis ausmachen, sowie aus Sl, II und der Hälfte von Sin
394
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
nxn
hervor. Der mächtige Truncus lumbosacralis läuft über die Linea arcuata hinab
in das kleine Becken und verbindet sich hier mit den übrigen Bestandteilen des
Plexus sacralis. Ein großer Teil von Sin tritt zum Plexus sacralis, der andere Teil
zum Plexus pudendus.
Die genannten Nerven konvergieren
gegen das Foramen ischiadicum majus und
fließen zu einer vielfach verflochtenen Platte
zusammen, aus deren Spitze der N. ischia-
dicus, der größte Nerv des Körpers hervor-
geht. Fig. 354.
Die Länge der einzelnen Wurzeln des
Plexus sacralis ist verschieden; sie nimmt vom
oberen zum unteren Ende des Plexus allmäh-
lich ab. Ähnlich verhält es sich mit der Stärke
der einzelnen Wurzeln; sie nimmt vom fünf-
ten Lendennerven an allmählich, vom zweiten
Sakralnerven an rasch ab.
Der Plexus sacralis liegt zum Teil auf der
vorderen Fläche des M. piriformis. Sl kommt
über dem oberen Rande des Muskels aus dem
Foramen sacrale anterius I, Sin unter dem
unteren Muskelrande hervor. Zwischen dem
Truncus lumbosacralis und Si begibt sich die
A. glutaea superior nach hinten; zwischen
Sil und Sin zieht die A. glutaea inferior nach unten.
a) Verbindungen des Plexus sacralis:
1. Durch den Verbindungszweig
von Liv hängt er mit dem Plexus lum-
balis zusammen;
2. durch die untere Hälfte von
SlII mit dem Plexus pudendus;
3. durch Rami communicantes ist
er mit den angrenzenden Teilen des
Sympathicus verknüpft.
b) Äste des Plexus sacralis:
1. Zweige für den M. piriformis,
von Sil stammend;
2. N. glutaeus superior, mit zwei
Wurzeln, aus LV bis Sil hervorgehend.
In einen oberen und unteren Ast
geteilt, verläuft der Nerv hart am
Knochen, oberhalb des Piriformis, durch
den oberen Teil des Foramen ischia-
dicum majus (For. suprapiriforme).
Fig. 353, 356.
Der obere, schwächere Ast
tritt unter den M. glutaeus medius, zieht
Fig. 354.
Schematische Darstellung des Plexus lumbosacralis. 1 : 2.
DXII letzter Brustnerv; LI — V erster bis fünfter Lendennerv;
S/— V erster bis fünfter Sakralnerv; CIN. coecygeus; p,p,/>
dorsale Äste dieser Nerven; p, p' Plexus sacralis posterior;
1.1—1 V treten zum Plexus lumbalis, LI V" bis SlII zum Plexus
sacralis; SlII bis SI V zum Plexus pudendus, SV und CI
zum Plexus coecygeus zusammen; d, l letzter Interkostalnerv;
1 N. iliohypogastricus; 1' N. ilioinguinalis; 2 N. genitofemo-
ralis; 2* N. cutaneus femoris lateralis; ps, ps Zweige zum
M. psoas major; er N. femoralis; il Zweige zum M. iliacus;
ob N. obturatorius ; ob1 N. obturatorius accessorius ; IV, V
treten zum N. lumbosacralis zusammen ; .'IN. glutaeus superior ;
4, 4' N. glutaeus inferior; 5, 5* N. cutaneus femoris posterior;
sc N. ischiadicus; 6, 6, 6', 6' Zweige zu den Rollmuskeln und
zum Hüftgelenk; 7 Zweig für den M. piriformis; 8 N. pu-
dendus; 9,0 Rami viscerales; 91 Zweig zum M. levator ani;
10 Zweig zum M. coecygeus; 11 N. anocoecygeus.
Rückenmarksnerven. 395
längs des oberen Randes des M. glutaeus minimus nach vorn und verästelt sich
im M. glutaeus medius.
Der untere Ast zieht zwischen den Mm. glutaeus medius und minimus nach
vorn, gibt dem M. glutaeus medius Zweige, versorgt den M. glutaeus minimus und
sendet sein vorderstes Bündel in den M. tensor fasciae latae.
3. N. glutaeus inferior, entsteht häufig mit dem folgenden vereinigt von
der hinteren Fläche des Plexus, aus Sl und II. Er verläßt unterhalb des M. piri-
formis die Beckenhöhle und tritt mit auseinanderweichenden Bündeln in den M.
glutaeus maximus ein. Er gibt auch der Hüftgelenkkapsel Fäden. Fig. 253, 356.
4. N. cutaneus femoris posterior (Fig. 353, 355), verläßt mit dem N. glu-
taeus inferior am unteren Rande des M. piriformis die Beckenhöhle, zieht, anfäng-
lich dem N. ischiadicus aufliegend, zwischen Tuber ischiadicum und Trochanter
major zur hinteren Fläche des Oberschenkels hinab und verbreitet sich an ihm
bis zum Knie. Er versorgt die Haut des Gesäßes und der hinteren Fläche des
Oberschenkels mit sensiblen Zweigen und entsendet folgende Äste:
a. Nn. clunium inferiores (Fig. 355), 2 — 3; schlingen sich um den unteren
Rand des M. glutaeus maximus aufwärts und endigen in der hier befind-
lichen Haut.
ß. Rami perineales (Fig. 355), ziehen unterhalb des Tuber ischiadicum in
abwärts konvexem Bogen zu der Furche zwischen Damm und Ober-
schenkel, geben an die Haut beider Teile Zweige und enden auf der
lateralen Seite des Scrotum (Labia majora), indem sie sich mit Zweigen
des N. pudendus verbinden.
y. Rami cutanei femoris posteriores (Fig. 355). Sie werden, während der
N. cutaneus femoris posterior bis zur Mitte des Oberschenkels subfascial,
sodann subkutan verläuft, nach beiden Seiten, besonders medianwärts
abgegeben. Die Endzweige dringen bis zur Kniekehle und greifen auch
noch auf die Wadenhaut über, wobei sie sich einem Zweig der V. saphena
parva anlagern. Fig. 360.
5. N. ischiadicus (Fig. 353 — 356), entsteht aus allen Wurzeln des Plexus
sacralis und bildet dessen Hauptfortsetzung. Die Beckenhöhle am unteren Rande
des M. piriformis verlassend, zieht er zwischen Tuber ischiadicum und Trochanter
major hinter den kleinen Rollmuskeln, anfänglich bedeckt vom M. glutaeus maximus,
abwärts. Weiter unten liegt der Nerv auf der hinteren Fläche des M. adductor
magnus, wird hier durch die vom Tuber ischiadicum entspringenden Beugemuskeln
gedeckt und gelangt so zur Kniekehle. Hier nimmt er etwa deren Mitte ein, liegt
etwas lateral und über der V. und A. poplitea und wird von der starken Fascia
Poplitea überlagert. Meist teilt sich der Nerv im oberen Winkel der Kniekehle
in den stärkeren, den Stamm fortsetzenden N. tibialis, und in den schwächeren,
zum lateralen Winkel der Kniekehle verlaufenden N. peronaeus communis
(Fig. 353, 355). Häufig geschieht die Teilung schon in der Mitte des Oberschenkels,
ja sie kann schon am Ursprünge aus dem Plexus gegeben sein. Künstlich läßt
sich die Trennung beider Stämme immer bis zum Hüftloche ausführen. Er ver-
sorgt mit motorischen Zweigen: von Hüftmuskeln den M. obturator int,
Gemelli, Quadratus femoris, ferner sämtliche Beugemuskeln des Oberschen-
kels und alle Muskeln von Unterschenkel und Fuß. Seine sensiblen Zweige
396
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
versorgen die Haut von Unterschenkel und Fuß mit Ausnahme der vom N. saphenus
versorgten Abschnitte.
Der N. ischiadicus, und zwar der tibiale Teil desselben, gibt in der
Hüft- und Oberschenkelgegend folgende Äste ab:
a) den Nerven für den M. obturator internus. Er entspringt bei dem Austritt des Stammes
aus dem Foramen ischiadicum majus, wendet sich sofort durch das Foramen ischiadicum minus zur
medialen Fläche des M. obturator internus und dringt in denselben ein. Im Foramen ischiadicum
minus nimmt er den unteren, der N. pudendus dagegen den oberen Winkel ein; die Vasa
pudenda verlaufen zwischen den beiden Nerven;
Fig. 355.
Fig. 356.
Fig. 356. Nerven des Ple.xus sacralis und N. pudendus. (Hirschfeld und
Levei I le.) 1:4.
a Trochanter major; b M. tensor fasciae latae; c Sehne des M. obturator internus;
d M. vastus lateralis; e Os coecygis; / M. gracilis; 1 N. glutaeus superior, oberer
Ast; 1' unterer Ast desselben; 1" Ast zum M. tensor fasciae latae; 2 N. ischiadicus;
2' Ast zum M. piriformis; 2" Zweig zum M. obturator internus; 3 N. cutaneus femoris
posterior; 3' N. glutaeus inferior; 3" Nn. clunium inff. ; 4 Rami cutanei femoris;
4' Rami perineales des N. cutaneus femoris posterior; 5 N. pudendus; 6, 6', 6" seine
Verzweigungen am Damme Nn. scrotales posteriores; 7 N. dorsalis penis.
Fig. 355. Hintere Hautnerven der Hüfte und des Oberschenkels. (Hirschfeld
und Levei 116.) 1:5.
Die Fascia lata ist in der mittleren Gegend der hinteren Seite des Oberschenkels zum
Teil entfernt; aus dem M. glutaeus maximus ist vom unteren Rande aus ein Stück herausgeschnitten; a (J. glutaeus
maximus; b Fascia lata; c M. bieeps femoris; ä Mm. semitendinosus et semimembranosus; e M. gastroenemius; / Os
coecygis; g, g Vena saphena magna; 1, 2 R. cutaneus lat. des N. iliohypogastricus; 3 Aste des N. cutaneus femoris lat. ;
4.4' N. glutaeus inferior; 4" Nn. clunium inff.; 5 N. cutaneus femoris post. ; 5', 5' seine Verzweigungen am Oberschenkel;
6, 6 seine Endäste an der Wade; 7 Teilung des N. ischiadicus in seine Endäste; 8 untere Hautäste des letzten Sakral-
und des Steißbeinnerven; 9 Rami cutanei perineales von 5.
b) den Nerven für die beiden Mm. gemclli und den M. quadratus femoris; er entsteht
ebenfalls beim Austritt des Ischiadicus;
c) einen Ramus articularis für die Hüftgelenkkapsel;
d) Rami musculares für den M. semitendinosus, M. semimembranosus, den langen
Kopf des M. bieeps femoris, den M. adduetor magnus.
5 a. N. peronaeus communis. Fig. 353, 356, 359.
Der N. peronaeus communis zieht nach seiner Trennung vom N. tibialis längs
des medialen Randes des M. bieeps femoris über das Caput lat. m. gastroenemii
397
Rami musculares des N. peronaeus profundus ---
A. tibialis anterior
N. peronaeus profundus — I
N. peronaeus superficialis
A. tibialis ant
N. cutaneus dorsalis medialis
N. cutaneus dorsalis intermedius J
M. peronaeus tertius
Membrana interossea cruris
Sehne der M. tibialis ant.
A. dorsalis pedis
N. peronaeus profundus
M. extensor digitorum brevis
Fig. 357. Tiefe Nerven der Streckseite des (rechten) Unterschenkels (Vis)-
398
Sehne des M. sartorius
Sehne des M. gracilis
Sehne des M. semimembranosus
Sehne des M, semitendinosus
Ramus musculari
Sehne des M. tibial
Sehne des M. flexor digitorum
A. tibiali
N. plantaris lateral i
N. plantaris medialis ~
itea
musculares für den medialen Kopf des
M. gastrocnemius
musculares für den lateralen Kopf des
M. gastrocnemius
Caput mediale in. gastrocnemii
M. plantaris
A. tibialis ant.
A. tibialis post
, A. peiouaea
Ramus muscularis für den M. flexor
hallucis longus
Ramus muscularis für den M. tibialis
post.
ne des M. plantaris
o calcaneus
mi calcanei mediales
Fig. 358. Tiefe Nerven der Beugeseite des (rechten) Unterschenkels P/»).
Rückenmarksnerven. 399
zum lateralen Winkel der Kniekehle, tritt am Collum fibulae auf die laterale Fläche
des Knochens und teilt sich vor seinem Eintritt in den hier entspringenden M.
peronaeus longus in den überwiegend sensiblen N. peronaeus superficialis
und den überwiegend motorischen N. peronaeus profundus. Bis zur
Teilungsstelle werden au(3er einem Zweig für den kurzen Kopf des M. biceps
femoris und einem Ramus articularis genus superior und inferior zum
lateralen und hinteren Teile der Gelenkkapsel sowie zum Tibio-Fibulargelenke
noch abgegeben:
Der N. cutaneus surae lateralis: Er entspringt aus dem N. peronaeus
communis innerhalb der Kniekehle und teilt sich am Unterschenkel in einen
vorderen und hinteren Ast. Fig. 360.
Der vordere Ast wird alsbald subkutan, zieht an der lateralen Fläche des
Unterschenkels bis zum Malleolus lateralis herab und schickt Fäden, welche die
laterale untere Seite des Knies bogenförmig umgreifen, zur Kniehaut.
Der hintere Ast, Ramus anastomoticus peronaeus, wechselnd stark, ver-
läuft subfascial, hinter dem vorigen, auf dem Caput lat. m. gastrocnemii abwärts,
wird in der Längsmitte des Unterschenkels subkutan und vereinigt sich gewöhnlich
mit dem N. cutaneus s^rae medialis aus dem N. tibialis. Seltener bleibt er isoliert.
Beide stehen, wie so viele andere nachbarliche Nervenäste, in kompensatorischem
Verhältnis.
1. N. peronaeus superficialis. Fig. 357, 359, 361 — 363.
Er zieht in steil ab- und vorwärts gekehrter Richtung durch den M. peronaeus
longus, gelangt zwischen M. peronaeus longus und brevis, legt sich sodann auf
die lateral-vordere Fläche des M. extensor digitorum longus und durchbricht im
distalen Drittel des Unterschenkels die Fascia cruris, um als Hautnerv zu endigen.
Subkutan geworden oder noch in subfascialer Lage, teilt er sich in zwei Zweige,
den stärkeren N. cutaneus dorsalis medialis und den schwächeren N. cutaneus
dorsalis intermedius. Bis zu seiner Teilung gehen folgende Äste aus ihm hervor:
Rami musculares für den M. peronaeus longus (2) und für den M.
peronaeus brevis.
/. N. cutaneus dorsalis medialis. Fig. 359, 362, 363.
Er wendet sich medianwärts zum Fußrücken, gibt auf diesem Wege feine
Zweige zur benachbarten Haut und teilt sich auf dem Fußrücken in einen medialen
und einen lateralen Zweig, welche den medialen Rand der großen Zehe und die
einander zugewendeten Ränder der 2. und 3. Zehe versorgen.
a) Der mediale Zweig wendet sich zum medialen Fußrande, verbindet sich mit Fäden des
Nervus saphenus und versorgt die Rückenhaut der medialen Seite der großen Zehe bis zum
Endgliede. Ferner schickt er zur Haut über dem Spatium interosseum I einen Verbindungs-
zweig zum N. peronaeus profundus.
b) Der laterale Zweig zieht zum Spatium interosseum II und teilt sich in zwei Äste, Nn.
digitales dorsales pedis, für die einander zugewendeten Seiten der zweiten und
dritten Zehe. Dieser Zweig kann auch vom folgenden abgegeben werden.
2. N. cutaneus dorsalis intermedius. Fig. 363.
Zieht über das Fußgelenk gerade nach vorn, versorgt die benachbarte Haut
und teilt sich in einen medialen und einen lateralen Zweig, welche die einander
zugewendeten Ränder der 3. und 4., sowie der 4. und 5. Zehe versorgen.
a) Der mediale Zweig spaltet sich in die Nerven für die einander zugewendeten Seiten
der 3. und 4. Zehe.
RiUBER-KopscH, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 21
400
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
b) Der laterale Zweig geht mit dem N. suralis Verbindungen ein und versorgt die ein-
ander zugewendeten Seiten der 4. und 5. Zehe.
Der N. cutaneus dorsalis intermedius kann auch den Nerven für die einander zugewendeten
Seiten der 2. und 3. Zehe abgeben. Er endigt andererseits zuweilen schon auf dem Kußrücken und
wird durch den N.suralis ersetzt. In solchen Fallen ist der R.anastomoticus peronaeus stark entwickelt.
2. N. peronaeus profundus. Fig. 357, 359, 362, 363.
Er durchbricht die Ursprünge des M. peronaeus longus und des M. extensor
digitorum longus und gelangt zu den Vasa tibialia anteriora, vor welchen er, an-
N. cutaneus surae lat. —
N. peronaeus comm
Rr. musculares
R. anastomoticus peronaeus
N. cutaneus surae medialis
i— N. peronaeus pro f.
— N. peronaeus superf.
— N. peronaeus prof.
N. suralis
Rr. calcanei latt.
N. digitalis dorsalis pedis IV -]
N. cutaneus dorsalis lat.
N. peronaeus superf.
N. cutaneus dorsalis medialis
N. cutaneus dorsalis lat.
Anastomosen der Nerven
des Fußrückens
Nn. digitales dorsales hallucis
lat. et digiti 11 medialis
Fig. 359.
Hautnerven an der lateralen Seite des Unterschenkels und des Fußes. (Hirschfeld und I.eveille.) 1:5.
Am proximalen Teil des Unterschenkels ist die Fascia cruris entfernt, das proximale Stück des M. peronaeus longus ist
herausgeschnitten.
fänglich zwischen dem M. tibialis anterior und dem M. extensor digitorum longus,
sodann zwischen dem ersteren und dem Extensor hallucis longus, herabzieht. Am
Sprunggelenk durchzieht er mit den Gefäßen jenes Fach des Lig. cruciatum pedis,
in welchem die Sehne des M. extensor hallucis longus ihre Lage hat, und teilt
sich in einen medialen und einen lateralen Endzweig.
Während seines Verlaufes am Unterschenkel gehen aus ihm folgende Nerven hervor:
a) ein oberer und ein unterer Ramus muscularis für den M. tibialis anterior;
b) ein Ramus muscularis für den M. extensor digitorum longus;
c) zwei Rami musculares für den M. extensor hallucis longus;
d) ein Ramus articttlaris für die vordere Wand des Sprunggelenkes.
Der mediale Endzweig setzt die Richtung des Stammes fort, zieht mit der
401
N. peronaeus communi
N. cutancus surae lat.
N. cutaneus surae medialis
R. anastomoticus peronaeus
Malleolus lat
N. cutaneus femoris post.
V. saphena magna
Endäste des N. cutaneus femoris post.
N. cutaneus surae medialis
V. saphena parva
Verbindung der V. saphena parva mit
d. V. saphena magna
N. suralis
Ramus calcaneus
Malleolus medialis
Fig. 360. Hautnerven und Hautvenen des linken Unterschenkels (Beugeseite)
(aus Corning, topogr. Anatomie).
402
N. peninaeus superficialis
Venen zur V. saphena parva
Tractus iliotibialis
I '.Hella
■\st des N. peronaeus superficialis
V. saphena parva
N. surali
Rami calcanei laterales
N. cutaneus dorsalis lat
N. peronaeus superficialis
N'n. digitales dorsales hallucis lateralis
et digiti II medialis
Nn. cutanei dorsales pedis
Fig. 361. Hautnerven und Hautvenen der rechten unteren Extremität (Streckseite)
(ans Corning, topogr. Anatomie).
Rückenmarksnerven.
403
A. dorsalis pedis zum Spatium interosseum I und gelangt unter der mit ihm sich
kreuzenden Sehne des M. extensor hallucis brevis zum distalen Ende des Zwischen-
knochenraumes. Hier verbindet er sich konstant mit einem Faden des N. pero-
naeus superficialis und spaltet sich in zwei Hauptzweige, Nn. digitales dorsales
hallucis lateralis et digiti seeundi medialis, für die einander zugewendeten
Seiten der Rücken der ersten und zweiten Zehe. Auf diesem Wege entsendet
N. peronaeus comm.
N. peronaeus superficialis
M. peronaeus longus ■ jmi
M. extensor hallucis longus
N. peronaeus superficialis
M. tibialis ant.
N. suralis
N. cutaneus dorsalis lat.
N. cutaneus dorsalis medialis
Fig. 362.
Verzweigung des N. peronaeus. (Hirschfeld und Leveille.) 1:5.
Das proximale Stück des M. peronaeus longus ist entfernt; die Mm. tibialis anterior, extensor hallucis longus und peronaeus
longus sind auseinandergezogen. 1' oberer Zweig für den M. tibialis anterior; 2\ 2' Zweige des N. peronaeus superficialis
zu den Mm. peronaei ; 3', 3' Verzweigungen des N. cutaneus dorsalis medialis; 4 N. cutaneus dorsalis medius; 4', 4' seine
Verzweigungen an den Zehen; 6, 6 N. peronaeus profundus, 6' seine Muskelzweige am Unterschenkel, 6" seine Endteilung,
7, 7' sein medialer Zweig in Verbindung mit dem N. peronaeus superficialis, 8 sein lateraler Zweig zum M. extensor
digitorum brevis.
er den N. interosseus pedis I für die benachbarten Gelenke; zwei Fäden laufen
längs der Metatarsalia I und II nach vorn und endigen an den Kapseln der
Köpfchengelenke.
Der laterale Endzweig wendet sich auf der Fußwurzel, vom M. extensor
digitorum brevis bedeckt, lateralwärts, versorgt diesen Muskel, entsendet drei Nn.
interossei pedis (Rüdinger), welche sich wie der erste verhalten. Die Nerven
der Mm. interossei dorsales aber sind plantaren Ursprunges, obgleich auch der
N. peronaeus profundus als ein ventraler Nerv betrachtet werden muß (siehe
oben S. 383).
21*
404 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
5 b. N. tlbialis. Fig. 358, 360, 364, 365.
Er übertrifft den anderen Endast des Ischiadicus, nämlich den N. peronaeus
communis an Stärke um das Doppelte, zieht durch die Mitte der Fossa poplitea
herab und liegt nach hinten und etwas lateral von den Vasa poplitea. Alsbald
gelangt er zwischen den beiden Köpfen des M. gastroenemius bis zum proximalen
Rande des M. soleus, dringt unter der Soleusarkade in den Zwischenraum zwischen
M. tibialis posterior und M. soleus, zieht mit der A. tibialis posterior zwischen
der tiefen und der oberflächlichen Schicht der Wadenmuskeln distalwärts, gelangt in
der Mitte zwischen dem Malleolus medialis und Calcaneus, fibular von den
großen Gefäßen (siehe S. 379, Anm. 2) zur medialen Seite des Fußgelenkes und
spaltet sich hinter dem Malleolus medialis in seine beiden Endzweige, welche
als N. plantaris lateralis und medialis unter dem Lig. laciniatum zur Fuß-
sohle ziehen. Fig. 364.
Jene Äste des N. tibialis, welche von ihm während seiner Verbindung mit
dem N. peronaeus communis im N. ischiadicus abgegeben werden, sind bereits
genannt worden; es sind dies die Äste für den M. obturator internus; die Mm.
gemelli und den M. quadratus femoris, für den Semitendinosus, Semimembranosus,
Adductor magnus, Caput longum bieipitis (siehe oben S. 396).
In der Kniekehle und am Unterschenkel werden von dem N. tibialis
abgegeben:
a) Der N. cutaneus surae medialis (Fig. 360, 365); er entspringt im proximalen
Teil der Kniekehle, zieht in der Rinne zwischen den beiden Köpfen des M. gastro-
enemius herab, liegt hier subfascial an der lateralen Seite der V. saphena parva,
durchbohrt die Fascie gegenüber dem Anfange der Achillessehne, vereinigt sich
darauf mit dem R. anastomoticus peronaeus, und heißt dann N. suralis.
Dieser begibt sich in Begleitung der genannten Vene hinter dem Malleolus lateralis
und verläuft als N. cutaneus dorsalis lateralis am lateralen Fußrande. Hier
sendet er einen Verbindungszweig zum N. cutaneus dorsalis intermedius und
endigt als N. dorsalis digiti minimi am lateralen Rande des Rückens der kleinen
Zehe. Während seines Vorbeizuges hinter dem Malleolus lateralis sendet er Fäden
zur Haut desselben sowie zur Haut der Ferse, Rami calcanei laterales
(Fig. 361, 365). Noch oberhalb des Malleolus entspringen aus ihm Fäden für
die laterale Seite des Fußgelenkes, weiter unten für die vordere Kapselwand und
den Sinus tarsi (Rüdinger).
b) Rami arti ciliares für das Kniegelenk, gewöhnlich ein oberer und unterer (Rüd inger).
c) Rami musculares für die beiden Köpfe des M. gastroenemius, den M. plantaris
und M. soleus.
d) Rami musculares für den M. tibialis posterior, M. flexor digitorum longus
und M. soleus.
Der erstere dieser Muskelnerven schickt in den für die Aufnahme der Vasa peronaea bestimmten
Canalis musculo-peronaeus einen langen, reich mit Vater-Pacini sehen Körperchen besetzten
feinen Nerven ab, Nervus canalis musculo-peronaei, welcher auf dem Knochen herabzieht,
vom M. flexor hallucis Iongus gedeckt wird, den Gefäßen, dem Periost und dem Foramen nutricium
fibulae Zweige abgibt und in der Rinne hinter dem Malleolus lateralis sich verliert (Rauber).
e) Rami musculares für den M. flexor hallucis longus und den M. flexor digitorum longus.
0 Ramus popliteus. Er entspringt im unteren Teil der Kniekehle, zieht über die hintere
Fläche des M. popliteus herab und teilt sich in mehrere Zweige, deren stärkster den M. popliteus
selbst versorgt. Seine übrigen Zweige sind:
«. der Knochennerv der Tibia, in das Foramen nutricium eindringend;
Malleolus lat.
Sehne des M. peronaeus longus
Sehne des M. peronaeus brevis
Relinaculum min. peronaeorum inf
Lig. cruciatum cruris
N. culaneus dorsal is lat
M. extensor digitorum brevis
N. cutaneus dorsalis
intermedius
Sehne des M. peronaeus brevis
N. digitalis dorsalis
communis III
Anastomose
Nn. digitales dorsales
proprii
405
Lig. transversum cruris
Malleolus medialis
— N. cutaneus dorsalis
m e d i a 1 i s
Sehne des M. tibialis ant.
Sehnen des M. extensor digitorum
longus
M. extensor hallucis brevis
medialer Zweig \ ,
I N. cutaneus
dorsalis
i, medialis
lateraler Zweig >
N. peronaeus profundus
Sehne des M. extensor hallucis
longus
Nn. digitales dorsales
hallucis lateralis et
digiti II medialis
Fig. 363. Nerven des (rechten) Fußrückens (Vi).
406
N. plantaris lateralis—
N plantaris medial
M. abductor hallucis
(medialer Zweig-
medialis
[ lateraler Zweig
N. plantaris hallucis medialis
Sehne des M. flexor hallucis longus f-
N. digitalis plantaris communis I
N. digitalis plantaris communis II -/->
N. digitalis plantaris com
munis III
A
Nn. digitales plantares
iproprii
M. quadratus plantae
Sehne des M. peronaeus longus
N. superficialis!
des
N. plantaris
lateralis
profundus '
M. abductor digiti V
M. flexor digiti V brevis
.Mm. interossei
Anastomose
N. plantaris lateralis digiti V
Caput transversum des
M. adductor hallucis
N. digitalis plantaris communis IV
Fig. 364. Tiefe Nerven der (rechten) Fußsohle (' ,).
Der M. flexor digitorum brevis ist zum Teil entfernt; sein Ursprungsteil ist zur Seite gelegt.
Rückenmarksnerven.
407
,3. N. interosseus cruris (Fischer, Halbertsma) verläuft anfangs auf der Membrana
interossea, dringt spater zwischen zwei Lamellen dieser Membran und gelangt so bis
in die Nähe ihres distalen Endes. Hier wird er wieder oberflächlich und versorgt das
benachbarte Periost der Tibia und die Syndesmosis tibiofibularis. Vom Anfangsstiick
des Nerven entstehen feine Zweige für die A. tibialis posterior und anterior,* sowie
für das Tibiofibulargelenk.
g) Rami articulares (1 — 2) für das Fußgelenk.
h) Gefäßnerven für die A. tibialis posterior.
N. tibialis
R. muscularis zum Gastrocnemius
N. cutaneus surae medialis
N. saphenus
Äste des N. saphenus
N. cutaneus surae medialis — 3|1
Aste des N. saphenus
Rr. calcanei mediales
Rr. calcanei latt.
N. peronaeus communis
N. cutaneus surae lat.
Rr. musculares zum M. gastrocnemius
R. muscularis zum M. plantaris
R. anastomoticus peronaeus
N. suralis
Fig. 365.
Hintere Hautnerven des Unterschenkels. (Hirschfeld und Leveille.) 1:5.
In der proximalen Hälfte ist die Fascia cruris entfernt.
i) Rami calcanei mediales, zur Haut an der medialen Seite der Ferse und
am hinteren Teil der Fußsohle. Fig. 365.
Die beiden Endzweige des N. tibialis sind: N. plantaris medialis
und lateralis.
/. N. plantaris medialis. Fig. 364.
Er ist der stärkere der beiden Endzweige und entspricht dem N. medianus
der Hand. In einem vom Lig. laciniatum überbrückten Kanal, gedeckt vom M.
abduetor hallucis, gelangt er zur Fußsohle, tritt darauf in den Zwischenraum zwischen
dem M. flexor hallucis brevis und M. flexor digitorum brevis und teilt sich in
einen medialen und einen lateralen Endzweig.
Bis dahin gehen aus ihm hervor:
408 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Rami musculares für den M. abductor hallucis und für den M. flexor
digitorum brevis.
a) Der mediale Endzweig läuft entlang der lateralen Seite des M. abductor
hallucis nach vorn, versorgt die Haut des medialen Fußrandes, gibt dem medialen
Kopfe des M. flexor hallucis brevis einen Ast und endigt als N. plantaris
hallucis medialis in der Haut der medialen Seite der großen Zehe.
b) Der laterale Endzweig, etwas stärker als der vorige, liegt zwischen dem
vorderen Teil des M. flexor digitorum brevis und der Aponeurosis plantaris. Aus
ihm gehen drei Nerven hervor, die Nn. digitales plantares communes I—III.
Am distalen Ende jedes Spatium interosseum spalten sie sich in zwei Nn. digi-
tales plantares proprii für die einander zugewendeten Seiten der 1. bis 4. Zehe.
Der N. digitalis communis III nimmt häufig einen Verbindungsfaden aus dem
N. plantaris lateralis auf. Die beiden ersten gemeinsamen Zehennerven ent-
senden die Nn. lumbricales I und II.
2. N. plantaris lateralis. Fig. 364.
Er entspricht dem N. ulnaris der Hand, zieht zwischen dem M. quadratus
plantae und M. flexor digitorum brevis mit der A. plantaris lateralis bogenförmig
lateralwärts und vorwärts. In dem Zwischenräume zwischen dem M. quadratus
plantae und M. abductor digiti minimi zerfällt er in einen Ramus superficialis
und profundus.
Vor dieser Endteilung gehen aus ihm hervor:
Rami musculares für den M. abductor digiti minimi und für den M. quadratus
plantae.
a) Ramus superficialis. Fig. 364.
Er verbindet sich mit dem N. plantaris medialis und teilt sich in den
N. plantaris lateralis digiti quinti für die laterale Seite der fünften Zehe und
in den N. digitalis plantaris communis IV, der sich in die beiden Nerven
für die zugewendeten Seiten der 4. und 5. Zehe teilt. Der laterale Nerv der kleinen
Zehe versorgt meist auch die Mm. flexor und opponens digiti quinti, sowie
die Interossei des Spatium IV; in anderen Fällen übernimmt der Ramus profundus
diese Versorgung. Der N. plantaris digitalis communis IV entsendet auch die Nn.
lumbricales III und IV.
b) Ramus profundus. Fig. 364.
Er dringt in einem vorwärts und lateralwärts konvexen Bogen mit dem Arcus
plantaris in den Zwischenraum zwischen den Mm. interossei und dem M. adductor
hallucis. Vom konvexen Rande gehen die Nerven für die Mm. interossei der drei
ersten Spatia interossea ab. Außerdem werden die beiden Köpfe des M. adductor
hallucis und der laterale Kopf des M. flexor hallucis brevis von ihm versorgt.
Von seinem Anfangsteil geht häufig der Nerv für die Mm. flexor und opponens
digiti quinti und für die beiden Interossei des Spatium IV aus.
Sämtliche Variationen im Hautnervensystem der unteren Extremität der Anthropoiden und
des Menschen zeigen etwas Gesetzmäßiges, wie L. Bolk nachwies; es sind Äußerungen eines und
desselben Vorganges, welcher sich nach B. folgendermaßen formulieren läßt: „Die Unterschiede in der
Ausbreitungsweise der Hautnerven der unteren Extremität bei den Anthropoiden und dem Menschen
sind die Folge davon, daß Nervenfasern allmählich den ursprünglich mehr proximal gelagerten Nerven-
bahnen entnommen werden, um distalen Bahnstrecken (bei dem Menschen) beigefügt zu werden."
Bardeen, Ch. R. and El ting, A. W., A Statistical Study of the Variations in the Formation
Rückenmarksnerven.
and Position of the Lumbo-sacral Plexus In Man. Anat. Anz. XIX, 1901. — Bolk, L, Beitrag zur
Neurologie der unteren Extremität der Primaten. iMorph. Jahrb., Bd. XXV, 1897.
5. Das Schamgeflecht, Plexus pudendus. Fig. 366, 367.
Der Plexus pudendus stammt hauptsächlich vom Slll und SlV ab und ist
durch deutliche geflechtartige Anordnung seiner Bestandteile gekennzeichnet. Er
liegt abwärts vom unteren Rande des M. piriformis, auf der vorderen, sehnig
glänzenden Fläche des M. coecygeus.
LIT
L.7.
Fig. 367.
Fig. 367. Innenseite der rechten Hälfte eines männlichen
Beckens, mit den Nervenverzweigungen.
(Hirschfeld und Leveille.) 1 : 4.
Die linke Wand ist hinten bis zur Kreuzdarmbeinverbindung und
vorn bis zur Schambeinfuge entfernt; die Eingeweide, samt
unterem Teil des Levator ani, sind weggenommen, a Bauch-
aorta; a' Aa. iliacae communes; b Vasa iliaca externa dextra;
c Symphysis; d durchschnittener M. piriformis; e Bulbus ure-
thrae, hinter dem durchschnittenen Crus penis; 1 N. cutaneus
femoris lateralis; 2 N. genitofemoralis auf dem M. psoas; 3 N.
obturatorius ; 4, 4 Truncus lumbosacralis ; 4' N. glutaeus superior ;
5 Plexus sacralis; 5' N. sacralis quintus ; 5" Rami viscerales;
6 N. coecygeus; 7 N. musculi levatoris ani; 8 N. anocoecygeus ;
9 N. musculi obturatoris interni ; 10 N. pudendus; 10' Nn. peri-
neales; 10" Nn. scrotales; 11, 11' Nn. dorsales penis dexter et
sinister; 12 N. cutaneus femoris posterior; 12' dessen Rr. peri-
neales; 13 unterer Bauchknoten des Sympathicus; 14 oberer
Sakralknoten des Grenzstranges; die übrigen Beckenknoten
sind samt ihren Verbindungen beiderseits dargestellt; sie endigen
zwischen 5' und 6 mit dem Ganglion coecygeum.
Plexus sacralis, pudendus und coecygeus.
Ls Truncus lumbosacralis; S. I— V die fünf Sakralnerven; Co N. coecygeus;
c' seine Verbindung mit dem Grenzstrange; a Rand des Foramen ischiadicum majus; gs N. glutaeus superior; py Nerv
für den M. piriformis; ph N. pudendus; / Nerv für den M. levator ani; v, v, v, v Rami viscerales; c Nerv des M. coecy-
geus; ac N. anocoecygeus.
a) Verbindungen. Fig. 366.
Durch einen vor dem M. coecygeus herabziehenden Zweig von SlV hängt
er mit SV und dadurch mit dem Plexus coecygeus zusammen. Aufwärts ist
er durch den oberen Teil von SlV mit dem Plexus sacralis verbunden. Die
Fig. 366.
Fig. 366.
L, IV, V vierter und fünfter Lendennerv;
410 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
dritte Art von Verbindung wird durch Rami communicantes mit dem Sympathi-
cus hergestellt.
b) Äste. Fig. 356, 366—369.
Vom Plexus pudendus gehen parietale und viscerale Nerven aus. Erstere
sind für die Wände des unteren Rümpfendes, letztere für Beckeneingeweide bestimmt.
1. N. pudendus. Fig. 356, 366—369.
Er bezieht seine Fasern größtenteils aus Sin, zum kleineren Teil aus SlV;
zuweilen mischen sich Fasern aus Sil bei. Der Nerv ist abgeplattet und besteht aus
stark verflochtenen, locker vereinigten Bündeln. Er verläßt das Becken unterhalb
des M. piriformis, wendet sich aber alsbald um die Spina ischiadica und gelangt
durch das Foramen ischiadicum minus an die laterale Wand der Fossa ischiorec-
talis, von welcher er durch die Fascia obturatoria abgeschlossen wird. Hier teilt
sich der Nerv in seine drei Endäste.
Schon zuvor, und zwar beim Austritt aus der Beckenhöhle gibt der Stamm
den N. perforans ligamentum sacrotuberosum ab, welcher das Ligamentum
sacrotuberosum zu durchbohren pflegt, darauf zur Gegend des Tuber ischiadicum
herabzieht, sich um den M. glutaeus maximus auf dessen Außenfläche begibt und
sich in der hier befindlichen Haut ausbreitet.
Die drei Endäste des N. pudendus sind:
a) N. haemorrhoidalis inferior. Fig. 368, 369.
Entspringt öfters schon vor dem Eintritt in das Foramen ischiadicum minus
und strahlt mit seinen Fäden median wärts und vorwärts zur Haut der Anal-
gegend und zum Sphincter ani externus aus.
b) N. perinei. Dammnerv. Fig. 368, 369.
Er verläuft lateralwärts und gibt folgende Zweige ab:
a. N. perinei lateralis. Er wendet sich zum Ursprünge des M. ischio-
cavernosus, dem er zuweilen einen Ast schickt, und versorgt die Haut
der lateralen Dammgegend, wobei er häufig etwas auf die mediale
Schenkelfläche übergreift.
ß. Nn. perinei mediales, meist zwei Stämmchen, welche ihre Haupt-
ausbreitung in der Haut des Scrotum (der Labia majora) haben; ihre End-
äste werden daher auch Nn. scrotales (labiales) posteriores genannt.
y. Rami musculares. Sie entspringen häufig aus einem gemeinsamen
Stämmchen, treten über und durch den M. transversus perinei
superficialis auf die Oberfläche des Diaphragma urogenitale, ver-
sorgen von hier aus den genannten Muskel, den vorderen Teil des
Sphincter ani externus, die Mm. bulbo- und ischio-eavernosus.
Ein Faden dringt in den Bulbus ein (mit der A. bulbi urethrae) und
gelangt zur Schleimhaut der Urethra.
c) N. dorsalis penis (clitoridis). Fig. 368.
Er ist der am tiefsten gelegene Endzweig des Stammes, verläuft mit der
A. penis längs der inneren Seite des Ramus inf. ossis ischii und des Ramus inf.
ossis pubis durch das Diaphragma urogenitale, versorgt von hier aus den M.
transversus perinei profundus und Sphincter urogenitalis, durchbricht
das Diaphragma urogenitale und betritt lateral vom Lig. Suspensorium den Penis-
411
V.dorsalispems
N.dorsalis penis
.scrotales postt-
N.perinei—
N. pudendus
IH.haemorrhoidatis infJ
Fig. 368. Nerven und Arterien der männlichen Dammgegend 0 ,).
Auf der linken Seite sind nur die Arterien dargestellt.
412
N.haemorrhoidalisiir
N. pudendus
-Aa. labiales postt.
— A. profunda clitondis
^\
>\faseia lata
\\ v
--\-tvA.clitoridis
-VA.bulbi vestibuii
(vaginae)
"^^'A.perinei
Tuber
fhiadicum
J-ffla.haemorrhoi-
w/1 dales inff.
'y-A.pudenda int.
Fig. 369. Nerven und Arterien der weiblichen Dammgegend (' ,).
Auf der linken Seite sind nur die Arterien dargestellt.
Rückenmarksnervcn. 413
rücken (Dorsum clitoridis). Auf dem Rücken des Gliedes nach vorn ziehend, gibt
er 8 — 10 seitliche Äste zur Haut desselben ab, einige andere in das Corpus caver-
nosum penis, und endigt mit 4 — 5 starken Fäden, welche zur Eichel ziehen. Letztere
können als besonderer Ast, Ramus glandis, von den übrigen getrennt sein.
2. Rami musculares.
Für den Levator ani und Coccygeus. Sie entspringen bald gemeinsam, bald
getrennt.
3. Nn. haemorrhoidales medii, vesciales inferiores et vaginales.
4 — 5 an Zahl, gelangen sie teils unmittelbar zu den durch ihren Namen be-
zeichneten Organen des Beckens, teils verbinden sie sich mit dem Sympathicus.
6. Steißbeingeflecht. Plexus coccygeus. Fig. 366, 367.
Der kleine Plexus coccygeus besteht aus einem Teil von Sv und COl. Oben
hängt er mit dem Plexus pudendus zusammen. Kurze Fäden verbinden den Plexus
coccygeus mit dem Endstücke des Sympathicus, d. h. mit dem vierten oder fünften
Ganglion sacrale und dem Ganglion coccygeum.
Aus der Ansa sacrococcygea oder auch aus SV selbst entspringt der N.
anococcygeus , welcher an der vorderen Fläche des M. coccygeus herabsteigt,
hierauf zwischen ihm und dem Levator ani zur dorsalen Seite dringt und hinten
lateral von der Steißbeinspitze unter der Haut zutage tritt. Er verbindet sich hier
mit einem Faden des Ramus posterior nervi coccygei und endigt mit einer An-
zahl von Fäden (Nn. anococcygei) in der zwischen dem Anus und dem Steiß-
bein gelegenen Haut, während die Äste des N. coccygeus dorsalwärts verlaufen und
die Haut auf der dorsalen Fläche des Steißbeines selbst versorgen helfen (He nie).
Nach C. Krause werden von den Nn. anococcygei auch an den M. coccygeus und an den
hinteren Teil des Levalor ani Fäden abgegeben, was nach Eisler und Schumacher nicht der Fall ist.
Eisler, Der Plexus lumbosacralis d. Menschen, Abh. naturf. Ges. Halle, 17. Bd., 1892. — S. von
Schumacher, Über die Nerven des Schwanzes usw., Sitzber. Akad.Wiss. Wien, Bd. 114, Abt. III, 1905.
D. Rami communicantes. Fig. 370, 371.
Das einfachste Verhalten zeigen die Rami communicantes im Gebiet der Brust-
nerven. Der Ramus communicans verläßt den N. thoracalis entweder gegenüber
dem Abgange des Ramus posterior, oder unmittelbar ventral neben demselben, wendet
sich darauf unter spitzem Winkel medianwärts, abwärts und vorwärts und senkt
sich in den lateralen Rand des benachbarten Ganglion des sympathischen
Grenzstranges ein, sehr selten in den Ramus superior oder inferior des Ganglion.
Der R. communicans ist entweder einfach, oder in zwei, manchmal drei Fäden geteilt, welche
parallel nebeneinander liegen oder am spinalen Stamme in Abständen entspringen und gegen das
Grenzstrangganglion konvergieren. Ein umgekehrtes Auseinanderweichen tritt ein, wenn die Fäden
eines Ramus communicans zu zwei verschiedenen Grenzstrangganglien sich begeben.
Die Rami communicantes der Halsnerven sind nach Zahl und Verbindung etwas größerem
Wechsel unterworfen. Dies wird wesentlich hervorgebracht durch die verschiedene Länge des Ganglion
cervicale superius n. sympathici, oder durch das Fehlen des Ganglion cervicale medium. Hiermit
hängt es zusammen, daß die Rami communicantes der beiden oberen und der beiden unteren
Halsnerven die regelmäßigste Anordnung zeigen.
Der Ramus communicans des ersten Halsnerven geht unmittelbar aus dem Ramus anterior
oder aus der Ansa cervicalis prima, oder aus der Schlinge seines Ramus anterior zum N. hypo-
glossus hervor.
Der Ramus communicans des zweitenHalsnerven pflegt aus dessen Ramus anterior zu kommen.
Die Rami communicantes der beiden ersten Halsnerven begeben sich zum Ganglion cervicale superius.
414
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Die Rami communicantes des dritten und vierten Halsnerven entspringen bald unmittelbar
aus den Rami anteriores, bald aus den Ansäe. Sie gelangen bald auf, bald unter den tiefen Hals-
muskeln zum Grenzstrange. Der dritte Ramus communicans gesellt sich ebenfalls zum Ganglion
cervicale superius, einem Verschmelzungserzeugnisse mehrerer,
nämlich von mindestens vier Ganglien. Ebenso verhält sich der
vierte; oder er tritt, wie der fünfte und sechste, zum
Ganglion cervicale medium, wenn ein solches vorhanden ist;
oder der vierte legt sich, wie der fünfte und sechste, wenn das
Ganglion medium fehlt, an den zwischen dem oberen und unteren
sympathischen Halsganglion befindlichen Verbindungsstrang
dieser beiden Ganglien an.
Der siebente und achte Ramus communicans treten
zum unteren Halsganglion des Sympathicus. Das Gleiche ist
auch schon vom sechsten beobachtet worden.
Die Rami communicantes der Lendennerven sind lang;
sie haben von den Foramina intervcrtebralia bis zur Vorderfläche
der Bauchwirbel einen langen Weg zurückzulegen. Sie nehmen
diesen Weg in querer oder sanft aufsteigender Richtung, unter
oder zwischen den Bündeln des M. psoas, und kommen darauf
in den vertikalen Spalten zum Vorschein, welche zwischen der
Vorderfläche der Wirbelkörper und den medialen Sehnenbögen
des Psoas sich ausspannen. Sie sind gewöhnlich doppelt und
häufig so angeordnet, daß ein und dasselbe Ganglion sich mit
zwei verschiedenen Lendennerven verbindet; aber auch der andere
Fall kommt vor, daß ein Ramus communicans seine Fäden auf
zwei benachbarte Ganglien verteilt.
Das letztere gilt auch von den Rami communicantes der
Kreuznerven. Sie sind häufig doppelt, immer aber kurz, ent-
springen sofort beim Austritt der Rami anteriores aus den Fora-
mina sacralia anteriora und wenden sich medianwärts zu den
benachbarten Grenzganglien, indem sie die A. sacralis lateralis
überschreiten.
Was das innere Wesen der Rami betrifft, so ver-
knüpfen dieselben im allgemeinen Sinne das spinale
oder cerebrospinale System mit dem sympathischen.
Auch bei den Gehirnnerven sind Rami communicantes
reichlich vorhanden. Die Rami communicantes werden
gewöhnlich als Wurzeln des Sympathicus bezeichnet,
um dadurch die Art der Verknüpfung beider Systeme
genauer zu bestimmen. Mit dieser Bezeichnung soll
vor allem ausgedrückt werden, daß die Rami communi-
cantes dem Grenzstrange cerebrospinale Fasern
zuführen. So verhält es sich auch tatsächlich; es
werden dem Grenzstrange durch die Rami communi-
Nä
Fig. 370.
Rückenmark, oben in Verbindung mit Medulla oblongata
und Brücke.
V fünfter, XII zwölfter Hirnnerv; Cl erster llalsnerv; C2 S zweiter bis achter
Halsnerv; Dl — 12 erster bis zwölfter Brustnerv; L\ 5 erster bis fünfter Lumbal-
nerv; 51 — 5 erster bis fünfter Sakralnerv; 6 Sleißbeinnerv; .v, .v Filum terminale
Fig. 370. des Rückenmarkes. Von den Wurzeln L\ bis x Cauda equina; Rr Plexus
brachialis ; Cr Nervus femoralis; Sc Nervus ischiadicus; O Nervus obturatorius.
Die Anschwellungen, an denen die Zahlen L 3, 4, 5 stehen, bedeuten Spinalganglien. — In der linken Seite der Figur ist
der Grenzstrang des Sympathicus dargestellt, a bis ss seine Ganglien; a oberes Halsganglion; b und c mittleres und
unteres Halsganglion; d erstes, d' letztes Brustganglion; e erstes Lumbaiganglion; ss oberstes Sakralganglion.
Riickenmarksnerven.
415
cantes sowohl motorische als auch sensible Fasern zugeführt. Diese
beiden Faserarten entstammen nachgewiesener Maßen den beiden Wurzeln der
cerebrospinalen Nerven. Hiermit ist jedoch die Aufgabe der Rami cömmunicantes
noch nicht erschöpft. Eine zweite Aufgabe besteht darin, dem cerebrospinalen
System sympathische Fasern zuzuführen. Der Ramus communicans ist seiner
doppelten Aufgabe entsprechend teils cerebrospinaler Ast, teils Ast des Sympathicus
und sein Zentrum im letzteren Falle das Ganglion sympathicum. Die Fasern
dieses Astes werden in die Peripherie des spinalen Nerven übergeführt, haupt-
sächlich in die Peripherie des Ramus anterior, welcher der mächtigste der vier
Äste des spinalen Nerven ist und das umfang-
reichste Gebiet beherrscht. Aber auch in den
Ramus posterior und in den Ramus menin-
geus gelangen sympathische Fasern; in großen
Massen schließen sich letztere endlich der ge-
samten peripheren Ausbreitung des Ramus com-
municans in den Eingeweiden und Gefäßen an.
Im einfachsten Falle sind beide Faserarten, Fibrae
cerebrospinales und Fibrae sympathicae, in einem und
demselben Ramus communicans enthalten. So verhält es
sich nach Bidder und Volkmann im vorderen Teil
des Sympathicus des Frosches. Der Ramus communicans
erscheint dann um so weißer, je mehr markhaltige spinale
Fasern er enthält; er erscheint um so grauer, je mehr
graue Fasern er einschließt.
An vielen Stellen des Körpers sind aber, wie oben
erwähnt, für jeden Spinalnerven zwei oder auch drei Rami
cömmunicantes vorhanden. Von jenen zweien pflegt der
eine vorzugsweise markhaltige spinale, der andere be-
sonders graue Fasern aus dem Sympathicus zu enthalten. Jener erscheint dann weiß von Ansehen,
R. communicans albus, dieser grau, R. communicans griseus. Meist aber sind in jedem
der beiden Stränge Fasern beider Arten gemischt.
Hasse, C, Handatlas dersens. und mot. Gebiete der Hirn- und Rückenmarknerven. Wiesbaden.
2. Auflage.
Bau der cerebrospinalen Nerven und Ganglien.
a) Nervenstämme und Nervenwurzeln.
Die cerebrospinalen Nerven bestehen in überwiegender Menge aus mark-
haltigen, mit Schwannscher Scheide versehenen Nervenfasern und erscheinen in
auffallendem Lichte weiß. Den markhaltigen Nervenfasern sind teils vereinzelte,
teils in kleine Bündel zusammengefaßte marklose (Remaksche) Fasern beigemischt.
Die Bündel der cerebrospinalen Nerven werden umhüllt und durchsetzt von reich-
lichem Bindegewebe, welches in besonderer Weise angeordnet ist. In den Nerven-
wurzeln anfangs noch spärlich und eine Fortsetzung der Pia bildend, wird es in
den austretenden Nervenwurzeln reichlicher, indem sich denselben die Arachnoidea-
und Durascheide, als Fortsetzung der Arachnoidea und Dura, umhüllend anschließt.
So haben die Nerven anfänglich dieselben Hüllen wie das Rückenmark und Gehirn;
vor dem Spinalganglion aber fließen die drei Scheiden, indem sie reichliche Ver-
bindungen miteinander eingehen, zusammen; die Dura erfährt eine Auflockerung,
nimmt Fetträubchen auf und es verliert sich die scharfe Abgrenzung sowohl nach
außen als nach innen.
Fig. 371.
Schema des Spinalnerventypus.
5 sensible und m motorische Wurzel ; g Ganglion
spinale ; p Ramus posterior des gemeinschaftlichen
Stammes ; i Ramus anterior desselben ; v Ramus
communicans zum Sympathicus; rs Ramus inier-
gangliaris superior; ri Ramus intergangliaris in-
ferior; sv Nervus meningeus zum Wirbelkanal.
416
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Über die Anordnung der Nervenfasern und des Bindegewebes im peripherischen
Nerven siehe S. 12 unter Organstruktur der peripherischen Nerven.
Hier seien nur noch folgende Einzelheiten nachgetragen:
Die Dicke des Epineurium und der Perineuralscheiden nimmt nach der Peri-
pherie hin allmählich ab, indem die einzelnen Bündel früher oder später aus dem
Verbände ausscheiden. Meist haben letztere dann nur noch eine Perineural-
scheide. Die aus dem Stämmchen endlich einzeln sich abzweigenden Nerven-
fasern werden noch von einer dünnen endothelialen Fortsetzung der Perineural-
Fig. 372.
Fig. 372. Querschnitt durch ein Spinalganglion einer
10 Tage alten Ratte. Chromsilber- Imprägnation. (Cajal.)
In der Zeichnung sind die typischsten perizellularen Verzwei-
gungen aus verschiedenen Präparaten zusammengetragen. «#
F, G, H perizellulare Nervenfaserkörbe; P, J Fasern, die im p. ~-n
Ganglion sich verzweigen; A vordere Wurzel; B Sympathicus- °°
Wurzel (Ramus communicans) ; C vorderer Spinalast; D hinterer Spinalast; E Spinalganglienzellen.
Fig. 373. Schema der gegenseitigen Beziehungen der Elemente, aus welchen ein Spinalganglion besteht.
A und B vordere und hintere Wurzel ; C Spinalnerv ; D und E vorderer und hinterer Ast des Spinalnerven ; F Sympathicus-
Wurzel (Ramus communicans); a und b Spinalganglienzellen von verschiedenem Typus; // Hauplausläufer der Zellen vom
1. Typus, die sich in periphere und zentrale Fasern teilen; n Nervenfortsätze der Zellen vom 2. Typus, die als perizellulare
Geflechte um die Zellen vom 1. Typus endigen. (A. S. Dogiel, 1896.)
lamelle umhüllt. Diese Hülle nannte Ranvier die Henlesche Scheide. Der
zwischen ihr und der Schwan nschen Scheide befindliche enge Raum ist ein
injizierbarer Lymphraum und hängt mit dem übrigen Lymphsystem der Nerven
unmittelbar zusammen.
Die Blutgefäße der peripheren Nerven, kleine Arterien und Venen, folgen
der Längsrichtung des Nerven und liegen zunächst im Epineurium. Weiterhin
treten zahlreiche feine Gefäße durch die Perineuralscheiden hindurch in das Innere
der sekundären Bündel, wo sie in ein zierliches Kapillarnetz mit langgestreckten
Maschen übergehen. Die kleinen Arterien werden von feinen Gefäßnerven
(Nervi nervorum) begleitet (W. Krause).
Die Nervenwurzeln behalten in zentraler Richtung ihre Schwannschen
Rückenmarksnerven.
417
Scheiden bis zum Eintritt in das Rückenmark. Hier tritt an Stelle der Schwa mi-
schen Scheide die Neuroglia (Ranvier).
b) Spinalganglien. Fig. 372 — 374.
Die Spinalganglien bestehen aus Ganglienzellen und Nervenfasern, als wesent-
lichen Gebilden; hierzu kommen noch Bindegewebe, Blut- und Lymphgefäße.
Die Ganglienzellen sind zum überwiegenden Teil pseudounipolar, doch sind Fälle
bekannt, in welchen von einer umschriebenen Stelle der Zelle oder von verschie-
denen Stellen mehrere Ausläufer abgehen (s. oben S. 48). Wie Ranvier fand,
zeichnet sich der gewöhnlich vorhandene einfache Fortsatz dadurch aus, daß er
nach erhaltener Markscheide sich früher oder später in zwei Fortsätze teilt. Der
eine dieser Fortsätze zieht zur Peripherie, der andere zentralwärts. Der einfache
Ausläufer der Spinalganglienzellen vereinigt sich
nach Gewinnung der Markscheide scheinbar mit
einer anderen markhaltigen Nervenfaser. Diese
Vereinigung ergibt sich aber bei genauerer Unter-
suchung als eine Teilung des Zellenausläufers,
indem sein Axenzylinder sich in zwei Arme spaltet,
von welchen je einer zum Axenzylinder der beiden
Teilungsfasern wird. Wichtig ist die Erfahrung,
daß bei Fischen die Spinalganglienzellen gegen-
ständig bipolar sind; beim Neunauge (Petromyzon)
aber kommen bipolare und unipolare Fortsätze
jener Art vor, die sich nachträglich teilen. So
schlägt Petromyzon hierin eine Brücke zwischen
den übrigen Fischen und den höheren Wirbeltieren
(Freud). Übrigens liegen im Ganglion acusti-
cum der höheren Vertebraten Verhältnisse vor,
welche denjenigen der Fische ganz entsprechen
und hiernach als ursprüngliche zu deuten sind;
denn die Acusticusganglien bestehen aus bipolaren
Nervenzellen. Beim Embryo der höheren Vertebraten sind alle Spinalganglien-
zellen des späteren pseudounipolaren Typus bipolar.
Auf dieses eigentümliche Verhältnis hat schon vor Jahren W. His die Aufmerk-
samkeit gelenkt. Man beachte in dieser Hinsicht das Ganglion spinale der Fig. 75 (S. 49),
die ein Beispiel abgibt für alle höheren Wirbeltiere. Durch besondere Wachstums-
vorgänge wandeln sich die Bipolarzellen in pseudounipolare Form um. Der peri-
phere Ausläufer wächst weiter in die Peripherie hinaus, der zentrale aber in das
Rückenmark oder Gehirn, seinem Endkerne (Nucleus terminalis) entgegen. Fig. 79.
Ober „durchtretende Fasern" des Ganglion siehe S. 50.
Über den feineren Bau der Spinalganglienzellen siehe oben S. 48, die
Figg. 17, 76 sowie Allg. Teil, Figg. 193—200.
Mit dem Bisherigen sind die Besonderheiten der spinalen Ganglien indessen
noch nicht erschöpft. Denn die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt,
daß zwischen dem Zellprotoplasma und der Endothelscheide der Ganglienzelle
noch eine sehr feine perizellulare Verzweigung gelegen ist, die mit einer
Fremdfaser zusammenhängt (Fig. 372 — 374). Dies weist darauf hin, daß jede
Fig. 374.
Splnalgangllenzelle von Rana.
a Faser, die in Endscheiben endigt; b Nerven-
fortsatz; c sekundäre Zweige; d Spiralfaser.
(C. Hub er, 1896.)
418 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Zelle eines Ganglion außer durch die peripheren Empfindungsreize auch noch von
anderen Nervenzellen her beeinflußt werden kann. Die bisherigen Erfahrungen
scheinen dafür zu sprechen, daß Zellen des sympathischen Systemes es sind,
welche jene Fremdfasern liefern. Es dringen nämlich, wie Cajäl genauer aus-
führte, in die Spinalganglien der Wirbeltiere Nervenfasern ein, welche man durch
die Rami communicantes unmittelbar bis zu einem sympathischen Ganglion
verfolgen kann. Es sind starke Fasern, die im Spinalganglion drei oder mehr
Zweige abgeben; letztere scheinen es zu sein, die mit den genannten perizellularen
Verzweigungen zusammenhängen. Einige von den Zweigen dringen sogar in die
vordere Wurzel ein und scheinen frei im Rückenmark zu endigen. Ebenso wie
Spinalganglien verhalten sich in dieser Hinsicht die spinalartigen Ganglien des
Vagus, Glossopharyngeus, Facialis, Trigeminus usw.
Den Beobachtungen von A. S. Dogiel zufolge liegen die Dinge in den
Spinalganglien noch verwickelter, indem in ihnen außer gewöhnlichen pseudo-
unipolaren Zellen auch Assoziationszellen vorzukommen scheinen, Zellen des
sogen. II. Golgischen Typus (siehe Fig. 373 b, b). Diese würden eingeschaltet
sein zwischen den Zellen des sympathischen Ganglion und den pseudounipolaren
Zellen des Spinalganglion.
Die Spinalganglien, ebenso das Ganglion jugulare n. vagi besitzen
ferner, wie Dogiel findet (1898), ihnen eigentümliche sensible Nervenapparate.
Es sind in diesen Ganglien besondere Nervenzellen enthalten, die sich von den ge-
wöhnlichen Spinalganglienzellen dadurch unterscheiden, daß der periphere Fortsatz
im Ganglion selbst sich verästelt und mit Endbäumchen in dessen Bindegewebe
endet. Ein zweiter wichtiger Befund ist der, daß die genannten Ganglien alle
gemischter Art sind, d. h. daß in ihnen auch vielverästelte kleine sympathische
Nervenzellen vorkommen. Aber auch die sympathischen Ganglien (unter ihnen
das Ganglion ciliare [nach Holtzmann]) sind gemischter Art; es kommen
in ihnen Spinalganglienzellen pseudounipolarer Art neben den regelrechten multi-
polaren sympathischen Zellen vor.
Das Bindegewebe der Spinalganglien ist wie das der Nervenwurzeln als
eine Fortsetzung der Meningen zu betrachten. Jede einzelne Zelle und ihre Faser
erhält eine Fortsetzung der bindegewebigen Scheide (siehe Fig. 17).
Bikeles, G., und Jasinski, A. (1898) leugnen nach experimentellen Untersuchungen an den
Spinalganglien der Katze die Gegenwart der trophischen Nerven. — Dogiel, A. S., Zur Frage über
den feineren Bau der Spinalganglien und deren Zellen bei Säugetieren. Internat. Monatsschrift Anat.
u. Phys. XIV, 1897. — Martinotti, C. et Tirelli, V., La mikrophotographie appliquee a l'etude
de la strueture de la cellule des ganglions spinaux dans l'inanition. Arch. ital. de Biologie XXXV, 1901.
— Sjövall, E., Die Spinalganglienzellen des Igels. Anat. Hefte, Nr.58, 1901. — Smirnow, A. E,
Über den Bau der Spinalganglienzellen bei einem 4monatigen menschl. Embryo. Arch. mikr. Anat.,
Bd. 59, 1902. — Timofeef, D., Beobachtungen über den Bau der Nervenzellen der Spinalganglien
und des Sympathicus beim Vogel. Internat. Monatsschrift Anat. u. Phys. XV, 1898.
Neuere Literatur siehe Abt. I, S. 145.
Blutgefäße der Nerven. Fig. 375—377.
Man muß nach Tonkof f zwischen Arteria nutricia nervo mm und A. comes nerv omni
unterscheiden. Letztere stellen Anastomosen zwischen Haut- und Muskelarterien dar und können bei
der Bildung von Kollateralbahnen bedeutungsvoll sein.
Das Ganglion cervicale I erhält seinen Ramus nutriens unmittelbar aus der A. vertebralis usw.
Alle Ganglien erhalten ihre Arterien aus zwei oder mehreren Quellen. Die wichtigste Quelle ist der
Rückenmarksnerven.
419
in eine A. radicalis medullac spinalis sich fortsetzende Ramulus medius des Ramus spinalis der segmen-
talen Arterien. Genaue Angaben macht T. auch für alle größeren Nervenstamme. (Internat. Monats-
schrift f. Anat. und Phys. 1898, XV.)
Die Beziehungen der Neuromeren, Myomeren und Dermatomeren
zueinander.
Eine Gliederung in Folgestücke kommt bekanntlich nicht allein dem Nerven-
system und den Gefäßen zu, sondern auch, und zwar in noch ausgesprochenerem
Fig. 376.
Fig. 376. Arterien der Ganglia spinalia lumbalia et sacralia und des Plexus
lumbalis eines Neugeborenen von vorn gesehen. (W. Tonkoff.)
Vergrößerung 3 : 2.
// Ganglion lumbale seeundum ; / Ganglion sacrale primum; c N. femoralis;
.? Plexus sacralis; 1 A. iliaca communis dextra; 2, 3, 4 Aa. lumbales II, III u. IV;
5 A. iliolumbalis; 6 A. glutaea superior; 7 A. glutaea inferior; 8 A. sacralis lat.
sup. ; 6 A. sacralis lat. inf.
Fig. 375. Arterien der Nerven an der oberen Extremität eines
Neugeborenen. (W. Tonkoff.) 3; 4.
Mm. coracobrachialis und bieeps durchschnitten, um die Gefäße des N. mus-
culocutaneus zu zeigen.
cl N. musculocutaneus; cm N. cutan. antibrachii medialis; fr Sehne des M. flexor carpi radialis; fu Sehne des M. flexor
carpi ulnaris; lev Lig. carpi transversum; m N. medianus; ü N. ulnaris ; 1 A. axillaris; 2 Ramus arteriae axillaris ad
musculum coracobrachialem ; 3 A. bicipitalis; 4 A. collater. uln. sup.; 5 A. radialis; 6 A. ulnaris; 7 A. recurrens ulnaris;
8 A. mediana (die A. interossea nicht dargestellt); 9 R. dorsalis a. ulnaris; 10 Arcus volaris superficialis; 11 R. muscularis
a. radialis, mit den Enden Tier A. mediana anastomosierend; 12 R. nutriens des N. medianus aus der A. carpea volaris
der A. radialis, mit dem entsprechenden R. nutriens aus einem Aste der Ulnaris anastomosierend.
Fig. 375.
Grade, der Muskulatur und den Knochen. Infolge der Nerven- und Gefäß-
versorgung nimmt ferner das Integument des Gesamtkörpers, die äußere Haut,
an der Segmentierung teil und kann in dermale Segmente, Dermatomeren,
Aber auch der Darm kann sich der allgemeinen Gliederung des
zerlegt werden.
420 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
übrigen Körpers nicht entziehen, obgleich bei ihm die Grenzen der Segmente
besonders im abdominalen Gebiete schon frühzeitig, infolge des großen Längen-
vvachstumes des Dünn- und Dickdarmes, vollständig verwischt werden. Aber die
Nerven- und Gefäßversorgung des gesamten Darm- und Eingeweideapparates weist
ebenso wie die Entwicklung auf das Bestehen von Enteromeren hin. Das
nächste veranlassende Moment aller dieser Gliederungen ist vielleicht gerade in
der frühen Gliederung der Muskulatur zu suchen.
Fig. 377.
Arterlen der Spinalganglien des Halses und des Plexus brachialls von vorn. (W. Tonkoff.)
(Von einem l1/, Monate alten Knaben.)
Wirbelkanal und Zwischcnwirbellöcher von vorn eröffnet, die Dura spinalis entfernt. /// — VIII vordere Wurzeln der ent-
sprechenden Halsnerven; / vordere Wurzel des ersten Brustnerven ; a N. axillaris; et N. musculocutaneus; cm N. cu-
taneus antibrachii medialis; m N. medianus; r N. radialis; sec N. suprascapularis ; ss Nn. subscapulares; u N. ulnaris ;
1 A. subclavia; 2 A. vertebralis; 3 A. thyreoidea inf. ; 4 Ast aus dem Anfangsteile der A. thyreoidea inf. ; 5 A. cervicalis
ascendens; 6 Truncus costocervicalis; 7 Stämmchen, aus der A. subclavia emporsteigend; seine Äste anastomosieren mit
der A. vertebralis an den Ganglien VI und VII; 8 A. transversa colli; 9 A. subscapularis superior; 10 Truncus nutriens aus
der A. axillaris, in dem medialen Bündel des Plexus brachialis sich verästelnd ; 11 Truncus nutriens aus der A. axillaris,
sendet Äste entlang dem N. medianus, N. musculocutaneus und aufwärts längs den Wurzeln des N. medianus; 12 A. sub-
scapularis inferior, aus deren Anfangsteil entspringen; 1. ein R. nutriens zum N. radialis, welcher dem hinteren Bündel des
Plexus entlang mit dem Truncus nutriens aus der A. axillaris anastomosiert, und 2. ein R. nutriens zum N. axillaris;
13 A. spinalis ant. — Durch punktierte Linien sind die innerhalb oder an der hinteren Fläche verlaufenden Rr. nutrientes
dargestellt. An den Ganglien sind nur die wichtigsten Rr. nutrientes zu sehen ; die Verästelungen und Anastomosen der-
selben an der Oberfläche der Ganglien dagegen sind nicht abgebildet. Vergrößerung 3:2.
Zu jedem Neuromer gehört ein entsprechendes Myomer, Dermatomer, Ente-
romer. Bei der Entwicklung verschieben sich die zu demselben Körpersegment
gehörigen Nerven-, Muskel- usw. Segmente in hohem Maße, so daß es mühsamer
Untersuchungen bedarf, die zusammengehörigen Stücke zu erkennen. Namentlich
ist die Beziehung der Dermatomeren und der Myomeren zum entsprechenden Neu-
romer von großer praktisch medizinischer Bedeutung.
Deshalb sei im folgenden eine Tabelle wiedergegeben, welche sich auf die
Beziehungen der Nervensegmente zu den zugehörigen Muskel- und Haut-
gebieten erstreckt; auch die reflektorischen Segmente sind beachtet.
Riickenmarksnerven.
421
Lokalisation der Funktion in den verschiedenen Segmenten des Rückenmarkes.
Nach den Zusammenstellungen von Starr und Edinger, auf Grund von Tierversuchen und
pathologischen Beobachtungen. Vergleiche hiermit die in geringem Maße verschiedenen Angaben
bei den einzelnen Muskeln (Abt. III).
Segmente
Muskeln
Reflexe
Gef
üh Isi n nerv ation
der Haut
2.-3. Cervicalis
Sterno-mastoideus
Inspiration bei raschem
Nacken und Hinterkopf
Trapezius
Druck auf den Rippen-
Scaleni u. Nackenmuskeln
bogen
Diaphragma
4. Cervicalis
Diaphragma
Erweiterung d. Pupille auf
Nacken
Supra- und Infraspinatus
Reizung des Nackens
Obere Schultergegend
Deltoideus
4. bis 7. Cervic.
Außenseite des Armes
Biceps u. Coracobrachialis
Brachioradialis
Rhomboidei
5. Cervicalis
Deltoideus
Scapularreflex. 5. Cerv.
Rückseite der Schulter und
bis 1. Thor.
des Armes
Biceps und Coraco-
Sehnenreflexe der entspr.
brachialis
Muskeln
Brachioradialis und Supi-
Äußere Seite des Ober- u.
nator
Vorderarmes
Pectoralis, pars clavicularis
Serratus anterior
Rhomboidei
Brachialis
Teres minor
6. Cervicalis
Biceps
Reflexe von den Sehnen
Äußere Seite des Vorder-
Brachialis
d. Extensoren des Ober-
armes
Pectoralis, pars clavicularis
und Unterarmes
Serratus anterior
Triceps
Extensoren der Hand und
Handgelenksehnen. 6. bis
Rücken der Hand, Radialis-
der Finger
8. Cerv.
gebiet
Pronatoren
7. Cervicalis
Caput longum trieipitis
Schlag auf die Vola er-
Radialisgebiet der Hand
Extensoren der Hand und
zeugt Schließen der
der Finger
Finger
Flexoren der Hand
Pronatoren der Hand
Pectoralis, pars costalis
Subscapularis
Palmarreflex
Latissimus dorsi
Teres major
7. Cerv. bis 1. Thor.
Medianus Verteilung
8. Cervicalis
Flexoren der Hand und
der Finger
Kleine Handmuskeln
• Pupillarreflex
1. Thoracalis
Strecker des Daumens
Kleine Handmuskeln
Daumen- und Kleinfinger-
ballen
Ulnarisgebiet
2.— 12.Thoracalis
Muskeln des Rückens und
Epigastr. 4. — 7. Thor.
Haut d. Brust, d. Rückens,
des Bauches
des Bauches und der
Erectores Spinae
Abdomen 7. — 11. Thor.
oberen Glutäalregion
1. Lumbalis
Iliopsoas.
Cremasterreflex
Haut der Schamgegend
Sartorius
1.— 3. Lumb.
Vorderseite des Hoden-
Bauchmuskeln
sackes
2. Lumbalis
Iliopsoas
Patellarsehne
Äußere Seite der Hüfte
Sartorius
2.-4. Lumb.
Flexoren des Knies
(Remak?)
Quadriceps femoris
3. Lumbalis
Quadriceps femoris
Vorder- und Innenseite der
Einwärtsroller d. Schenkels
Hüfte
Adductores femoris
Raubeb-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt.
22
422
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Segmente
Muskeln
Reflexe
4. I.timbalis Adductores femoris
Tibialis anterior (ilutäalreflex
Flexoren d. Knies(Ferrier?) 4.-5. Lumt).
5. Lumbalis Auswärtsroller der Hüfte
Beuger des Knies
(Ferrier?)
Beuger des Fußes
Extensoren der Zehen
Peronaei
1. und 2. Sacralis Flexoren des Fußes und Plantarreflex
der Zehen
Peronaei
Kleine Fußmuskeln
3.— 5. Sacralis Muskeln des Perineum
Gefühlsinnervation
der Haut
Innere Seite der Hüfte und
d. Beines bis z. Knöchel.
Innenseite des Fußes.
Rückseite der Hüfte, des
Oberschenkels u. äußerer
Teil des F'ußes
Hinterseite des Oberschen-
kels, äußere Seite des
Beines und Fußes
Achillessehne Haut über dem Sacrum,
Blasen- und Rektalzentren Anus, Perineum, Geni-
talien
Fürbringer, M., Über die spino-occipitalen Nerven derSelachier und Holocephalen und ihre
vergl. Morphologie. Kapitel „Nerv und Muskel". Festschrift für Gegenbau r. Bd. 3, S. 730 — 744.
Neuere Angaben über den Segmentbezug der Muskeln der oberen Extremität sind gegeben von
S. von Schumacher, Sitzber. Akad. Wiss. Wien. Bd. 117, Abt. III, 1908.
Sklerozonen und Dermatomeren.
Über das Verhältnis der Neuromeren und Myomeren zum Stammskelete
ist bereits an früherer Stelle Auskunft gegeben worden (siehe die Abschnitte:
Genealogie der Muskeln, Abt. III, S. 17; Verhältnis der Muskel- zu den
KnocKensegmenten, Abt. III, S. 18, 19).
Schwieriger liegen die Dinge am Gli edmaßenskelete. Wenn es auch bereits bekannt ist,
daß die Extremitätenmuskeln von den Myotomen der Urwirbcl ihren Ursprung nehmen, so sind doch
die Umbildungen der einzelnen Teile zu den verschiedenen definitiven Muskelformen der oberen
und unteren Extremitäten noch nicht bekannt. Ebenso wenig bekannt ist die Lagerung der aus den
einzelnen Segmenten je hervorgegangenen Muskelindividuen an den zugehörigen Knochen der
Extremitäten. Selbst die Beziehungen der den verschiedenen Segmenten entsprechenden Muskeln
zu den zugehörigen neuralen Segmenten sind keineswegs schon überall auf morphologischem
Wege in helles Licht gesetzt, am wenigsten bei den Extremitäten.
Kennt man die Beziehungen der Muskelindividuen einer Extremität zu ihren neuralen Seg-
menten, so ist dadurch der Weg eröffnet, um auch beim Erwachsenen das Verhältnis der Nerven-
und Muskelsegmente zu den Haftstellen an den Knochen zu bestimmen.
Durch eine Reihe schöner Untersuchungen, die im Laufe der beiden letzten Dezennien an-
gestellt worden sind, ist ein bedeutender Schritt vorwärts auf diesem Felde gemacht worden. Es
ist zu erwarten, daß die noch fehlenden Schritte ebenfalls gemacht und zugleich auf vergleichendes
und entwicklungsgeschichtliches Gebiet gelenkt werden.
Im allgemeinen haben die Untersuchungen von Bolk ergeben, daß in der Tat eine Ge-
setzmäßigkeit zwischen der segmentalen Herkunft und der Skeletanhcftung besteht.
Bolk, L., Beziehungen zwischen Skelet, Muskulatur und Nerven der Extremitäten usw.
Morpholog. Jahrb. XXI, 1894. — Derselbe, Rekonstruktion der Segmentierung der Gliedmaßen-
muskulatur, dargelegt an den Muskeln des Oberschenkels und des Schultergürtels. Morpholog.
Jahrb. XXII, 1895. — Derselbe, Die Sklerozonie des Humerus. Morpholog. Jahrb. XXIII, 1895.
In bezug auf Dermatome (= Dermatomeren) ist zu erinnern an in Fig. 320 über die
kutanen Halsnervengebiete Vorgebrachte; und bezüglich der oberen Extremität zeigt ein
Blick auf Fig. 378 und 379, welche Fülle von Verständnis auch hier gewonnen werden kann.
Das fünfte (spinale) Dermatom ist ganz der oberen Extremität tributär geworden. Das ganze
Dermatomsystem an der Dorsalfläche der oberen Extremität stellt Fig. 378 vor Augen ; an der Ventral-
fläche Fig. 379.
Rnckenmarksnerven.
423
Hiermit sind die Abbildungen der Hautnerven fei der der Extremität Fig. 340, 341 zu
vergleichen. Siehe auch Sinnesorgane, Haut.
Fig. 378.
Das Dermatomsystem an der Dorsalfläche der oberen Extremität.
Fig. 379.
Das Dermatomsystem an der Ventralfläche der oberen Extremität. (L. Bolk, 1898.)
Eintritt der Nerven in die Muskeln und Verästelung in ihnen.
Neuere Untersuchungen von Fr. Frohse sowie von Eisler ergänzen G. Schwalbes frühere
Angaben über die Eintrittsstellen der Nerven in die Muskeln und berichtigen sie teilweise auch.
Fast jeder Muskel hat einen charakteristischen Aufbau; es darf nicht wunder nehmen, wenn die
Nervenverteilung sich darin widerspiegelt.
Aus einer von Bardeleben und Frohse gemeinsam ausgeführten Untersuchung ist folgendes
hier mitzuteilen:
Nerveneintrittsstelle und Verästelung der Nerven entsprechen der Form des Muskels nicht
allgemein. Jeder Nerv teilt sich in zwei Äste oder der Stamm gibt nach und nach je einen Ast
ab. Jeder Muskelnerv gibt Gefäßnerven ab. Der Nerveneintritt erfolgt mit den Gefäßen oder
getrennt. Jeder Nerv gibt indessen einen rückläufigen Ast ab.
Die Eintrittsstellen liegen ander tiefen Fläche, an der Oberfläche, proximal, zwischen proximalem
und mittlerem Drittel, im geometrischen Mittelpunkt (selten), nie ganz distal! Die Verästelung der
Nerven im Muskel ist sehr verschiedenartig: vorwiegend absteigende Äste, lange absteigende und
kurze aufsteigende Äste, gleichlange auf- und absteigende Äste, fächerförmige Ausstrahlungen der
Äste, kegelförmige Ausstrahlung, Verästelung in Form von Endbäumchen nach einer oder nach
zwei Seiten. (Siehe auch Abt. III, S. 4).
Es gibt extra- und intramuskuläre Schlingen, extra- und intramuskuläre Anastomosen, intra-
muskuläre Plexus, diese zeigen nach Eisler für jeden Muskel einen ganz bestimmten Typus.
Doppel-Innervierung wurde festgestellt an folgenden Muskeln:
Brachialis (N. musculocutaneus und Radialis).
Flexor digitorum sublimis (Varietät: Medianus und Ulnaris).
Flexor digitorum profundus ^ Medianus und
Lumbricalis III und Adductor pollicis / Ulnaris.
22*
424
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Pectineus: Femoralis, Obturatorius (Var. ?).
Adductor magnus: Obturatorius, Ischiadicus.
Flexor dig. pedis brevis i
Lumbricalis III p., Addu- Plantaris medialis und lateralis,
ctor hallucis '
Fig. 380.
Fig. 380. Nervenverzweigung im M. obliquus oculi inferior.
Fig. 381. M. obliquus oculi superior mit N. trochlearls.
(Frohse und Bardeleben.)
Fig. 381.
Bezüglich der Beurteilung der Befunde hebt v. Kolli k er hervor, daß die Länge der Muskel-
fasern die Hauptrolle spiele bei dem Verhalten des Nerven. Sind in einem Muskel die Fasern so
lang wie der Muskel, so ist die Verbreitung der Nerven auf eine Stelle beschränkt.
Fig. 382.
Fig. 382. Intramuskuläres Nervengeflecht im M. occipitalis (rechts). (Nach Eisler.) 1:1.
/ Zweige des N. facialis; /' Zweige des N. occipitalis minor; a Zweige des N. occipitalis major. Sensible Nerven außer-
halb des Muskelfleisches sind punktiert.
Jede Muskelfaser des Sartorius besitzt 3—4 Endplatten (Sandmann).
Endplatten der einzelnen Muskelfasern kommt hiernach in Betracht.
Auch die Zahl der
Rückenmarksnerven.
Wichtig für die Beurteilung ist endlich die Entwicklung eines Muskels, sowohl Ontogenie
als Phylogenie.
Nußbaum, AI., Nerv und Muskel. Aren, tnikr. Anat. Bd. 52, 1898. — Sihler, Chr., Neue
Untersuchungen über die Nerven der Muskeln. Zeitschr. f. wiss. Zool. Bd. 68, 1900.
Vergleichung der Hirn- und Rückenmarksnerven.
In früherer Zeit war es möglich, die Frage des Verhältnisses der Hirn- zu
den Rückenmarksnerven mit wenigen Worten zu beantworten. Man wußte die
Schwierigkeiten noch nicht im ganzen Umfange zu würdigen, welche sich einem
solchen Unternehmen entgegenstellen. Gegenwärtig kennt man diese Schwierig-
keiten sehr genau und die zu beschreitenden Wege, aber auch die Gewißheit, daß
die tatsächlichen Grundlagen zur Gewinnung eines sicheren Urteils noch nicht
in erschöpfender Weise gewonnen worden sind. Es bedarf also noch vieler Be-
mühungen, bis es möglich sein wird, die Frage des Verhältnisses beider Nerven-
gruppen ihrer endgültigen Lösung entgegenzuführen.
Um die Vergleichung durchführen zu können, ist zunächst notwendig eine vollständige Kenntnis
der Ursprungs- und Endkerne, der zentralen und peripheren Bahnen der beiderlei Nerven, mit
voller Berücksichtigung der Qualität dieser Bahnen.
Eine Vergleichung der Endformen aller dieser Bestandteile würde aber niemals zum Ziele
führen können, weil diese Endformen für sich allein betrachtet, voller Dunkel sind und ein un-
verständliches Chaos bleiben würden. Vielmehr hat noch nach allen Seiten hin die Entwicklungs-
geschichte dieser Endformen fördernd in das Verständnis einzugreifen.
Aber auch die individuelle Entwicklungsgeschichte würde nicht hinreichen, auf alle
bezüglichen Fragen Antwort zu geben. Sie hellt auf, soweit ihre Tragweite reicht; aber mit zu-
nehmender Helligkeit tauchen oft unerwartet in der Ferne viele neue Rätselgebilde auf, für den
Gewinn der Lösung eines einzigen. Im vollen Maße hat daher auch die vergleichende Anatomie
und vergleichende Entwicklungsgeschichte einzutreten, um ihrerseits das zu überschauende
ausgedehnte Feld zugänglicher zu machen. Auf allen diesen Wegen ist die Untersuchung zurzeit
zwar erfolgreich aufgenommen, aber, wie gesagt, noch nicht zum Ende geführt.
Die im folgenden gegebene Gruppierung erhebt der angegebenen Sachlage entsprechend
mehr Fragen, als sie abschließende Antworten enthält; aber auch mit dieser Eigenschaft wird sie
förderlich sein.
Die Fila olfactoria, den ersten Hirnnerven darstellend, lassen in ihrer
Entstehung gewisse Beziehungen erkennen zur Entwicklung der sensiblen Wurzeln
der Hirn- und Rückenmarksnerven (S. 49 und Sinnesorgane).
Nach van Wijhe wäre der Olfactorius nicht der erste, sondern der Reihe
nach der zweite Hirnnerv, was uns, bei aller Anerkennung scharfsinniger Durch-
führung doch nicht annehmbar erscheint.
Der N. opticus, Pedunculus opticus v. Wijhe, ist überhaupt kein
peripherer Nerv, der zu den übrigen Hirn- und Rückenmarksnerven morphologische
Beziehungen hätte, sondern er ist ein interzentraler Verbindungsstrang zwischen
verschiedenen Hirnteilen, einerseits der Retina, andererseits dem Vierhügel-,
Zwischen- und Endhirn, wobei Kreuzungen eine große Rolle spielen.
Der dritte, vierte und fünfte Hirnnerv: Oculomotorius, Trochlearis
und Trigeminus können als Trigeminus-Gruppe zusammengefaßt werden.
In der Trigeminus-Gruppe ist der Trigeminus selbst der Nerv des ersten
Kiemenbogens, d. i. des Kieferbogens, wenn das Urteil sich durch die
Branchiomerie, d. i. die Gliederung der Darmwand und ventralen Leibeswand,
bestimmen läßt und die Nervenversorgung der aus dem Kieferbogen hervorgehenden
Gebilde ins Auge faßt.
426 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Sein Ramus primus gehört alsdann einem präbranchialen Metamer an. Der Oculomotorius
und Trochlearis fallen dem Trigeminusgebiet zu, besonders mit Rücksicht auf ihre Ursprungskerne;
diese stellen das mediale Glied der motorischen Ursprungskerne dar, wahrend der motorische Kern
des Quintus das laterale Glied derselben bildet.
Der Acustico-Facialis ist das Nervenpaar für den zweiten Kiemen-
bogen, wobei also wiederum die Branchiomerie als Einteilungsgrund zur Ver-
wendung gelangt. Der Akusticus ist, seinem morphologischen Wesen nach, ein
in den Dienst des Gehörsinnes, aber auch des großen Gleichgewichtsapparates
getretener sensibler Hautnerv. Zu dieser Gruppe gehört als medialer motorischer
Nerv, entsprechend seinem Ursprungskern, der N. abducens.
Der neunte, zehnte und elfte Hirnnerv: Glossopharyngeus, Vagus
und Accessorius, machen die Vagusgruppe aus, wobei, wie für die Trigeminus-
gruppe, nur die überwiegende Stärke des betreffenden Nerven den Namen liefert.
Der Glossopharyngeus ist der Nerv des dritten Kiemenbogens.
Der Vagus ist dagegen der Nerv der noch folgenden Kiemenbögen, deren
Einzelbestandteile zu einem mächtigen Gesamtnerven verbunden worden sind,
Vagus und Glossopharyngeus haben je zwei Stammganglien, alle, soweit man es
bis jetzt weiß, von übereinstimmender definitiver Textur.
Der Accessorius ist ein Nerv, welcher als gesondertes Gebilde erst in den
höheren Abteilungen der Wirbeltiere zur Erscheinung gelangt; er gehört in eine
und dieselbe Reihe mit dem motorischen Teil der Vaguswurzeln , jenem, der im
Nucleus ambiguus seinen Ursprung nimmt.
Der zwölfte Hirnnerv: Hypoglossus, Kiemenbogengebilde versorgend,
die zum Teil weiter rostral gelegen sind, als das Versorgungsgebiet des Glosso-
pharyngeus und Vagus, entspricht, wie schon J. Müller vermutet hat, einigen
Spinalnerven, denen meist die dorsale (sensible) Wurzel fehlt, welche sich zu dem
einzigen Hypoglossus zusammengeballt und durch sekundäre Aufnahme in das
Kopfgebiet zu einem Hirnnerven umgebildet haben.
Sichergestellt ist diese Auffassung durch Froriep, welcher zuerst (bei
Embryonen) die sensiblen Ganglien des Hypoglossus aufgefunden hat.
Wie die unter Frorieps Leitung angestellten vergleichenden Untersuchungen von W. Beck
gezeigt haben, trägt der ventrale Hypoglossusstamm seine Zusammensetzung aus mehreren gleich-
wertigen Spinalnerven auch im erwachsenen Zustande noch zur Schau dadurch, daß er sich aus
mehreren Gruppen von Wurzelfäden bildet, die erst beim Austritt durch den Schädel zu einem
einheitlichen Stamm verschmelzen (am deutlichsten bei den Ungulaten, mit in der Regel drei
Abteilungen). Mit den dorsalen Wurzeln steht es eigentümlich. Die rostrale ventrale Wurzelgruppe
des Hypoglossus hat nie eine zugehörige dorsale Wurzel. Die mittlere Wurzel hat nur selten
eine dorsale Wurzel. Konstant dagegen findet sich bei gewissen Säugern (z. B. beim Schwein)
eine dorsale Wurzel, welche dem kaudalsten Wurzelgebiet angehört, mit einem Ganglion, dem
Ganglion hypoglossi von Froriep. Die dorsale Wurzel des N. cervicalis I scheint bei allen
Säugetieren zwar embryonal angelegt zu werden; bei den einen persistiert sie darauf, bei den
anderen wird sie rudimentär oder sie schwindet ganz.
Wie verhält es sich beim Menschen? Die ventralen Wurzelfäden sind meist in zwei Bündel
geteilt; manchmal ist sogar der Canalis hypoglossi des Occipitale anfänglich noch in zwei Ab-
schnitte getrennt; häufiger sind zwei durale Eingänge da. Eine dorsale Wurzel war in keinem
Falle (von 32) nachzuweisen; doch kann sie vorkommen (Chiarugi, Kazzander). Die dorsale
Wurzel des N. cervicalis I kann beim Menschen ganz fehlen; in den meisten Fällen ist aber eine
schwache dorsale Wurzel vorhanden und immerhin ein rudimentäres Gebilde zu nennen. Durch
die ganze Reihe läßt sich der Rückbildungsvorgang der ersten dorsalen Spinalnervenwurzel auf
allen seinen Stufen nachweisen. Bei den Ungulaten und Karnivoren sehen wir die Gruppe der
occipitalen Spinalnerven erst auf dem Wege, sich umzugestalten zu dem rein ventralen Hypo-
Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystcm. 427
glossus. Von den Halbaffen an, durch Nager, Insektivoren und Affen, schreitet der für die Occipital-
region hier bereits vollendete Rückbildungsvorgang auf die Halsgegend weiter fort und gestaltet
auch den N. cervicalis 1 zu einem rein ventralen Nerven.
Die Encephalomerie bei Ascalabotes fascicularis, einem Saurier, stimmt nach A. N. Sewertzof f
im allgemeinen mit der bei Selacliicrn überein. Im Nachhirn sind fünf Encephalomeren vorhanden, von
welchen I und II den N. trigeminus, III den N. facialis, V den N. glossopharyngeus ausgehen läßt.
Yergl. auch S. 234 dieser Abteilung.
Literatur.
Beck, W. , Über den Austritt des N. hypoglossus und N. cervicalis I usw. Anat. Hefte
Nr. XVIII, 1895. — Dixon, Fr., On the Development of the Branches of the Fifth Cranial nerve
in Man. Scientif. Transactions of the Royal Dublin Soc, May 1896. — Froriep, A., Entwicklungs-
geschichte des Wirbeltierkopfes. Verh. anat. Ges. 1902. — Derselbe, Einige Bemerkungen zur
Kopffrage. Anat. Anz. XXI, 1902. — Hatschek, B., Die Metamcrie des Amphioxus und Ammo-
coetes; ebendaselbst. — Kupffer, C. v., Studien zur vergleichenden Entwicklungsgeschichte des
Kopfes der Kranioten. 1. und 2. Heft, München und Leipzig, J. F. Lehmann, 1893. — Derselbe,
Entwicklungsgeschichte des Kopfes. In: Ergebnisse der Anatomie und Entwicklungsgeschichte.
Wiesbaden 1896. — Neal, H. V., A Summary on the Segmentation of the Nervous System in
Squalus acanthias. Anat. Anz. XII, 1896 ; die Schrift enthält auch ein Verzeichnis der betr. Literatur. —
Pinkus, F., Die Hirnnerven von Protopterus annectens. Morphol. Arbeiten von G. Schwalbe, IV,
Jena 1894, G. Fischer. Der N. hypoglossus (u. a.) hat zwei dorsale Wurzeln, die mit Ganglien
versehen sind, und zwei ventrale Wurzeln, er hat dieselben Äste wie alle Spinalnerven und führt
außerdem Zweige zur Zunge und zum Plexus brachialis. — Rabl, C., Über den gegenwärtigen
Stand der Frage über die Metamerie des Wirbeltierkopfes. Verhandlungen der Anatomischen Ge-
sellschaft, 1892, Jena, Fischer. In diesem Bericht ist auch die frühere Literatur angegeben. —
Sewertzoff, A. N., Zur Entwicklungsgeschichte des Ceratodus Forsteri. Anat. Anz. XXI, 1902.
S. stellt u. a. das Vorhandensein eines kleinen, mit Ganglion versehenen N. praeopticus bei
Ceratodus fest.
V. Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystem.
Systema nervorum sympathicum.
Gleich den meisten bisher betrachteten Teilen des Nervensystems läßt auch
das sympathische System eine segmentale Anordnung seiner Bestandteile deutlich
erkennen. Fig. 383. Denn es besteht:
1. Aus einer jederseits längs der Wirbelsäule gelagerten großen Anzahl
(20 — 25) Ganglien, Ganglia trunci sympathici, welche miteinander durch kurze,
längslaufende Verbindungsstränge, Zwischenstränge, Rami intergangliares,
zu je einem Längsstrang, dem sogen. Grenzstrang oder Stammstrang des
Sympathicus, Truncus sympathicus, verbunden sind.
2. Aus Rami communicantes, d. h. Nerven, welche den Grenzstrang mit
dem cerebrospinalen Nervensystem- in Verbindung setzen.
3. Aus sehr zahlreichen peripheren Zweigen, welche von den verschie-
denste» Stellen des Grenzstranges ausgehen, in die Peripherie ziehen, hier mit
cerebrospinalen Nerven wieder an vielen Orten in Verbindung treten, sowie zur
Geflechtbildung, Plexus sympathici, und zur Aufnahme kleiner und großer
Ganglien in die Geflechte, Ganglia plexuum sympathicorum, große Neigung
haben. Letztere führen auch den Namen periphere Ganglien des Sympathicus,
gegenüber den Ganglien des Grenzstranges.
4. Aus variablen queren Verbindungszweigen, Rami transversi, welche die
Grenzstränge beider Seiten miteinander in Zusammenhang bringen. Sie sind nur
428
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
an einigen Abteilungen des Sympathicus eine regelmäßigere Erscheinung, wie im
Lumbal- und Sakralteil desselben.
Da das sympathische System sich über alle großen Körperabteilungen er-
streckt, so unterscheidet man einen Kopf-, Hals-, Brust-, Bauch- und Becken-
teil desselben.
I. Der Grenzstrang und seine Ganglien.
Der Grenzstrang des Sympathicus liegt teils neben der Wirbelsäule, teils an
der Schädelbasis und erstreckt sich vom Kopf bis zum Steißbein.
A. Halsteil. Fig. 384.
Am Hals kommen jederseits in der Regel
drei Grenzstrangganglien vor, ein oberes,
mittleres und unteres, doch sind dieselben
durch Verschmelzung aus acht segmentalen
Ganglien hervorgegangen.
1. Das obere Halsganglion, Ganglion cervicale
superius. Fig. 301 , 304, 384.
Es ist eine platte spindelförmige Anschwel-
lung von 25— 30 mm Länge, 6— 8 mm Breite
und 3 — 5 mm Dicke, welche vor den Querfort-
sätzen des 2. und 3. Halswirbels, vor dem
M. longus capitis und der Fascia praevertebralis,
hinter der A. carotis interna, medial vom Vagus-
stamm gelegen ist.
Das obere Ende des Ganglion hängt mit
dem Kopfteil des Sympathicus zusammen; das
untere Ende setzt sich in der Höhe des vierten,
manchmal erst des fünften Halswirbels in einen
Nervenstamm fort, welcher in seltenen Fällen auch doppelt gefunden wird und
eine Verbindung mit dem mittleren Ganglion herstellt. Letzteres Ganglion kann
fehlen, dann geht jener Nervenstamm, der Ramus intergangliaris inferior des
Ganglion superius, in das untere Halsganglion über. Das Ganglion superius
zeigt nicht selten Einkerbungen, als Andeutungen einer Zerlegung in mehrere
Stücke; wie es denn in Wirklichkeit mindestens einem Komplex von 4 segmentalen
Sympathicusganglien entspricht.
2. Das mittlere Halsganglion, Ganglion cervicale medium. Fig. 301, 304, 384.
Das mittlere Halsganglion ist meist von ovaler Form, liegt in der Höhe des
6. Halswirbels, an der vorderen medialen Seite des Truncus thyreocervicalis oder
der A. thyreoidea inferior selbst, und wechselt an Größe; es kann durch 2 — 3
kleinere Ganglien ersetzt werden, aber auch ganz fehlen. Sein Ramus intergan-
gliaris inferior ist gewöhnlich doppelt und umgreift die A. subclavia. Die so ent-
stehende Schlinge hat den Namen Ansa subclavia (Vieussenii). Der hintere
Verbindungsfaden ist der stärkere und zieht geradenwegs zum unteren Hals-
ganglion; der vordere ist schwächer und umgreift die A. subclavia im Bogen.
Fig. 383.
Schema des Sympathicus.
1, 1, 1 Ganglien des Grenzstranges; 2, 2 Zwischen-
stränge, Rami intergangliares; 3 Rami commu-
nicantes; 4 periphere Zweige der Ganglien;
5 quere Verbindungen der Ganglien beider
Seiten, Rami transversi.
Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystem.
429
~<M*Vl>v-^'
3. Das untere Halsganglion, Ganglion cervicale inferius. Fig. 301, 304, 384.
Es hat seine Lage in der Vertiefung zwischen dem Querfortsatz des letzten
Halswirbels unter der ersten Rippe, hinter der A. subclavia und der Wurzel der
A. vertebralis. & ist größer als das
vorige, von unregelmäßig sternför-
miger Gestalt, kann sich dem ersten
Brustganglion bis zur Berührung
nähern und mit ihm zusammen-
fließen. Fig. 301.
A. Mannu, Ricerche anatomo-com-
parative sul Simpatico cervicale usw. Internat.
Monatsschr., Bd. 30, 1913.
B. Brustteil. Fig. 301, 304, 384.
Der Brustteil des Grenzstranges
umfaßt jederseits eine Reihe von
11 — 12 Ganglien, Ganglia thora-
calia.
Sie alle liegen neben der Wir-
belsäule, vor den Rippenköpf-
chen, bald näher dem oberen, bald
näher dem unteren Rippenrande.
Die beiden unteren Ganglia thora-
calia nähern sich der Wirbelsäule
und liegen an dar Seitenfläche der
beiden letzten Brustwirbel. Sie alle
sind durch einfache Rami intergan-
gliares miteinander vereinigt.
Der Brustteil des Grenzstranges
wird von der Pleura costalis bedeckt
und liegt somit außerhalb des hin-
Fig. 384. Schematische Obersicht des sympathischen
Grenzstranges der rechten Seite und seiner Ver-
bindungen mit den sympathischen Geflechten der
Brust-, Bauch- und Beckenhöhle. 1:4.
Cerebrospinalnerven: VI N. abducens ; o Gan-
glion ciliare ; M zweiter Ast des Trigeminus mit dem
Ganglion sphenopalatinum ; C Plexus cervicalis; Br
Plexus brachialis; D6 sechster, D 12 zwölfter Inter-
kostalnerv; LZ dritter Lendennerv; 51, 53, 55 erster,
dritter, fünfter Sakralnerv; Cr N. femoralis; Cr" N.
ischiadicus ; pn, prC N. vagus ; r N. recurrens. —
Grenzstrang: c oberes, c' mittleres, c" unteres
Halsganglion; dl erstes. d6 sechstes Brustganglion;
V erstes Lumbaiganglion ; cg Ganglion coecygeum. —
Geflechte: pp Plexus pharyngeus; pl Plexus
bronchialis posterior; ca Plexus cardiacus; co Plexus
coronarius ant. ; co' Plexus coronarius post. ; o Plexus
oesophageus; sp N. splanchnicus major; t N. splanch-
nicus minor; fr N. splanchnicus tertius; so Plexus
coeliacus; re Plexus renalis; pn" Plexus gastricus aus
dem linken Vagus; ms Plexus mesentericus superior; rl5- "JCW.
o Plexus aorticus abdominalis; mi Plexus mesentericus inferior; mV seine Verbindung mit ir, dem Plexus haemorrhoi-
dalis; hy Plexus hypogastricus superior; pl Plexus hypogastricus inferior; v Plexus vesicalis.
^MJ1i*>^*A/l/J
rjSÜUj-^ bfw-'Jl Qflri)
430 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
teren Mittelfellraumes. Das erste Brustganglion, Ganglion thoracale primum,
ist das größte und verschmilzt nicht selten mit dem unteren Halsganglion; nicht
selten auch verschmilzt mit ihm das zweite Brustganglion. Die Brustganglien be-
sitzen eine dreieckige oder spindelförmige Gestalt und sind dem Angegebenen
zufolge deutlich segmental angeordnet.
C. Bauch- oder Lendenteil. Fig. 304, 384.
Vom Ganglion thoracale infimum setzt sich der Stamm des Grenzstranges
in die Bauchhöhle fort und durchzieht dabei den zwischen dem medialen und
lateralen Lendenschenkel des Zwerchfelles befindlichen Schlitz oder durchbricht
den lateralen Schenkel selbst.
So gelangt die Pars abdominalis des Grenzstranges auf die Vorder-
fläche der Lendenwirbelkörper, liegt hier unmittelbar medial von den Psoas-
uisprüngen, und zwar rechterseits hinter der V. cava inferior, linkerseits hinter der
Aorta. Der Lendenteil des Grenzstranges enthält 4 — 5 Ganglia lumbalia von
spindelförmiger oder ovaler Gestalt; das letzte ist gewöhnlich das größte.
D. Beckenteil. Fig. 384.
Die Pars abdominalis des Grenzstranges setzt sich in die Pars pelvina fort.
Meist sind vier, seltener fünf Ganglia sacralia und ein Ganglion coccygeum
vorhanden.
Die Pars sacralis liegt auf der vorderen Fläche des Kreuzbeines, medial von
den Foramina sacralia anteriora. Die Grenzstränge beider Seiten nähern sich dabei
allmählich einander. Das kaudale Ende, Pars coccygea, verhält sich verschieden.
Nach Ffenle ist eine Vereinigung des rechten und linken untersten Kreuzknotens
durch eine abwärts konvexe Schlinge, Ansa sacralis, das häufigere Vorkommnis.
In dem Geflecht aber sind regelmäßig kleine Ganglien enthalten. In anderen
Fällen (nach Schumacher in der Regel) kommt ein wohlausgeprägtes kleines,
unpaares, auf der Mitte der Vorderfläche des 1. Steißwirbels gelegenes Ganglion
vor, Ganglion coccygeum, welches Andeutungen einer Teilung in zwei Gan-
glien zeigen kann.
Im ganzen also sind im Rumpfteil des Sympathicus jederseits 20 — 25 Grenz-
strangganglien untergebracht.
S. v. Schumacher, Über die Nerven des Schwanzes usw. Sitzber. Akad. Wiss. Wien.
Bd. 114, Abt. III, 1905.
Varietäten: Der Grenzstrang kann an einzelnen Stellen unterbrochen sein, d. h. die
Kami intergangliares fehlen. Nach Bichat ist dies am häufigsten im Brustteil der Fall. Bei
manchen Tieren bleibt die gegenseitige Verbindung der Grenzstrangganglien auf größere und kleinere
Strecken normalerweise aus, so bei Schlangen (J. IM tili er).
2. Rami communicantes.
Sie sind bereits als Äste des cerebrospinalen Systemes geschildert worden,
setzen letzteres und das sympathische System miteinander in Verbindung, führen
dem Sympathicus Fasern der vorderen und hinteren Wurzeln der Hirn- und
Rückenmarksnerven zu, bringen aber andererseits auch Fasern des Sympathicus in
die drei übrigen typischen Äste der cerebrospinalen Nerven hinein. Siehe oben
S. 413 und Fig. 370, 371.
Das vegetative, sympathische oder Ganglicnncrvcnsystem.
431
3. Die peripheren Verzweigungen des Sympathicus.
A. Halsteil.
1. Äste und Verbindungen des Ganglion cervicale superius. Fig. 301, 304, 384, 385.
a) Obere Äste.
N. caroticus internus; er dringt mit der A. carotis interna in den Canalis
caroticus ein.
N. jugularis; er zieht zum Foramen jugulare und teilt sicli in zwei Äste,
von welchen der eine zum Ganglion jugulare n. vagi, der andere zum Ganglion
petrosum n. glossopharyngei verläuft.
b) Untere Äste.
N. intergangliaris inferior, langer Ver-
bindungsstrang zum Ganglion cervicale medium, oder
(wenn dieses fehlt) zum Ganglion cervicale inferius.
N. cardiacus superior. Er verstärkt sich
oft durch einen vom vorigen sich ablösenden Zweig,
zieht medial vom vorigen vor dem M. longus colli
herab und gelangt hinter der A. thyreoidea inferior
zur oberen Brustapertur. Rechterseits zieht er hierauf
längs der A. anonyma, linkerseits längs der A. carotis
communis sinistra zum Herzgeflecht. Während seiner
Halsbahn geht er mehrfach Verbindungen ein mit
den oberen Herzästen des Vagus und dessen Kehl-
kopfästen. Bei seiner Einsenkung in den oberfläch-
lichen Teil des Plexus cardiacus trifft er am kon-
kaven Rande des Arcus aortae auf ein einfaches oder
doppeltes Ganglion; im letzteren Falle pflegt das
rechte das größere zu sein. Ist das Ganglion einfach,
so erreicht es eine Länge von 5 — 6 mm und wird als-
dann Ganglion cardiacum (Wrisbergi) genannt.
Zuweilen findet sich schon oberhalb im Stamme
des N. cardiacus superior ein kleines Ganglion, das
Ganglion cardiacum superius.
c) Hintere Äste:
ein einfacher oder doppelter kurzer, aber
starker Verbindungszweig mit dem Ganglion no-
dosum n. vagi;
ein Verbindungszweig mit dem Hypoglossus und starke Verbindungen
mit den drei bis vier oberen Halsnerven (es sind die zugehörigen Ram
communicantes).
d) Vordere Äste:
1. Nn. carotici externi, 2 — 3 Stämmchen, welche in der Gegend des Ur-
sprunges der A. occipitalis an die Carotis externa herantreten, sie um-
greifen und unter Plexusbildung teils abwärts, teils aufwärts begleiten. Der
absteigende Teil entsendet:
. or. einen Zweig zu dem im Teilungswinkel der Carotis communis gelegenen
Glomus caroticum und entwickelt:
JF
cs H
Fig. 385.
Ganglion cervicale superius des
Sympathicus.
c N. caroticus internus, sich in einem
R. internus und externus teilend und in
den Canalis caroticus eintretend ; j N. jugu-
laris für das Ggl. petrosum n. glosso-
pharyngei und das Ggl. jugulare n. vagi ;
XII u. / Rami communicantes mit dem
Hypoglossus und ersten Halsnerven ;
X Verbindungszweige mit dem Ggl. no-
dosum n. vagi; //, ///, IV Rami com-
municantes mit dem Ramus anterior n.
cervicalis II — IV; ri Ramus intergangliaris
inferior; cs N. cardiacus superior; le Ver-
bindungszweig zum N. laryngeus sup. ;
m Nn. carotici externi ; ph Ramus pharyn-
geus zum Plexus pharyngeus, großenteils
den Rami communicantes der Halsnerven
entstammend.
432 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
;'>. den die A. thyreoidea superior umstrickenden Plexus thyreoideus
superior, welcher mit dem Gefäß zur Schilddrüse gelangt.
Die aufsteigenden Zweige sind stärker und entwickeln:
•/. den Plexus caroticus externus. Dieser begleitet die Carotis externa
aufwärts bis zu ihrer Teilungsstelle und enthält an der Abgangsstelle
der A. auricularis posterior ein kleines Knötchen, Ganglion tempo-
rale (Scarpae).
ö. den Plexus lingualis, welcher die A. lingualis begleitet;
<•-. den Plexus maxillaris externus für die A. maxillaris externa und
ihre Äste. Mit der A. submentalis gelangen Fäden zum Ganglion
submaxillare n. trigemini als Radix sympathica ganglii sub-
maxillaris;
-'. den Plexus pharyngeus ascendens für die A. pharyngea ascendens;
/,. den Plexus occipitalis für die A. occipitalis;
.7. den Plexus auricularis posterior für die A. auricularis posterior;
/. den Plexus temporalis superficialis für die A. temporalis super-
ficialis;
/.. den Plexus maxillaris internus für die A. maxillaris interna und
ihre Äste;
/.. den Plexus meningeus; er begleitet die A. meningea media, nimmt
den N. meningeus (medius) vom 2. Trigeminusast und den N. spinosus
vom 3. Trigeminusast auf und entsendet einen Faden zum Ganglion
oticum (Arnold).
2. Rami laryngopharyngei, 2 — 3.
Diese starken Äste enthalten deutlich zum Teil unmittelbare Fortsetzungen der
Rami communicantes der oberen Hälfte der Halsnerven.
3. Verbindungsfäden mit dem N. laryngeus superior des Vagus.
2. Äste und Verbindungen des Ganglion cervicale medium. Fig. 301, 304, 384.
a) Rami intergangliares, ein superior und zwei inferiores;
b) Rami communicantes von CV und vi;
c) Nn. carotici, graue Fäden, die teils zur Carotis communis, teils zur A.
thyreoidea inferior gelangen und dieselbe mit zwei Fäden aus dem unteren
Halsganglion umspinnen. So entstehen der Plexus caroticus com-
munis und der mehrere kleine Ganglien führende Plexus thyreoideus
inferior;
d) N. cardiacus medius. Er ist meist stärker als der obere lange Herz-
nerv und entspringt bei Fehlen des Ganglion cervicale medium aus dem
betreffenden Ramus intergangliaris. Dicht hinter der Carotis interna herab-
ziehend, gelangt er vor oder hinter der A. subclavia zum Plexus cardiacus.
Zuweilen enthält er in der Brusthöhle ein länglich-rundes Knötchen, das
Ganglion cardiacum medium (Arnoldi).
3. Äste und Verbindungen des Ganglion cervicale inferius. Fig. 301, 304, 384.
Die Äste der beiden unteren Halsganglien sind, wie letztere selbst, gewöhnlich
nicht streng sämtlich voneinander zu trennen; sie sind im übrigen den vorher-
gehenden ähnlich.
Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystem. 433
a) Rami intergangliares;
b) Rami coinmunicantes;
c) Äste zur A. thyreoidea inferior und besonders zahlreiche Zweige zur A.
vertebralis, um welche sie den Plexus vertebralis entwickeln. Dieses
starke Geflecht erhält Verbindungen von den Halsnerven, welche bei den
unteren Halsnerven ansehnlicher sind als bei den oberen und während
seines Verlaufes im Canalis intertransversarius zu ihm gelangen. Der
Plexus vertebralis zieht mit der Arterie aufwärts zu deren Gehirnästen;
d) die zur A. subclavia und ihren Ästen ziehenden Nerven bilden den Plexus
subclavius;
e) um die A. mammaria int. befindet sich der Plexus mammarius int.;
f) N. cardiacus inferior, aus dem unteren Halsganglion;
g) N. cardiacus imus, aus dem ersten Brustganglion (letzterer Herznerv
bestritten), f) u. g) können sich miteinander zu einem gemeinsamen
Stämmchen verbinden. Sie gelangen nach kurzem Verlaufe, der linke
hinter dem Arcus aortae, der rechte hinter der A. anonyma, zum
tiefen Herzgeflechte.
Plexus cardiacus. Fig. 304, 384, 386—394.
Zum Geflecht der Herznerven treten die aus dem Stamme des N. vagus, aus
dem N. laryngeus superior, laryngeus inferior (oder Plexus pulmonalis), sowie
die aus den drei Halsganglien (und dem ersten Brustganglion) des Sympathicus
beider Seiten entspringenden Herzäste zusammen. Über den bisweilen vor-
kommenden Herzast des N. hypoglossus siehe oben S. 336. Zahl und Stärke
der Herzäste beider Seiten können sich sehr ungleich verhalten; ebenso sind die
Herznerven in verschiedenen Fällen nach Zahl und Stärke, Abgang und Ver-
bindungen veränderlich. Doch prägen sich hierin nur oberflächliche Unter-
schiede aus.
Bei ihrem Eintritt in die Brusthöhle nähern sich die Nn. cardiaci beider
Seiten und bilden mittels zahlreicher Anastomosen ein weitmaschiges Geflecht,
das Herzgeflecht, Plexus cardiacus, an welchem eine oberflächliche und
eine tiefe Schicht, die jedoch miteinander zusammenhängen, unterschieden werden
können.
1. Das_oberflächliche Herzgeflecht, Plexus cardiacus superficialis,
wird besonders von den oberen Herznerven gebildet, dehnt sich mehr nach der
linken Seite aus, bedeckt den konkaven Rand des Arcus aortae und die
Teilungsstelle der A. pulmonalis, und schließt an dieser Stelle ein doppeltes oder
(größeres) einfaches Ganglion ein, das Ganglion cardiacum (Wrisbergi),
welches als makroskopisches Ganglion übrigens auch fehlen kann.
2. Das tiefe Herzgeflecht, Plexus cardiacus profundus, liegt weiter
rechts, zugleich etwas höher als das oberflächliche, unmittelbar hinter dem
Aortenbogen, zwischen ihm und der Teilungsstelle der Trachea, oberhalb der
A. pulmonalis. Der tiefe Plexus ist dichter und stärker als der oberflächliche.
Von beiden Abteilungen des Plexus cardiacus entwickeln sich nach ver-
schiedenen Seiten hin Verbindungs- und periphere Zweige.
a) Verbindungszweige mit den Plexus trachealis und bronchialis;
1 1 1 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
b) Zweige für den Stamm der Aorta und Pulmonalis, Rami pulmonales.
Letztere begleiten als Plexus pulmonalis die Äste der Arterie und stehen
mit den Plexus pulmonales des N. vagus in Verbindung;
c) Zweige zur Wand der Vorhöfe;
d) der Plexus coronarius cordis anterior et posterior.
Der Plexus coronarius cordis anterior besteht aus Fäden, welche die
Wurzel der Aorta umfassen, die A. coronaria dextra erreichen und unter reicher
Geflechtbildung dem Verlaufe dieser Arterie folgen; zahlreiche Fäden gelangen
von hier aus absteigend zur rechten Kammer, minder zahlreiche zum rechten
Vorhofe. Der Plexus coronarius cordis posterior, stärker als der vorige,
gelangt hinter der A. pulmonalis zum Anfangsteil der A. coronaria sinistra und
erstreckt sich entlang der Bahn dieses Gefäßes. Er entsendet in ähnlicher Weise,
wie der rechte, aufsteigende Zweige zu dem linken Vorhofe, absteigende zur linken
Kammer.
Die Plexus coronarii sind im Bereich des Sulcus coronarius und an den
Vorhofsgeflechten reichlich mit mikroskopischen Ganglien versehen. Alle
diese Ganglien liegen oberflächlich unter dem Epikardium und dringen von hier
aus nur in geringe Tiefen vor.
Die Entdeckung der Herzganglien verdanken wir Remak, welcher sie zuerst im rechten
Herzohre des Kalbes auffand.
Herznerven von Tieren.
Besonders zahlreich sind (aus physiologischen Gründen) die Untersuchungen über die Herz-
nerven des Frosches. Sämtliche Nervenfasern werden hier dem Herzen aus dem Ramus car-
diacus n. vagi zugeführt. Soweit dieser den Venen anliegt, führt er im Innern des Stammes
eingeschlossene und in der Peripherie desselben gelegene Ganglienzellen, von welchen Ästchen zu
der Venenwand gelangen. An der Hinterwand der Lungenvene angekommen, anastomosieren die
Cardiaci beider Seiten und bilden ein sehr ganglienzellenreiches Geflecht, die sogenannten Remak-
schen Knoten. Hierauf trennen sich die Stämme und verlaufen als vorderer und hinterer Scheide-
wandnerv unter beständigem Faseraustausche und mit Ganglien, den Ludwigschen Haufen durch-
setzt, bis zur Anheftungsstelle des Septum im Ventrikel, um dort die Bidderschen Knoten zu
bilden. Hier zerfallen sie in einzelne Bündel, die unter rascher Weiterteilung längs der Chordae
tendineae zu den Muskelbälkchen der Kammer gelangen. Innerhalb dieser lösen sie sich in ein Netz
auf, welches die Muskelfasern umspinnt und teilweise durchsetzt. Feinere Netze überziehen die
Trabekel und die Klappen oberflächlich, d. i. subendothelial. Im oberen Drittel des Ventrikels liegen
vereinzelte Ganglien, Ganglia ventricularia von Dogiel, der inneren Fläche auf, auch im
Mittelstück finden sich hier und da zerstreute Ganglienzellen, das untere Drittel aber, die Herzspitze,
bleibt ganglienfrei. Die Nerven des Aortenbulbus gehen nach Tumänzew und Dogiel hervor
aus einem zwischen dem Anfangsteil des Bulbus und den Vorhöfen gelegenen Netz, welches seine
Zweige teils von der Vorhofswand, teils von einem am unteren Ende des Vorhofes gelegenen
Nerven, endlich aus dem vorderen Scheidewandnerven des Herzens bezieht. Auch die Bulbusnerven
bilden ein Geflecht, welches in der Bulbusscheidewand wiederum Ganglien bildet. Endlich erhält
aus der Anastomose der Remakschen Knoten die untere Hohlvene einige markhaltige Nerven-
fasern, welche sich zu einem Geflecht ausbreiten.
Was die feinere Beschaffenheit der Ganglienzellen des Froschherzens betrifft, so ergibt sich,
daß die Zellen des Froschsympathicus einen geraden und einen spiralförmig gewundenen
Fortsatz besitzen (Fig. -106); ersterer teilt sich in zwei Zweige, diese und der Stamm umgeben sich
mit einer Markscheide. Der Spiralfortsatz kann ohne Markscheide unter Teilung endigen, oft aber
zerfällt er in zwei Aste, die nach entgegengesetzter Richtung verlaufen. Stamm und Zweige können
sich mit einer Markscheide umgeben. Mit den Ganglienzellen hängt der Spiralfadcn nicht unmittel-
bar zusammen, sondern durch ein Oberflächennetz, welches sich an der Peripherie des Zell-
körpers ausbreitet. Ausläufer des Oberflächennetzes können sogar von Zelle zu Zelle ziehen
(Courvoisi er, Smirnow). Es war jetzt nur noch ein Schritt zu machen, um die wahre Natur
Das vegetative, sympathische oder üanglicnnervertsystem. 435
der Spiralfaser und des Oberflächennetzes zu erkennen: die Oberflächennetze entsprechen End-
bäumchen, perizellularen Fasergerüsten, die einer fremden Stamm faser angehören und
letztere mit der sympathischen Zelle in Verbindung setzen.
Nicht alle Ganglienzellen des Froschherzens sind übrigens Spiralfaserzcllen; es sind nämlich
auch bipolare Zellen in opponierter Stellung der Fortsätze, multipolare und sogar apolare Zellen
beobachtet worden.
Eine Spiralfascr ist bisher nur bei den anuren Batraehiern und einigen Reptilien gefunden
worden; sie fehlt den Urodelen, Fischen und höheren Wirbeltieren. Bei den letzteren ist jedoch
gerade das Oberflachen netz, das Endbäumchen, als terminale Verästelung einer fremden
Faser durch Retzius und Smirnow dargestellt worden. Eine solche Endigung fremder Fasern
kommt übrigens nicht nur in sympathischen Ganglien vor, sondern auch in spinalen Ganglien;
hier sind es wahrscheinlich sympathische Fasern, welche um Zellen spinaler Ganglien ein
perizellulares Gerüst bewirken (Cajal). Siehe oben S. 417, 418.
An den Herzen kleiner Säuger und Vögel verhält sich nach den Untersuchungen von
Schklarewsky die Verteilung der Herzganglien folgendermaßen: Außer dem in der Atrioven-
trikulargrenze verlaufenden Ganglienringe ist ein dazu rechtwinkelig gestellter interatrialer
R ing vorhanden, welcher im äußersten Umfange des Septum atriorum verläuft, während die Mitte
des Septum frei bleibt. An den Durchschneidungsstellen anastomosieren beide Ringe miteinander.
Beide liegen meist ziemlich oberflächlich unter dem Pericardium. Sämtliche einzelne Ganglien sind
durch Nervenfaserstränge miteinander verbunden. Von den gangliösen Ringen gehen in die Atrien-
und Ventrikelmuskulatur beiderseits geflechtartig sich verbindende dünne Zweige ab, welche kleinere
Ganglien und einzelne eingelagerte Ganglienzellen enthalten. Die ansehnlichsten Zweige dieser Art
steigen vorn und hinten an der Ventrikelwand herab; ob sie sich an der Ventrikelspitze zum Ringe
schließen, bleibt unentschieden. Bei den Vögeln befindet sich ein besonderes großes Ganglion an
der hinteren Durchkreuzungsstelle beider Ringe.
Über die Ergebnisse, welche Kasem-Beck und Ott bezüglich der Verbreitung der Ganglien
am menschlichen Herzen erhielten, siehe unten S. 439.
Endigung des Herznerven.
Die Herzmuskulatur nimmt ihrem Baue nach eine Zwischenstellung zwischen der gestreiften
Muskulatur des Körpers und der glatten ein (siehe Abt. I, S. 126). Die Endigung der den Herzmuskel
versorgenden motorischen Nerven stimmt jedoch mit derjenigen Form überein, welche den glatten
Muskeln zukommt: motorische Endplatten sind nicht vorhanden.
Wie Cajal mit Benutzung der schnellen Golgischen Methode zeigte, bilden die motorischen
Herznervenfasern bei Reptilien, Batraehiern und Säugern perizellulare Endplexus, welche jenen
der glatten Muskulatur vergleichbar sind. Allen diesen Nervenfasern fehlt das Myelin. Ihre sehr
varikösen terminalen Fibrillen endigen an den Muskelzellen mit kleinen Anschwellungen, welche
deren Oberfläche angelegt sind.
Diese Befunde wurden später von Retzius bestätigt. Die Nerven laufen als feine marklose
Fasern den Muskelbündeln entlang, umspinnen dieselben und verzweigen sich hier und da dicho-
tomisch. Die Endäste sowohl, wie die im ganzen nicht besonders zahlreichen Seitenäste dringen
zwischen die Muskelzellenstränge hinein und endigen mit knotig varikösen feinen Endfibrillen an den
Muskelzellen. Daß sie alleMuskelzellen innervieren, ist kaum möglich; es werdenvieleMuskelzellen ge-
funden, welche auch bei reichlichster Färbung der Nerven von keinen Nervenfaserenden berührt werden.
Die Erregung der letzteren würde dann keine unmittelbare, sondern eine mittelbare sein. Fig. 386.
Das Herz der Säuger zeigt ganz entsprechende Verhältnisse, wie das Beispiel vom Herzen
der Maus es vor Augen stellt. Fig. 387.
Das Herz enthält jedoch nicht nur motorische Nerven und Nervenendigungen; auch das
Pericardium und Endocardium sind mit Nerven ausgestattet. Was diejenigen des Endocard der
Säugetiere betrifft, so entspringen sie nach A. Smirnow aus den Ästen des Myocardium. Die Mehr-
zahl der Fasern ist marklos. Unmittelbar unter dem Myocard bilden die Ästchen ein weitmaschiges
subendocardial es Geflecht, von welchem feinere Bündel ausgehen. Dann folgen in der Tiefe
des Endocardium enthaltene eigentliche Endocardialnervengef lechte; feinere Bündel und ein-
zelne Fasern, welche davon ausgehen, vereinigen sich zu einem subendothelialen Geflecht.
Die markhaltigen Fasern und ihre Äste endigen in verschiedener Tiefe des Endocard mit
sensiblen Endbäumchen.
436
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Es verbreiten sich bekanntlich, wie neuerdings V. Schmidt feststellte, Nerven im Pcricardium,
Myocardium und Endocardium:
Vom Plexus epicardiacus dringen feine Fasern gegen das Epithel des Epicardium vor
und endigen frei zwischen und unter den Epithelzellen.
Die dem Myocardium angehörigcn Nerven bilden einen Generalple.xus im Myocardium,
mit 3 Teilen, wie sie von L. Gerlach beschrieben wurden als fundamentaler, perimuskulärer und
intermuskulärer Plexus.
Im Myocardium kommen aber auch Fasern vor, welche die Arterien und Venen mit zwei
Geflechten versorgen.
Fig. 386.
Fig. 386. Nervenendigung im Herzen des Frosches.
(G. Retzius.)
m Muskelbündel ; n Nervenfaser.
Fig. 387. Nervenendigung im Herzen der Maus.
(G. Retzius.)
m Muskelbündel ; n Nervenfaser.
Fig. 387.
Unter dem Endocard gibt es ein nervöses Geflecht; auch im Endocard gibt es ein be-
sonderes Geflecht, sogar unter dem Endothel ist ein besonderes Geflecht vorhanden; sie alle
bilden die Smirnowschen Herzgeflechte (Fig. 388, 389). Auch in den Vorkammern und Herz-
ohren kommen diese Geflechte vor.
Die Endverzweigung im Myocard geschieht unter Ausbildung kleiner terminaler Noduli,
die mit den Muskelzellen in Kontakt stehen. Auch gabelförmige Verzweigungen kommen vor.
Diese sind analog einer früheren Entwicklungsstufe der motorischen Endplatten der gestreiften
Muskeln. Im Bindegewebe des Myocard kommen terminale Endbüsche vor, die von einzelnen
Fasern ausgehen (Smirnow). Im Myocardium der Ventrikel sind kleine multipolare Nerven-
zellen zerstreut, deren Neurit sich zu einem Nervenstämmchcn begibt. Die Nervenzellen der
extracardialen Ganglien sind von perimuskulären Nervengeflechten umgeben, von welchem min-
destens zwei Nervenfasern ausgehen. Der eine Teil solcher Fasern zieht zum Myocardium.
Dicht unter dem Pericardium liegen viele Nervenstämmchen, die Überwiegendaus mark-
tfähigen, teilweise aus marklosen Fasern bestehen. Die Endapparate werden gebildet von einem
Netze von Nervenfäden, zwischen denen sternförmige Bindegewebszellen als Stützapparate gelagert
sind. Von diesen Netzen können sich Fäden abzweigen, welche neue Endapparate bilden. Die
Anzahl der letzteren ist überaus groß. ImEndocard liegen Endapparate der gleichen Art (Smirnow).
Das vegetative, sympathische oder Ganglienncrvensystem.
437
Dicht unter dem Endothel der Blutgefäße, aber auch in der Adventitia, kommen ebenfalls
solche Endapparate vor.
Schmidt, Victor, Die Innervation des Herzens. Petersburg 1897 (russisch, mit französischer
Zusammenfassung). — Smirnow, AI., Über die Endigungen im Herzen bei Amphibien und Säuge-
tieren. Anal. An/.. X.
Jmp
?s -
Wir**
Fig. 388.
Fig. 389.
Fig. 3S8. Sensible Nervenendigung aus dem Vorhofsendocard des Hundes.
(Atrium dextrum), mit einer marklosen, später markhaltigen Nervenfaser in Verbindung.
Fig. 389. Kleines Stück des Endocardialgeflechtes aus dem linken Vorhof der Katze. (AI. Smirnow.)
Von diesem Geflecht gehen marklose, zum Teil variköse Fädchen aus, die mit Endverästelungen in Verbindung stehen.
Entwicklung des Herznervensystem.es.
Um das Herznervengeflecht und die Ganglienversorgung des Herzens besser zu verstehen,
ist es erforderlich, die Endform des Herzens auf eine Frühform, welche einer S-förmigen Doppel-
schlinge und schließlich einem geraden Rohre entspricht, zurückzubringen. Es ergibt sich bei dieser
Betrachtung schon von vornherein die große Wahrscheinlichkeit , daß die Atrien und das Gebiet
des Yenensinus von den unteren, die Aorta ascendens und die A. pulmonalis von den oberen
Herznerven versorgt werden. Fig. 390.
Fig. 390. Fig. 391. Fig. 392. Fig. 393.
Fig. 390. Embryonales Herz auf der Stufe der S förmigen Doppelschleife, vordere Ansicht.
1 Truncus arteriosus; 2 Kammer; 3 Vorhof mit der Mündung der beiden Vv. omphalomesentericae.
Fig. 391. Embryonales Herz von derselben Form, auf etwas späterer Stufe.
1 Truncus arteriosus; 2 rechte Kammer; T linke Kammer; 3 Herzohren; 4 die beiden Venenschenkel des Herzens; / Sulcus
interventricularis; o dem Ohrkanal entsprechende Außenfurche. Vordere Ansicht.
Fig. 392. Herz eines Fetus von 5 Wochen, von vorn. (AI. Ecker.)
Fig. 393. Dasselbe Herz, von hinten.
a Bulbus aortae; b Divisio bulbi; c Ventriculus sinister; d Ventriculus dexter; e Atrium sinistrum; / Atrium dextrum;
g Vena cava supertor (dextra); h Vena brachiocephalica (Vena capa superior sinistra) in Verbindung mit dem Sinus coro-
narius cordis; i Vena cava inferior.
Aus der Entstehungsgeschichte des Herzens erklärt sich aber nicht allein diese letztere Er-
scheinung, sondern auch die andere, daß ein in der Brusthöhle gelegenes Organ von Kopf- und
Halsnerven versorgt wird. Das Herz ist ursprünglich ein Organ des Kopfes und Halses und rückt
erst nachträglich, einen ansehnlichen Descensus ausführend, in die Brusthöhle herab, wobei seine
Nen'en ihm folgen.
Ratjbee-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt. 23
438
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Diese, schon in einer früheren Auflage des Buches von Rauber ausgesprochene Vermutung
hat unterdessen eine Bestätigung erhalten durch die gründliche Untersuchung von W. His jr. über die
Entwicklung der Herznerven, welche außerdem eine Reihe interessanter Verhältnisse feststellte.
Nach His fällt der Beginn der Herznervenentwicklung beim menschlichen Embryo in das Ende
der vierten oder den Anfang der fünften Woche. Die Nerven stammen von Anfang sowohl aus dem
Vagus, wie aus dem Sympathicusgrenzstrange. Fasern und Ganglienzellen treten zu gleicher Zeit auf.
Die zuerst entwickelten Nerven sind diejenigen des Arterienbulbus und gehören teils
dem Vagus, teils dem Sympathicus an. Zu den Vorhöfen treten zu dieser Zeit weder Nerven-
zweige noch finden sich an ihrer Wand Ganglienzellen. Die weitere Entwicklung der Herznerven
erfolgt in der Weise, daß aus dem Vagus und Sympathicus unterhalb der Bulbusnerven neue Zweige
hervorgehen, welche nun dem venösen Ende des Herzens zustreben und sich an der hinteren Vor-
hofswand zu einem Geflecht vereinigen. Diesem Geflecht gesellen sich Zweige zu, welche aus
dem Aortengeflecht stammen. Im
T3 Jl^ ganzen kommen drei Geflechte zur
Ausbildung, das Bulbus-, Vor-
hofs-, und das beide miteinander
verknüpfende Verbindungsge-
flecht. Fig. 394.
11. Das am frühesten entstan-
dene Bulbusgeflecht dringt bei
Feten der siebenten Woche zwischen
Aorta und Pulmonalis ein und be-
deckt deren zugekehrte Flächen un-
gefähr bis zur Höhe der Semilunar-
klappen. Dort gabelt es sich und
schickt einen kurzen mächtigen
Zweig links von den Pulmonalarte-
rien zur Atrio-Ventrikularfurche,
einen anderen zwischen Pulmonalis
und Aorta durch, welcher rechts in
die Koronarfurche übergeht. Beide
Zweige führen bis zum Ende zahl-
reiche Ganglienzellen; sie verlaufen
unter dem visceralen Pericard und
enden in dem die Koronarfurche aus-
kleidenden lockeren Zwischengewebe. Diese Zweige bilden die Anlage der späteren Atrio-
ventrikularganglien und der den Ventrikel innervierenden Koronarnerven. Doch sind sie zu
dieser Zeit noch in Ausbildung begriffen und die Ventrikel zurzeit noch nervenlos.
.'. Das Verbin dungsgefl echt setzt sich zusammen aus Zweigen, die sich von den Bulbus-
nerven ablösen; ihnen gesellen sich Aste zu, die aus dem Vagus und Sympathicus weiter unten
entspringen. Das Geflecht liegt in der Konkavität des Aortenbogens und wird links von dem
Ductus arteriosus (Bot all t), rechts von der oberen Hohlvene begrenzt. Mit Ausnahme von Hohl-
venenzweigen innerviert das Verbindungsgeflecht keine Herzteile, sondern dient allein zur Ver-
bindung des Bulbusgeflechts mit dem
;/. Vorhofsgeflecht. Dieses enthält außer den Verbindungsnerven jederseits den untersten
Herzast des Vagus und breitet sich in einem Räume aus, welcher seitlich durch die oberen Hohlvenen,
unten durch den Umschlag des Pericard auf das Zwerchfell, oben durch den Sinus transversus
pericardii begrenzt wird. Das Geflecht wird durch ein engmaschiges Netzwerk von Nerven gebil-
det und ist in seiner ganzen Ausdehnung sehr reich an Ganglienzellen.
In späterer Zeit, im neunten Fetalmonat, entwickeln sich noch die Koronarnerven und weitere
Teile der Vorhofsnerven; dann ist bereits die Endform des Herznervensystems erreicht.
Die Hisschen embryologischen Ergebnisse stimmen, wie er selbst lobend hervorhebt, mit der
von Scarpa 1794 gelieferten Beschreibung im wesentlichen überein. Scarpa nämlich unterschied
als der erste im Hcrzgeflecht drei Abteilungen, sein Plexus arorticus superficialis entspricht dem
Bulbusgeflecht, sein Plexus aorticus profundus dem Verbindungsgeflecht, sein Vorhofsplexus dem
gleichnamigen Plexus des Fetus.
Fig. 394.
Schematische Darstellung des Herzgeflechtes menschlicher Feten.
a Aorta; a' Pulmonalis; b Yorhof mit den Venenmündungen; Au Herzohr;
V Ventrikel; vg N. vagus; sy N. sympathicus; p, p Pericard; s Sinus
transversus pericardii ; / Bulbusgeflecht; //Vorhofsgeflecht; ///Verbin-
dungsgeflecht. (W. His jr.)
Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystem. 439
Die Ausbreitung der Ganglien am erwachsenen Herzen, von Kas em - Beck und Ott
untersucht, verhält sich wie beim menschlichen Fetus, die Ganglien kommen nur im Bereich
der drei genannten Geflechte und des anstoßenden Teiles der Vorhofswand vor; die
Kammern aber entbehren derselben. Nach neueren Untersuchungen von Engel, über welche
Aschoff (Deutsche med. Wochenschrift 1910) berichtet, kommen aber auch im Reizlcitungssystem
des menschlichen Herzens (Hissches Bündel) zahlreiche inarkhaltige und marklose Nervenfasern
sowie Ganglienzellen vor.
Nach His jr. sind wahrscheinlich alle im Herzen vorkommenden Ganglien und Geflechte
sympathischer Art, während der Vagus keine Ganglienelementc zu liefern hat; selbst die Herzäste
des Vagus sind vielleicht sympathischer Art, durch eine Wanderung von Teilen des embryonalen
Ganglion cervicale I an das Ganglion nodosum vagi vermittelt. — Die embryonalen Ganglien-
zelle n der Herzgeflechte unterscheiden sich von den sensiblen Zellen der Spinalganglien einmal
durch den Mangel eines größeren Protoplasmakörpers und namentlich durch anfängliche Uni-
polarität. Die Richtung des einzigen Fortsatzes ist, wenn nicht durchgreifend, so doch überwiegend
eine zentripetale. Späterhin treten mehrere Ausläufer auf. Die Zellen des Sympathicus stimmen
mit den Herzganglienzellen zunächst ganz überein; später nehmen letztere an Größe zu.
Schumacher, S.v., Zur Frage der Herzinnervation bei den Säugetieren. Anat. Anz. XXI,
1902. — »Wenn wir die Nervi depressores als die sensiblen Nerven der Aorta ansehen müssen, so
wurden die Nn. accelerantes im wesentlichen ihre Endigungen in den Wänden beider Kammern
finden, und zwar würde der linke N. accelerans die linke Kammer versorgen, während der rechte
hauptsächlich seine Endausbreitung auf der rechten Kammer fände." —
B. Brust- und Bauchieil des Sympathicus.
1. Astbildung und Verbindungen.
Die Kette der Brust- und Lendenganglien des Sympathicus bringt folgende
Äste und Verbindungen hervor:
1. Rami intergangliares, welche die Längsverbindungen zwischen den
einzelnen Ganglien vermitteln;
2. Rami communicantes, welche die Verbindung mit den spinalen Nerven
herstellen;
3. Äste zur Aorta thoracalis. Sie bilden ein Geflecht um dieselbe, Plexus
aorticus thoracalis, welches oben mit den peripheren Strahlungen zur Aorta
aus dem Plexus cardiacus zusammenhängt, unten durch den Hiatus aorticus
des Zwerchfelles mit der Aorta in die Bauchhöhle tritt und mit dem Plexus coeliacus
in Verbindung steht.
Auch von der Pars lumbalis des Grenzstranges ziehen Äste teils zum Plexus
renalis, großenteils aber zum Plexus aorticus abdominalis und Plexus
hypogastricus. Nach Sappey dringen hier wie im Brustteil einzelne dieser
Fäden auch in die Wirbelkörper ein.
4. Verstärkungsäste zum Plexus bronchialis posterior.
5. N. splanchnicus major. Die Brustganglien, vom 6. bis zum 9., senden
je einen markweißen Ast von der Beschaffenheit spinaler Nerven medianwärts und
abwärts aus. Diese Äste treten nach und nach zu einem ansehnlichen Nerven,
dem großen Eingeweidenerven, zusammen, welcher, gedeckt von der Pleura,
auf den Wirbelkörpern herabläuft, durch den Lendenteil des Zwerchfelles (mit der
V. azygos) in die Bauchhöhle gelangt und in das Ganglion coeliacum eintritt.
Kurz vor seinem Durchtritt durch das Zwerchfell liegt ihm ein kleines Ganglion,
Ganglion splanchnicum (Arnold) an, welches einen Teil der Fasern des
Splanchnicus aufnimmt, feine Fäden zum Plexus aorticus und einen längeren Faden
durch das Zwerchfell zum Plexus coeliacus sendet. Fig. 304, 384, 395.
23*
440
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Der N. splanchnicus major erhält seine markhaltigen Nervenfasern aus den
Ranii communicantes des 4. bis 9. Brustnerven. Sie ziehen, im Grenzstrange
angelangt, an dessen medialer Seite herab und verlassen
denselben früher oder später als Splanchnicuswurzeln. Der
Splanchnicus ist jedoch kein reiner Spinalnerv, er enthält
auch sympathische Fasern. Das Verhältnis der marklosen
zu den markhaltigen Fasern ist nach Rüdinger 1:5.
Der N. splanchnicus erhält teils vasomotorische
Nervenfasern (für die Darmgefäße), teils motorische Fasern
(für die Darmmuskeln), teils sensible Fasern. Ein Teil
der motorischen Fasern zeigt die Eigenschaft der Hem-
mungsnerven, indem ihre Reizung die Peristaltik hemmt;
ein anderer Teil aber (excitierende) be-
schleunigt die Peristaltik.
6. N. splanchnicus minor (Fig. 304,
384, 395). Er entspringt gewöhnlich mit
zwei Wurzeln aus dem Grenzstrange, und
zwar aus dem zehnten und elften Ganglion
thoracale. Für die Abstammung seiner
Fasern gilt im allgemeinen das über den
Splanchnicus major Angegebene. Der
kleine Eingeweidenerv durchsetzt das
Zwerchfell entweder gemeinsam mit dem
Splanchnicus major, oder lateral von ihm,
medial vom Grenzstrange. In der Brust-
höhle verbindet er sich zuweilen mit dem
Splanchnicus major, gewöhnlich aber bleibt
er selbständig und schickt jenem nur Ver-
bindungsfäden zu. Endlich begibt er sich
zu jenem Teile des Plexus coeliacus, welcher
die Wurzel der A. renalis an ihrer oberen
und hinteren Seite umgibt, und verbindet
sich hier mit dem kleinen Ganglion renali-
aorticum. Ein Zweig des Splanchnicus
minor, der R. renalis, gelangt unmittel-
bar zum Plexus renalis. Dieser Zweig
kann auch selbständig aus dem Grenz-
strange entspringen und heißt dann
N. splanchnicus minimus s. imus.
2. Die Geflechte des Brust- und Bauchteiles des
Sympathicus.
/. Plexus aorticus thoracalis.
Er geht aus dem peripheren Teil des
Plexus cardiacus hervor, soweit Äste von
diesem zur Aorta ascendens gelangen. In
die Fortsetzung dieses Geflechtes greifen
Fig. 395.
Nn.splanchnici und Bauchgeflechte des Sympathicus.
Nach einem Präparat vom Kinde.
Die punktierte Linie zwischen g.s und g.ph bedeutet
die Schnittlinie des Diaphragma. Links sind Nebenniere
und Niere skizziert, rechts ein Teil des Grenzstranges
mit den Nn. splanchnici dargestellt. A.c A. coeliaca ;
A.ms A. mesentertca superior; de, d^—dl2 sechstes bis
zwölftes Brustganglion des Grenzstranges; /,, /.,, und /..
Lumbalganglien desselben; c, c Rami communicantes;
sp N. splanchnicus major; spl N. splanchnicus minor;
g.s Ganglion splanchnicum; p, p' dessen periphere
Fäden; coe rechtes, coe' linkes Ganglion coeliacum ;
G.ph Ganglion phrenicum ; t Stelle der Einsenkung des
linken N. splanchnicus major in die hintere Wand des
G. coeliacum sinistrum ; s.r Plexus suprarenalis ; r Plexus
renalis; r, /-" Ganglion desselben auf der rechten Seite.
Vom unteren Ende der Ganglia coeliaca entwickeln sich
die beiden die Aorta begleitenden Stränge des Plexus
aorticus abdominalis; 5 Ganglion des letzteren (G. sper-
maticum); y. v Verbindungsfäden mit dem Grenzstrauge;
mi Ganglion mesentericurn inferius; hy.s Plexus hypo-
gastricu>; v Anfang des Plexus hypog. inferior; u Ureter.
Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystem. 441
jene Fäden ein, welche von den ßrustganglien (teilweise auch vom N. splanchnicus
major) zur Aorta ziehen. Durch den Hiatus aorticus dringt dieser lockere Plexus
in die Bauchhöhle und hängt hier mit dem Plexus coeliacus zusammen.
2. Plexus coeliacus (Eingeweide- oder Sonnengeflecht, Cerebrtim abdominale).
Dieses mächtige Geflecht umgibt die Ursprünge der Aa. coeliaca und mesen-
terica superior, erstreckt sich lateral bis zu den Nebennieren, aufwärts bis zum
Hiatus aorticus, abwärts bis zur Wurzel der A. renalis. Der Plexus coeliacus liegt
hiernach auf dem Anfangsteil der Aorta abdominalis, vor den medialen Schenkeln
des Zwerchfelles. Fig. 304, 384, 395.
Die wichtigsten Wurzeln des Plexus coeliacus sind:
1. Die Nn. splanchnici.
2. Die abdominalen Äste der Nn. vagi, insbesondere des rechten
(Rr. coeliaci).
3. Mehrere Zweige der letzten Brust- und der zwei obersten Lenden-
ganglien.
4. u. 5. Oben hängt der Plexus coeliacus mit dem Plexus aorticus
thoracalis zusammen, nachdem dieser in die Bauchhöhle eingetreten
ist. Abwärts setzt er sich in den Plexus aorticus abdominalis fort.
Die Grundlage des Plexus coeliacus bildet ein paarig gelagertes, halb-
mondförmiges Ganglion von graurötlicher Farbe und ansehnlicher Größe, das
Ganglion coeliacum. Die Konvexität dieses Ganglion ist lateralwärts, die
Konkavität medianwärts gerichtet; der konvexe Rand reicht nahe bis zum medialen
Rande der Nebenniere. Das linke Ganglion liegt näher der Mittellinie und teil-
weise auf der Aorta, das rechte ist mehr zur Seite gerückt und ruht in der Gegend
der Spalte zwischen der medialen und der lateralen Zacke des Zwerchfelles. Durch
eine Anzahl kurzer grauer Fäden sind beide Ganglia coeliaca, deren obere und
untere Hörner ohnedies einander nahe liegen in gegenseitige Verbindung gesetzt.
Durch größere Annäherung, ein- oder doppelseitige Verschmelzung ergibt sich eine
ringförmige Gestalt des Doppelganglion, welches dann auch Ganglion solare
genannt wird. Durch zunehmende Einkerbungen kann andererseits eine mehr
oder weniger weit gehende Zerklüftung in einzelne Stücke eintreten. Einige dieser
isolierten Teile sind als besondere Ganglien beschrieben worden.
Besonders häufig zeigt sich ein kleiner isolierter Knoten an der rechten un-
teren Seite des Anfangsteiles der A. mesenterica superior, das unpaare Ganglion
mesentericum superius; besonders häufig ist ferner ein anderer Knoten am
oberen hinteren Umfange der A. renalis, das Ganglion renaliaorticum. In
letzteres tritt, wie oben erwähnt, gewöhnlich der N. splanchnicus minor ein,
während der Splanchnicus major, zuweilen in zwei Äste gespalten, die hintere
Fläche des lateralen Teiles des Ganglion coeliacum aufsucht. Ein drittes unpaares
Ganglion ist das Ganglion phrenicum, in der Nähe des oberen Endes der
rechten Nebenniere an der unteren Fläche des Zwerchfelles gelegen. Als Ursachen
der Zerklüftung machen sich im allgemeinen einmal die Einsenkung beson-
derer Wurzeln, sodann der Abgang besonderer Äste nach bestimmten
Richtungen geltend. Die vielfache Kreuzung und Verkettung der Elemente, ins-
besondere die strahlige Richtung der zahlreichen Ausläufer rechtfertigt die ältere
Benennung Sonnengeflecht, Plexus solaris.
442 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Aus dem Plexus coeliacus gehen folgende, teils paarige, teils unpaare se-
kundäre Plexus hervor.
a) Paarige sekundäre Geflechte des Plexus coeliacus.
a. Plexus phrenicus. Er wird von Fäden gebildet, welche um die Aa.
phrenicae inferiores ein lockeres Geflecht bilden und mit den Rami phrenico-
abdominales des N. phrenicus in Verbindung treten. Rechts erfolgt diese
Verbindung durch Vermittlung eines besonderen Ganglion, des bereits erwähnten
Ganglion phrenicum. Letzteres ist nicht zu verwechseln mit den im Zwerch-
fell selbst gelegenen, in den Teilungswinkeln der Phrenicusverzweigung gelegenen
kleinen Ganglien. Siehe S. 354.
;>. Plexus suprarenalis.
Es sind dies zahlreiche, meist parallel laufende, zum großen Teil weiße
Fäden, die vom lateralen Rande des Ganglion ausgehen, durch Fäden vom Plexus
phrenicus verstärkt werden und sich in die hintere mediale Fläche der Nebenniere
einsenken. Sie sind mit kleinen Ganglien versehen, durchziehen die Nebenniere
in radiärer Richtung und bilden in der Substanz derselben ein Geflecht, in welchem
einzelne zerstreute Ganglienzellen vorkommen.
■/. Plexus renalis.
Der mächtige Plexus renalis begleitet die A. renalis, entwickelt sich aus dem
Plexus coeliacus und dem Anfang des Plexus aorticus abdominalis, ferner aus dem
N. renalis posterior des N. splanchnicus minor, und aus Fäden der Pars lumbalis
des Grenzstranges. Sie sind mit kleinen Ganglien versehen, den Ganglia renalia.
Die Fäden sind meist solche grauer Art. Aus dem Plexus renalis geht ein Faden
zum Ureter herab. Die Ureternerven enthalten Ganglienzellen in zerstreuter und
zu kleinen Knötchen gehäufter Anordnung.
ö. Plexus spermaticus.
Er besteht aus grauen Fäden, die sich aus den Plexus renales und mesen-
tericus superior abzweigen und durch Fäden aus dem Plexus aorticus abdominalis
verstärkt werden. Die Vasa spermatica interna begleitend, gelangt er beim Manne
zum Hoden, beim Weibe zum Ovarium und zum Fundus uteri. Hier verbindet
er sich mit dem Plexus uterinus. Einer der Nervenfaserzüge gelangt auch zur
Fimbria ovarica und zum äußersten Ende der Tuba uterina.
b) Unpaare sekundäre Geflechte des Plexus coeliacus.
t. Plexus gastricus superior.
Er begleitet die A. gastrica sinistra, gelangt mit ihr zur kleinen Magenkurvatur,
tritt hier mit den Plexus gastrici des Vagus in Verbindung und steht durch feine,
auf die A. gastrica dextra übergehende Fasern mit dem Plexus hepaticus in Zu-
sammenhang. Er enthält einzelne mikroskopische Ganglien (C. Krause).
t. Plexus hepaticus.
Das Lebergeflecht setzt sich aus Ästen besonders des rechten Vagus und
des Plexus coeliacus zusammen. Starke, platte Stränge umgeben in Form eines
engmaschigen Netzes die A. hepatica und die Ductus choledochus, hepaticus und
cysticus, feine Äste gelangen auch zur Pfortader. In dem Geflecht sind kleine
mikroskopische Ganglien und einzelne zerstreute Ganglienzellen enthalten. Mit
den Ästen des Ductus hepaticus und der A. hepatica dringen zahlreiche feine
Zweige ins Innere der Leber, welche überwiegend aus marklosen Fasern bestehen.
Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystem. 44.3
Abzweigungen des Lebergeflechtes folgen den Asten der Arteria hepatica,
die als A. gastrica dextra und A. gastroduodenalis bekannt sind, zur kleinen Kur-
vatur des Magens, zur großen Kurvatur desselben und zum Pankreas. Man nennt
das der A. gastroduodenalis folgende Geflecht den Plexus gastricus inferior.
Mit dem Ductus cysticus und der A. cystica dringen feine Nervennetze zur Gallen-
blase, welche im Körper und Grunde derselben Ganglienzellen führen. Dieser
Plexus liegt teils zwischen der Serosa und Muscularis, teils zwischen der letzteren
und der Mucosa (L. Gerlach).
i). Plexus lienalis.
Das Milzgeflecht bezieht seine Faden besonders aus dem linken Ganglion
coeliacum und aus dem rechten Vagus. Die Fäden umspinnen die A. lienalis
und ihre Zweige. So gelangen Fasern des Plexus zur großen Kurvatur, besonders
zum Magengrunde und zum Pankreas. Die Milznerven bestehen größtenteils aus
marklosen Fäden.
9-, Plexus mesentericus superior.
Er geht aus dem unteren Rande des Plexus coeliacus hervor und begleitet
mit weißgrauen, netzförmig verbundenen Fäden die A. mesenterica superior und
ihre Verzweigungen. Deutlich ist in dem Plexus mesentericus superior die Be-
teiligung von Fasern der Splanchnici und der Vagi ausgesprochen. Der Astfolge
der A. mesenteria superior entsprechend können mehrere Reihen von Zweigen des
Plexus unterschieden werden, so
1. Rami pancreaticoduodenales, für den Kopf des Pankreas und
den unteren Teil des Duodenum;
2. Rami intestinales, für das Jejunum und Ileum;
3. Rami colici für das Caecum, Colon ascendens und einen Teil des
Colon transversum.
Am Mesenterialrande des Dünndarmes treten die Nerven unter der Serosa in
geflechtartige Verbindung und senden durch die Längsmuskulatur zahlreiche Fäden
zu einem Ganglienplexus, welcher zwischen der Längs- und Ringschicht der Mus-
cularis gelegen ist. Dieser Plexus hat den Namen Plexus myentericus oder
Auerbachscher Plexus. Er besteht aus Längs- und Querbündeln, welche in
den Knotenpunkten neben marklosen Fasern zahlreiche kleine und mittlere multi-
polare Ganglienzellen führen. Letztere sind die Ausgangspunkte neuer mark-
loser Fasern. Von diesem Geflecht entwickelt sich an der inneren Seite ein
sekundärer ganglienzellenloser Plexus feinster markloser Fasern, welche die Mus-
cularis innervieren. Das Auerbachsche Geflecht ist im ganzen Dünn- und
Dickdarm vorhanden; es fehlt auch nicht im Magen und erstreckt sich über
die Speiseröhre hinaus zur Schlundwand, um hier sein Ende zu finden; im Ge-
.biet des M. buccinator ist es nicht mehr vorhanden. Siehe Abt. IV, S. 96, 110, 125.
Einwärts vom Plexus myentericus und mit ihm durch zahlreiche Nervenfäden
verbunden befindet sich in der Submucosa des Darmes der Plexus submucosus
oder das Meißn ersehe Geflecht. Seine Maschen sind weiter; es enthält jedoch
ebenfalls Ganglienzellen und Ganglienzellengruppen. Es ist für die Gefäße der
Submucosa, für die Brunnerschen Drüsen, wahrscheinlich auch für die Muscu--
laris mucosae, ferner für die Schleimhaut bestimmt. In der Schleimhaut bilden
die Fädchen ein die Lieberkühnschen Drüsen umspinnendes Geflecht. Feine
Nervennetze dringen in die Zotten selbst vor und finden hier ihre Ausbreitung.
444
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Der Meißnersche Plexus hat dieselbe Ausdehnung wie der Auerbach-
sche und erstreckt sich durch den ganzen Darmkanal.
An den Nerven des Mesenterium kommen Vater-Pacinische Körperchen
vor. Besonders sind solche am Plexus lienalis,
Fig. 396.
Zellen eines Ganglion des Auerbachschen Geflechtes vom Meer-
schweinchen. (A. S. Dogiel, 1895.)
a Neurit; b Dendriten, von welchen einige die sympathischen Zellen um-
flechten; c sympathische Zellen mit körnigem Pigment, welche mit
iMethylenblau nicht gefärbt sind ; d Nervenfasern der Bündel. A Ganglion ;
B Nervenfaserbündel, welche die Ganglien miteinander verbinden.
im Anfangsteil des Plexus mesen-
tericus superior gefunden wor-
den. Konstant befinden sie
sich auch in dem Bindegewebe
hinter dem Pankreas.
3. Plexus aorticus abdominalis.
Das Bauchaortengeflecht
entwickelt sich aus dem Plexus
coeliacus und bildet im wesent-
lichen zwei, den Seiten der
Aorta aufliegende, durch Quer-
äste verbundene Stränge, welche
abwärts konvergieren und sich
unterhalb der A. mesenterica
inferior zum Plexus hypogastri-
cus superior vereinigen. Sie
werden verstärkt durch die von
den Ganglia lumbalia zuge-
sendeten Äste. An den Ver-
einigungsstellen dieser mit dem
Plexus sind kleine Ganglien
gefunden worden. Beide Längs-
stränge schicken zur Wurzel
der A. mesenterica inferior
mehrere Fäden ab, die gegen
ein an der unteren Seite jener
Arterie liegendes Ganglion,
Ganglion mesentericum
inferius, ziehen und in ein
Geflecht übergehen, welches
die A. mesenterica inferior und
ihre Zweige umgibt, Fäden
zum Colon descendens, zum
Colon sigmoideum und zum oberen Teil des Rektum gelangen läßt.
4. Plexus mesentericus inferior.
Er begleitet die A. colica sinistra und die A. haemorrhoidalis sup. Die von
ihm zum oberen Teil des Rektum ziehenden Äste, Nn. haemorrhoidales supp.,
bilden den Plexus haemorrhoidalis sup.
5. Plexus iliacus.
Er begleitet die A. iliaca communis, setzt sich auf die A. iliaca externa und
die A. femoralis und poplitea fort. Hier heißt er Plexus femoralis und Plexus
popliteus.
Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystem.
445
6. Plexus hypogastricus superior.
Das obere Beckengeflecht ist die unpaare Fortsetzung des Plexus aorticus
abdominalis, liegt auf dem unteren Teil der Aorta abdominalis und setzt sich von
liier aus über die Teilungsstelle der Aorta bis zum Promontorium fort. Das Ge-
flecht wird verstärkt durch Fäden, welche aus den unteren Lendenknoten zu ihm
gelangen. Das Geflecht setzt sich fort in die beiden Plexus hypogastrici inferiores
des Beckens.
V. cava inf.
Aorta abdominalis
I
Paraganglion lumbale —
(dextrum)
V. renalis sinistra
Ureter
Paraganglion lumbale
'(sinistrum)
- A. mesenterica inf.
Plexus aorticus abdominalis
A. Üiaca communis
Fig. 397.
Sympathische Nebenkörper eines Neugeborenen. (E. Zuckerkandl, 1901.)
Die Nebenorgane des Sympathicus (Zuckerkandl) Paraganglien (Kohn). Fig. 397.
Als Paraganglien bezeichnet Kohn besondere Organe, welche nach Her-
kunft und Lage stets in enger Beziehung zum Sympathicus stehen und aus
besonderen, Chromsalze begierig aufnehmenden und festhaltenden Zellen (chrom-
affinen Zellen), Nervenzellen und Nervenfasern bestehen und sehr gefäß-
reich sind.
Zu diesen Organen gehören die Carotisdrüse (Abt. III, S. 280), die Mark-
substanz der Nebenniere (Abt. IV, S. 279), sowie die Nebenorgane des
Sympathicus, welche Zuckerkandl im retroperitonäalen Gewebe neben der
Aorta gefunden hat. An den genannten Stellen sind die chromaffinen Zellen in
größeren Mengen, als verhältnismäßig selbständige Gebilde, vorhanden; sie finden
sich aber zerstreut in größerer und geringerer Zahl innerhalb der sympathischen
Nerven und Ganglien.
Wenn man auf Grund dieser Feststellungen den Paraganglien besondere
446
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Stellung und besondere Bezeichnung geben will, so können die Carotisdrüse als
Paraganglion intercaroticum, die Marksubstanz der Nebenniere als Para-
ganglion suprarenale, die Zuckerkandischen Nebenorgane als Paraganglia
lumbalia bezeichnet werden.
Zuckerkandl.E., Über Nebenorgane des Sympathicus im Retroperitonäalraum des Menschen.
Verh. anat. Ges. 1901. — Kohn, A., Arch. mikr. Anat. Bd. 56, 1900. — Derselbe, Prager med.
Wochenschr. 1902. — Derselbe, Die Paraganglien. Arch. mikr. Anat. Bd. 62, 1903.
Entwicklung des Bauchteiles des
Sympathicus. Fig. 398.
Die Entwicklung des Bauchsympathicus
des Menschen (und des Kaninchens, der Katze)
ist nach W. His jr. (1897) eine wesentlich
einfachere, als die des Hühnchens, weil die
zwei Gebilde, die das letztere auszeichnen,
der sekundäre Grenzstrang und der Darmnerv,
dem Menschen fehlen. Bei einem mensch-
lichen Embryo von 10,2 mm Nackenlänge
finden wir daher schon eine Anordnung,
welche die Grundlage der Gestaltung des Er-
wachsenen bereits im wesentlichen widergibt.
In diesem Stadium besteht der Grenz-
strang noch aus einem ungegliederten, stellen-
weise mehrfaserigen Stamme, der mit den
Spinalwurzeln durch Rami communicantcs
zusammenhängt (in der Figur nicht dargestellt).
Ober- und unterhalb der A. omphalomesen-
terica finden sich mächtige Ganglienlager,
die von links und rechts die Aorta umgreifen
und vor ihr sich vereinigen. Aus dieser Ver-
einigung sowohl, als aus den Flanken ent-
springen kurze, faserige Nervenstämme, die
teils deutlich gegen die Nieren und teils gegen
das Gekröse ausstrahlen, ohne jedoch die
Epithelwand des Verdauungsrohres zu errei-
chen. In diesen Lagern haben wir die An-
lage des Plexus coeliacus vor uns, der
freilich noch nicht in seine späteren Abtei-
lungen gegliedert ist.
Die beiden Stämmchen, welche das
obere der beiden Ganglien mit dem Grenz-
strang verbinden, sind die Anlage des
N. splanchnicus major und minor; das untere
stellt die Verbindung des Ganglion mesen-
tericum superius mit dem Grenzstrang vor.
Aus dem oberen Ganglion entspringen zwei
etwas längere Nerven, deren einer sich im Mcsoblast des Pylorus verliert, wahrend der andere
längs der A. omphalomcsenterica verläuft und im Darmgekröse endigt.
„In der Nähe der Aa. umbilicales schwillt der Grenzstrang mächtig an, indem er auch liier
von beiden Seiten Ganglienmassen entsendet, die gegen die Mitte konvergieren und sich teil-
weise vereinigen. Auch hier entspringen kurze dicke Bündel, die nach den Organen des Unter-
leibes hinstreben; es bildet dieser Komplex, der sich vom Grenzstrang noch nicht getrennt hat,
die Anlage des Ganglion an der A. mesenterica inferior, sowie der verschiedenen Beckenganglien
und des Bauchaortenplcxus."
Auch diese Geflechte stehen, wie der Grenzstrang, von vornherein mit den Spinalnerven
durch dicke faserige Stämme in Verbindung.
Grenzstrang und Bauchganglien eines menschlichen Em-
bryo von 10,2 mm Nackenlänge. 20:1.
Konstruiert nach Querschnitten.
K Kehlkopfanlage; T Luftröhre; L die Lungengä'nge; Oe Oeso-
phagus; AI Magen, von den Vagusästen umsponnen; D' Dünn-
darm; D" Dickdarm; Ao Aorta; Am A. omphalomesenterica ;
Au A. umbilicalis; Sy Grenzstrang; Sp Anlage der Nn. splanch-
nici ; Pc Anlage des Plexus coeliacus; Bg Anlage der Becken-
geflechte. Bei :{ Gruppen von Ganglienzellen in der Magen-
wand. (W. His jr., L897.)
Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystem.
4-17
Der N. vagus ist ein mächtiger faseriger Stamm, der über der Cardia sich mit den Nerven
der anderen Seite verbindet und die Mesoblastwand des Magens dicht unter dem Peritonaeum
mit einem breiten faserigen Geflecht durchzieht. An beiden Kurvaturen befinden sich kleine Gan-
glienzellenhaufen ; andere Ganglienzellen dringen, mit vielen Nervenfasern, vom Grenzstrange her
in die Magenwand.
Die Darmwandganglien kommen also von außen heran und verbreiten sich erst später im
Mesoblast der Darmwand der Länge und Quere nach. Ihre Zerlegung in Schichten hängt mit
dem Auftreten der Muskelschicht zusammen.
C. Beckenteil des Sympathicus.
1. Astbildung und Verbindungen. Fig. 384, 399.
Die Ganglien des Sakralteiles senden fol-
gende Äste und Verbindungen aus:
1. Rami intergangliares, einfache oder
doppelte longitudinale Zwischenstränge;
2. Rami communicantes, zur Verbin-
dung mit den spinalen Nervenstämmen;
3. Rami transversi, querverlaufende Ver-
bindungen zwischen den Grenzsträngen beider
Seiten. Sie kommen unbeständig auch am
Lenden- und Brustteil vor;
4. zahlreiche Äste vom Grenzstrang zu dem
Plexus hypogastricus inferior und den Gefäßen
ziehend.
2. Geflechte des Beckenteiles des Sympathicus.
Die Plexus hypogastrici inferiores,
untere Beckengeflechte.
Sie gehen aus der Fortsetzung des Plexus
hypogastricus superior hervor und bestehen an-
fangs aus zwei Strängen, welche an der medialen
Seite der Vasa hypogastrica des kleinen Beckens
liegen und an die laterale Fläche des Rektum'
gelangen. Im Grunde des kleinen Beckens, un-
mittelbar oberhalb des Levator ani breiten sie
sich zu einem reichen Geflecht aus, welches
durch Aufnahme der Äste aus dem Grenzstrange, ferner durch Äste von Sil und III
bedeutend verstärkt wird.
Aus diesem Geflecht gehen zahlreiche Nerven für die Beckeneingeweide
hervor. Die unmittelbaren Zweige aus den Sakralnerven sind gleichsam als Nn.
splanchnici sacrales zu betrachten, welche die Grenzstrangganglien überspringen.
Die kleineren Geflechte verlaufen teilweise mit den visceralen Ästen der A. hypo-
gastrica zu ihren Organen. Das Rektal- und Blasengeflecht ist beiden Geschlechtern
gemeinsam. Zwischen beiden liegt beim Manne der Plexus seminalis und deferen-
tialis, welcher durch den Plexus prostaticus in den Plexus cavernosus übergeht
und mit dem Plexus vesicalis zusammenhängt. Beim Weibe findet sich statt
dieser Geflechte der Plexus uterovaginalis.
Fig. 399.
Sakralteil des Grenzstranges des Neu-
geborenen, schwach vergrößert.
51 — si die vier Sakralganglien; c das unpaare.
aber seine Zusammensetzung aus zweien noch
andeutende Ganglion coecygeum mit starken
peripheren Zweigen, die mit der A. sacralis
media verlaufen. Dorsal vom Ganglion coecy-
geum ein kleines Zwischenganglion ; ri Ramus
transversus zwischen den beiden , bzw. drei
letzten Sakralganglien. Prismazeichnung des
zwischen Glasplatten liegenden Präparates.
448 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
. Aus dem Plexus hypogastricus gehen hiernach folgende sekundäre Ge-
flechte hervor:
(f. Plexus haemorrhoidalis medius.
Er entwickelt sich aus dem oberen hinteren Teile des Plexus hypogastricus
inferior. Mit den Nerven des Plexus haemorrhoidalis sup. bildet er ein Geflecht,
von welchem Zweige in die Wand des Rektum eintreten.
i. Plexus vesicalis.
Das Blasengeflecht entsteht aus dem vorderen unteren Abschnitt des Stamm-
plexus, sowie aus dem Plexus deferentioprostaticus (uterovaginalis). Seine Nerven
folgen anfangs den Gefäßen, werden später selbständig und gelangen besonders
zum Blasengrunde (Nn. vesicales inferiores) und zum oberen Teil der Blase
(Nn. vesicales superiores). Das Blasengeflecht ist reich an markhaltigen
Nervenfasern, welche aus S III und IV stammen. Die Nerven für den unteren
Teil des Ureter entwickeln sich ebenfalls vom Plexus hypogastricus und stehen
mit dem Plexus vesicalis in unterer Verbindung. Von den, oberhalb seiner Ein-
mündungsstelle in die Blase zu ihm gelangenden Nerven, entspringt einer aus
dem Anfangsteil des Beckengeflechts und dringt in den Ureter an der Stelle ein,
wo dieser die Beckengefäße kreuzt; ein zweiter Faden folgt weiter unten, ein
dritter gelangt vom ersten Sakralknoten zu ihm (Frankenhäuser).
■/. Plexus deferentialis, seminalis und prostaticus.
Dieses Geflecht besteht aus einem, die Vesicula seminalis und die Ampulle
des Ductus deferens umspinnenden, Ganglienzellen führenden Geflecht, aus welchem
Fasern den Ductus deferens aufwärts begleiten. Eine derselben gelangt zum Leisten-
kanal und mit dem Plexus spermaticus zum Hoden (Schlemm). Unten geht der
Plexus seminalis in den Plexus prostaticus über, welcher seine Lage zwischen der
Prostata und dem Levator ani hat und kleine Ganglien, Ganglia prostatica,
einschließt. Auch in diesen Plexus gelangen Fasern von Slü und IV, in welchen
Eckhardt die Nn. erigentes des Penis nachgewiesen hat. In der Bahn der Nn.
erigentes kommen nach Loven und Nikolsky Ganglienzellen vor. Fasern,
welche die Penisgefäße verengern, sind in der Bahn des N. pudendus ent-
halten (Loven).
ö. Plexus cavernosus penis.
Er bildet die Fortsetzung des Plexus prostaticus nach vorn, folgt der Pars
membranacea urethrae, durchbohrt darauf mit mehreren Zweigen den M. trans-
versa perinei profundus und gelangt zur dorsalen Fläche der Peniswurzel, wo er
sich mit Ästen des N. penis aus dem N. pudendus verbindet. Aus dieser Verbindung
gehen die Nn. cavernosi penis hervor, mehrere minores, und jederseits ein
major (J. Müller). Jene ersteren treten in die Wurzel des Corpus cavernosum
penis ein. Der N. cavernosus gibt Zweige in das Corpus cavernosum urethrae
und in das Corpus cavernosum penis seiner Seite ab, läuft an der dorsalen Seite
des letzteren vorwärts, verbindet sich mehrfach mit Zweigen des N. dorsalis
penis und endigt schließlich im Schwellkörper des Penis. Einzelne Fäden ge-
langen zum Schwellkörper der anderen Seite und verbinden sich auch wohl mit
dem N. cavernosus dieser Seite. Die Nn. cavernosi bestehen vorwiegend aus
marklosen Fasern.
Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystem. 449
; ■'. Plexus uterovaginalis.
Das Utero -Vaginalgeflecht stellt beim Weibe die Hauptmasse des unteren
Teiles des Plexus hypogastricus inferior dar, liegt auf der lateralen Seite des
oberen Teiles der Vagina und des Collum uteri und sendet von hier Ausläufer zur
vorderen und zur hinteren Wand dieser Organe, ebenso an der Vagina abwärts,
an dem Uterus aufwärts. Aus SM und IV, nach Frankenhäuser auch aus Sil,
bezieht der Plexus reichlich spinale Fasern. In die Verzweigungen des Plexus
sind von der Mitte der Scheide an bis zum oberen Ende des Uterushalses zahl-
reiche kleine Ganglien eingelagert, welche neben dem Scheidengewölbe etwas
ansehnlicher sind. Eine plattenförmig verschmolzene Gruppe dieser paracervikalen
Ganglien beschreibt Frankenhäuser als Cervikalknoten. Vom oberen Rande
desselben geht nach demselben Beobachter der größere Teil der Uterusnerven aus;
ein kleinerer stammt unmittelbar aus dem Plexus hypogastricus. Aus dem gleichen
Gebiet entstehen auch Fasern für das untere Gebiet des Uterus, für die Blase und
Scheide.
Am Fundus uteri treten Fäden des Plexus uterinus mit Zweigen des Plexus
spermaticus zusammen.
<J'. Die Nerven der Schwellkörper der Clitoris, N. cavernosus clitoridis
major et Nn. cavernosi clitoridis minores, stammen nach Valentin aus
dem Plexus vesicovaginalis und bilden den Plexus cavernosus clitoridis.
D. Kopfteil des Sympathicus. Fig. 400.
Als Ganglien, welche dem Kopfteil des Sympathicus angehören, werden
ihrer Struktur und Entwicklung wegen unbestritten angesehen: Das Ganglion
oticum, sphenopalatinum, ciliare, submaxillare, sublinguale.
Ebenfalls als sympathische Ganglien zu betrachten sind eine Menge von
Mikroganglien, welche z. B. in der Zunge, in den Speicheldrüsen, im Auge ihre
Lage haben.
Von diesen vielen Ganglien sind die drei zuerst genannten zweifellos Grenz-
strangganglien gleichwertig, während die übrigen periphere sympathische Gan-
glien darstellen.
Wie am Rumpfteil des Sympathicus, so sind auch an seinem Kopfteil Ver-
bindungen, Geflechte und Äste der Ganglien zu unterscheiden.
Im einzelnen verhält sich der Kopfteil des Sympathicus folgendermaßen:
Vom Ganglion cervicale superius haben dessen Verbindungen mit dem Hypo-
glossus, Vagus und Glossopharyngeus bereits oben (S. 431) Erwähnung gefunden.
Dasselbe Ganglion aber läuft in zwei obere Äste aus, von welchen der eine stark,
der andere schwächer ist. Der letztere, N. jugularis, wendet sich zur Nerven-
abteilung des Foramen jugulare und spaltet sich in zwei Fäden, von welchen der
eine zum Ganglion jugulare n. vagi zieht, während der andere seinen Weg zu dem
Ganglion petrosum n. glossopharyngei nimmt.
Der stärkere obere Ast des Ggl. superius, der N. caroticus internus, be-
gleitet die A. carotis interna in den Canalis caroticus und spaltet sich am Beginn
desselben in zwei Äste, einen Ramus medialis und einen Ramus lateralis.
a) Der stärkere Ramus lateralis zieht anfangs an der hinteren, dann an
der lateralen Wand der Carotis interna empor, bildet mit Fäden des Ramus medialis
450
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
ein Geflecht um das genannte Gefäß, den wichtigen Plexus carotictis internus.
und tritt vielfach mit Hirnnerven in Verbindung. Diese Verbindungen sind:
1. Ein oder zwei Verbindungszweige mit dem Plexus tympanicus: N.
caroticotympanicus inferior und superior. (Der letztere heißt
auch N. petrosus profundus minor).
2. N. petrosus profundus.
Er verbindet den lateralen Ast und mit ihm das Ganglion superius
mit dem Ggl. sphenopalatinum, besteht wesentlich aus grauen Fasern
und gehört zur Klasse der Rami intergangliares oder Zwischenstränge.
Fig. 400.
Kopfteil des Sympathicus.
///, V, V//, IX, XII die diesen Ziffern entsprechenden Hirnnerven.
1 Ganglion cervicale superius nervi sympathici; 2 unterer Zwischenstrang (R. intergangliaris
inferior); 3 N. cardiacus superior; 4 und 5 Verbindungszweige des II.- IV. Halsnerven ; 6 Ver-
bindungszweig des I. Halsnerven und des N. hypoglossus; 7 Verbindung mit dem Vagus
(Ganglion nodosum) ; S Verbindung mit dem Hypoglossus; 9 X. jugularis und seine Verbin-
dungen mit dem Glossopharyngeus (IX) und Vagus (X); 10 N. caroticus internus; 11 X. carotico-
tympanicus inferior; 12 Rami tympanici ; 13 N. carolicolymp. sup.; 14 R. lubae; 15 X'. petrosus
superficialis minor; 16 N. petrosus superficialis major; 17 Ganglion geniculi; 18 N. canalis
pterygoidei; 19 Ganglion oticum ; 20 Ganglion sphenopalatinum; 21 Ganglion ciliare: 22 Nn.
ciliares; 23 Radix sensiliva; 24 Radix sympathica des Ganglion ciliare; 25 die sympathischen
Fäden zu den drei Augenmuskelnerven und dem R. I. trigemini; 26 Fäden des Sympathicus
zur A. Ophthalmien iden Plexus ophthalmicus bildend); 27 Zweige zur Hypophysis und zur
Dura; 28 Faden zum Ganglion semilunare; 29 Faden zum N. laryngeus superior; 30 Aste zum
Plexus caroticus ext.; 31 Rr. phaiyngei; 32 und 34 A. carotis interna; 33 A. ophthalmica.
3. Ein Verbindungszweig mit dem N. petrosus superficialis major
legt sich dem letzteren in der Nähe des Porus caroticus internus an
und zieht an jenem Nerven rückwärts zum Hiatus canalis facialis und
zum N. facialis.
4. Verbindungszweige zum N. abducens, welche den letzteren inner-
halb seines Weges im Sinus cavernosus an der lateralen Carotiswand
erreichen.
b) Der schwächere Ramus medialis gibt Fäden zum Plexus caroticus
internus, gelangt allmählich zur unteren Wand der Carotis interna und bildet
besonders das im Bereich der dritten Biegung der Carotis interna gelegene Ge-
flecht, welches wegen seiner Lage im Sinus cavernosus den Namen Plexus
cavernosus führt. An der Bildung des Geflechts ist der laterale Ast nur mit
einzelnen Fäden beteiligt.
Das vegetative, sympathische oder Ganglicnnervcnsystem. 451
Der Plexus cavernosus entsendet folgende Äste:
1. einige Fäden zum N. abducens.
2. Verbindungsfäden zum N. oculomotorius.
3. Einen Faden zum N. trochlearis.
4. Verbindungsfäden zum Ganglion semilunare und Ramus I tri-
gemini.
5. Die Radices sympathicae des Ganglion ciliare.
6. Zweige für die Hypophysis cerebri, für welche unter den Neueren
besonders Henle eingetreten ist.
7. Äste für die Carotis interna selbst. Sie bilden feine Geflechte um dieses
Gefäß, setzen sich auf dessen Äste fort und bilden den Plexus arteriae
cerebri anterioris, den Plexus arteriae cerebri mediae, sowie
den Plexus arteriae chorioideae. Zwei oder drei Fäden wenden
sich zur A. ophthalmica (C. Krause) und bilden den Plexus oph-
thalmicus.
4. Von dem Sympathicus der Tiere.
Über diesen weitläufigen Gegenstand sind hier nur einige Bemerkungen am Platze, welche
sich zunächst auf den Kopfteil des Sympathicus beziehen.
Die Ausbildung eines dem Grenzstrange des Rumpfes entsprechenden, mit segmentalen Ganglien
versehenen Längsstranges verhält sich im Kopf der Säugetiere nicht anders als beim Menschen. Sie
beschränkt sich auf einige mehr oder weniger dünne Zweige, welche in Längsrichtung von einem
zum andern Hirnnerven ziehen, beide kreuzen und an den Kreuzungsstellen Ganglien tragen. Bei
Vögeln und Batrachiern sind diese Ganglien sehr klein, bei den Plagiostomen fehlt sogar
ein Kopfteil des Sympathicus gänzlich. Von Amphioxus und Myxine fand Johannes Müller
schon vor Dezennien, daß sie überhaupt keinen Sympathicus besitzen. Er schloß jedoch aus diesem
Mangel nicht auf eigentliches Fehlen, sondern nur auf Nichtsonderung. Denn er stellte die
Anschauung auf, daß die sympathischen Elemente für diese Tiere im cerebrospinalen System mit
einbegriffen seien.
Mit dieser Anschauungsweise bekannt, suchte His jr. nach histologischen Beweisen für die-
selbe und fand in der Tat an Embryonen von Knochenfischen und Haien, daß deren Kopfganglien
aus zweierlei Elementen bestehen. Die eine Art von Zellen besitzt die bipolare Form und Größe
der Spinalganglienzellen, die andere Art aber besteht aus kleineren Zellen, die nur einen,
bald peripher, bald zentral gerichteten Fortsatz besitzen. Diese zweite Art von Zellen liegt stets
an der Peripherie des Ganglion, bald seitlich, bald an einem der Pole; die innere Masse des Gan-
glion wird stets durch die erste Art gebildet. Die Annahme eines Jugendzustandes für diese Zellen
ist ausgeschlossen; daß dieselben kleinen Zellen an den Ganglien der Spinalnerven nicht vor-
kommen, wird von dem Beobachter nicht unmittelbar angegeben, doch scheint er solche nicht wahr-
genommen zu haben und vermutet daher, daß diese kleinere Zellengattung sympathische Elemente
darstellt. Bei den Fischen und beim Frosch liegt nach ihm das Verhältnis folglich so, daß der
größere Teil der sympathischen Kopfganglien mit den betreffenden spinalen Kopfganglien in Ver-
bindung bleibt und eine Trennung sich nicht vollzieht wie bei den übrigen.
Die multipolaren Sympathicuszellen des Kaninchens sind (nach Guye und Schwalbe) mit
zwei Kernen versehen. 4
Sigmund Mayer beobachtete in den sympathischen Ganglien des Frosches, Salamanders
und anderer Tiere vielkernige Protoplasmakörper, sogenannte Zellennester, und brachte dieselben
mit einer Regeneration der Zellen in Zusammenhang.
Über die Rami communicantes des Pferdes macht Onodi folgende Angaben:
Die aus dem Rückenmark kommenden, durch die Rami communicantes in den Grenzstrang
gelangenden cerebrospinalen Fasern teilen sich in zwei, an Größe sehr verschiedene Teile, deren
Verlaufsrichtung an verschiedenen Abschnitten des Grenzstranges verschieden ist. Vom 6. bis
7. sympathischen Brustganglion angefangen, steigt der größte Teil der Fasern der weißen Rami
communicantes im Grenzstrange aufwärts und nur ein kleiner Teil abwärts. Bei den Rami com-
452
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
municantes der übrigen Brustknoten steigt der größte Teil abwärts, nur ein kleiner Teil aufwärts.
Diejenigen cerebrospinalen Faserbündel, die vom 7. Brustganglion an im Grenzstrange abwärts
ziehen, gehen, was den Brustteil betrifft, im Splanchnicus major und minor zu den Eingeweiden.
Der größere Teil der Fasern in den Rami communicantes des Lendenteils begibt sich im
Grenzstrange abwärts, ein kleiner Teil aufwärts. Vom dritten und vierten Ramus communicans
lumbalis lassen sich durch den Plexus mesentcricus inferior Fasern verfolgen, welche die hintere
Wand und den Scheitel der Blase, sowie auch den oberen und mittleren Teil des Rektum versorgen.
Weiter kaudal nimmt in den Rami communicantes die Zahl der cerebrospinalen Fasern immer mehr
ab. Die grauen Rami communicantes ziehen hier überwiegend zur Peripherie der Sakralnerven,
nur ein geringer Anteil zieht in ihnen zentralw.irts. Der Grenzstrang schließt an beiden Seiten
in der Ursprungshohe des fünften Sakralnerven mit einem großen Ganglion ab, dessen Aste
die Schweifarterie begleiten.
Fig. 401.
Fig. A. Querschnitt des Rumpfes eines menschlichen Fetus vom Anfang des zweiten Monates.
1 Ganglion spinale; 2 Radix anterior; 3 gemeinsamer Stamm; 4 Ramus communicans; 5 Chorda dorsalis; 6 Aorta, rechts
sympathische Zellen, die vom üanglion spinale auswandern.
Fig. B. Eine junge sympathische Nervenzelle mit dem großen Kerne, dem Protoplasma und dem einen Fortsatz.
Fig. C. Kleiner Teil des Grenzstranges (1 — 1) mit einem Grenzstrangganglion (3) und dem Ramus communicans (2).
Der Neurit hat im Grenzstrang teils absteigende, teils aufsteigende Richtung, im Ramus communicans aufsteigende Rich-
tung; eine Zelle ist in Mitose begriffen. (.W His.)
5. Entwicklung des Sympathicus. Fig. 401.
Während man in früherer Zeit die Elemente des Sympathicus vom mittleren Keimblatt ab-
leitete, wurde zuerst von Schenk darauf hingewiesen, daß das äußere Keimblatt, wie dem übrigen
Nervensystem, so auch dem Sympathicus den Ursprung gebe. Darauf zeigte Balfour die Be-
rechtigung einer solchen Anschauungsweise, indem er fand, daß das sympathische Nervensystem
im Zusammenhang mit den cerebrospinalen Nerven seinen Ursprung nimmt und in letzter Linie
vom Ektoblast abstammt. Die sympathischen Ganglien zeigten sich bei Selachierembryonen immer
als kleine Anschwellungen an den Hauptstämmen der Spinalnerven, etwas unterhalb ihrer Spinal-
ganglien. An älteren Embryonen waren die sympathischen Ganglien von den spinalen weiter
entfernt, zugleich aber durch Entwicklung von Zwischensträngen unter sich in Verbindung getreten.
Am eingehendsten hat sich darauf Onodi mit dem Gegenstand beschäftigt und die Beweise für
die Richtigkeit jener Vermutung vermehrt. Die sympathischen Ganglien stammen nach ihm von
Wucherungen der Spinalganglien an deren ventralen Teilen, mit Abiflsuag der bewucherten Zellen
Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystem.
453
und Bildung selbständiger Organe. Die Anlagen der einzelnen Glieder der ganzen Kette sind an-
fänglich voneinander isoliert, später aber wachsen die Ganglien einander entgegen und verbinden
sich zum Grenzstrange. Aus weiteren Vorschüben von Zellen in die Peripherie leiten sich darauf
die sekundären Geflechte und Ganglienanhäufungen ab.
Wesentlich in derselben Weise hat sich in dieser Frage His ausgesprochen, doch betrachtet
er den Vorgang der Bildung der sympathischen Ganglien nicht sowohl als eine Abschnürung
von den Spinalganglicn , sondern als eine Auswanderung unreifer Elemente aus den Spinal-
ganglien in das Gebiet des werdenden Grenzstranges. Dies geschieht beim Menschen im Beginn des
zweiten Fetalmonates. Zu dieser Zeit ist der Ramus eommunicans der Spinalnervenstämme bereits
entwickelt; Fädchen von ihm gelangen zur Aorta, andere aber biegen in die Längsrichtung um, ohne
schon jetzt einen zusammenhängenden Grenzstrang zu bilden. Mit anderen Worten: die spinalen
Elemente des zukünftigen gemischten Grenzstranges eilen den sympathischen in ihrer Entwicklung
voraus und zeigen den einwandernden sympathischen Zellenscharen die einzuschlagende Bahn an. Die
reiferen Zellen der Spinalganglien sind auf dieser Stufe bereits bipolar; die jungen sympathischen
Neuroblasten aber sind noch unipolar; der einzige Fortsatz liegt im Ramus eommunicans am zentralen
Zellenpol; im Zwischenstrange kann der Fortsatz nach oben oder nach unten sich erstrecken (siehe
Fig. 401 c). Erst in späterer Zeit tritt eine Vermehrung der Fortsätze auf (siehe Herznerven S. 439).
Wie man erkennt, gibt auch in dieser Fassung das primitive spinale Ganglion, welches
demgemäß richtiger Ganglion commune zu nennen sein wird, den Mutterboden für die sym-
pathischen Ganglien ab; die zurückbleibenden Elemente werden zu Spinalganglien-, die Auswanderer
zu sympathischen Zellen.
Ob man die sympathischen Zellen, gleich den Spinalganglienzellen, als sensible Zellen zu
betrachten habe, wie es in Anbetracht des gleichen Mutterbodens bis zu einem gewissen Grade be-
rechtigt erscheint, blieb zweifelhaft; es ist wahrscheinlich, daß sich im Ganglion commune gerade
eine Scheidung in zweierlei Elemente vollzieht, in sensible, welche seßhaft bleiben, und in
motorische, welche auswandern. Dann würden alle sympathischen Nervenzellen, wo immer sie
ihre Lage haben, motorischer Art sein. Nach den Beobachtungen von A. S. Dogiel kommen
vielleicht zwei physiologische Zellarten vor, motorische und sensible (Anat. Anz. XL 1896l
6. Elementarer Bau des Sympathicus.
Die Ganglienzellen im völlig ausgebildeten Sympathicus haben nicht
an allen Orten desselben Individuum denselben Bau; denn es gibt zwar in über-
wiegender Menge multipolare Zellen (Fig. 402),
aber es fehlt auch nicht an bipolaren; sogar
unipolare und apolare sind beobachtet worden
(siehe Herznerven, S. 435). Nach der Zahl der
Fortsätze ist das sympathische. Neuron nicht zu
bestimmen, sondern allein nach der Abkunft.
Dieser Satz wird von der vergleichenden Histo-
logie nur bestätigt.
Es seien hier zunächst die Ergebnisse von
Cajäl an den sympathischen Ganglien mitgeteilt.
Beim Hühnchen sind ihre Zellen multipolar
und zeigen außer dem Nervenfortsatz viele kurze
Fortsätze, welche frei in demselben Ganglion
enden. Die Längskommissuren zwischen den
Ganglien bestehen aus Nervenfasern, welche
in den Zellen der Ganglien entspringen und Endverzweigungen besitzen, die um
den Zellkörper und seine kurzen Fortsätze liegen. Aus dem Rückenmark kommen
von der Wurzel motorische Fasern, die ebenfalls mit freien Verzweigungen in den
sympathischen Ganglien endigen. Längskommissuren haben selten Kollateralen,
Fig. 402.
Zwei multipolare Zellen aus dem Sym-
pathicus.
a aus dem Ganglion cervicale sup. ; b aus
dem Ganglion coeliacum.
Räuber-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt.
24
454
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
durch welche eine sympathische Faser mit anderen benachbarten in Beziehung
treten kann usw. Der einzige Nerven fortsatz der sympathischen Zelle geht in
eine Remaksche Faser über, welche entweder in ein Längsbündel einläuft oder
in einen der visceralen Zweige dringt, um sich in den Organen der vegetativen
Zone zu verteilen.
Die Darmzotten, die Adventitia kleiner Gefäße, die glatte Muskulatur (Auer-
bachscher Plexus), das Hüllgewebe der Drüsen (Speicheldrüsen, Pankreas usw.)
haben hier und da zerstreut gewisse Nervenzellen von Spindelform, dreieckiger,
sternförmiger Gestalt, von deren Ecken zahlreiche Fortsätze ausgehen, die sich
verzweigen und miteinander verbinden. So entstehen verwickelte Geflechte, welche
die tätigen Zellen umgeben.
Fig. 403.
Verschiedene Typen von sympathischen Zellen aus dem oberen Halsganglion des erwachsenen Pferdes.
A Zelle mit einem dichten Busch von kurzen Fortsätzen ; B Zelle mit feinen kurzen und vielverzweigten Fortsätzen ;
C Nervenfortsatz; D Zelle mit wenigen und kurzen zottigen Fortsätzen; F Zelle mit wenigen und feinen Fortsätzen;
0 Zelle mit 2 Fortsätzen, die zwei benachbarte Zellen umgebend endigen. (Cajäl.)
Die große Mehrzahl der Nervenzellen des Grenzstranges des N.sympathicus,
ebenso der Nervenzellen des Herzens des Frosches haben nach A. E. Smirnow
(1900) nur einen Fortsatz, den Neurit oder die gerade Faser Arnolds. Die
multipolaren Zellen sind nur in geringer Zahl vorhanden. Bei ihnen ist eine
komplizierte Innervation der Zellkörper und ihrer Dendriten von seiten anderer
Nervenzellen zu beobachten; gewöhnlich sind sie von einem perizellularen End-
geflecht umgeben. (Fig. 404, 405.) Eine Nervenfaser kann durch Astbildung
eine ganze Gruppe von Nervenzellen innervieren. Die Neuriten haben Kollateralen,
die in demselben Ganglion verlaufen und seine Zellen innervieren. Es gibt
Neuriten der sympathischen Zellen ohne, mit feiner und mit dicker Markscheide.
Das Binnennetz kommt auch in sympathischen Nervenzellen vor (E. Veratti,
Anat. Anz. XV, 1899); (siehe Fig. 407), ebenso gibt es gefensterte Zellen
(Michailow).
Nach Dogiel enthalten das Ganglion cervicale medium, alle Ganglien des
Brustteils des Sympathicus, das G. coeliacum, die Ganglien des Auerbachschen
und Meißnerschen Plexus usw. zweierlei Arten von sympathischen Zellen: sensible
und motorische, die in bestimmter Weise miteinander verbunden sind. Der Neurit
Das vegetative, sympathische oder Ganglienncrvensystem.
455
einer motorischen Zelle endet in den glatten Muskeln, während die Dendriten sich
in Ganglien verästeln. Mit letzteren Verästelungen tritt der Neurit der sensiblen
Zelle direkt oder durch Kollateralen in Verbindung. Die Dendriten der sensiblen
Zellen erstrecken sich bis zur Mucosa und Submucosa.
Das Vorkommen chromophiler Zellen und Körperchen im Sympathicus betont
H. Stilling und gibt eine zugehörige Abbildung von Ganglien des Bauchsympathicus
der Katze. Anat. Anz. XV.
Fig. 404.
Fig. 405.
Fig. 406.
Fig. 404. Sympathische Nervenzelle mit den Dendriten d und dem Neuriten n\ e Endbäumchen (perizellulares Geflecht)
der Kollaterale r; / Fremdfaser, welche die Kollaterale c aussendet. (Nach Sala.)
Fig. 405. Sympathische Nervenzelle.
1 Zellkörper; 2 — 4 Zellkürper benachbarter sympathischer Nervenzellen, welche von Endbäumchen der Dendriten (d) von
Zelle 1 in perizellulare Körbe eingeschlossen werden; n Neurit. (Nach Retzius.)
Fig. 406. Sympathische Nervenzelle vom Sympathicus des Frosches und Spiralfaser.
An dem Aufbau des Sympathicus sind außer den wesentlichen Bestand-
teilen, nämlich Nervenzellen und Nervenfasern markloser und markhaltiger Art,
noch Bindegewebe und Gefäße beteiligt. Das Bindegewebe bildet um jede
einzelne Zelle eine besondere endotheliale Scheide, welche sich auch auf die Äste
fortsetzt. Fibrilläres Bindegewebe kommt im Innern reichlich vor und bildet für
jedes Ganglion eine äußere feste Hülle. Fig. 19.
Calamida, U., Terminazioni nervöse nelle mueose dei seni nasali. Anat. Anz. XXI. 1902. —
Juschtschenko, A. J., Zur Frage über den Bau der sympathischen Knoten bei Säugetieren und
iMenschen. Arch. mikr. Anat. Bd. 49, 1897. — Kölliker, A. v., Der feinere Bau des Sympathicus,
in: Gewebelehre, II, 2, 1896. — Lenhossek, M. v., Bau der sympath. Ganglien, in: Beiträge
zur Histologie des Nervensystems und der Sinnesorgane. Wiesbaden 1894. — Michailow, S.,
Der Bau der zentralen sympathischen Ganglien. Int. Monatsschr. Anat. Phys. Bd. 28, 1911. —
Rubaschkin, W. J., Zur Lehre von dem Bau der sympathischen Nervengeflechte. Ber. d. kais.
24*
456
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
militar-med. Akad. in Petersburg, Bd. III, 1901. — Smirnow, A. E., Zur Kenntnis der Morphologie
der sympathischen Ganglienzellen des Frosches. Anat. Hefte Nr. 45, 1900.
Fig. 407.
Binnennetz (Apparate* reticolare interno im cervikalen Sympathicusgangllon des erwachsenen Hundes.
(E. Veratti, 1896.1
7. Verbreitungsgebiet und physiologische Faserarten des Sympathicus.
Über die gröberen Beziehungen der beiden spinalen Nervenwurzeln und des
spinalen Ganglion zum sympathischen Ganglion, und über die Beziehungen des
letzteren zum Ramus anterior und posterior des gemeinsamen Spinalnervenstammes
orientiert Fig. 408. Die dorsale Wurzel (rs) schwillt zum Ganglion spinale (Sp) an,
an welchem die ventrale Wurzel (rm) medial vorüberzieht. Unterhalb des Ganglion
befindet sich der gemeinsame Stamm des Spinalnerven, welcher sich sofort in den
Ramus posterior (p) und Ramus anterior (a) teilt. Das sympathische Ganglion (Sy)
steht mit der ventralen und dorsalen Wurzel, beziehungsweise mit dem Ganglion
spinale in Verbindung. Das sympathische Ganglion gibt ferner auch Fäden ab
an den Ramus anterior und posterior des Spinalnerven; aus Früherem ist
es aber bekannt, daß das sympathische Ganglion auch Fasern an den Ramus
meningeus abgibt; endlich treten Fasern des Ganglion massenhaft in die Peri-
pherie der Rami communicantes der Spinalnerven über, so daß also die vier
verschiedenen Astgruppen der Spinalnervenstämme mit sympathischen
Fasern versorgt werden. Dabei ist von selbständig zur Peripherie tretenden Ästen
des Ganglion sympathicum, die ebenfalls vorkommen, noch abgesehen.
Das periphere Verbreitungsgebiet des Sympathicus erstreckt sich über den
ganzen Körper. Seine Verästelungssysteme folgen dabei in ihrer Bahn überwiegend
der Bahn der cerebrospinalen Nerven und der Gefäße; ein anderer Teil schlägt
selbständige Bahnen ein. Es wäre irrtümlich, annehmen zu wollen, die Äste des
Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystem.
457
ritt
Sympathicus gelangten, gemischt mit cerebrospinalen Fasern, nur zum Darm-
apparat; denn ebenso wie sie mit dem cerebrospinalen Anteil der Rami communi-
cantes zum Darmapparat und zu dem Gefäßapparat gelangen, ebenso mischen
sich sympathische Fasern auch den übrigen Ästen des cerebrospinalen Nerven-
stammes bei, wie bereits oben hervorgehoben worden ist.
Es wird sich also darum handeln, zu untersuchen, welche Organe und
Gewebe in diesem ausgedehnten, über den ganzen Körper sich erstreckenden
Verbreitungsgebiet der Sympathicus aufsucht.
Drei Organgebiete sind es nun, welche
sich als die Hauptaufnahmeplätze der Peripherie des
Sympathicus erweisen:
1. die glatte Muskulatur und ein Teil der ge-
streiften;
2. die Gefäße, und
3. die Drüsen des Darmsystems, des Harn- und
Genitalsystems, des Hautsystems, zu welchem auch
ein Teil der Speicheldrüsen gehört.
Was die Muskulatur betrifft, so ist die glatte
Muskulatur der Speiseröhre, des Darmkanals, des
Respirationstraktus, des Harn- und Geschlechts-
apparats, sowie diejenige des Auges besonders zu
nennen; zu der teilweise vom Sympathicus versorgten
gestreiften Muskulatur gehört diejenige des
Schlundes, eines Teiles der Speiseröhre, des Herzens.
Was die Gefäße betrifft, so ist es insbesondere
die Muscularis, welche vom Sympathicus inner-
viert wird, doch sie nicht allein.
Was die drüsigen Organe betrifft, so fällt
ein Teil der zu ihnen gelangenden Nerven den Ge-
fäßnerven zu, ein anderer Teil aber ist unmittelbar
sekretorischer Art.
In den dem Sympathicus eigentümlichen Organgebieten sind ihm in mehr
oder weniger ausgedehnter Weise sensible Fasern beigemischt.
Endlich sind noch kürzere zentripetalleitende Fasern zu erwähnen, welche
mit dem einen Ende in den Schleimhäuten, mit dem anderen Ende in näheren
oder entfernteren sympathischen Ganglien endigen und Reflexe auf die glatten
Muskeln des betreffenden Gebietes zu vermitteln vermögen; das Vorhandensein
von Fasern dieser Art wird durch das physiologische Experiment gefordert.
Zählt man zusammen, so ergeben sich folgende physiologische Faser-
arten: motorische, vasomotorische, sekretorische, beigemischte sensible, Reflexfasern.
Ein Teil der motorischen Fasern zeigt die Eigenschaft der Hemmungsnerven,
ein anderer wirkt beschleunigend und gehört zu der Reihe der excitierenden
Nerven usw. (siehe S. 11).
Es ist in hohem Grade nützlich, sich diese Verhältnisse zunächst am sym-
pathischen Segment zu vergegenwärtigen, darauf erst die Gesamtheit der
Segmente und ihren gegenseitigen Zusammenhang in Betracht zu ziehen. Als
das Schema des sympathischen Segments ist Fig. 420 zu betrachten.
Fig. 408.
Aus Schnitten hergestelltes Bild zur
Verdeutlichung der Beziehungen des
Ganglion sympathicum (Sy) zum spi-
nalen Systeme. Vom Sympathicus des
Vogels. Sy Ganglion des Grenzstranges;
5p Ganglion spinale; rs Radix sensitiva ;
rm Radix motoria des Spinalnerven ; p Ra-
mus posterior des Spinalnerven ; a Ramus
anterior des Spinalnerven ; das Ganglion
sympathicum steht in Verbindung mit der
motorischen und sensiblen Wurzel des
Spinalnerven, bezw. mit dem Spinalgan-
glion. Das Ganglion sympathicum gibt
ferner Faserzüge zum Ramus anterior und
Ramus posterior.
458 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
Die Gefäßnerven erscheinen häufig als Äste von Spinalnerven, welche an
den verschiedensten Orten zu den Gefäßen treten; ihr nächstes Zentrum aber liegt
dennoch im Sympathicus, von dem aus sie zu jenen Nervenstämmen gelangen.
An vielen anderen Orten liegt die unmittelbare Versorgung durch den Sympathicus
deutlich zutage, in welcher Hinsicht an die vielen Rami vasculares der Grenz-
strangganglien xu erinnern ist. Stellt der Sympathicus demnach das primäre
Gefäßzentrum dar, so besitzt derselbe hinwiederum cerebrospinale Gefäß-
zentren, welche höhere oder sekundäre Gefäßnervenzentren genannt
werden. Dieselben liegen in dem Rückenmark und im Hirnstamm.
Ganz entsprechend verhält es sich mit den Zentren des Drüsenapparates, der
glatten und gestreiften Sympathicus-Muskulatur außerhalb des Gefäßapparates; die
primären Zentren liegen im Sympathicus, die sekundären im cerebrospinalen Zentral-
organ. Das ist die Folge der eigentümlichen Verkettungen, welche zwischen beiden
Systemen, dem sympathischen und cerebrospinalen, bestehen und den Sympathicus
als ein zwar höchst wichtiges, aber bis zu gewissem Grade abhängiges System
erscheinen lassen.
8. Nervenendigungen im Verbreitungsgebiet des Sympathicus.
Es ist zurzeit noch nicht möglich, über alle hier in Frage kommenden Nerven-
endigungen zu berichten; doch liegen über einen ansehnlichen Teil sichere mit
allen neuen Hilfsquellen gewonnene, wenn auch noch nicht in allen Stücken ab-
schließende Erfahrungen vor, unter welchen diejenigen von Cajäl, Retzius und
Kölliker, welchen wir hier wesentlich folgen, obenan stehen und eine Reihe
interessanter Aufschlüsse gewähren.
a) Endigung in der glatten Muskulatur. Fig. 409.
Ein Beispiel gilt für den ganzen großen Apparat. Eine blasse Nervenfaser
zweigt sich von einem Ast ab und begibt sich zu einigen umliegenden Muskel-
bündeln. Hier teilt sie sich dichotomisch und schickt die beiden Äste zu ver-
schiedenen Bündeln. Diese Äste biegen um und verästeln sich zu wiederholten
Malen. Alle diese Äste sind mit kleinen dichtstehenden Knötchen besetzt. Die
Äste laufen an den Muskelbündeln frei aus und haften ihnen innig an. Doch
legen sich die Nerven den Muskelbündeln nicht nur äußerlich an, sondern sie
dringen in das Innere der Bündel ein, um zwischen den Muskelzellen sich zu ver-
ästeln und alsdann zu enden. Diese Form der Endigung ist der in den gestreiften
Muskeln bei den niederen Tieren, z. B. bei Würmern, sehr ähnlich. Ein
Eindringen in die Substanz der Muskelzellen, eine Verbindung der Endfibrillen
mit dem Kerne der Muskelzellen, welche einige frühere Beobachter annahmen,
ist nicht vorhanden.
Bezüglich der Muscularis tracheae siehe Abt. IV, Fig. 259.
Im ganzen liegt hier eine Bestätigung und Sicherstellung der Ergebnisse vor,
welche von Kölliker über die Nervenendigung in den glatten Muskeln schon vor
Jahren mit einfacheren Methoden erhalten worden waren.
Über die Endigungen der motorischen Herznerven siehe S. 435.
Über die Endigung zentripetaler Herznerven siehe Fig. 388, 389.
b) Endigungen an den Gefäßen.
Die marklosen Nerven bilden Geflechte um die Arterien, sogenannte peri-
arterielle Nervenplexus. Aber sie bilden nicht nur Netze mit zusammenhängenden
Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystem.
Schlingen, sondern sie entsenden hier und da verästelte und variköse Seitenästchen,
welche den Muskelfasern der Arterienwand eng anliegen und an ihnen frei aus-
laufend endigen. Fig. 410. Nerven der Kapillaren siehe Abt. III, Fig. 209.
c) Endigung in der Milz.
Zur Untersuchung diente die Milz kleiner Säuger. (G. Retzius.)
Die Nerven treten stets mit den Arterien in das Organ ein und begleiten
dieselben nach allen Richtungen, indem sie Geflechte um dieselben bilden. Von
diesen entspringen hier und da Äste, welche sich der Arterienwand anlegen und
ihr seitliche Zweige zusenden. Letztere verästeln sich weiter und umstricken das
Gefäß. Die feinsten Seitenästchen laufen mit freien Enden an der Arterienwand
aus. Sie sind mit feinen Knötchen besetzt. Wie man erkennt, sind dies die
Nerven der Muscularis der Arterienwand. Die Pulpa ist arm an Nerven. Einzelne
Fasern treten in sie hinein und verästeln sich in ihr büschelförmig; wahrscheinlich
Fig. 409. Fig. 410.
Fig. 409. Nervenendigung In der glatten Muskulatur. (G. Retzius.) gm glatte Muskulatur; n Nerv.
Fig. 410. Nervenendigung in einer kleinen Arterie. (G. Retzius.)
sind aber auch die Nervenzweige der Pulpa für die Gefäße bestimmt. Ganglien-
zellen wurden keine gesehen (siehe auch Ruffini: Internat. Monatsschrift f. Anat.
und Phys. Bd. XXIII, 1906).
Außer den Gefäßnerven der Milz ist, worauf Kölliker hinweist, das
trabekuläre System von Nerven reich entwickelt bei allen Milzen, deren Tra-
bekel glatte Muskulatur einschließen. In allen diesen muskulösen Balken bilden
die Nerven einen äußeren, die Balken überziehenden Plexus mit vorwiegend längs-
gerichteten Maschen, von welchen aus dann feinere Zweige in das Innere der
Balken eindringen, um in kleinen Abständen vorwiegend der Länge nach zu ver-
laufen und nach weiterer Netzbildung mit zarten Endbäumchen zu endigen. In
den Milznervenstämmen kommen neben unzähligen Remakschen Fasern spär-
liche markhaltige vor, welche Teilungen zeigen und allmählich ihr Mark zu ver-
lieren scheinen; denn in den feineren und feinsten Ästen sind markhaltige Fasern
nicht mehr nachzuweisen. Es liegt nahe, diese Fasern als solche sensibler Art
anzusprechen.
d) Endigung in den Eingeweiden.
1. Endigurig in den Spejch.eLdrüseiL.des Mundes, an der Submaxillaris.
Sie war schon 1889 von Cajäl gesehen worden. Die Nervenfasern ordnen
sich zu einem Geflecht, mit rundlichen oder polygonalen Maschen um die primi-
tiven Läppchen. Die Bündel des Geflechtes sind von verschiedener Dicke, haben
oft einen wellig gebogenen Verlauf und bestehen aus verschiedenen Axenzylindern
ohne Markscheide. Diese Axenzylinder verästeln sich während ihres Verlaufes
460
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
und entsenden feine variköse Fibrillen, welche auf der Basalmembran oder auf
der äußeren Fläche der Speichelzellen frei zu endigen scheinen. Das Geflecht
stammt ab von Nervenzweigen, welche von sympathischen Ästen ausgehen, die
mit den Blutgefäßen in die Drüse eindringen. Ob interepitheliale Endzweige vor-
handen sind, konnte an den vorliegenden Objekten nicht entschieden werden. Es
fehlte nicht an Ganglienzellen und Ganglienzellengruppen, d. i. an Mikroganglien.
Wohl aber hatte Cajäl schon 1891 am Pankreas Nerven zwischen die
Drüsenzellen hinein zu verfolgen vermocht; sie hörten hier mit freien verästelten
interepithelialen Endfasern auf.
Kürzlich gelang es Retzius, an einem günstigeren Objekt, den sogenannten
Parotidei! des Salamanders, Verhältnisse zu sehen, welche sich ganz an die
Fig. 411. Fig. 412.
Fig. 411. Nervenendigung im geschichteten Plattenepithel des Oesophagus. (G. Retzius.)
n Nervenfaser; b Bindegewebe; e Epithel.
Fig. 412 Nervenendigung im Epithel der Harnblase. (G. Retzius.)
n Nervenfaser; b Bindegewebe; e Epithel.
Ergebnisse Cajäls anschließen. Die Endfasern des perilobulären Geflechts dringen
durch die Basalmembran hindurch und treten mit den Speichelzellen in unmittel-
bare Berührung. Die Mehrzahl der Endfasern schmiegt sich dabei in die Zwischen-
räume der Zellenbasen; hier und da aber dringen auch Fasern tiefer zwischen den
Seitenflächen der Zellen vor. An Oberflächenbildern wäre ein solches Verhalten
schwer sicher zu stellen; allein Querschnitte lieferten entscheidende Bilder. Ähn-
liche Ergebnisse lieferte die Unterzungendrüse von Lacerta agilis.
Siehe Fig. 414 und Abt. IV, S. 63, Fig. 84—86.
2. Im Epithel des Oesophagus. Fig. 411.
Im Oesophagus der Katze gelang der Nachweis, daß Nervenfasern in das
Epithel austreten und eine reichliche interzellulare Verästelung eingehen (G. Retzius).
3. Endigung in der Leber. Fig. 413.
Die Erfahrungen sind noch unvollständig. Hier und da fanden sich in der
Leber von Hund und Katze außer den gefärbten Gallenkapillaren auch Nerven-
Das vegetative, sympathische oder Gangliennervensystcm.
461
Fig. 413.
Fig. 415.
Fig. 413. Nervenendigungen in der Leber der Taube.
(Von Korolkow und Dogiel.)
Zwischenbalkengeflechte und Überzellennetze, a Achsenzylinder
des Zwischenbalkengeflechtes; b Fibrillen, welche das Über-
zellennetz bilden ; c Leberbalken.
Fig. 414. Nervenendigung in Schleimdrüsen. (G. Retzius.)
/, / durchschnittene primitive Läppchen. H Halbmonde; n, n
Nervenfasern.
Fig. 415. Nervenendigung an einem Vas afferens der
Nierenrinde. (O. Retzius.)
m .Malpighisches Körperchen; va Vas afferens; n Nerv.
täföt.
Fig. 416.
"'
il
Fig. 417.
Fig. 416. Intermuskuläres Endbäumchen aus der Wand der Trachea des Hundes.
Die zugehörige breite markhaltige Nervenfaser ist weithin sichtbar. Flächenpräparat, Methylenblau. (A. Arnstein.)
Fig. 417. Perizellulare Nervenendigungen an den Wimperzellen der Trachea des Hundes. (A. Arnstein.)
•162
Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
fasern. Die Nervenfasern begleiten und umspinnen die interlobulären Blutgefäße
und senden von Stelle zu Stelle kleine terminale Seitenzweige aus, welche an
der Gefäßwand mit knotigen Spitzen endigen. Es sind Gefäßnerven. Andere
Nervenfasern, welche in das Innere der Läppchen eintreten und die Drüsensubstanz
innervieren, sind ebenfalls gesehen worden (A. S. Dogiel).
4. Endigung in der Trachea. Fig. 416, 417; siehe Abt. IV, S. 208.
5. Endigung in den Lungen; siehe Retzius, Biolog. Untersuchungen,
Bd. III.
6. Endigung in der Niere. Fig. 415 und Abt. IV, Fig. 323.
Die gröberen Nervenzweige dringen mit den Arterien in den Hilus ein. Ein
oder zwei feine Zweige folgen jeder A. interlobularis und verhalten sich an ihr,
:
_p^
Fig. 41*
Fig. 419.
Fig. 418. Nerven im Caput epididymidis eines jungen Katers. (Schnitt.) (D. Ti mofe ew.)
Fig. 419. Nerven an Samenkanälchen des Kaninchens, a Blutgefäß. (G. Sclavunos.)
wie es von den Gefäßen schon oben beschrieben worden ist. Feine Nervenzweige
begleiten auch alle Vasa afferentia und umstricken sie bis in die Glomeruli
hinein. An dem Glomerulus selbst und an den Vasa efferentia konnten keine
Nerven gesehen werden. Ebensowenig wurden im Drüsenparenchym endigende
Nerven wahrgenommen (G. Retzius).
7. Im Epithel der Harnblase. Fig. 412.
In der Harnblase des Kaninchens zeigte sich, daß Nervenfasern aus dem
Bindegewebe in das Epithel aufsteigen, um in demselben nach einer mehr oder
weniger reichen Verästelung mit freien Enden aufzuhören. Die Nervenfasern ver-
laufen alle eine weite Strecke im Epithel tangential; doch befindet sich die
Endigung nie in den oberflächlichen Schichten, sondern in den tieferen, gegen
welche die Endfibrillen sich zurückbiegen, so daß die Endigung in der Nähe der
Bindegewebsgrenze gelegen ist (G. Retzius).
8. Endigung in den Ovarien; siehe Retzius, Biolog. Untersuchungen,
Bd. V.
9. Endigungen im Hoden. Fig. 418 und 419.
10. Im Peritonaeum; siehe Abt. IV, S. 394.
D.i> vegetative, sympathische oder (jangliennervensystem.
463
Buch, M., Die Sensibilitätsverhältnissc des Sympatliicus und Vagus mit besonderer Berück-
sichtigung ihrer Schmerzempfindlichkeit im Bereich der Bauchhöhle. Arcli. Anat. u. Phys. 1901. —
v. Csiky, Die Nervenendigungen in den glatten Muskelfasern. Internat. Monatsschrift Bd. XIV,
1897 (Blutegel und Frosch). — Kallius, E., Nervenendigungen in Drüsen. In: Ergebnisse der
Anatomie und Entwicklungsgeschichte, herausgegeben von Merkel und Bonnet, Bd. IV, 1895.
S. 1 — 18. — Kölliker: Sitzungsberichte der Würzburger phys. med. Gesellschaft 1893. — Otto-
lenghi, D., Sur les nerfs de la moelle des os. Arch. ital. de Biologie XXXVII, 1902,
W*****^
ä~FK
Fig. 420.
Schema zur Darstellung des Verlaufes der Fasern im Sympathicus. (Von A. Kölliker.)
PO peripheres Ganglion; Gs Ganglion des Grenzstranges; PXPacinisches Körperchen; Rca weißer Ramus communicans;
Rcgr grauer Ramus communicans; St Stamm des Grenzstranges; g Ganglienfasern, die im Ramus communicans griseus
weiterziehen und in einem Ramus posterior eines Spinalnerven zu Arrectores pilorum ziehen; gl Ganglienfasern, die im
Grenzstrange weiterziehen; g" Ganglienfasern, deren Ganglienzelle von einer Kollaterale der Faser m& innerviert wird;
g% Ganglienfasern, deren Zellen von spinalen im Grenzstrange herunterlaufenden Fasern ma innerviert werden und jenseits
des peripheren Ganglion enden ; g* Ganglienfasern, die im peripheren Ganglion entspringen und jenseits desselben enden;
m1 motorische spinale Faser, die im Ganglion selbst endet; m- motorische spinale Faser, die im Grenzstrange weiter zieht;
rrih motorische spinale Faser, die vom Ramus communicans albus des Grenzstrangganglion kommt, dieses und das periphere
Ganglion durchsetzt und weiter in kleineren Ganglien endet; m* motorische spinale Faser, die im Grenzstrange herunter-
läuft, das Grenzstrangganglion durchsetzt und in dem peripheren Ganglion endet; mb motorische spinale Faser, die im
Grenzstrange herunterläuft, im Grenzstrangganglion eine Kollaterale abgibt, die um eine Zelle endet; m° motorische
spinale Faser, die im Grenzstrange herunterläuft und im Grenzstrangganglion endet; m7 motorische spinale Faser, die im
Grenzstrange herunterläuft, das periphere Ganglion durchsetzt und weiter in kleineren Ganglien endet; 5 sensible Cerebro-
spinalfaser, die jenseits beider Ganglien in einem Pacinischen Körperchen PK endet resp. beginnt; s1 sensible Cerebro-
spinalfaser, die im Grenzstrange weiter läuft — Punktierte Linien = s^nsibJe^ere_hiosp_inaJe_Easern. Durchgehende schwarze
Linien -- cexebrospinale motorische Fasern I.Ordnung (Praeganglionic fibres Langley). Rote Sterne und Linien=:syrn-
painisdie—Ganglienzellen- und Ganglienfasern (Postganglionic fibres Langley).
9. Faserverlauf im Sympathicus. Fig. 420.
Über den Faserverlauf im Sympathicus ist das letzte Wort noch nicht zu
sprechen. So verwirrend aber der Anblick der über den ganzen Körper ausge-
464 Besonderer Teil. Spezielle Neurologie.
breiteten Masse von Ganglien, Geflechten, peripheren Zweigen erscheinen mag,
gewisse allgemeine Grundzüge des Faserverlaufes haben sich dennoch, dank dem
Bemühen vieler Forscher, insbesondere v. Köllikers, allmählich ermitteln lassen.
Es ist am Platze, die von Kölliker aufgestellten Sätze hier folgen zu lassen:
1. Die cerebrospinalen motorischen Fasern enden alle mit Endverästelungen
um die sympathischen Zellen herum; bei denselben kommen keine direkten Endi-
gungen im Darme, an Gefäßen usw. vor.
2. Hierbei ist der Verlauf derselben ein längerer oder kürzerer. Die einen
enden an den nächst gelegenen Ganglienzellen, andere durchlaufen mehrere
Ganglien, bevor sie zu ihren Endigungen gelangen, und können hierbei durch
Kollateralen auf eine Mehrheit von Zellen einwirken. Noch andere endlich finden
erst an den am meisten peripherisch gelegenen Ganglien ihr Ende, wobei es un-
entschieden bleibt, ob sie in ihrem Verlauf auf zwischengelegene Zellen einwirken.
3. Die Ganglienfasern des Sympathicus entspringen von den sympathischen
Zellen, zeigen in ihrem Verlauf keine Beziehungen zu anderen Zellen und enden
bald nahe, bald sehr entfernt von ihrem Ursprung mit freien Endigungen an glatten
Muskeln oder Drüsen.
4. Die sensiblen Fasern des Sympathicus stammen alle von cerebrospinalen
Fasern und enden, wie cerebrospinale sensible Elemente, in den peripherischen
Teilen. Der Sympathicus besitzt keine ihm eigenen sensiblen Fasern. Siehe
Fig. 420.
Register.
Abhang des Oberwurms 84.
Accessorius spinalis, Vagi 150,
332.
Acervulus 110.
Adenohypophyse 101, 194.
Adergeflechte, Entwicklung 173.
falte 173.
- mittlere 158.
— -zotten 161.
Aderhautausbreitungen 158.
Aditus ad aquaeductum cerebri
113.
Aeby, Hirnschema 243.
Akustikusschleife 92.
Ala cinerea 79.
— lobuli centralis 83, 84.
Ammonskommissur 141.
Anastomose 17.
Anastomosen d. Nerven 14, 17.
Ansa (ae) atlantis 350.
— centripetalis.centrifugalis 339.
— cervicales 350.
— hypoglossi 336, 352.
— intergenicularis 110.
— lenticularis 147, 192.
— lumbales 383.
— meningeae 349.
— sacralis 430.
— subclavia (Vi eu ss enii) 428.
Antlitznerv Ursprung 229.
Apertura lat. ventriculi quarti
157, 160.
— medialis ventriculi quarti (Fo-
ramen Magendii) 157, 160.
Apex columnae post. 34.
Aquaeductus cerebri 97.
Arachnoidalscheiden d. Nerven-
wurzeln 157.
Arachnoidea encephali 155.
— spinalis 28.
Arbor vitae 87.
Arcus hypoglossi 334.
Area (ae) acustica 79.
— d. Endhirnrinde 178.
— parolfactoria (Brocae) 125.
— striata 180.
Armgeflecht 354.
Arnold, Ganglion cardiacum
medium 432.
— Ganglion splanchnicum 439.
— Substantia reticularis alba
127.
Arteria (ae) centralis retinae 297.
— cerebri ant., media, post. 164,
165.
— chorioideae 164.
— comes nervorum 418.
— corticales 164.
— frontales 165.
— medianae 163.
— medulläres 164.
— nucleorum 163.
— nutricia nervorum 418.
— parietales 165.
— radiculares 163.
— spinales antt., postt. 32.
— thalamicae 164.
Assoziations-bahnen 10.
— -fasern d. Endhirnrinde 184.
— -neuronen 11.
Systeme 242, 293.
— — d. weißen Substanz d.
Endhirns 139.
Zentren 252, 255, 256.
Astrocyten 44.
Auerbach scher Plexus 443.
Augenblase 167.
Augenblasenstiel 167.
Augenfasersystem 281.
Augenmuskelnerv, gemein-
schaftlicher, Ursprung 224.
— lateraler, Ursprung 229.
— oberer, Ursprung 228.
B.
Bahnen im Nervensystem 9.
— cerebellare 262.
— kurze, lange d. Rückenmarkes
60.
- motorische, sensible 10.
Baillarge rscher Streifen 176.
Balken 142.
— -fasern 184.
knie 142.
Schnabel 142.
— -stamm 142.
— -Strahlung 143, 146.
— -wulst 143.
Basalfortsätze d. Pyramiden-
zellen 176.
Basis encephali 65.
— pedunculi 93.
Bechterewscher Kern 212.
Bechterew, Tractus thalamo-
olivaris 207.
— Tractus spinoolivaris 64.
Beckengeflechte 447.
Beinerv, Ursprung 233.
Beingeflecht 383.
Berg d. Oberwurms 84.
Bidderscher Knoten 434.
Bindearme 87, 88, 92.
Binnennetz in sympath. Nerven-
zellen 456. Fig. 407.
Blumenkörbchen, Bochdalek-
sches 160.
Bochdaleksches Blumenkörb-
chen 160.
Bodenkommissur, graue 101.
Bogenwindungen 129.
Brachium (a) conjunctiva (cere-
belli) 76, 88, 92.
— conjunctivum 87, 220.
— pontis 80, 87.
— quadrigeminum inf. 97.
sup. 94.
466
Register.
Broca, Area parolfactoria 125.
— grand lobe limbique 127.
Brocasches Bündel 140.
- sehe Stelle 252.
Brücke (en) 80.
— -arme 87.
bahn, frontale u. temporale
147, 148.
— feinerer Bau 199.
-faserbündel, quere 215.
-krümmung 169.
Skeletotopie 80.
Brustnerven 341.
— Rr. anteriores 379.
— Rr. posteriores 347.
Bündel, Brocasches 140.
— Gowerssches 36, 64, 262.
Lissau ersches 36.
— Mey nertsches 109.
- Monakows 61, 196, 283.
radiäre d. Großhirnrinde 174.
- Vicq d'Azyrsches 109, 142.
Bulbus cornu post. 136.
geflecht 438.
— olfactorius 118.
feinerer Bau 183, 184.
Bu rd achscher Strang 23,36,63.
C.
Cajalsche Zellen d. Großhirn-
rinde 177.
Calamus scriptorius 79
Calcar avis 123, 136.
Calcarinatypus 180.
Canalis carpeus ulnaris 369.
— centralis 34, 37.
- neurentericus 166.
— spiralis 374.
Capsula int. 13S, 146.
— nuclei dentati 91, 196.
Oput columnae post. 34.
— nuclei caudati 135, 137.
Cauda equina 22.
- nuclei caudati 135, 137.
Cavum epidurale 24.
semilunare 293.
— septi pellucidi 125.
- subarachnoidale 28.
- subdurale 27.
Ccllulae axiramificatae
— funiculares 51.
limitantes 53.
postrolandicae 5 5.
— radiculares 47.
antt. 47.
- postt. 48.
Cellulae rolandicat
Centre median (Luys) 109.
Centrum medulläre nuclei den-
tati 91.
— semiovale 139.
Cerebellum 80.
— Gewicht, Lage 80.
Cerebrum abdominale 441.
Cervikalknoten 449.
Cervikalsegment 1, Bau 199.
Cervix columnae post. 34.
Chiasma opticum 102.
Chorda (ae) oesophageae 330.
tympani 313, 318.
Chromsilber-Imprägnation 18.
Cingulum 139.
Cisterna (ae) ambiens 156.
- cerebello- medullaris 1
— chiasmatis 156.
corporis callosi 156.
— fossae lat. cerebri (Sylvii)
156.
— interpeduncularis 156.
— laminae terminalis 156.
- pontis latt., media 156.
- subarachnoidales 155.
— venae magnae cerebri 156.
Clarkesche Säule 35, 59.
Claustrum 138.
— feinerer Bau 192.
Clava 75.
Colliculus facialis 79.
— inf., sup. !>4.
Columna (ae) ant., lat., post. 34.
— fornicis 140.
griseae 34.
Commissura ant. alba, grisea 34.
— ant. alba 58.
— ant. (cerebri) 144.
— habenularum 110.
— hippocampi 141. 145.
— maxima 142.
— post. d. Rückenmarkes 59.
- post. (cerebri) 113.
Conjugatio mutua, simplex 17.
Conus medullaris 19.
Cornu (ua) 34.
— Ammonis 137.
- ant. d. Seitenventrikels 135.
— inf. d. Seitenventrikels 136.
— post. d. Seitenventrikels 136.
Corona radiata 116.
Corpus (ora) amylacea 194.
— callosum 142.
- fornicis 140, 141.
— geniculata, feinerer Bau 195.
Corpus (ora) geniculata lat.,
mediale 109, 110.
— Luysi, feinerer Bau 196.
— mamillaria 97.
— -- feinerer Bau 193.
medulläre (hemisphaerii cere-
belli) 84.
— — vermis 87.
— patellare (Tschisch) 109.
— pineale 105, 110.
- — feinerer Bau 194.
— restiforme 75, 87, 88, 204.
— striatum 138.
— trapezoideum 215, 230.
Crura fornicis 140. 141.
Culmen 84.
Cuneus 126.
Cytoarchitektonik d. Endhirn-
rinde 178.
D.
Dach des IV. Ventrikels 76.
Dachkern 91, 199.
Dammnerv 410.
Deckel 120.
Decklappen d. Insel 119.
Declivc 84.
Decussationes 17.
Decussatio brachii conjunetivi
220.
— lemniscorum 200, 261.
— nervorum trochlearium 219.
— pyramidum 71.
Degeneration, ab-, aufsteigende
55.
— primäre, sekundäre 238.
Deiters scher Kern 212.
— sehe Zellen 44.
Dermatomeren 419, 122.
Diaphragma sellae 101, 152.
Dienccphalon 97.
Digitationes hippocampi 137.
Dogiel, Ganglia ventricularia
434.
Dreikantenbahn 64.
Dura mater encephali 150.
feinerer Bau 152.
— — Fortsätze 151.
Gefäße 152.
— — Nerven 155.
— — spinalis 24.
— — Verbindungen 151.
Durasack, Verbindungen 27.
Edinger, Tractus spinothala-
micus 64.
Register.
467
Ehrlich , Methylenblaufärbung
18.
Eingeweidegeflecht 441.
Eingeweidenerv, großer 439.
— kleiner 440.
Eintritt der Nerven in die Mus-
keln 423.
Eisler, Plexus brachialis 356.
— — lumbosacralis 383.
Eminentia collateralis 136.
- collateralis (Meckeli) 123.
— medialis ventriculi IV 79.
— saecularis 101.
Empfindlichkeit, rückläufige 340.
Encephalomeren 168.
Encephalon 64.
Endbäumchen 5.
Endfaden d. Rückenmarkes 19.
Endhirn 114.
— Arterien 164.
— Flächen 117.
— Form 114.
ganglien, feinerer Bau 191.
— Kanten 117.
— graue Kerne 137.
— Lage 114.
- Rinde 174.
Areae 178.
Regiones 179.
— weiße Substanz 139.
feinerer Bau 184.
— Verbindungen 114.
Endkerne 224.
Endocranium 150.
Endoneuralscheiden 12.
Endoneurium 12.
Endorachis 24.
Enteromeren 420.
Entwicklung des Gehirns 165.
Ependym 43.
faden, zentraler 44, 58.
faser 43.
härchen 58.
keil 43.
zellen 43.
Epineurium 13.
Epiphyse 110.
— feinerer Bau 194.
— Entwicklung 170.
Epiphysen d. Zwischenhirns 110.
Epithalamus 110.
Erinnerungsbilder, optische 255.
F.
Facies convexa cerebri 65.
— inf., sup. cerebelli 80.
FalX cerebelli 152.
— cerebri 152.
Fascia dentata hippocampi 127,
137.
Fasciculus (i) ant. proprius
(Flechsigi) 23, 35.
— anterolat. superf. (üo wersi)
36, 53, 64.
— cerebellospinalis 36, 63, 204.
— cerebrospinalis ant. 23, 35,60.
— cerebrospinalis lat. 35, 61.
— euneatus (Burdach i) 23, 36.
— graeiiis (Golli) 23, 36.
— lat., medialis, post. d. Plexus
brachialis 355.
— lat. proprius (Flechsigi) 36.
— longi d. Assoziationssysteme
d. Endhirns 139.
— longitudinalis inf. 140.
— longitud. medial. 62, 199,228.
sup. 139.
— longitudinales (pyramidales)
215.
— obliquus (pontis) 80.
— paraolivarius 287.
— pyramidales 199.
- pyramidalis ant. 23, 35, 60.
lat. 35, 61.
— retroflexus (Meynerti) 109,
192.
— spinobulbaris 264.
— spinocerebellaris 36.
- subcallosus 140, 143.
- thalamomamillares 109, 142.
— uncinatus 140.
— verticalis 140.
Fasciola cinerea 127.
Faserkorb um Nervenzellen 6.
Fasern, myomotorische, vaso-
motorische 57.
— Remaksche 415.
Fastigium 76.
Fernfasern d. Großhirnrinde 177.
Fibrae arcuatae cerebri 139.
extt. 72, 75.
extt. antt. 200.
- extt. postt. 204.
— — gyrorum 139.
intt. 200.
— cerebelloolivares 208.
— cruciantes n. trigemini 219.
— pontis superf., proff. 212, 215.
Filum (a) durae matris spinalis
21, 24.
— lateralia pontis 80.
— radicularia antt. 53.
Filum (a) radicularia postt. 54.
— terminale 19, 21.
Fimbria hippocampi 137, 141.
Fingernerven dorsale, Beurtei-
lung 376.
Fissuren d. Endhirns 117.
Fissura calcarina 123.
Umgeb., feinerer Bau 180.
— cerebri lat. (Sylvii) 120.
— — transversa 66.
— collateralis 123, 124.
— hippocampi 124.
— longitudinalis cerebri 65.
— mediana ant. d. Oblongata 71.
d. Rückenmarkes 22.
— — post. d. Oblongata 72.
— parietooccipitalis 121.
— transversa cerebelli 66.
— — cerebri 66, 143.
Flechsig, Fasciculus ant. pro-
prius 23, 35.
— Fasciculus lat. proprius 36.
— Hirnplan 246.
— Tractus cervicolumb. dors.64.
Flechtwerk, interradiäres, super-
radiäres 175.
Flocculus 83.
— seeundarius 84.
Flocke 83.
Flockenstiel 83.
Flügelplatte 166.
Folium vermis 84.
Foramen caecum 71.
— diaphragmatis sellae 152.
- interventriculare (Monroi)
113, 134.
— Magendii 157, 160.
— tentorii 151.
Formatio reticularis 34, 59, 200.
Fornix 140.
— longus 188, 289.
Fossa cerebri lat. 120.
— interpeduneularis 94.
— rhomboidea 76.
Fovea inf., sup. fossae rhom-
boideae 79.
Frenulum veli medullaris ant. 92.
Froriep, Ganglion d. N. hy-
poglossus 233, 334, 426.
Füllhorn 160.
Funiculus (i) ant. 23, 35.
— lat. 23, 35.
medullae oblongatae 72.
— medullae spinalis 23.
— post. 23, 36, 62.
Furchen d. Gehirns 65, 117, 120.
468
Register.
Fuß d. Hirnschcnkels 93.
— — Stabkranzes 146.
G a 1 e n i , Vena cerebri magnal58.
Ganglien Bau 415.
- -leiste 165.
- -nervensystem 427.
— Organstmktur 13.
- -zellengruppen des Rücken-
markes 35.
Ganglion (ia) acusticum 230.
— cardiacum medium (A rnoldi)
432.
sup. 431.
(Wrisbergi) 431, 433.
— cervicale inf. 429.
• — — medium, sup. 42«.
— ciliare 297.
- — Entwicklung 299.
- coecygeum 430.
- coeliacum 441.
— commune 453.
— communia 165.
— geniculi 317, 322.
— habenulae 109.
Bau 192, 196.
— hypoglossi 334, 426.
— interpeduneulare 289.
— jugulare 325.
— lumbalia 430.
— mesentericum inf. 444.
sup. 441.
— nodosum 325.
— oticum 314.
— petrosum n. glossopharyngei
323.
— phrenicum 441.
— plexuum sympathicorum 427.
- prostatica 448.
— renalia 442.
- rcnaliaorticum 441.
— sacralia 430.
— semilunare 300.
— — commune 299.
- solare 441.
- sphenopalatinum 305.
- Bau 309.
— spinale 338.
- spirale 230, 323.
splanchnlcum (A r n o 1 d i) 439.
— sublinguale 313.
— submaxillare 313, 315.
— sup. n. glossophaiyngei 323.
— temporale (Scarpae) 432.
- thoracalia 129
Ganglion (ia) trunci Sympathie!
427.
— vestibuläre (Scarpae) 230,
323.
— ■ ventricularia (Dogiel) 434.
Gasseri, Ganglion 300.
Gefäße, Nervenendigungen 458.
Gefäßhaut des Rückenmarkes 31.
Gefäßnerven 11, 416.
Gefäßzentrum, primäres 458.
— sekundäres 458.
Gehirn, Bau feinerer 174.
— Dicke d. grauen Substanz 67.
— Durchmesser 65.
— Einteilung 66.
— Entwicklung 165.
- Form 64.
— Gefäße 163.
— Gewicht 67 — 71.
— gyrencephale, Iissencephale
129.
— Hüllen 150.
— -furchen, individuelle Ver-
schiedenheiten 131.
— Lage 64.
— Leitungsbahnen 257.
— Oberfläche 67.
- Rindenfelder 178.
— myelogenetische 246.
- Skeletotopie 234.
— Taenien 161.
— Übersicht 65.
— Volum 67.
Gehirnzentren, psychische 252.
Gehörzentrum 255.
Geniculum n. facialis 317.
Genn arischer Streifen 176, 178.
Genu capsulae int 146.
— corporis callosi 142.
- internum nervi VII 212, 230.
Geruchszentrum 255.
Geschmackszentrum 255.
Gewölbe 140.
Gewölbeschenkel 140.
Giacomini Uncus- Bändchen
127.
Giebelkante 76.
Gierkesche Zellen 35.
Gipfel d. Oberwurmes 84.
Gitterschicht des Thalamus 109.
Gliafasern 38.
üliazcllen 38.
Gliopilem 14.
Globus pallidus 138.
Glomeruli olfactorii Fig. 190.
Glomus chorioideum 158.
Golgi Chromsilber-lmpräg-
nation 18, 236.
Golginctz, äußeres 6, 7.
Golgi sehe Zellen 5.
G o 1 1 scher Strang 23, 36, 62, 75.
G o w e r s sches Bündel 36,64,262.
Granulationes arachnoidales
(Pacchioni) 156.
Gratioletsche Sehstrahlung
147.
Grenzstrang d. Sympathicus 427.
Großhirn-rinde, Bau 176.
- — Grundtypus 176.
— — Verschiedenheiten, ört-
liche 178.
— Rindenfelder 178.
— -Schenkel 93.
- -Sichel 152.
stiele 65.
Grundplatte 166.
Guddensche Kommissur 102,
274.
Gürtclfasern d. Oblongata 72, 76.
Gürtelschicht d. Oblongata 76.
Gyrifizierung u. Intelligenz 129.
Gyrus (i) 65.
— ambiens 118.
— angularis 125.
— centralis ant. 124.
— centralis post. 125.
— cerebelli 83.
— cinguli 125.
— Entwicklung 171, 172.
— fornicatus 125, 126, 128.
— frontalis inf., medius, sup 124.
— fusiformis 126.
— hippocampi 126.
- feinerer Bau 181, 182.
— insulae 120.
— lingualis 126.
— marginalis int. 128.
- occipitales latt. 126.
- — supp. 125.
— orbitales 124.
— rectus 124.
— semilunaris 1 18.
- subcallosus 119, 124, 143.
— supramarginalis 125.
— temporalis inf., medius, sup.
126.
- temporales transversi 126.
H.
Habenula 105, 110.
Haken d. Gyrus hippocampi 126.
Hakenbündel 140.
Register.
469
Hals-anschwellung 19.
— d. Hintersäule 34.
ganglien d.Sympathicus428.
geflccht 350.
— -nerven 341.
nerven, Rr. postt. 345.
Harnblase, Nervenendigungen
462.
Haube d. Hirnsclienkels 94.
Haubenstrahlung 196.
Hellwegsche Dreikantenbahn
64.
Hemisphäre (en) des Endhirns 65,
114.
— — — Flächen, Form, Lage,
Verbindungen 114.
— d. Kleinhirns 83.
— Mantelteil 120.
— Oberfläche, ventrikuläre 134.
— Stammteil 117.
Hemmungsnerven 11, 457.
Henlesche Scheide 416.
Herzgeflechte 433.
Herznerven, Endigung 435.
— Entwicklung 438.
— von Tieren 434.
Herz, Reizleitungssystem 439.
Hilus nuclei dentati 91.
— olivaris 208.
Hinterhaupt-lappen, Furchen 123.
— — Windungen 125.
pol 117.
Hinterhirn 80.
— -bläschen 167.
Hintersäule d. Rückenmarkes 34.
— Zellen 59.
Hinterstrang 23, 36, 62.
Hinterstränge Ventralfeld 53.
Hinterwurzelzellen 48.
Hippocampus 137.
— feinerer Bau 182.
Hirn-anhang 101.
— -axe 173.
— -blasen, primäre 167.
Hirnfurchen, Einfluß des Alters
131.
— — d. Erziehung 132.
— — d. Geschlechtes 132.
d. Rasse 132.
d. Schädelform 131.
— Entwicklung 171, 172.
— irreguläre 131.
— Korrelation zu Hirnwindun-
gen 130.
— Richtung 129.
— Schemata 130.
Hirnfurchen, Verschiedenheiten,
individuelle 131.
Hirngewicht b. Kindern 70.
— berühmter Personen 69.
Hirnhaut, harte 150.
Hirnnerven 293.
— Austritt aus d. Gehirn 148.
— Durchtritt anSchädclbasis293.
— -kerne, morpholog. Stellung
234.
— Ursprung 223.
— Wurzeln 148.
— Zählung 148.
Hirnplan (Flechsig) 246.
Hirnsand 110.
Hirnschema (Aeby) 243.
— (Meynert) 241, 242.
Hirnschenkel, Bau 223.
fuß 93.
haube 94.
System 145.
Hirnsichel 152.
Hirnwindungen, Allgemeinesl28.
— Einfluß d. Alters 131.
Erziehung 132.
Geschlechtes 132.
Rasse 132.
— Schädelform 131.
— Korrelation zu Hirnfurchen
130.
- Ursachen 128.
— Variabilität 131.
— Verschiedenheiten, individu-
elle 131.
Hoden, Nervenendigungen 462.
Hodologia 235.
Höcker, grauer 98.
Höhlengrau, Begriff des 193.
Hörner des Rückenmarkes 34.
Hörnerv, Ursprung 230.
Hörstrahlung 147.
Hörzentrum 255.
Hornblatt 165.
Hüllen des Gehirns 150.
— des Rückenmarkes 24.
Hypophysen-anlage 169, 170.
blase 170.
dach 151.
gang 170.
Hypophysis 101.
— feinerer Bau 193, 194.
Hypothalamus 97.
I.
Jacobsoni, Plexus tympanicus
324.
Jacobson sehe Anastomose324.
Incisura cercbelli ant., post. 80.
— tentorii 151.
Infundibulum 101.
Insel 119.
— -pol 119.
— -rinde feinerer Bau 179.
— -schwelle 119.
— -Windungen 120.
Insula 119.
Intelligenz und Gyrificierung 129.
Interkostalnerven, Verbindungen
381.
— Zweige 381.
Intima pia 31.
Intumescentia cervicalis, lum-
balis 19.
Isthmus gyri fornicati 126.
— rhombencephali 92.
K.
Kapsel, innere 146.
Kapselzellen 14.
Kaudalnerven 342.
Keilstrang 23, 36.
Kernblatt d. Hippocampus 182.
Kerne d. Gehirns, Definition 9.
— graue d. Endhirns 137.
— d. Kleinhirns 91.
— feinerer Bau 196.
Kern Monakows 262.
— roter 223.
— — feinerer Bau 196.
Strahlungen 147.
Keule 75.
Klauen d. Hippocampus 137.
Kleinhirn 80.
— Arterien 163.
— Bahnen, absteigende 291.
— Gewicht 80.
— Hemisphären 83.
— Kerne, feinerer Bau 196.
— Kerne, graue 91.
— Lage 80.
— Markfortsätze 87.
— Marklager 84.
— olive 91.
— -rinde, feinerer Bau 188.
rinde, Neuroglia 190.
— -seitenstrang 36.
seitenstrang-Bahn 53, 63,
75, 204, 262.
- -sichel 152.
— Stiele 87.
zeit 151.
Rauber-Kopsch, Anatomie. 10. Aufl. V. Abt.
25
17(1
Register.
Kletterfascrn der Kleinhirnrinde
190.
Kniehöcker 109.
Knie, inneres, d. X. facialis 212.
— der inneren Kapsel 138.
Knötchen des Unterwurms 84.
Kölliker, Rückenmarkschema
240.
Körnerschicht, äußere, innere der
Großhirnrinde 176.
— d. Kleinhirnrinde 188.
Körperfiihlsphäre 255.
Kohn, Paraganglien 445.
Kollateralen der Rückenmark-
stränge 56, 57.
Komma, Schultzesches 54,62.
Kommissurenfasern 184.
Kommissurensysteme 142, 242,
293.
Kommissurenzellen 51.
Kommissur, Guddensche 102,
274.
— hintere des Gehirns 113.
— Meynertsche 274.
— vordere d. Gehirns 144.
Korbzellen d. Kleinhirnrinde 189.
Korrelation der Hirnfurchen und
Hirnwindungen 130.
Kreuzbeingeflecht 393.
Kreuznerven, Rr. postt. 348.
Kugelkern 92, 199.
L.
Längsbündel, hinteres mediales
62, 228.
- oberes 139.
— unteres 140.
Lamina (ae) affixa 105, 136.
- basalis d. Kleinhirnrinde 188.
- chorioideae epitheliales 157.
— ext. , int. durae matris 24.
— medulläres (cerebelli) 87.
— — involuta 182.
intt., extt. d. Linsenkernes
191.
- des Thalamus 106, 194.
— quadrigemina 94.
— rostralis 143.
- septi pellucidi 125.
— terminalis 101, 102, 169.
Lateralkern, kleinzelliger d. Ocu-
lomotorius 227.
Lebensbaum 87.
Leber, Nervenendigungen 460.
Leitungsbahnen 235, 257.
Leitungsbahnen, historische Ent-
wicklung der Lehre von 239.
— Gesamtübersicht 252.
— Untersuchungsmethoden 236.
Leitungssysteme , aufsteigende
258.
— absteigende 276.
Lemniscus lat.(acusticus) 92,216.
— lat., medialis 92.
— medialis (sensitivus) 92, 200.
Lenden-anschwellung 19.
geflecht 383.
— -nerven 342.
— -nerven, Rr. postt. 347.
Leptomeninx 24, 155.
Ligamentum (a) antt. durae matris
27.
— denticulatum 28.
— dorsolatt. durae matris 27.
— intervertebrale cervicale 27.
Limen insulae 118, 1 19.
Lingula cerebelli 84.
Linsenkern 138.
— -schlinge 147, 192.
Liquor cerebrospinalis 31.
— eneephalicus 161.
— encephalospinalis 155, 161.
— subarachnoidalis 155.
Lissauersches Bündel 36.
Lobulus biventer 83.
— centralis 84.
— paracentralis 125.
— parietalis inf., sup. 125.
— quadrangularis 83.
— semilunaris inf., sup. 83.
Lobus olfactorius 118.
feinerer Bau 183, 184.
— opertus 119.
Locus caeruleus 79, 219.
Ludwigscher Haufen 434.
Lungenmagennerv,Ursprung232.
Luysii corpus, feinerer Bau 196.
Lymphraum, epiduraler, inter-
duraler 24.
Lyra Davidis 141.
M.
Magendii, Foramen 157, 160.
Mandel d. Kleinhirns 83.
— -kern 139.
Mantelspalte d. Gehirns 65.
Mantelteil d. Hemisphäre 120.
Mantelzellen 14.
Mar chi sehe Methode 18.
Marginalzellen 35.
Markbrücke 36.
Mark-fortsätze d. Kleinhirns 87.
— -kegel d. Rückenmarkes 19.
kern d. Kleinhirnolive 91,
196.
— -kügelchen 65.
— -lager d. Kleinhirns 84.
lager d. Wurms 87.
-leisten d. Endhirns 139.
— -mantel d. Rückenmarkes 35.
— -Scheidenentwicklung 18,237.
— -scheidenfärbung Weigert
18.
segel 92.
— -segel, hinteres 84.
— -segel, vorderes 88.
— -stränge d. Rückenmarkes 23.
— -strahlen d. Hirnrinde 171.
— verlängertes 71.
— — Arterien 163.
— — feinerer Bau 199.
Massa intermedia 106, 109, 113.
Meckeli, Eminentiacollateralis
123.
Medianusschlinge 364.
Medulla oblongata 71.
Medullarplatte 165.
Medullarrohr 165.
Medullarsegmente 168.
Medulla spinalis 19.
Meißnersches Geflecht 443.
Meninges 150.
Mesencephalon 93.
Metathalamus 109.
Metencephalon 80.
Methode Marchische 18.
Methylenblaufärbung, vitale 18.
Meynert, Leitungsbahnen 241.
Meynertsches Bündel 109.
— Kommissur 274.
Mikrocephalengehirne 132.
Milz, Nervenendigungen 459.
Mitralzellen 184.
Mittelfeld d. grauen Säule 59.
— d. grauen Substanz 51.
Mittelhirn 93.
— Arterien 163.
— feinerer Bau 199.
bläschen 167.
Mittelzellen d. Rückenmarkes 35.
Molekül arschichtd. Endhirnrinde
176.
Monakows Bündelöl, 196,283.
— Kern 262.
Monroi Foramen interventricu-
lare 113, 134.
Monticulus 84.
Register.
471
Muskulatur, glatte, Nervenendi-
gungen 458.
Myomeren 419.
N.
Nackenhöcker 169.
Nackenkrümmung 169.
Nebcnflocke 84.
Nebenorgane d.Sympathicus 445.
Nebenzellen d.Rückenmarkes35.
Nerven, Anastomosen 14.
— -apparate, sensible d. Spinal-
ganglien 418.
- -bahnen, Definition 9.
— Bau 415.
— Blutgefäße d. 416, 418.
— -bündel, Definition 9.
— -eintritt in die Muskeln 423.
faserfilz 5, 6, 44.
— -fasern 5.
— -kerne, Definition 9.
kitt 38.
— -lehre, allgemeine 1.
— -lehre, Einteilung 1.
lehre, Geschichtliches 2.
' — -lehre, spezielle 19.
— -netz 5, 6.
— Organstruktur 12.
plexus, Einteilung 17.
— -plexus, Entstehung 13.
— Reizleitung, Geschwindigkeit
12.
Nervensegment, Typus 3.
Nerven, sekretorische 11.
Nervensystem, sympathisches
427.
— Untersuchungsmethoden 17.
— vegetatives 427.
Nerven, trophische 11.
— Verbindungen 14.
— -wurzeln, Definition 11.
— -wurzeln vordere, Ursprungs-
kerne 59.
— -wurzeln, Zahl der Fasern 57.
zellen 5.
— -zellen d. Rückenmarkes 46.
— -zellen d. Spinalganglien 48.
— -Zentren, Definition 9.
Nervulus sphenoidalis ext. 315.
int. 314.
Nervus (i) abducens, Austritt a. d.
Gehirn 150.
— — peripherer Verlauf 316.
— — Ursprung 229.
— accessorius, Austritt a. d. Ge-
hirn 150.
Nervus (i) accessorius, periphe-
rer Verlauf 332.
Ursprung 233.
— acusticus, Austritt a. d. Gehirn
150.
— — Bahn, zentrale 268.
— — peripherer Verlauf 322.
Ursprung 230.
— alveolaris inf. 311.
— alveolares inff. antt. postt.312.
— — supp. 303.
— ampullaris inf., lat., sup. 323.
— anocoecygeus 413.
— arteriae femoralis proprius
389.
— auriculares antt. 311.
— auricularis magnus 350.
post. 318.
— auriculotemporalis 310.
— axillaris 363.
— buccinatorius 310.
— canalismusculo-peronaei404.
pterygoidei (Vidii) 305.
— cardiacus ansäe hypoglossi
336.
imus 433.
inf. 433.
— — medius 432.
sup. 431.
— carotici 432.
extt. 431.
— caroticotympanicus inf., sup.
324, 450.
— caroticus int. 431, 449.
— cavernosus clitoridis major,
minores 449.
— — penis major, minores 448.
— cerebrales 293.
— cervicales 341.
— cervicalis I, II 345, 346.
descendens inf. 336, 352.
— ciliares breves 297.
longi 299, 301.
— clunium inff. 395.
medii 348.
supp. 347.
— coecygei 342.
— coecygeus 413.
— Cochleae 323.
— — Bahn, zentrale 268.
— cutaneus(i)abdominalesantt.,
latt. 382.
— — antibrachii dorsalis 374.
lat. 364.
— — — medialis 373.
brachii lat. 363.
Nervus (i) cutaneus (i) brachii
medialis 373.
— post. 374.
colli 322, 351.
cruris mediales 393.
— — dorsalis intermedius 399.
lat. 404.
medialis 399.
— — femoris lat. 386.
post. 395.
— — pectoris antt. 382.
latt. 382.
— — surae lat. 399.
— medialis 404.
— depressor 327.
— digitales dorsales hallucis lat.
et digiti II medialis 403.
— — — n. radialis 376.
n. ulnaris 370.
pedis 399.
plantares communes 1 — III
408.
- — communis IV 408.
— propra 408.
— — volaris communis I, II, III
369.
IV 370.
— — (n. mediani) 366.
— (n. ulnaris) 370.
— — — indicis radialis 369.
— — — pollicis radialis 369.
— — — — ulnaris 369.
— proprii (n. mediani)
366.
— dorsalis clitoridis 410.
penis 410.
scapulae 359.
— erigentes 448.
— ethmoidalis ant, post. 301,
302.
— facialis, Austritt a. d. Gehirn
150.
Bahn, zentrale 279.
peripherer Verlauf 316.
Ursprung 229.
— femoralis 389.
— frontalis 301.
— genitofemoralis 385.
— glossopharyngeus, Austritt a.
d. Gehirn 150.
Bahn, zentrale 266, 281.
— — peripherer Verlauf 323.
Ursprung 231.
— glutaeus inf. 395.
sup. 394.
— haemorrhoidalis inf. 410.
25 :i
172
Register.
Nervus (i) haemorrhoidales medii
413.
supp. 444.
— hypoglossus, Austritt a. d.
Gehirn 150.
Bahn, zentrale 281.
Entwicklung 334.
Ganglion 233, 334.
— — peripherer Verlauf 334.
— — Ursprung 233.
— iliohypogastricus 385.
— ilioinguinalis 385.
— infraorbitalis 303.
— infratrochlearis 301.
— intercostales 379.
— intercostobrachialis 373, 382.
— intermedius 316.
— — Bahn, zentrale 268.
— — Ursprung 230.
— interosseus (antibrachii) dor-
salis 375.
— — — volaris 365.
— — cruris 407.
pedis 403.
— ischiadicus 394, 395.
— jugularis 431, 449.
— labiales antt. 385.
postt. 410.
— lacrimalis 300.
— laryngeus inf. 328.
sup. 327.
— lingualis 312.
— lumbales 342.
— lumboinguinalis 386.
— mandibularis 309.
— massetericus 310.
— masticatorius 309, 310.
— maxillaris 302.
— meatus auditorii ext. 311.
— medianus 364.
— membranae interosseae anti-
brachii 365.
— meningeus (medius) 302.
— mentalis 312.
— musculocutaneus 364.
— mylohyoideus 311.
— nasociliaris 301.
— nasopalatinus (Scarpae)
305, 306.
— nervorum 416.
— obturatorius 393.
— — accessorius 393.
— occipitalis major 340, 345, 347.
— — minor 350.
— seeundus 350.
— — tertius 345.
Nervus (i) oculomotorius, Aus-
tritt a. d. Gehirn 149.
— — peripherer Verlauf 297.
Ursprung 224.
- olfactorii 118.
— — Austritt a. d. Gehirn 148.
— — Bahn, zentrale 275.
latt., mediales 294.
Ursprung 224.
— — peripherer Verlauf 294.
— ophthalmicus 300.
— opticus 102.
— — Austritt a. d. Gehirn 148.
Bahn, zentrale 272.
— — Ursprung 224.
— — peripherer Verlauf 294.
— palatini 309.
— palatinus ant., medius, post.
309.
— perforans lig. sacrotuberosum
410.
— perinei 410.
— — lat., medialis 410.
— peronaeus communis 396.
- prof. 400.
— — superf. 399.
— petrosus prof. 306, 450.
— minor. 450.
superf.major 305,318,450.
— minor 314.
— phrenicus 353.
Bahn, zentrale 279.
— plantaris lat. 408.
lat. digiti V 408.
medialis 407.
— pneumogastricus 325.
— pterygoideus ext., int. 310.
— pudendus 410.
— radialis 373.
— recurrens 328.
— saecularis 323.
— sacrales 342.
— saphenus 390.
— scrotales antt. 385.
- postt. 410.
— spermaticus ext. 385.
— sphenopalatini 305.
— spinales, Allgemeines 336.
— — Radices 336.
Rami 338.
Zahl 336.
— spinosus 310
— splanchnicus major 439.
— — minimus, imus 440.
minor 440.
— — sacrales 447.
Nervus (i) stapedius 318.
— stylopharyngeus 324.
— subclavius 360.
— subcostalis 379.
■ — subungualis 313.
— suboccipitalis 345.
— subscapulares 363.
— supraclaviculares antt., [me-
dii., postt. 351.
— supraorbitalis 301.
— suprascapularis 360.
— supratrochlearis 301.
— suralis 404.
— temporalisprof. ant., post. 310.
— tensoris tympani 310.
— — veli palatini 310.
— tentorii 300.
— terminalis 148.
— thoracales 341.
antt. 360.
postt. 359.
— thoracalis longus 359.
— thoracodorsalis 363.
— tibialis 404.
— trigeminus, Austritt a. d. Ge-
hirn 150.
Bahn, zentrale 266, 279.
Verbreitungsgebiet 315.
Ursprung 228.
— — Verlauf, peripherer 300.
— trochlearis, Austritt a. d. Ge-
hirn 149.
— — Ursprung 228.
— — peripherer Verlauf 299.
— tympanicus 324.
— ulnaris 369.
— utricularis 323.
— vaginales 413.
— vagus, Austritt aus d. Gehirn
150.
Bahn, zentrale 268, 281.
— — peripherer Verlauf 325.
— — Ursprung 232.
— vesicales inff. 413.
— — inff., supp. 448.
— vestibuli 323.
— — Bahn, zentrale 272.
— volaris digiti V radialis, ul-
naris 370.
IV ulnaris 370.
— zygomaticus 303.
Nest d. Kleinhirns 83.
Neuroglia 38.
— d. Kleinhirnrinde 190.
— der grauen Substanz 44.
— der weißen Substanz 45.
Register.
473
Neurogliazellen d. Großhirnrinde
178.
Neurohypophyse IUI, 193.
Ncurokeratin 38.
Neurologie, allgemeine 1.
— Einteilung 1.
— Geschichtliches 2.
— spezielle 19.
Neuromeren 168, 419.
Neuron 6.
Neuronen, effektorische 11.
— interzentrale 11.
— motorische 11.
— Ordnung versch. 9.
— rezeptorische II.
— vasodilatierende 11.
— vasokonstriktorische 11.
— vasomotorische 11.
— zentrifugale 11.
— zentripetale 1 1.
Neuronia extt., intt. 47.
Neuropilem 44.
Neuroporus 173.
— ant. 105.
Nidus avis cerebelli 83.
Niere, Nervenendigungen 462.
Nodulus 84.
Nodus cerebri 80.
Nucleus (i) alae cinereae 79, 200.
— ambiguus 207.
— amygdalae 139.
— arcuati 204.
— caudatus 135, 137.
feinerer Bau 191.
— centralis sup. 220.
— corporis mamillaris 97.
— dentatus cerebelli 91, 196.
— dorsalis 35, 59.
(Stillingi, Clarkii) 35.
n. accessorii 200.
raphes 219.
— emboliformis 92.
— eminentiae medialis 207.
— fasciculi euneati 75, 199.
gracilis 75, 199.
— fastigii 91.
— funiculi teretis 207.
— globosus 92.
— habenulae 109, 110.
— hypothalamicus, feinerer Bau
196.
— intercalatus 207.
- laterales d. Oblongata 204.
— lateralis n. oculomotorii 220.
— lemnisci lat. 220.
— lentiformis 138.
Nucleus (i) lentiformis, feinerer
Bau 191.
— medialis n. oculomotorii 223.
— motorius n. trigemini 216.
— n. abducentis 212.
— n. cochlearis dorsalis, ven-
tralis 211, 230.
— n. facialis 212.
— n. hypoglossi 203.
- n. trochlearis 220.
— n. vestibularis lat. (Deiters)
212, 231.
— n. vestibularis medialis
(Schwalbe) 208, 231.
— n. vestibularis sup. (Bech-
terew) 212, 231.
— olivaris accessorius dorsalis
207.
medialis 204.
inf. 75, 207.
Entstehung 173.
sup. 215.
— originis 223.
— pontis 215.
— praepositus n. hypoglossi 211.
— reticularis tegmenti 212.
— ruber 223.
— sensibilis n. vagi 200.
— sensibiles n. trigemini 216.
— terminales 224.
— thalami ant., lat., medial. 106.
— tractus solitarii 204.
— tractus spinalis n. V. 200.
— trapezoides 215, 230.
— tuberculi acustici 230.
O.
Oberwurm 83.
Obex 72.
Oesophagus, Nervenendigungen
460.
Oliva 72.
Olive 72.
Olivenkern 75.
Operculum 120.
Organstruktur d. Ganglien 13.
— d. Nerven 12.
— d. Nervensystems, Allgemei-
nes 4.
P.
Pacchionische Granulationen
156.
Pachymeninx spinalis 24.
Paraganglien (Kohn) 445.
Paraganglion intercaroticum 446.
— lumbale 446.
Paraganglion suprarenale 446.
Parictalorgan 110.
Pars basilaris.dors. pontis 80,2 15.
— centralis des Scitenvcntrikels
135, 136.
— descendens nervi IV 219.
— inf. intermedia, sup. fossae
rhomboideae 79.
— libera columnae fornicis 140.
— mamillaris hypothalami 97.
— opercularis, orbitalis.triangu-
laris 124.
— optica hypothalami 98.
— prima radicis n. facialis 212,
230.
— seeunda radicis n. facialis 230.
— supra-.infraclavicularisd. Ple-
xus brachialis 355.
— teeta columnae fornicis 109,
140.
Paukensaite 318.
Pedunculi cerebri 93.
Pedunculus corporis callosi 124,
143.
- floeculi 83.
— nuclei olivaris 208.
Perineurallamellen 12.
Perineurium 12.
Pfropfkern 92, 199.
Piagefäße 156.
Pia mater Blutgefäße 162.
encephali 157.
- Nerven 31, 162.
spinalis 31.
Piatrichter 31, 158.
Pinselzellen 44.
Plexus aorticus abdominalis 439,
444.
thoracalis 439, 440.
— arteriae cerebri ant. 451.
— — — mediae 451.
— — chorioideae 451.
— auricularis post. 432.
bildungen d. Nerven 14.
— brachialis 354.
— bronchialis 433.
— cardiacus prof., superf. 433.
— caroticus communis 432.
ext. 432.
int. 297, 450.
— cavernosus 450.
— — clitoridis 449.
— — penis 448.
— cervicalis 350.
Hautäste 350.
- post. 345.
474
Register.
Plexus Cervicitis, Verbindungen
350.
— cervicobrachialis 341.
— chorioidci 158.
— — Entwicklung 173.
ventriculi lat. 105, 158.
- — ventriculi tertii 158.
- coccygeus 413.
— coeliacus 441.
— coronarius cordis ant., post.
434.
— deferentialis 448.
— dentalis inf. 312.
— — sup. 304.
— epicardiacus 436.
— femoralis 444.
— gastricus ant. 330, 332.
inf. 443.
post. 332.
sup. 442.
— haemorrhoidalis medius 448.
- — sup. 444.
— hepaticus 442.
- hypogastrici inff. 447.
- hypogastricus sup. 445.
— iliacus 444.
— infraorbitalis 322.
- intestinalis 341.
— latt.,mediusventriculiIV, 160.
— lienalis 443.
- lingualis 432.
- lumbalis 383.
— lumbosacralis 341, 383.
— mammarius int. 433.
— maxillaris ext. 432.
int. 432.
— meningeus 341, 432.
ant., post. 349.
— mesentericus inf. 444.
— — sup. 443.
- myentericus 327, 443.
— nervosus piae matris 32.
— occipitalis 432.
- oesophagei ant., post. 330.
- ophthalmicus 451.
- parotideus n. facialis 317.
— pharyngeus 324, 327.
— — ascendens 432.
— phrenicus 354, 442.
— popliteus 444.
— prostaticus 448.
— pudendus 409.
— pulmonalis ant., post. 330.
— — n. sympathici 434.
— renalis 442.
— sacralis 383, 393.
Plexus sacralis post. 348.
— seminalis 448.
— solaris 441.
- spermaticus 442.
— subclavius 433.
— submucosus 327, 443.
— suprarenalis 442.
— sympathici 427.
— temporalis superfic. 432.
— thyreoideus inf. 432.
- sup. 432.
— trachealis 433.
- tympanicus (Jacobsoni)
324, 450.
— uterovaginalis 449.
— vertebralis 349, 433.
- vesicalis 448.
Pltca chorioidea 173.
— petroclinoidea lat., medialis
151, 293.
Polster d. Thalamus 106.
Polus frontalis, occipitalis, tem-
poralis d. Gehirns 1 17.
Pons (Varoli) 80.
Portio major, minor n. trigemini
228, 300.
Porus abducentis 294.
— hypoglossi 294.
— oculomotorii 293.
— trigemini 293.
— trochlearis 293.
Praecuneus 125.
Processus infundibuli 170.
Projektionsbahnen, kurze 147.
— lange 147.
Projektionsfasern 187.
Projektionssysteme 145.
Propons 76.
Psalterium 141.
Pulvinar 106.
Purkinjesche Zellen 188.
Putamen 138.
Pyramidenbahn 147, 276.
Pyramidenbahnen d. Tiere 61.
Pyramide d. Unterwurms 84.
Pyramiden-kreuzung 71.
— -Schicht d. Großhirnrinde
176.
— -seitenstrang 35.
— -seitenstrangbahn 61, 277.
— -vorderstrang 35.
— -vorderstrangbahn 60, 277.
zellen 176.
Pyramis medullae oblongatae
72.
— vermis 84.
Radiatio corporis callosi 143.
— occipitothalamica 140.
Radix (ices)antt.,postt. d. Rücken-
markes 53, 54.
— — — d. Rückenmarknerven
336.
— ascendens fornicis 142.
— brevis (motoria) ganglii ci-
liaris 297.
— cochlearis 323.
— descendens IX, X 203.
— — fornicis 142.
n. vestibularis 208.
- ganglii otici 314.
— — submaxillaris 315.
- lat., medial. d.Tractusopticus
102.
— longa (sensitiva) ganglii ci-
liaris 297, 301.
— media (sympathica) ganglii
ciliaris 297.
— meseneephalica n. trigemini
216, 228, 281, 300.
— n. spinalis 336.
— symp. gangl. submax. 432.
— vestibularis 323.
Räume, subarachnoidale 155.
Ramuli spirales 323.
— tympanici 324.
Ramus (i) alveolares supp. postt.
303.
ant. 304.
— alveolaris sup. medius 304.
— anastomoticus (i) (ggl. otici)
c. n. auriculotemporali 315.
(ggl. otici) c. chorda tym-
pani 315.
- (ggl. otici) cum n. spinoso
314.
— — (n. auriculotemporalis) c.
n. faciali 311.
I (n. digit. vol. com. III) c.
n. ulnari 369.
— — (n. facialis) c. n. glosso-
pharyngeo 321.
— — (n. facialis) c. plexu tym-
panico 318.
— — (n. facialis) c. ramo auri-
culari n. vagi 318.
— — (n. glossopharyngei) c. n.
vago 324.
— — (n. glossopharyngei) c.
plexu tympanico 324.
— — (n. glossopharyngei) c.
ramo auriculari n. vagi 324.
Register.
Raums anastomoticus (i) (n.
hypoglossi) c. ansa cervicali
prima, seeunda 334, 335.
(n. hypoglossi) c. ganglio
cervicali sup. 334.
— — (n. hypoglossi) c. ganglio
nodoso n. vagi 334.
— — (n. lacrimalis) c. n. zygo-
matico 300.
— — (n. laryngei sup.) c. n.
laryngeo in f. 327.
— — (n. lingualis) c. n. hypo-
glosso 313.
— — (n. mediani) c. n. muscu-
locutaneo 365.
— — (n. mediani) c. n.ulnari366.
(n. tvmpanici) c. n. faciali
324.
— — (n. tvmpanici) c. n. sym-
pathico 324.
(n. tympanici) c. n. vago
324.
— — (n. tympanici) c. ramoauri-
culari n. vagi 324.
— — (n. ulnaris) c. n. mediano
370.
— — inf. sup. (n. vagi) c. ggl.
cervicali sup. 327.
— — (n. vagi) c. n. accessorio
327.
— — (n. vagi) c. n. glossopha-
ryngeo 326.
(n. vagi) c. n. hypoglosso
327.
peronaeus 399, 404.
ulnaris d. R. superf. n.
radialis 376.
— anteriores d. Brustnerven 379.
— antt. d. Spinalnerven 349.
— ant., post. n. laryngei inf. 329.
— ant., post. n. obturatorii 393.
— articularis (es) genus sup. 399.
— — n. auriculotemporalis 311.
— — n. axillaris 363.
n. ischiadici 396.
n. mediani 365.
n. obturatorii 393.
n. tibialis 404.
n. ulnaris 370.
— auricularis (n. facialis) 318.
n. vagi 326.
— bronchiales antt., postt. n.
vagi 330.
— buccales (n. facialis) 321.
— calcanei latt. 404.
mediales 407.
Ramus (i) cardiaci inff. , supp.
328, 329, 330.
— caroticus n. laryngei sup. 327.
— cocliaci n, vagi 332.
— colici 443.
— collateralis ulnaris n. radialis
374.
- colli (n. facialis) 322.
— communicans albus, griseus
415.
— — (n. auriculo-temp.) c. gan-
glio otico 311.
— — (n. hypoglossi) c. n. lin-
guali trigemini 336.
— communicantes 413, 427, 430.
— — c. n. linguali (ggl. sub-
maxillaris) 315.
— cutanea antt., latt. d. Inter-
kostalnerven 382.
ant., lat. d. N. iliohypo-
gastricus 385.
antt., latt. (pectorales et
abdominales) 382.
antt. d. N. femoralis 389.
— — brachii (n. cutanei anti-
brachii medialis) 373.
femoris postt. 395.
— — obturatorius 393.
palmaris (n. ulnaris) 370.
— descendens hypoglossi 335.
— dentales 304.
inff. 312.
supp. 304.
— diaphragmatici n. phrenici
354.
— digastricus (n. facialis) 321.
— dorsalis manus 370.
— epiglottici 327.
— ext., int. n. accessorii 332.
— ext., int. n. laryngei sup. 327
— frontales 301.
— gastrici n. vagi 332.
— geniohyoideus 336.
— gingivales inff. 312.
— — supp. 304.
— glandis 413.
— hepatici n. vagi 332.
— incisivus 312.
— inf., sup.d.Oculomotorius297,
— infrapatellaris 393.
— intergangliares 427.
— intertubercularis 363.
— intestinales 443.
— isthmi faucium 313.
— labiales inff. 312.
supp. 305.
Ramus (i) lacrimales 300.
— laryngopharyngci 432.
— lienalcs n. vagi 332.
- linguales 313.
n. glossopharyngei 324.
n. hypoglossi 336.
n. vagi 327.
— mammarii latt., mediales 382.
- marginalis mandibulae 321.
— membranae tympani 311.
— meningeid. Spinalnerven 348.
— meningeus n. hypoglossi 336.
— — n. vagi 325.
— mentales 312.
— musculares n. axillaris 363.
— — n. femoralis 390.
d. Interkostalnerven 381.
n. ischiadici 396.
n. mediani 365.
n. perinei 410.
n. peronaei superfic. 399.
plexus lumbalis 384.
— — n. radialis 374.
n. tibialis 404.
n. ulnaris 370.
— nasales antt., extt., intt., latt.,
med. 302.
— nasales extt., intt. 305.
postt., inff. (latt.) 309.
supp. (latt.) 306.
— supp. 306.
— supp. mediales 306.
— nasalis 304.
— n. spinalis 338.
— occipitalis (n. facialis) 318.
— oesophagei n. vagi 329, 330.
— orbitales 309.
— palmaris n. mediani 366.
— palpebralis 300.
— palpebralis inf., sup. 301.
inff. 305.
— pancreaticoduodenales 443.
— parotidein. auriculotemp.311.
— perforantes (n. ulnaris) 373.
— pericardiacus n. phrenici 354.
— pericardiaci n. vagi 330.
— perineales d. N. cut. femoris
post. 395.
— peritonaeales d. Interkostal-
nerven 382.
— pharyngei n. glossopharyngei
324.
n. vagi 327.
— phrenicoabdominalis 354.
— pleurales d. Interkostalnerven
382.
476
Register.
Ramus (i) pleurales n. phrenici
354.
— popliteus n. tibialis 404.
- posteriores d. Brustnerven
347.
- — der Halsnervcn 345.
— d. Kreuznerven 348.
- — d. Lendennerven 347.
- — d. Spinalnerven 342.
d. Steißnerven 348.
- profundus n. plantaris lat. 408.
n. radialis 375.
— — n. ulnaris 370.
- pulmonales 434.
— renales n. vagi 332.
— renalis 440.
— sternocleidomastoidcus 352.
— stylohyoideus(n.facialis)321.
— submaxillaris des Ggl. sub-
maxillare 315.
- superficialis n. plantaris lat.
408.
n. radialis 376.
— — n. ulnaris 370.
— temporales (n. facialis) 321.
superficiales 311.
— terminalisradialis(n.mediani)
369.
- — ulnaris (n. mediani) 369.
— thyreohyoideus 336.
— tonsillares n.glossopharyngei
324.
- tracheales inff. n. vagi 330,
- — et oesophagei supp. 329.
— transversid.Sympathicus427.
— trapezius 352.
- tubae 324.
— vasculares n. hypoglossi 336.
- volaris digiti IV ulnaris 370.
V. radialis 370.
— medii ulnaris 369.
— medii radialis 369.
- — — quarti radialis 369.
— — indicis ulnaris 369.
— — manus 370.
— volaris, ulnaris (n. cutanei
antibrachii medialis) 373.
- zygomatici (n. facialis) 321.
— zygomaticofacialis 303.
- zygomaticotemporalis 303.
Randbogen d. embryonalen Hirn-
wand 172.
Raplic d. Oblongata 204.
Rathkesche Tasche 169.
Rauber, Ansa intergenicularis
110.
Räume, subaraclinoidale 155.
Rautengrube 76.
Recessus infundibuli 101.
— lat. vcntriculi quarti 79, 134.
- opticus 101, 114.
— pinealis 1 10.
— saecularis 102.
— suprapinealis 110.
— triangularis 113.
Reflexbogen 56.
Reflexkollateralen 56.
Reflexneuron 56.
Regiones d. Endhirnrinde 179.
Reil, Stabkranz 146.
— Sulcus circularis 119.
Reizleitung im Nerven, Ge-
schwindigkeit 12.
Reizleitungssystem des Herzens,
Nerven 439.
Remaksche Fasern 415.
Remakscher Knoten 434.
Rete canalis hypoglossi 334.
Retzius, Eminentia saecularis
101.
Rhinencephalon 118.
Rhinocoel 118.
Rhombomeren 168.
Riechbahnen, zentrale 275.
Riechchiasma 145.
Riechlappen 118.
— hinterer 117.
vorderer 119.
Riechnerv, Ursprung 224.
Riechwulst 118.
Riegel 72.
Riesenpyramidenzellen 178.
Rindenfelder d. Hirnrinde, myelo-
genetische 247.
— — — physiologische 252.
— nach d. Zellenschich-
tung 178.
Rindenzellen, kleine, d. Klein-
hirnrinde 189.
Rolandi, Sulcus centralis 121.
Rolandosche Substanz 34.
Rostrum corporis callosi 142.
Rückenfurche 166.
Rückenmark 19.
— Bahnen 60.
— Bau, feinerer 38.
— Durchmesser 21.
- Form, Lage 19.
- Furchen 22.
- Gefäße 32.
— Gesamtaufbau 58.
— Gewicht 22.
Rückenmark-haut, harte, weiche
24.
— Hüllen 24.
— Krümmungen 22.
— Länge 21.
— Lymphgefäße 33.
— Nerven, Allgemeines 336.
— Nervenzellen-anordnung 35.
— — Einteilung 46.
- Querschnittsbilder 33.
— Rindenschicht 46.
j — Schicht, subpiale 46.
— Segmente 21.
- Stränge 22.
— Topographie 21.
— Zackenband 28.
— Zahl d. Fasern 57.
Rumpfplexus, Einteilung 349.
— oberer, unterer 340.
S.
Saccus vasculosus 101.
Säule, Clarkesche 35, 59.
Säulen, graue d. Rückenmarkes
34.
Säule, graue, Mittelfeld 59.
Sakralnerven 342.
Scarpa, Ganglion temporale
432.
— Ggl. vestibuläre 323.
— N. nasopalatinus 305, 306.
Schädelbasis, Durchtritt d. Hirn-
nerven 293.
Schale d. Linsenkerns 138.
Schamgeflecht 409.
Scheide, Henlesche 416.
Scheidenzellen 14.
Scheitelhöcker d. Embryo 169.
Scheitelkrümmung, hintere, vor-
dere d. Gehirns 169.
Scheitelläppchen, oberes, unteres
125.
Scheitellappen, Furchen 122.
— Windungen 125.
Schemata d. Hirnfurchung 130.
Schicht, rostfarbene, d. Kleinhirns
188.
— subpiale 36, 46.
Schläfen-Iappen, Furchen 123.
- -pol. 117.
— -Windungen 126.
Schläfen-Windung, mittlere, obe-
re, untere 126.
Schleife, laterale 92, 219.
- mediale 92, 200.
Schlcifenkrcuzung 200.
Register.
477
Schmetterlingsfigur d. Rücken-
markes 34.
S ch n 1 tzesches Komma 54, 62.
Schwalb e, Nucl. n. vestibularis
medialis 208.
— Sichellappen 127.
— Trigonum habenulae 106.
Schweifkern 135, 137.
Segment, neurales 3.
Segmente d. Rückenmarkes, Lo-
kalisation d. Funktion 421.
Seh-bahnen, Verlauf 272.
hügel 105.
— -nerv, Ursprung 224.
— -region, feinerer Bau 180.
Strahlung 109, 147.
streifen 65.
— -Zentrum 255.
Seiten-platte 166.
säule d. Rückenmarkes 34.
Säulengruppe 35.
Seitenstrang 23, 35, 56, 72.
— -grundbündel 36.
kleinhirnbahn 36.
rest 36.
Seitenventrikel 134.
wände 135.
Sensibilität, rückläufige 57.
Septula medullae spinalis 35.
Septum longitudinale ant. 22, 31.
— pellucidum 125.
feinerer Bau 184.
— post. medullae spin. 22.
— subarachnoidale post. 31.
Sichellappen, Schwalbe 127.
Skeletotopie des Gehirns 234.
Skierozonen 422.
Sonnenbildchen 13.
Sonnengeflecht 441.
Speicheldrüsen.Nervenendigung
459.
Sphärencephalon 174.
Spinalganglien, Bindegewebe
418.
— Größe 339.
— sensible Nervenapparate 418.
— Nervenzellen 48.
Spinalganglienzellen, Ableitung
49.
— bipolare, pseudounipolare
417.
Spinalnerven, Abteilungen 341.
— Rr. anteriores 349.
— Rr. meningei 348.
— Rr. postt. 342.
Spindelläppchen 126.
Spindelwindung 126.
Spinnenwebehaut 24.
Spitzenfortsatz d. Pyramiden-
zellen 176.
Splenium corporis callosi 143.
Sprachzentrum, akustisches 255.
- motorisches 252.
— optisches 255.
Stabkranz 146.
— d. Thalamus 109, 147.
Stammstrang d. Sympathicus 427.
Steißbeingeflecht 413.
Steißnerven, R. post. 348.
Stiel, unterer, vorderer, d. Thala-
mus 109, 147.
Stiele des Kleinhirns 87.
S tillingscher Kern 35.
Stirnlappen, Furchen 121.
— Windungen 124.
Stirnpol 117.
Strahlungen d. Corpus striatum,
d. roten Kerns 147.
Strang, Burdach scher 23, 36,
63.
— Goll scher 23, 36, 62.
Stränge d. Plexus brachialis 355. j
Strang, zarter 23.
— -Zeilen 51.
Stratum cinereum cerebelli 188.
— — fossae rhomboideae 79. I
— gangliosum cerebelli 188.
— glomerulosum, gelatinosum,
granulös, d. Bulbus olfactorius
183, 184.
— granulosum cerebelli 188.
— interolivare lemnisci 211.
— reticulatum d. Thalamus 109.
— zonale d. Oblongata 76.
d. Thalamus 105.
Streifen, Baillargerscher 176.
— Gennarischer 176, 178.
— Vicq. d'Azyrscher 181.
Stria (ae) dorsalis 118.
— intermedia 118.
— longitudinalis lat. 127.
— longitudinales laterales, me-
diales 142.
— medulläres d. Oblongata 79.
— medullaris thalami 105.
— olfactoria lat., medialis 118.
— terminalis 105, 136.
— transversae 142.
Subarachnoidalraum 31.
Subduralraum 27.
Substantia alba, gelatinosa, gri-
sea, nigra 12.
Substantia gelatinosa centralis
34, 44, 58.
post. (Rolandi) 34, 44.
— grisea centralis 34, 44.
— nigra 93, 220.
— perforata ant. 1 17.
— feinerer Bau 184.
post. 94.
— reticularis alba (Arnoldi)
127, 181.
alba 204.
- grisea 203, 204.
Substanz, gelatinöse, graue, wei-
ße d. Zentralnervensystems 12.
— graue, Neuroglia 44.
Mittelfeld 51.
u. weiße, Massenverhält-
nis 37.
— weiße d. Rückenmarkes 35.
d. Endhirnes 139.
— — d. Endhirnes, feinerer Bau
184.
— — Neuroglia 45.
Sulcus (i) d. Endhirnes 6.5, 117,
120.
— basilaris pontis 80.
— centralis (Rolandi) 121.
— — insulae 119.
— cerebelli 83.
— cinguli 122.
— circularis (Reili) 119.
— corporis callosi 122.
- Entwicklung 171, 172.
— frontalis inf., sup. 122.
— horizontalis cerebelli 83.
— hypothalamicus 106, 114.
— interlobares 120.
— intermedius ant., post. me-
dullae spinalis 23.
post. d. Oblongata 72.
— interparietalis 122.
— intralobares 121.
— lat. ant., post. medullae spi-
nalis 22.
d. Oblongata 72.
— lat. mesencephali 93.
— limitans fossae rhomboideae
79.
— limitantes 173.
— medianus fossae rhomboi-
deae 79.
post. medullae spin. 22.
— n. oculomotorii 93.
— occipitales latt., supp. 123.
— occipitalis transversus 121.
- olfactorius 118, 122.
478
Register.
Sulcus (i) orbitales 122.
— parolfactorius ant., post. 122.
— praecentralis 121.
— retrocentralis 122.
— subparietalis 122.
— temporales transversa 124.
— temporalis inf., medius, sup.
124.
Sylvii Fissura cerebri lat. 120.
Sympathicus, elementarer Bau
453.
— Entwicklung 452.
— Entwicklung d. Bauchteils
446.
— Faserverlauf 463.
— Grenzstrang 427.
Xebenorgane 445.
— Nervenendigungen 458.
— physiolog. Faserarten 456.
— der Tiere 451.
Verbreitungsgebiet 456.
Systema nervorum centrale, Ein-
teilung 1.
— — periphericum 1.
— — sympathicum 427.
Taenia chorioidea 105, 136, 162.
— fornicis 141, 162.
— thalami 105, 162.
— ventriculi IV 76, 161.
Taenien d. Gehirns 161.
Tal des Kleinhirns 83.
Tangentialfasern d. Großhirn-
rinde 176.
Tangentialfaserschicht 177.
Tapetum 136, 143.
— -Strahlung 136.
Tarini, Fossa interpeduncu-
laris 94.
Tasche, Rathkesche 169.
Tegmentum 94.
Tegmen ventriculi tertii 114.
— — quarti 76.
Tela (ae) chorioidea ventriculi
tertii 158.
— chorioidea ventriculi quarti
76, 159.
Telencephalon 114, 174.
Telodendron 5.
Tentorium cerebelli 151.
Thalamencephalon 105.
Thalamus 105.
— feinerer Bau 194.
Gitterschicht 109.
- Kerne 108, 109.
Thalamus, Stabkranz 109, 146,
195.
— Stiele 109, 147, 195.
— Strahlungen 147.
— Stratum reticulatum 109.
Tiergehirne, Windungen 133.
Tonsilla cerebelli 83.
Trachea, Nervenendigungen 462.
Tractus bulbothalamicus lat., me-
dialis 261.
— cerebrospinalis 147.
— cervicolumbalis dorsalis
(Flechsig) 64.
— frontopontinus 147.
— habenulopeduncularis 109.
— olfactorius 118.
— — feinerer Bau 184.
— opticus 102.
— rubrospinalis 61, 196, 220.
— solitarius 203, 231.
— spinalis nervi trigemini 200.
— spinoolivaris (Bechterew)
64.
— spinotectalis 64.
— spinothalamicus (Edinger)
64.
— tectobulbaris 287.
— tectospinalis 61, 220.
— temporopontinus 148.
— thalamoolivaris (Bechte-
rew) 207, 220.
— vestibulospinalis 61, 291.
Trapezkern 215, 230.
körper 230.
Trichter 101.
fortsatz 170.
Trigeminuskern , accessorischer
280.
Trigeminus, Verbreitungsgebiet
315.
Trigonum collaterale 136.
— habenulae 106, 110.
— lemnisci 92.
— nervi hypoglossi 79.
— olfactorium 118.
— — feinerer Bau 184.
Truncus corporis callosi 142.
— fissurae lat. cerebri 120.
— lumbosacralis 383, 393.
— sympathicus 427.
Tschisch, Corpus patellare 109.
Tuber cinereum 98.
Tuberculum acusticum 79.
— ant. thalami 106, 109.
— cinereum 75.
— cuneatum 75.
Tuber cinereum 98.
— olfactorium 118.
— vermis 84.
U.
Übergangswindungen 130.
Uncus-Bändchen (Giacomini)
127.
— (gyri hippocampi) 126.
Untersuchungsmethoden d. Ner-
vensystems 17.
Unterwurm 83, 84.
Ursprungskerne vorderer Ner-
venwurzeln 59.
L'rwindungen 1_'9.
Uvula (vermis) 84.
Vagina terminalis 21, 24.
Vallecula cerebelli 83.
— cerebri lat. 1 17.
— lat. 120.
Variabilität d. Hirnwindungen
131.
Varoli, Pons 80.
Vela medullaria 92.
Velum medulläre ant. 76, 88, 92.
post. 76, 84, 92.
Vena (ae) centrales d. Rücken-
markes 32.
— cerebri intt. 158.
magna (Galeni) 158.
— chorioidea 158.
— spinalis ant., post. 32.
— terminalis 105, 158.
Ventralfeld d. Hinterstränge 53.
Ventriculus lat. 134.
— olfactorius 118.
— pinealis 110.
— quartus 76.
— terminalis 37.
— tertius 1 13.
Verbindungen d. Nerven 14.
Verbindungsbahnen 10.
Verbindungsgeflecht 438.
Verbrechertypus d. Hirnfurchen
131.
Vergleichung d. Hirn- u. Rücken-
marknerven 425.
Vermis inf., sup. 83.
Verschiedenheiten, örtliche der
Großhirnrinde 178.
Viae nerveae centrales 235.
Vicq d'Azyrsches Bündel 10!»,
142.
Vicq d'Azyr scher Streifen 181.
Register.
479
Vidii N. canalis pterygoidei 305.
Vierlnigelarme 94.
Vierhügelplatte 94.
Vieussenii ansa subclavia 428.
Vincula lingulae 84.
Vlies 196.
Vliesregion 91.
Vogelsporn 123, 136.
Vorbrückchen 76.
Vordcrhirnblüschen 167.
Vordersäule d. Rückenmarkes 34.
Vordersäulenzellen der hinteren
Wurzeln 50.
Vordersäule, Zellengruppen 35,
59.
Vorderseitenstrang 24.
Vorderstrang 23, 35, 56.
— -grundbündel 35.
rest 35.
Vorderwurzelzellen 47.
Vorhofsgeflecht 438.
Vormauer 138.
Vormauerformation 192.
Vorzwickel 125.
W.
Wald ey er, epiduraler Lymph-
raum 24.
— Markbrücke 36.
— subpiale Schicht 36, 46.
Weigert, Markscheidenfärbung
18.
Wernickesche Stelle 255.
Windung (en) des Gehirns 65.
— von Tiergehirnen 133.
Windung, zungenförmige 126.
Wipfelblatt 84.
W r i sb e rg i, Ganglion cardiacum
431, 433.
Wulst des Unterwurms 84.
Wurm des Kleinhirns 83, 84.
— Marklager 87.
Wurzelcintrittszone 62.
Wurzelfasern, Definition 9.
— hintere 54.
— vordere 53.
Wurzeln, hintere 36, 54.
— der Hirnnerven 148.
— motorische 19, 36, 53.
— sensible 19, 36, 54.
— vordere 36, 53.
Wurzelzellen d. Rückenmarkes
47.
Zackenband d. Rückenmarkes 28.
Zählung der Hirnnerven 148.
Zäpfchen d. Unterwurms 84.
Zahl der Fasern d. Nervenwurzeln
57.
Zellen, chromaffine 445.
— gefensterte der Spinalgan-
glien 49.
— Golgische 5.
gruppen der Vordersäule 35,
59.
— polymorphe d. Großhirnrinde
176, 177.
— Purkinjesche 188.
Zelt 76.
Zentralkanal 34, 37.
Zentralkcrn des Thalamus 109.
Zentralläppchen 84.
Zentralnervensystem, Einteilung
1.
Zentralwindungcn , feinerer Bau
179.
Zentralwindung, hintere 125.
— vordere 124.
Zentren, Definition 9.
— motorische, psychische, sen-
sorische d. Großhirnrinde 252.
Zirbel 110.
— Bau, feinerer 194.
— Entwicklung 170.
Zona incerta 196.
Zonalschicht der Hintersäulen
45, 53.
Zona postrolandica 53.
— spongiosa 36, 45.
— terminalis 35, 36.
Zotten, arachnoidale 156.
Zuckerkandl, Nebenorgane
d. Sympathicus 445.
Züngelchen d. Wurms 84.
Zungenfleischnerv, Ursprung233.
Zungenschlundkopfnerv, Ur-
sprung 231.
Zwickel 126.
Zwinge 139.
Zwischenhirn 97.
— Arterien 164.
— feinerer Bau 192.
Zwischenstränge d. Sympathicus
427.
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Ärzte sein, sollte dieses neue Werk Kohleders, „Die Zeugung unter Blutsverwandten", genau durchstudieren.
(Folia urologica.)
Eine Fundgrube anregenden, durch eigene Forschung befruchteten und durch Kritik gewürzten In-
halts, aus welcher der Arzt viel Belehrung zu schöpfen vermag. (Deutsche Mediz. Wochenschrift.)
Alle vier Bände zusammen gebunden M. 21. — .
Verlag von Georg Thietne in Leipzig.
GRUNDRISS
der
gesamten Röntgendiagnostik
innerer Krankheiten
für Ärzte und Studierende
Dr. Fritz Munk,
Assistent der II. mediz. Klinik der kgl. Charite in Berlin.
Mit 155 Abbildungen.
Geb. M. 7.50.
Das vorliegende Buch soll die Ärzte und Studierenden die Fähigkeit der Deutung der Röntgenbilder lehren
und ihnen die Kenntnisse der wichtigsten tedinischen Prinzipien ihrer Herstellung vermitteln. Die Abbildungen sind
überaus reidihaltig und instruktiv, fast ausschließlich aus Originalaufnahmen geboten, die mit ihren natürlichen
Mängeln und Vorzügen leichter und sachlicher als die schematischen Zeichnungen in die Röntgenkunde einführen.
Wenn das Buch auch vorzüglich für den Lernenden bestimmt ist, so wird doch auch jeder, der schon
längere Zeit interne Röntgendiagnostik betreibt, bei der Lektüre reichliche Belehrung „und Anregung finden.
(Österr. Ärzte-Zeitung.)
Das Büchlein kann angelegentlich jedem Studierenden empfohlen werden.
(Deutsche Medizinische Wochenschrift.)
Über die Ernährung des Auges
von
Dr. med. C. Hamburger,
Augenarzt in Berlin.
Mit 26 Textabbildungen und 8 farbigen Tafeln.
Kart. M. 8.—.
Hamburger hat sich mit dem Thema der Saftströmungen im Auge seit mehr als 15 Jahren experimen-
tell beschäftigt und die gültige Lehre von den Saftbahnen bekämpft. Das Interesse der Arbeit geht weit über
den engen Kreis der Ophthalmologen hinaus, indem sie die Prinzipien der Ernährung der Gewebe an einem
so ausgezeichneten Objekt, wie das Auge ist, klarzulegen sucht.
Die Lehre von den okkulten Blutungen
für Studierende und Ärzte.
Von
Prof. Dr. I. Boas,
Spezialarzt für Magen- und Darmkrankheiten in Berlin.
Mit 5 Abbildungen und 1 farbigen Tafel.
M. 5.—, geb. M. 5.80.
Bei der zweifellos großen diagnostischen Wichtigkeit des Blutnachweises für die Erkenntnis von
Magen-Darmleiden kann man dem übersichtlichen Buche nur weite Verbreitung wünschen.
(Deutsche Medizinische Wochenschrift.)
Verlag von Georg Thieme in Leipzig.
Roth's
Klinische Terminologie
Zusammenstellung der in der Medizin gebräuchlichen technischen
Ausdrücke mit Erklärung ihrer Bedeutung und Ableitung
Dr. E. Oberndörffer,
Berlin.
Achte, zu einem Wörterbuch der gesamten Medizin
erweiterte Auflage.
Geb. M. 12.-.
Die vorliegende 8. Auflage enthält jetzt die vollständig neilbearbeitete Terminologie der Medizin
einschließlich Arzneimittellehre und chemischen Pathologie, der Anatomie, Embryologie, Physiologie und
der physiologischen Chemie.
Das sehr praktische Nachschlagewerk wird der heutigen Empfehlung kaum bedürfen, um auch weiter-
hin seinen Lauf zu machen. (Deutsche Medizinische Wochenschrift.)
Lehrbuch der Organotherapie
mit Berücksichtigung ihrer anatomischen und physiologischen Grundlagen
bearbeitet von
Karl Basch (Prag), Gustav Bayer (Innsbruck), L. Bor-
chardt (Königsberg), Rud. Ehrmann (Berlin), Artur Foges
(Wien), M. Höfler (Bad Tölz), Alfred Kohn (Prag),
Friedr. Pineles (Wien), Julius Wagner von Jauregg (Wien)
Herausgegeben von
Hofrat Prof. Dr. J. Wagner von Jauregg in Wien
und
Privatdozent Dr. G. Bayer in Innsbruck.
Mit 82 Textabbildungen.
M. 13.-, geb. M. 14.—.
Das vorliegende Buch erfüllt eine vorhandene Lücke; es faßt alle Tatsachen zusammen, die für die
Organotherapie von Wichtigkeit sind, und es ist bestimmt, für den Praktiker das zu werden, was Biedls
Work über innere Sekretion für den Theoretiker geworden ist. Es liegt ein Werk vor, dessen Lektüre jedem
Arzte auls wärmste empfohlen werden kann. (Prager Med. Wochenschrift.)
Das Buch kann der .Inneren Sekretion" von Biedl an die Seite gestellt werden. Wer sich mit Studien
der inneren Sekretion befaßt, wird es nicht entbehren können. (Zentralblatt für Chirurgie.)
Verlag von Georg Thieme in Leipzig.
Therapeutische Technik
für die ärztliche Praxis.
Ein Handbuch für Ärzte und Studierende.
Herausgegeben von
Prof. Dr. Julius Schwalbe,
Geh. San. -Rat in Berlin.
Vierte, verbesserte und vermehrte Auflage.
Mit 626 Abbildungen.
Broschiert M. 24.—, Halbfranz gebunden M. 26.50.
INHALT:
Technik der Arzneibereitung und Arznei-
anwendung. Anhang: Arzneiliche Trink-
und Badekuren. Geh. Med. -Rat Prof.
Kobert, Rostock.
Technik der Immunotherapie. Geh. Med-
Rat Prof. A. v. Wassermann u. Dr. M.
Wassermann, Berlin.
Technik der Ernährungstherapie. Geh.
Med.-Rat Prof. K r a u s und Prof . B r u g s c h ,
Berlin.
Technik der Hydro- und Thermotherapie.
Prof. H. Ried er, München.
Technik der Strahlenbehandlung. Dr. H. E.
Schmidt, Berlin.
Technik der Massage. Prof. J. Riedinger,
Würzburg.
Technik der Gymnastik. Prof . J. R i e d i n g e r ,
Würzburg.
Technik der mechanischen Orthopädie.
Prof. J. Riedinger, Würzburg.
Ausgewählte Kapitel aus der allgemeinen
chirurgischen Technik. Geh. Med.-Rat
Prof. O. Hildebrand, Berlin.
Technik der Behandlung der Hautkrank-
heiten und der Syphilis. Prof. S. Bett-
mann, Heidelberg.
Technik der Ernährung des gesunden und
des kranken Säuglings. Prof. Dr. H.
Koeppe, Gießen.
Technik der Behandlung einzelner Organe:
Auge. Geh. Hofr. Prof. Dr. C. v. Heß und
Prof. Dr.W. Loh mann, Oberarzt, München.
Ohr. Prof. Dr. F. Siebenmann, Basel.
Nase, Rachen, Kehlkopf, Trachea,
Bronchien. Prof. Dr. E. P. Friedrich,
Kiel.
Pleura, Lunge. Prof. Dr. G. Hoppe-
Seyler, Kiel.
Herz, Geh. San.-Rat, Prof. Schwalbe, Berlin.
Speiseröhre, Magen, Darm (innere Be-
handlung). Geh. Med.-Rat Prof. Ad.
Schmidt, Halle a. S.
Chirurgische Behandlung des Darmes, Ab-
domens und der Appendicitis. Geh.
Rat Prof. Czerny, Exz., und Prof.
R. Werner, Heidelberg.
Harnorgane. Männliche Genitalor-
gane. Prof. O. Zu ckerkandl, Wien.
Weibliche Genitalorgane. Geh. Ober-
Med.-Rat Prof. Fritsch, (Bonn), und Prof.
Dr. Stoeckel, Kiel.
Nervensystem. Geh. Med.-Rat Prof. v.
Strümpell, Leipzig, und Prof. E. Müller,
Marburg.
Sachregister.
Das vorliegende Werk ist schon bei den früheren Auflagen eingehend besprochen und sein
hoher Wert gebührend hervorgehoben worden. Es erübrigt sich daher, ausführlich auf die neue
Auflage einzugehen, die gegen die vorhergehenden eine erhebliche Verbesserung und Vermehrung
gefunden hat. Einige Abschnitte haben neue Kapitel erhalten, sind durch neue oder bessere Abbil-
dungen sowie überhaupt in jeder Beziehung verbessert worden. Das Buch ist dadurch wieder völlig
auf der Höhe der Zeit und wird noch mehr, wie früher, dem Arzte ein unendlich wertvoller Ratgeber
sein können. (Zeitschrift für Medizinal-Beamte.)
R.-K. Abt. V.